Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 23. Mai 1920.23. Mai 1920 Allgemeine Zeitung greiflich, daß sie bei guten Löhnen im Unternehmerbetriebe Wenn es gelingt, diese Auffassung in Arbeiterkreisen Wie aber kann der Aufbau ins Werk gesetzt werden? Auf diesem Wege wird erreicht, daß die Bewegung von sammen und werden dort verarbeitet. In dieser Form geben Bei den Beschlüssen soll es aber nicht bleiben, sie sollen Eine eifrige und nachhaltige Werbetätigkeit muß ent- Wir kommen zu dem Ergebnis, daß das Werk des Auf- Die Lage in Elsaß-Lothringen. Mit aller Deutlichkeit hat der Streik in Elsaß-Lothringen Es ist heute noch nicht klar ersichtlich, welche politischen Fol- In den Forderungen der Arbeiter findet sich manch eine 23. Mai 1920 Allgemeine Zeitung greiflich, daß ſie bei guten Löhnen im Unternehmerbetriebe Wenn es gelingt, dieſe Auffaſſung in Arbeiterkreiſen Wie aber kann der Aufbau ins Werk geſetzt werden? Auf dieſem Wege wird erreicht, daß die Bewegung von ſammen und werden dort verarbeitet. In dieſer Form geben Bei den Beſchlüſſen ſoll es aber nicht bleiben, ſie ſollen Eine eifrige und nachhaltige Werbetätigkeit muß ent- Wir kommen zu dem Ergebnis, daß das Werk des Auf- Die Lage in Elſaß-Lothringen. Mit aller Deutlichkeit hat der Streik in Elſaß-Lothringen Es iſt heute noch nicht klar erſichtlich, welche politiſchen Fol- In den Forderungen der Arbeiter findet ſich manch eine <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <pb facs="#f0005" n="191"/> <fw place="top" type="header">23. 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Sind ſie zuſammenzubringen, zuſammenzuhal-<lb/> ten und zu Taten zu bewegen? Die heilige Not muß es tun,<lb/> die heiße Liebe zu unſerem Vaterland und Volk müſſen hel-<lb/> fen. Die Erkenntnis, daß etwas geſchehen müſſe, iſt vor-<lb/> handen. Sie findet vielfachen Ausdruck in der Preſſe, faſt<lb/> jeder Meinungsaustauſch über unſere Zuſtände endigt da-<lb/> mit, ſo könne es nicht weitergehen. Dieſe Erkenntnis muß<lb/> zu einem einheitlichen Wollen zuſammenfließen und wie eine<lb/> gewaltige Welle durch das ganze Volk gehen. Dies erfordert<lb/> eine Organiſation, es iſt aber ſchwierig und koſtſpielig, eine<lb/> neue Organiſation zu ſchaffen. Dies führt zu dem Gedanken,<lb/> die beſtehenden Organiſationen zu einer Arbeitsgemeinſchaft<lb/> zuſammenzufaſſen. Wir haben neben den politiſchen Par-<lb/> teien viele Verbände, Vereine und ſonſtige Einrichtungen,<lb/> die auf das Volkswohl gerichtet ſind. Sie haben alle ihr<lb/> beſonderes Arbeitsgebiet, alle wollen aber der Allgemeinheit<lb/> nützen. Es darf angenommen werden, daß die Träger und<lb/> Mitglieder dieſer Beſtrebungen nicht verſagen werden,<lb/> wenn ſie gerufen werden, dem Volke in ſeiner Schickſals-<lb/> ſtunde zu helfen. Indem ſie ſich vereinigen, iſt mit einem<lb/> Schlage eine breite Grundlage für die Bewegung gewonnen.<lb/> Die zentralen Leitungen ſchließen eine gewaltige Summe<lb/> von Einſicht und Erfahrung in ſich, aus ihnen können die<lb/> Männer entnommen werden, die berufen ſind, der neuen<lb/> Einrichtung mit Rat und Tat die Wege zu weiſen. Die<lb/> beſtehenden Organiſationen haben ihre Vertretungen im<lb/> ganzen Reiche. Mann kann alſo überall an Beſtehendes an-<lb/> knüpfen, den örtlichen Vertretungen fällt die Aufgabe zu,<lb/> die großen brachliegenden Kräfte zu mobiliſieren und zu<lb/> einem Block zuſammenzuſchließen.</p><lb/> <p>Auf dieſem Wege wird erreicht, daß die Bewegung von<lb/> vornherein mit einer ſolchen Wucht auftritt, daß ſie beachtet<lb/> werden muß. Es wird die gefährliche Klippe vermieden,<lb/> daß die zagenden und zweifelnden Elemente ſich in dem Ge-<lb/> danken zurückhalten, es werde doch wohl nichts Rechtes aus<lb/> der Sache werden. Man darf hoffen und erwarten, daß von<lb/> vornherein anſehnliche Kräfte zuſammengebracht werden,<lb/> das Weitere hängt davon ab, daß ein Arbeitsprogramm ge-<lb/> funden wird, das ſie in lebendiger Tätigkeit zuſammenhält.<lb/> Hierzu gehört in erſter Linie eine weiſe Selbſtbeſchränkung.<lb/> Es muß ausgeſchieden werden, was trennt und Mißtrauen<lb/> erregt. Die eigentliche Politik, die Standesangelegenheiten<lb/> und die ſozialen Grundfragen werden nicht in Betracht ge-<lb/> zogen, wenigſtens nicht unmittelbar. Nur daß die Kardinal-<lb/> ſätze des Aufbaues Beachtung finden, wird verlangt. Dieſe<lb/> aber ſind Ordnung und Wirtſchaftlichkeit. Nach dieſen Ge-<lb/> ſichtspunkten ins öffentliche Leben einzugreifen, erfordert<lb/> eine Unſumme von Arbeit und Ueberlegung. Das iſt gut,<lb/> denn lebensfähig ſind nur die Gebilde, die eine befriedigende<lb/> Tätigkeit entfalten. Der Aufbau will eine Kontrollinſtanz<lb/> des öffentlichen Lebens in ſeinen großen Fragen ſein, er<lb/> will eine öffentliche Meinung bilden, die auf ſeine For-<lb/> derungen eingeſtellt iſt. Deshalb müſſen die Fragen von all-<lb/> gemeiner Bedeutung durch die Zentralſtelle den örtlichen<lb/> Vertretungen zur Erörterung verſtellt werden. Sie wird<lb/> durch ihr Organ vorarbeiten, nicht um den Vertretungen<lb/> vorzugreifen, ſondern um ihnen das Material zu bringen<lb/> und die Punkte, auf die es ankommt, herauszuarbeiten.<lb/> Die Beſchlüſſe der Vertretungen laufen bei der Zentrale zu-</p><lb/> <cb/> <p>ſammen und werden dort verarbeitet. In dieſer Form geben<lb/> ſie Stoff zu neuen Erörterungen. All dies erfordert viel<lb/> Geſchicklichkeit und Takt, da das Trennende vermieden, das<lb/> Einigende hervorgeholt werden ſoll. Es ſchadet aber auch<lb/> nicht, wenn das Ergebnis der Erörterungen im kleinen und<lb/> großen Kreiſe nicht immer einheitlich iſt. Auch wenn man<lb/> nicht zu einer völligen Einigung kommt, nützt doch eine<lb/> von großzügigem Geiſt getragene Erörterung inſofern, als<lb/> man lernt, die Gründe des anderen zu würdigen. Hiermit<lb/> wird dem Streit ſein Stachel genommen, die Neigung zum<lb/> Mißtrauen und zur Verdächtigung der Geſinnung des<lb/> Gegners bekämpft, eine Wandlung, die man dem deutſchen<lb/> Volke von Herzen wünſchen möchte.</p><lb/> <p>Bei den Beſchlüſſen ſoll es aber nicht bleiben, ſie ſollen<lb/> ſich in eine Kritik von der Schärfe, die den Umſtänden ent-<lb/> ſpricht, umſetzen. Schonungslos ſoll ſie ſich an den Stellen,<lb/> bei denen der Mangel liegt, geltend machen, und aus ihrer<lb/> Nichtbeachtung ſollen die nötigen Folgerungen mit dem<lb/> Stimmzettel gezogen werden. Alle Veranſtaltungen, die die<lb/> Ziele des Aufbaues verfolgen, werden unterſtützt, alle Wah-<lb/> len in dieſem Sinne beeinflußt, wobei es nicht auf die Par-<lb/> teirichtung des Kandidaten, ſondern auf ſeine Geſinnung an-<lb/> kommt.</p><lb/> <p>Eine eifrige und nachhaltige Werbetätigkeit muß ent-<lb/> faltet werden. Verſammlungen müſſen abgehalten und der<lb/> Kampf mit den Gegnern muß aufgenommen werden. Er<lb/> wird vielen wegen der Form, die er anzunehmen pflegt, nicht<lb/> liegen, aber um der Sache willen muß die Scheu überwunden<lb/> werden. Dies wird dadurch erleichtert, daß der Kämpfer für<lb/> den Aufbau immer das moraliſche Uebergewicht hat, denn<lb/> er läßt jedem ſeine ſachliche Meinung und vertritt nur,<lb/> was Vernunft, Recht und Billigkeit verlangen. Neben dem<lb/> öffentlichen Auftreten muß die perſönliche Werbetätigkeit<lb/> hergehen. Von den Vertretern des Umſturzes müſſen wir<lb/> lernen, daß jedem einzelnen nachgegangen werden muß, na-<lb/> mentlich den Arbeitern. Die verſtändigen müſſen angeregt<lb/> werden, ſich geltend zu machen, nicht tatenlos beiſeite zu<lb/> ſtehen, wenn verborgene Drahtzieher und jugendliche Schreier<lb/> die Führung in die Hand nehmen. Sie müſſen ſich nicht<lb/> locken laſſen durch den Ruf der Kameradſchaftlichkeit, denn<lb/> nicht der Standesgenoſſe, ſondern der Gleichgeſinnte iſt ein<lb/> wirklicher Kamerad. Die Gleichgeſinnten aber ſollen ſich<lb/> ſammeln und durch Zuſammenſchluß den Terror bekämpfen.</p><lb/> <p>Wir kommen zu dem Ergebnis, daß das Werk des Auf-<lb/> baues, ſo groß, ſo ſchwierig und dornenvoll es iſt, um un-<lb/> ſeres Volkes willen unternommen werden muß. Es iſt nötig<lb/> und nicht ausſichtslos. An ihm zu arbeiten aber iſt das<lb/> einzige, was in dieſer Zeit wirkliche Befriedigung gewähren<lb/> kann.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Lage in Elſaß-Lothringen.</hi> </head><lb/> <p>Mit aller Deutlichkeit hat der Streik in Elſaß-Lothringen<lb/> die außerordentliche Unzufriedenheit der Einwohner beider Pro-<lb/> vinzen mit der franzöſiſchen Herrſchaft gezeigt. Es war von<lb/> vornherein klar erſichtlich, daß es ſich nicht um einen Kampf<lb/> mit wirtſchaftlichen Zielen, ſondern um eine politiſche Auseinan-<lb/> derſetzung handelte, die vielfach revolutionären Charakter an-<lb/> nahm. Sicherem Einvernehmen nach erklärten ſich die lothrin-<lb/> giſchen Abgeordneten mit dem Streik ſolidariſch, und auch die<lb/> elſaß-lothringiſche Beamten- und Lehrerſchaft ſtellte ſich auf die<lb/> Seite der Streikenden.</p><lb/> <p>Es iſt heute noch nicht klar erſichtlich, welche politiſchen Fol-<lb/> gen ſich insgeſamt aus dem Streik ergeben. Der Generalſtreik<lb/> aber in ſeiner Wucht und Schärfe beſtätigt unſere ſchon mehrfach<lb/> ausgeſprochenen Vermutungen, daß ein beträchtlicher Teil der<lb/> Elſaß-Lothringer bereits heute wieder offen von Frankreich<lb/> wegſtrebt. Die Verhaftungen während der Streiktage richteten<lb/> ſich vornehmlich gegen ſolche Perſonen, die neutraliſtiſcher Be-<lb/> ſtrebungen bezichtigt wurden. Daß ſich unter den Anführern des<lb/> Streiks auch kommuniſtiſche Elemente befanden, iſt bei der<lb/> heutigen ſozialen Lage in faſt allen Weltſtaaten ſelbſtverſtändlich.</p><lb/> <p>In den Forderungen der Arbeiter findet ſich manch eine<lb/> wirtſchaftliche Klauſel. In der Hauptſache aber ſind es ſolche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [191/0005]
23. Mai 1920 Allgemeine Zeitung
greiflich, daß ſie bei guten Löhnen im Unternehmerbetriebe
beſſer fahren als bei mäßigen Bezügen im ſozialen Betriebe.
Ueber die Wirtſchaftsform mögen Cheorie und Praxis ent-
ſcheiden, aus unſeren Beſtrebungen ſcheidet die Frage aus.
Das allſeitige Intereſſe erfordert nur, daß bei allen Maß-
nahmen Vorſicht und Beſonnenheit herrſchen, dieſes um ſo
mehr, als jede Umſtellung mit Opfern verbunden iſt, die
uns jetzt ſchwerer fallen als je.
Wenn es gelingt, dieſe Auffaſſung in Arbeiterkreiſen
zu verbreiten und zu befeſtigen, ſo ſind auch dieſe Arbeiter
natürliche Mitſtreiter für den Aufbau.
Wie aber kann der Aufbau ins Werk geſetzt werden?
Offenſichtlich nur, wenn es gelingt, große Maſſen für ihn zu
gewinnen, Maſſen, die gewillt ſind, ſich zur Geltung zu brin-
gen und ſich nicht ſcheuen dafür zu kämpfen, wann und wo
es nötig iſt. Sind ſie zuſammenzubringen, zuſammenzuhal-
ten und zu Taten zu bewegen? Die heilige Not muß es tun,
die heiße Liebe zu unſerem Vaterland und Volk müſſen hel-
fen. Die Erkenntnis, daß etwas geſchehen müſſe, iſt vor-
handen. Sie findet vielfachen Ausdruck in der Preſſe, faſt
jeder Meinungsaustauſch über unſere Zuſtände endigt da-
mit, ſo könne es nicht weitergehen. Dieſe Erkenntnis muß
zu einem einheitlichen Wollen zuſammenfließen und wie eine
gewaltige Welle durch das ganze Volk gehen. Dies erfordert
eine Organiſation, es iſt aber ſchwierig und koſtſpielig, eine
neue Organiſation zu ſchaffen. Dies führt zu dem Gedanken,
die beſtehenden Organiſationen zu einer Arbeitsgemeinſchaft
zuſammenzufaſſen. Wir haben neben den politiſchen Par-
teien viele Verbände, Vereine und ſonſtige Einrichtungen,
die auf das Volkswohl gerichtet ſind. Sie haben alle ihr
beſonderes Arbeitsgebiet, alle wollen aber der Allgemeinheit
nützen. Es darf angenommen werden, daß die Träger und
Mitglieder dieſer Beſtrebungen nicht verſagen werden,
wenn ſie gerufen werden, dem Volke in ſeiner Schickſals-
ſtunde zu helfen. Indem ſie ſich vereinigen, iſt mit einem
Schlage eine breite Grundlage für die Bewegung gewonnen.
Die zentralen Leitungen ſchließen eine gewaltige Summe
von Einſicht und Erfahrung in ſich, aus ihnen können die
Männer entnommen werden, die berufen ſind, der neuen
Einrichtung mit Rat und Tat die Wege zu weiſen. Die
beſtehenden Organiſationen haben ihre Vertretungen im
ganzen Reiche. Mann kann alſo überall an Beſtehendes an-
knüpfen, den örtlichen Vertretungen fällt die Aufgabe zu,
die großen brachliegenden Kräfte zu mobiliſieren und zu
einem Block zuſammenzuſchließen.
Auf dieſem Wege wird erreicht, daß die Bewegung von
vornherein mit einer ſolchen Wucht auftritt, daß ſie beachtet
werden muß. Es wird die gefährliche Klippe vermieden,
daß die zagenden und zweifelnden Elemente ſich in dem Ge-
danken zurückhalten, es werde doch wohl nichts Rechtes aus
der Sache werden. Man darf hoffen und erwarten, daß von
vornherein anſehnliche Kräfte zuſammengebracht werden,
das Weitere hängt davon ab, daß ein Arbeitsprogramm ge-
funden wird, das ſie in lebendiger Tätigkeit zuſammenhält.
Hierzu gehört in erſter Linie eine weiſe Selbſtbeſchränkung.
Es muß ausgeſchieden werden, was trennt und Mißtrauen
erregt. Die eigentliche Politik, die Standesangelegenheiten
und die ſozialen Grundfragen werden nicht in Betracht ge-
zogen, wenigſtens nicht unmittelbar. Nur daß die Kardinal-
ſätze des Aufbaues Beachtung finden, wird verlangt. Dieſe
aber ſind Ordnung und Wirtſchaftlichkeit. Nach dieſen Ge-
ſichtspunkten ins öffentliche Leben einzugreifen, erfordert
eine Unſumme von Arbeit und Ueberlegung. Das iſt gut,
denn lebensfähig ſind nur die Gebilde, die eine befriedigende
Tätigkeit entfalten. Der Aufbau will eine Kontrollinſtanz
des öffentlichen Lebens in ſeinen großen Fragen ſein, er
will eine öffentliche Meinung bilden, die auf ſeine For-
derungen eingeſtellt iſt. Deshalb müſſen die Fragen von all-
gemeiner Bedeutung durch die Zentralſtelle den örtlichen
Vertretungen zur Erörterung verſtellt werden. Sie wird
durch ihr Organ vorarbeiten, nicht um den Vertretungen
vorzugreifen, ſondern um ihnen das Material zu bringen
und die Punkte, auf die es ankommt, herauszuarbeiten.
Die Beſchlüſſe der Vertretungen laufen bei der Zentrale zu-
ſammen und werden dort verarbeitet. In dieſer Form geben
ſie Stoff zu neuen Erörterungen. All dies erfordert viel
Geſchicklichkeit und Takt, da das Trennende vermieden, das
Einigende hervorgeholt werden ſoll. Es ſchadet aber auch
nicht, wenn das Ergebnis der Erörterungen im kleinen und
großen Kreiſe nicht immer einheitlich iſt. Auch wenn man
nicht zu einer völligen Einigung kommt, nützt doch eine
von großzügigem Geiſt getragene Erörterung inſofern, als
man lernt, die Gründe des anderen zu würdigen. Hiermit
wird dem Streit ſein Stachel genommen, die Neigung zum
Mißtrauen und zur Verdächtigung der Geſinnung des
Gegners bekämpft, eine Wandlung, die man dem deutſchen
Volke von Herzen wünſchen möchte.
Bei den Beſchlüſſen ſoll es aber nicht bleiben, ſie ſollen
ſich in eine Kritik von der Schärfe, die den Umſtänden ent-
ſpricht, umſetzen. Schonungslos ſoll ſie ſich an den Stellen,
bei denen der Mangel liegt, geltend machen, und aus ihrer
Nichtbeachtung ſollen die nötigen Folgerungen mit dem
Stimmzettel gezogen werden. Alle Veranſtaltungen, die die
Ziele des Aufbaues verfolgen, werden unterſtützt, alle Wah-
len in dieſem Sinne beeinflußt, wobei es nicht auf die Par-
teirichtung des Kandidaten, ſondern auf ſeine Geſinnung an-
kommt.
Eine eifrige und nachhaltige Werbetätigkeit muß ent-
faltet werden. Verſammlungen müſſen abgehalten und der
Kampf mit den Gegnern muß aufgenommen werden. Er
wird vielen wegen der Form, die er anzunehmen pflegt, nicht
liegen, aber um der Sache willen muß die Scheu überwunden
werden. Dies wird dadurch erleichtert, daß der Kämpfer für
den Aufbau immer das moraliſche Uebergewicht hat, denn
er läßt jedem ſeine ſachliche Meinung und vertritt nur,
was Vernunft, Recht und Billigkeit verlangen. Neben dem
öffentlichen Auftreten muß die perſönliche Werbetätigkeit
hergehen. Von den Vertretern des Umſturzes müſſen wir
lernen, daß jedem einzelnen nachgegangen werden muß, na-
mentlich den Arbeitern. Die verſtändigen müſſen angeregt
werden, ſich geltend zu machen, nicht tatenlos beiſeite zu
ſtehen, wenn verborgene Drahtzieher und jugendliche Schreier
die Führung in die Hand nehmen. Sie müſſen ſich nicht
locken laſſen durch den Ruf der Kameradſchaftlichkeit, denn
nicht der Standesgenoſſe, ſondern der Gleichgeſinnte iſt ein
wirklicher Kamerad. Die Gleichgeſinnten aber ſollen ſich
ſammeln und durch Zuſammenſchluß den Terror bekämpfen.
Wir kommen zu dem Ergebnis, daß das Werk des Auf-
baues, ſo groß, ſo ſchwierig und dornenvoll es iſt, um un-
ſeres Volkes willen unternommen werden muß. Es iſt nötig
und nicht ausſichtslos. An ihm zu arbeiten aber iſt das
einzige, was in dieſer Zeit wirkliche Befriedigung gewähren
kann.
Die Lage in Elſaß-Lothringen.
Mit aller Deutlichkeit hat der Streik in Elſaß-Lothringen
die außerordentliche Unzufriedenheit der Einwohner beider Pro-
vinzen mit der franzöſiſchen Herrſchaft gezeigt. Es war von
vornherein klar erſichtlich, daß es ſich nicht um einen Kampf
mit wirtſchaftlichen Zielen, ſondern um eine politiſche Auseinan-
derſetzung handelte, die vielfach revolutionären Charakter an-
nahm. Sicherem Einvernehmen nach erklärten ſich die lothrin-
giſchen Abgeordneten mit dem Streik ſolidariſch, und auch die
elſaß-lothringiſche Beamten- und Lehrerſchaft ſtellte ſich auf die
Seite der Streikenden.
Es iſt heute noch nicht klar erſichtlich, welche politiſchen Fol-
gen ſich insgeſamt aus dem Streik ergeben. Der Generalſtreik
aber in ſeiner Wucht und Schärfe beſtätigt unſere ſchon mehrfach
ausgeſprochenen Vermutungen, daß ein beträchtlicher Teil der
Elſaß-Lothringer bereits heute wieder offen von Frankreich
wegſtrebt. Die Verhaftungen während der Streiktage richteten
ſich vornehmlich gegen ſolche Perſonen, die neutraliſtiſcher Be-
ſtrebungen bezichtigt wurden. Daß ſich unter den Anführern des
Streiks auch kommuniſtiſche Elemente befanden, iſt bei der
heutigen ſozialen Lage in faſt allen Weltſtaaten ſelbſtverſtändlich.
In den Forderungen der Arbeiter findet ſich manch eine
wirtſchaftliche Klauſel. In der Hauptſache aber ſind es ſolche
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(2023-04-24T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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