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Allgemeine Zeitung, Nr. 18, 1. Mai 1915.

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München.
Allgemeine Zeitung
Nummer 18.
München, Samstag, 01. Mai 1915.
118. Jahrgang.
Erscheint einmal wöchentlich.
Die Allgemeine Zeitung kostet für München durch Trägerin und
Zeitungsgeschäfte monatlich Mk. 1.--, durch alle deutschen Post-
anstalten monatlich Mk. 1.50, unter Streifband in Deutschland und
Oesterreich-Ungarn Mk. 2.--, ins Ausland M. 2.25.
Die Hauptexpedition, Müllerstr. 27, alle Buchhandlungen, Zeitungs-
expeditionen und Postanstalten nehmen Bestellungen entgegen.
[Abbildung]
Inseratenpreise: die viergespaltene Nonpareillezeile 50 Pfg.,
Reklamezeile 1 Mk. 50 Pfg.; bei Wiederholungen entsprechenden
Rabatt. Münchener Lokalanzeigen nach aufliegendem Tarif.
Inserate nehmen entgegen die Hauptexpedition München, Müller-
straße 27/29, und alle Annoncen-Expeditionen.
Telephon: Redaktion, Expedition und Verlag Amt München 23821.
Redaktion und Expedition: München, Müllerstraße 27/29.
Inhalt:

[Spaltenumbruch]
Seite
Kriegs-Chronik.
Falsche Friedensgerüchte -- Ame-
rikas Neutralität -- Der Feind
im Westen -- Der Feind im
Osten -- England -- Türkei . 265
Politik und Wirtschaft
Ästhetische Politik. Von M. S. . 270
[Spaltenumbruch]
Seite
Theater und Musik
Münchener Theater. Von Alfred
Frhrn. v. Mensi ...... 270
Feuilleton
Ihre Entscheidung. Von Anna Hi-
laria von Ekhel ...... 271
[Spaltenumbruch]
Bücher-AnzeigenSeite
Neue Serie der Insel-Bücherei --
Taschen-Ausgaben von Werken
Theodor Storms -- Historische
Zeitschrift -- Gesellschaft für ver-
vielfältigende Kunst in Wien . 273
Handel und Industrie
Bayerische Versicherungs-Bank .. 274



Kriegs-Chronik.
[Spaltenumbruch]
Falsche Friedensgerüchte.

Den falschen Friedensgerüchten aber tritt die "Norddeutsche All-
gemeine Zeitung" in einem Wolffschen Telegramm vom 24. April
energisch entgegen:

Von verschiedenen Seiten hören wir, daß in Stadt und Land
Gerüchte über die Anbahnung von Friedensverhandlungen in Um-
lauf gesetzt werden. Des näheren wird angedeutet, daß vorbereitende
Schritte zur Herbeiführung eines Sonderfriedens mit England auf der
Grundlage gewisser englischer Wünsche und Forderungen im Gange
seien oder in Gang gebracht werden sollen.

Kein Urteilsfähiger kann daran denken, die für Deutschland gün-
stige Kriegslage zugunsten eines vorzeitigen Friedensschlusses mit
irgend einem seiner Feinde pretszugeben. Nach der vorläufig allein
möglichen allgemeinen Umschreibung des Kriegszieles, die der Reichs-
kanzler in seinen Reden gegeben hat, müssen wir jeden Vorteil der
militärischen Lage benutzen, um Sicherheit zu schaffen, daß keiner
mehr es wagen wird, unseren Frieden zu stören. Dabei muß es
bleiben! Die Gerüchte über deutsche Friedensneigungen sind gegen-
über unserer unverminderten Entschlossenheit zur Niederkämpfung
der Gegner törichte oder böswillige, auf jeden Fall aber müßige Er-
findungen.



Amerikas Neutralität.

Präsident Wilson, noch mehr sein famoser Staatssekretär Bryan,
stehen also, wie ihre Antwort auf die Deutsche Note beweist, wirklich
auf dem Standpunkt, daß die Unterlassung der Waffen- und
Munitionslieferung an unsere Feinde einen Bruch der Neutralität
bedeuten würde, freilich der Neutralität, wie sie sie verstehen.

Staatssekretär Bryan soll dem deutschen Botschafter erklärt
haben, daß eine Hinderung des Handels mit Kriegsmaterial ein
direkter Eingriff in die Neutralität Amerikas wäre und daß Amerika
unmöglich eine derartige Maßnahme treffen könne. Also: die Aus-
fuhr von Waffen nach England, Frankreich und Rußland kann die
Wilsonsche Regierung nicht hindern, wohl aber kann sie, wie sie es
vor acht Wochen getan hat, deutsche Handelsschiffe, die in ameri-
kanischen Häfen liegen, ohne jeden stichhaltigen Grund "untersuchen"
lassen, nur weil britische Agenten das Gerücht ausgestreut hatten,
es sei geplant, die größten Schiffe der Hamburg-Amerika-Linie, wie
z. B. das "Vaterland", ausbrechen zu lassen! Es hieß, das dürfe
man nicht dulden, "weil darin eine Verletzung der Neutralität
läge". Der "New-York Herold" vom 8. März bemerkt dazu: "Die
Hamburger werden sich's einfallen lassen, ihre Prachtdampfer "aus-
[Spaltenumbruch] brechen" zu lassen, wo britische Kriegsschiffe unaufhörlich in unseren
Gewässern, hart bis an die Drei-Meilen-Grenze hinan, hin und
her kreuzen, werden sich dem Verderben aussetzen -- zu welchem
Zweck? Um, im allerglücklichsten Falle, in Hamburg statt in New-
York interniert zu sein?!" Das amerikanische Blatt fügt hinzu:

"Es ist unfaßbar, daß Präsident Woodrow Wilson seinen un-
glaublichen und doch so gründlich unmöglich gewordenen Staats-
sekretär so ungestört gewähren läßt, ohne zu sehen, daß dieser
Chautauqua-Diplomat auf die Dauer seine ganze Administration
zum Gespött der Welt machen muß!"

Die Mißstimmung der Deutsch-Amerikaner und Iren über diese
Auffassung von Neutralität von seiten ihres Präsidenten wächst
immer. Natürlich ist sie noch größer bei uns in Deutschland. Wir
sind aber nicht optimistisch genug, zu glauben, daß dies an der Sach-
lage etwas ändern wird, denn es zeigt sich immer mehr, daß Amerika
und sein Präsident ganz und gar im englischen Fahrwasser segeln
und Politik und Krieg, ja auch die Neutralität genau so als Geschäft
auffassen wie England selbst. Aber man kann wohl sagen, daß,
wenn die wirklich Neutralen in Europa wie in Amerika einmütig
die Einmischungen und Eingriffe Englands in ihre Rechte zurück-
gewiesen hätten, ja mit Repressalien und Taten gedroht hätten,
daß dann der Krieg vielleicht schon heute zu Ende wäre.



Der Feind im Westen.

Die abgelaufene Woche brachte durchaus hocherfreuliche Neuig-
keiten. Während es bis heute zu der von Joffre angekündigten
Offensive nicht gekommen ist, hat unsere Heeresleitung selbst zur
Ueberraschung der Feinde die Offensive ergriffen und sie außer-
ordentlich glücklich durchgeführt, was schon daraus hervorgeht, daß
unsere Truppen den wichtigen Ypern-Kanal überschritten, viel Ge-
lände und die Möglichkeit zu weiteren Operationen gewonnen haben.
Wenn auch die französischen Blätter und die aller Beschreibung
spottenden lügenhaften Berichte ihrer Heeresleitung von den deut-
schen Siegen kaum etwas ahnen lassen, so geben doch wenigstens
einige Blätter in England schon offen zu, daß dieser deutsche Sieg
der größte seit fünf Monaten gewesen sei. Die Depeschen über die
Vorgänge selbst lauten:

23. April:

In den gestrigen Abendstunden stießen wir aus unserer Front
Steenstraate östlich Langemarck gegen die feindlichen Stellungen
nördlich und nordöstlich von Ypern vor. In einem Anlauf

München.
Allgemeine Zeitung
Nummer 18.
München, Samstag, 01. Mai 1915.
118. Jahrgang.
Erſcheint einmal wöchentlich.
Die Allgemeine Zeitung koſtet für München durch Trägerin und
Zeitungsgeſchäfte monatlich Mk. 1.—, durch alle deutſchen Poſt-
anſtalten monatlich Mk. 1.50, unter Streifband in Deutſchland und
Oeſterreich-Ungarn Mk. 2.—, ins Ausland M. 2.25.
Die Hauptexpedition, Müllerſtr. 27, alle Buchhandlungen, Zeitungs-
expeditionen und Poſtanſtalten nehmen Beſtellungen entgegen.
[Abbildung]
Inſeratenpreiſe: die viergeſpaltene Nonpareillezeile 50 Pfg.,
Reklamezeile 1 Mk. 50 Pfg.; bei Wiederholungen entſprechenden
Rabatt. Münchener Lokalanzeigen nach aufliegendem Tarif.
Inſerate nehmen entgegen die Hauptexpedition München, Müller-
ſtraße 27/29, und alle Annoncen-Expeditionen.
Telephon: Redaktion, Expedition und Verlag Amt München 23821.
Redaktion und Expedition: München, Müllerſtraße 27/29.
Inhalt:

[Spaltenumbruch]
Seite
Kriegs-Chronik.
Falſche Friedensgerüchte — Ame-
rikas Neutralität — Der Feind
im Weſten — Der Feind im
Oſten — England — Türkei . 265
Politik und Wirtſchaft
Äſthetiſche Politik. Von M. S. . 270
[Spaltenumbruch]
Seite
Theater und Muſik
Münchener Theater. Von Alfred
Frhrn. v. Menſi ...... 270
Feuilleton
Ihre Entſcheidung. Von Anna Hi-
laria von Ekhel ...... 271
[Spaltenumbruch]
Bücher-AnzeigenSeite
Neue Serie der Inſel-Bücherei —
Taſchen-Ausgaben von Werken
Theodor Storms — Hiſtoriſche
Zeitſchrift — Geſellſchaft für ver-
vielfältigende Kunſt in Wien . 273
Handel und Induſtrie
Bayeriſche Verſicherungs-Bank .. 274



Kriegs-Chronik.
[Spaltenumbruch]
Falſche Friedensgerüchte.

Den falſchen Friedensgerüchten aber tritt die „Norddeutſche All-
gemeine Zeitung“ in einem Wolffſchen Telegramm vom 24. April
energiſch entgegen:

Von verſchiedenen Seiten hören wir, daß in Stadt und Land
Gerüchte über die Anbahnung von Friedensverhandlungen in Um-
lauf geſetzt werden. Des näheren wird angedeutet, daß vorbereitende
Schritte zur Herbeiführung eines Sonderfriedens mit England auf der
Grundlage gewiſſer engliſcher Wünſche und Forderungen im Gange
ſeien oder in Gang gebracht werden ſollen.

Kein Urteilsfähiger kann daran denken, die für Deutſchland gün-
ſtige Kriegslage zugunſten eines vorzeitigen Friedensſchluſſes mit
irgend einem ſeiner Feinde pretszugeben. Nach der vorläufig allein
möglichen allgemeinen Umſchreibung des Kriegszieles, die der Reichs-
kanzler in ſeinen Reden gegeben hat, müſſen wir jeden Vorteil der
militäriſchen Lage benutzen, um Sicherheit zu ſchaffen, daß keiner
mehr es wagen wird, unſeren Frieden zu ſtören. Dabei muß es
bleiben! Die Gerüchte über deutſche Friedensneigungen ſind gegen-
über unſerer unverminderten Entſchloſſenheit zur Niederkämpfung
der Gegner törichte oder böswillige, auf jeden Fall aber müßige Er-
findungen.



Amerikas Neutralität.

Präſident Wilſon, noch mehr ſein famoſer Staatsſekretär Bryan,
ſtehen alſo, wie ihre Antwort auf die Deutſche Note beweiſt, wirklich
auf dem Standpunkt, daß die Unterlaſſung der Waffen- und
Munitionslieferung an unſere Feinde einen Bruch der Neutralität
bedeuten würde, freilich der Neutralität, wie ſie ſie verſtehen.

Staatsſekretär Bryan ſoll dem deutſchen Botſchafter erklärt
haben, daß eine Hinderung des Handels mit Kriegsmaterial ein
direkter Eingriff in die Neutralität Amerikas wäre und daß Amerika
unmöglich eine derartige Maßnahme treffen könne. Alſo: die Aus-
fuhr von Waffen nach England, Frankreich und Rußland kann die
Wilſonſche Regierung nicht hindern, wohl aber kann ſie, wie ſie es
vor acht Wochen getan hat, deutſche Handelsſchiffe, die in ameri-
kaniſchen Häfen liegen, ohne jeden ſtichhaltigen Grund „unterſuchen“
laſſen, nur weil britiſche Agenten das Gerücht ausgeſtreut hatten,
es ſei geplant, die größten Schiffe der Hamburg-Amerika-Linie, wie
z. B. das „Vaterland“, ausbrechen zu laſſen! Es hieß, das dürfe
man nicht dulden, „weil darin eine Verletzung der Neutralität
läge“. Der „New-York Herold“ vom 8. März bemerkt dazu: „Die
Hamburger werden ſich’s einfallen laſſen, ihre Prachtdampfer „aus-
[Spaltenumbruch] brechen“ zu laſſen, wo britiſche Kriegsſchiffe unaufhörlich in unſeren
Gewäſſern, hart bis an die Drei-Meilen-Grenze hinan, hin und
her kreuzen, werden ſich dem Verderben ausſetzen — zu welchem
Zweck? Um, im allerglücklichſten Falle, in Hamburg ſtatt in New-
York interniert zu ſein?!“ Das amerikaniſche Blatt fügt hinzu:

„Es iſt unfaßbar, daß Präſident Woodrow Wilſon ſeinen un-
glaublichen und doch ſo gründlich unmöglich gewordenen Staats-
ſekretär ſo ungeſtört gewähren läßt, ohne zu ſehen, daß dieſer
Chautauqua-Diplomat auf die Dauer ſeine ganze Adminiſtration
zum Geſpött der Welt machen muß!“

Die Mißſtimmung der Deutſch-Amerikaner und Iren über dieſe
Auffaſſung von Neutralität von ſeiten ihres Präſidenten wächſt
immer. Natürlich iſt ſie noch größer bei uns in Deutſchland. Wir
ſind aber nicht optimiſtiſch genug, zu glauben, daß dies an der Sach-
lage etwas ändern wird, denn es zeigt ſich immer mehr, daß Amerika
und ſein Präſident ganz und gar im engliſchen Fahrwaſſer ſegeln
und Politik und Krieg, ja auch die Neutralität genau ſo als Geſchäft
auffaſſen wie England ſelbſt. Aber man kann wohl ſagen, daß,
wenn die wirklich Neutralen in Europa wie in Amerika einmütig
die Einmiſchungen und Eingriffe Englands in ihre Rechte zurück-
gewieſen hätten, ja mit Repreſſalien und Taten gedroht hätten,
daß dann der Krieg vielleicht ſchon heute zu Ende wäre.



Der Feind im Weſten.

Die abgelaufene Woche brachte durchaus hocherfreuliche Neuig-
keiten. Während es bis heute zu der von Joffre angekündigten
Offenſive nicht gekommen iſt, hat unſere Heeresleitung ſelbſt zur
Ueberraſchung der Feinde die Offenſive ergriffen und ſie außer-
ordentlich glücklich durchgeführt, was ſchon daraus hervorgeht, daß
unſere Truppen den wichtigen Ypern-Kanal überſchritten, viel Ge-
lände und die Möglichkeit zu weiteren Operationen gewonnen haben.
Wenn auch die franzöſiſchen Blätter und die aller Beſchreibung
ſpottenden lügenhaften Berichte ihrer Heeresleitung von den deut-
ſchen Siegen kaum etwas ahnen laſſen, ſo geben doch wenigſtens
einige Blätter in England ſchon offen zu, daß dieſer deutſche Sieg
der größte ſeit fünf Monaten geweſen ſei. Die Depeſchen über die
Vorgänge ſelbſt lauten:

23. April:

In den geſtrigen Abendſtunden ſtießen wir aus unſerer Front
Steenſtraate öſtlich Langemarck gegen die feindlichen Stellungen
nördlich und nordöſtlich von Ypern vor. In einem Anlauf

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[0003] München.Allgemeine Zeitung Nummer 18. München, Samstag, 01. Mai 1915. 118. Jahrgang. Erſcheint einmal wöchentlich. Die Allgemeine Zeitung koſtet für München durch Trägerin und Zeitungsgeſchäfte monatlich Mk. 1.—, durch alle deutſchen Poſt- anſtalten monatlich Mk. 1.50, unter Streifband in Deutſchland und Oeſterreich-Ungarn Mk. 2.—, ins Ausland M. 2.25. Die Hauptexpedition, Müllerſtr. 27, alle Buchhandlungen, Zeitungs- expeditionen und Poſtanſtalten nehmen Beſtellungen entgegen. [Abbildung] Inſeratenpreiſe: die viergeſpaltene Nonpareillezeile 50 Pfg., Reklamezeile 1 Mk. 50 Pfg.; bei Wiederholungen entſprechenden Rabatt. Münchener Lokalanzeigen nach aufliegendem Tarif. Inſerate nehmen entgegen die Hauptexpedition München, Müller- ſtraße 27/29, und alle Annoncen-Expeditionen. Telephon: Redaktion, Expedition und Verlag Amt München 23821. Redaktion und Expedition: München, Müllerſtraße 27/29. Inhalt: Seite Kriegs-Chronik. Falſche Friedensgerüchte — Ame- rikas Neutralität — Der Feind im Weſten — Der Feind im Oſten — England — Türkei . 265 Politik und Wirtſchaft Äſthetiſche Politik. Von M. S. . 270 Seite Theater und Muſik Münchener Theater. Von Alfred Frhrn. v. Menſi ...... 270 Feuilleton Ihre Entſcheidung. Von Anna Hi- laria von Ekhel ...... 271 Bücher-AnzeigenSeite Neue Serie der Inſel-Bücherei — Taſchen-Ausgaben von Werken Theodor Storms — Hiſtoriſche Zeitſchrift — Geſellſchaft für ver- vielfältigende Kunſt in Wien . 273 Handel und Induſtrie Bayeriſche Verſicherungs-Bank .. 274 Kriegs-Chronik. Falſche Friedensgerüchte. Den falſchen Friedensgerüchten aber tritt die „Norddeutſche All- gemeine Zeitung“ in einem Wolffſchen Telegramm vom 24. April energiſch entgegen: Von verſchiedenen Seiten hören wir, daß in Stadt und Land Gerüchte über die Anbahnung von Friedensverhandlungen in Um- lauf geſetzt werden. Des näheren wird angedeutet, daß vorbereitende Schritte zur Herbeiführung eines Sonderfriedens mit England auf der Grundlage gewiſſer engliſcher Wünſche und Forderungen im Gange ſeien oder in Gang gebracht werden ſollen. Kein Urteilsfähiger kann daran denken, die für Deutſchland gün- ſtige Kriegslage zugunſten eines vorzeitigen Friedensſchluſſes mit irgend einem ſeiner Feinde pretszugeben. Nach der vorläufig allein möglichen allgemeinen Umſchreibung des Kriegszieles, die der Reichs- kanzler in ſeinen Reden gegeben hat, müſſen wir jeden Vorteil der militäriſchen Lage benutzen, um Sicherheit zu ſchaffen, daß keiner mehr es wagen wird, unſeren Frieden zu ſtören. Dabei muß es bleiben! Die Gerüchte über deutſche Friedensneigungen ſind gegen- über unſerer unverminderten Entſchloſſenheit zur Niederkämpfung der Gegner törichte oder böswillige, auf jeden Fall aber müßige Er- findungen. Amerikas Neutralität. Präſident Wilſon, noch mehr ſein famoſer Staatsſekretär Bryan, ſtehen alſo, wie ihre Antwort auf die Deutſche Note beweiſt, wirklich auf dem Standpunkt, daß die Unterlaſſung der Waffen- und Munitionslieferung an unſere Feinde einen Bruch der Neutralität bedeuten würde, freilich der Neutralität, wie ſie ſie verſtehen. Staatsſekretär Bryan ſoll dem deutſchen Botſchafter erklärt haben, daß eine Hinderung des Handels mit Kriegsmaterial ein direkter Eingriff in die Neutralität Amerikas wäre und daß Amerika unmöglich eine derartige Maßnahme treffen könne. Alſo: die Aus- fuhr von Waffen nach England, Frankreich und Rußland kann die Wilſonſche Regierung nicht hindern, wohl aber kann ſie, wie ſie es vor acht Wochen getan hat, deutſche Handelsſchiffe, die in ameri- kaniſchen Häfen liegen, ohne jeden ſtichhaltigen Grund „unterſuchen“ laſſen, nur weil britiſche Agenten das Gerücht ausgeſtreut hatten, es ſei geplant, die größten Schiffe der Hamburg-Amerika-Linie, wie z. B. das „Vaterland“, ausbrechen zu laſſen! Es hieß, das dürfe man nicht dulden, „weil darin eine Verletzung der Neutralität läge“. Der „New-York Herold“ vom 8. März bemerkt dazu: „Die Hamburger werden ſich’s einfallen laſſen, ihre Prachtdampfer „aus- brechen“ zu laſſen, wo britiſche Kriegsſchiffe unaufhörlich in unſeren Gewäſſern, hart bis an die Drei-Meilen-Grenze hinan, hin und her kreuzen, werden ſich dem Verderben ausſetzen — zu welchem Zweck? Um, im allerglücklichſten Falle, in Hamburg ſtatt in New- York interniert zu ſein?!“ Das amerikaniſche Blatt fügt hinzu: „Es iſt unfaßbar, daß Präſident Woodrow Wilſon ſeinen un- glaublichen und doch ſo gründlich unmöglich gewordenen Staats- ſekretär ſo ungeſtört gewähren läßt, ohne zu ſehen, daß dieſer Chautauqua-Diplomat auf die Dauer ſeine ganze Adminiſtration zum Geſpött der Welt machen muß!“ Die Mißſtimmung der Deutſch-Amerikaner und Iren über dieſe Auffaſſung von Neutralität von ſeiten ihres Präſidenten wächſt immer. Natürlich iſt ſie noch größer bei uns in Deutſchland. Wir ſind aber nicht optimiſtiſch genug, zu glauben, daß dies an der Sach- lage etwas ändern wird, denn es zeigt ſich immer mehr, daß Amerika und ſein Präſident ganz und gar im engliſchen Fahrwaſſer ſegeln und Politik und Krieg, ja auch die Neutralität genau ſo als Geſchäft auffaſſen wie England ſelbſt. Aber man kann wohl ſagen, daß, wenn die wirklich Neutralen in Europa wie in Amerika einmütig die Einmiſchungen und Eingriffe Englands in ihre Rechte zurück- gewieſen hätten, ja mit Repreſſalien und Taten gedroht hätten, daß dann der Krieg vielleicht ſchon heute zu Ende wäre. Der Feind im Weſten. Die abgelaufene Woche brachte durchaus hocherfreuliche Neuig- keiten. Während es bis heute zu der von Joffre angekündigten Offenſive nicht gekommen iſt, hat unſere Heeresleitung ſelbſt zur Ueberraſchung der Feinde die Offenſive ergriffen und ſie außer- ordentlich glücklich durchgeführt, was ſchon daraus hervorgeht, daß unſere Truppen den wichtigen Ypern-Kanal überſchritten, viel Ge- lände und die Möglichkeit zu weiteren Operationen gewonnen haben. Wenn auch die franzöſiſchen Blätter und die aller Beſchreibung ſpottenden lügenhaften Berichte ihrer Heeresleitung von den deut- ſchen Siegen kaum etwas ahnen laſſen, ſo geben doch wenigſtens einige Blätter in England ſchon offen zu, daß dieſer deutſche Sieg der größte ſeit fünf Monaten geweſen ſei. Die Depeſchen über die Vorgänge ſelbſt lauten: 23. April: In den geſtrigen Abendſtunden ſtießen wir aus unſerer Front Steenſtraate öſtlich Langemarck gegen die feindlichen Stellungen nördlich und nordöſtlich von Ypern vor. In einem Anlauf

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-24T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 18, 1. Mai 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine18_1915/3>, abgerufen am 24.11.2024.