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Allgemeine Zeitung, Nr. 170, 18. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] -- um von vielen nur einige zu nennen -- die Alttrapezuntier Kallimachi
und Murusi, die Rhangabe, die Maurokordatos, die Notaras, die
Hypsilantis, die Kantakuzenos mit einer Anzahl am goldenen Horn
lebender Colonialgeschlechter, in welchen sich mit dem Blut und mit dem Geist
der Intrigue und der Unbotmäßigkeit auch die Feinheiten, der gute Geschmack
und das elegante Ingenium des byzantinischen Kaiserhofs, selbst nach der
türkischen Eroberung noch, erhalten haben. Diese kostbaren colonial helleni-
schen Ueberbleibsel, in welchen der hohe Klerus eine wesentliche Rolle spielt,
sind im Lauf der Jahrhunderte auf das kleine Häuflein zusammengeschmolzen
das man in Europa Phanarioten nennt. Dieses kleine Häuflein vornehmer
und reicher Hellenen suchte bei dem großen Aufftand Griechenlands die Be-
wegung in seine Hände zu bringen, sie in seinem Sinn zu lenken und nach
Bertreibung der Türken aus Stambul, woran diese Phanarioten in Ueber-
schätzung der eigenen wie der Insurgenten-Kräfte nicht zweifelten, unter einem
Autokraten aus ihrer Mitte das byzantinische Reich wiederherzustellen, um
an dem neuen Kaiserhof das alte Spiel wieder zu beginnen.

Ein vom Reichsverband losgerissenes, slavinisch constituirtes Hellas hat
das orthodexe Regiment von Byzanz amtlich niemals anerkannt, und deßwe-
gen in seinen statistischen Tabellen auch die alten Ortsnamen in Hellas un-
verändert fortgesührt, obwohl selbst die Ruinen derselben schon verschwunden
waren. Nach Vorgang dieser alten Hoffitte wurde das Völkergemisch auf
Morea und in Rumelien von den byzantinischen Archonten für alte Hellenen
gehalten, in welcher Nemenclatur sie das gelehrte Abendland tapfer unter-
stützte. Der Instinct warnte aber die insurgirten Provinzen vor diesen ihnen
und ihren Interessen fremden, nach Herrschaft und Gewalt lüsternen Män-
nern. In der Unmöglichkeit ihre Ausprüche geltend zu wachen, mußten sie
endlich das Regiment den Eingebornen überlassen, und sich mit untergeord-
neten Stellungen begnügen.

Wie wenig aber von dem hellenisch-byzantinischen Restaurationsproject
in Erfüllung gieng, und in welchem Maß auch dieses wenige sein Heil nur
dem Abendland verdankt, weiß in Europa, außer den Hellenen und der edlen
Gräfin Dora d'Istria, jedermann.

Wenn aber die Verfasserin den glücklichen Ausgang der Insurrection und
die theilweise Abschüttelung des türkischen Jochs doch ausschließlich der "mira-
culösen" Thatkraft ihrer Hellenen, besonders dem Heroismus der Frauen vin-
dicirt, und wenn in ihrer Borstellung die Franzosen zum Sieg zwar etwas
beigetragen, im Grund aber eigentlich doch die Hellenen die Seeschlacht von
Ravarino gewonnen und die ägyptische Armee aus Morea vertrieben haben, so
ist es nur Consequenz und verzeihliche Eitelkeit. Auf allend aber ist es wenn
die hochgebildete Parganiotin zwar die strengen Sitten des Athenischen Hofes
lobt und anerkennt (I, S. 379), im König Otto aber doch nichts weiter als
den Markstein sieht mit dessen Hülfe sie die frühere Lage des hellenischen Wei-
bes von der gegenwärtigen zu unterscheiden vermag. Bei uns ist man all-
gemein überzeugt daß es die Griechen nur der Thronbesteigung dieses deut-
schen Fürsten zu verdanken haben, wenn sie von den endlosen und ekelhaften
Umwälzungen, wie wir sie seit fünfzig Jahren in den südamerikanischen Re-
publiken sehen, und von den unheimlichen Wirren der Moldo-Walachen, der
Serben und der Tschernagorzen verschont geblieben, und in beneidenswerther
Stille am Wiederaufbau ihrer noch unerprobten Nationalität schaffen können.
König Otto hat an der Stelle des Padischah die Aufgabe übernommen die
anarchischen Gelüste und das turbulente Ingenium dieser Byzantiner zu cor-
rigiren, und in die rechte Bahn zu lenken.

Daß aber dieses kleine, von den heterogensten Elementen zusammenge-
würfelte, zu ewigem Frieden verurtheilte und am Gängelband der Schutz-
mächte fortschwankende Neu-Hellas durch seine "miraculöse" Thatkraft näch-
stens Konstantinopel erobern, die Türken aus Europa jagen und das byzan-
tinische Reich wieder aufrichten werde, wie man es in Europa von den Helle-
nen noch immer erwartet, das wagt selbst die edle Gräfin mit den determinir-
testen Griechenfreunden nicht mehr zu hoffen. Sollte es aber mit den Türken
in Europa doch einmal zu Ende gehen, so gibt die edle Verfasserin den eman-
cipirten christlichen Volksstämmen den Rath sich nach Art der helvetischen
Conföderation zu constituiren, und in dieser Staatsordnung hätten dann die
Hellenen im Süden und die Rumänen im Norden, als die beiden Repräsen
tanten der höchsten Cultur der alten Welt, die erste Rolle zu übernehmen,
und zugleich das geistige Leben der unwissenden Slaven und Albanesen durch
ihren Prometheusfunken aufzuwecken (I, S. 122). Weil aber an diese Con-
föderation vorerst nicht zu denken sey, so möchten, meint die orthodoxe Gräfin,
die rechtgläubigen Christen der Türkei inzwischen die römischen Glaubensbo-
ten eifrig zurückstoßen, besonders aber hätten sich die Frauen vor der Propa-
ganda der Jesuiten in Acht zu nehmen (I, 114 -- 115). Den liebenswür-
digen Neuhellenen ihre Prätensionen auszureden ist eine Unmöglichkeit. Da-
gegen soll man in Europa klüger seyn, und vorerst nichts größeres erwarten
als was vom türkischen Joch emancipirte Byzantiner in den Fesseln der ortho-
doxen Kirche nut bestem Willen zu leisten vermögen.

Nach diesen kurzgedrängten und gewissenhaften Bedenken, die man, ohne
[Spaltenumbruch] etwas zu präjudiciren, Satz für Satz den schwärmerischen Thesen der edlen
Verfasserin über die Hellenen entgegenstellt (I, S. 417), ist es zweifelhaft ob
der Leser auch noch von der begeisterten Lobrede auf das schöne Geschlecht der
Hellenen im allgemeinen, von der Bildungsstufe aber und von der occidenta-
lisch beeinflußten Toilette der Damen von Smyrna, von ihrem originellen
Kopfputz und ihrer Schminke insbesondere etwas hören will (I, S. 412 --
442). Dagegen ist es mehr als wahrscheinlich daß nicht bloß die geistvolle
Albanesin Dora d'Istria, mit allem was sich von ächtem Hellenenblut in Neu-
Byzanz niedergelaffen hat, sondern daß selbst die kriegerischen und beldenmü-
thigen Albanesen von Hydra, von Phigalia, von Eleusis und von Marathen
unsere Bedenken für ungegründet zu erklären, und den Inhalt vielleicht gar
ungeprüft und unwiderlegt zu verdammen gedenken. Das ändert aber an
der Sache nichts, und bringt den Griechen weder Nutzen noch Schaden. Denn
in der Geschichte und in der Politik werden die Völker nicht nach ihrem Stamm-
baum, sondern nach ihrer Thatkraft und nach dem physischen und geistigen
Gewicht taxirt das sie in die Wagschale der menschlichen Dinge werfen. Ein
wahrer Freund der Hellenen kann ihnen nur zu Maß und Bescheidenheit in
ihren Ansprüchen rathen,
Este, precor, memores, qua sitis stirpe creati!*)



Deutschland.

Die momentane Pause welche durch die Wahlen
verschiedener sofort in Thätigkeit getretener Comites in den Verhandlungen
des verstärkten Reichsraths eingetreten ist, dürfte der geeignete Mement seyn
auf die (im Briefe vom 10) vorausgeschickten allgemeinen Andeutungen über
die Haltung unserer Hochtories im Reichsrath -- um in der Sprache des
bureaukratischen oder liberalen Lagers zu reden -- zurückzukommen. Damit
nun in dieser Beziehung die Sachlage einigermaßen zutreffend sich zeige, ist
vorab ganz besonders hervorzuheben daß die Thätigkeit des Reichsraths von
dem Augenblick an eine große Tragweite erhielt als er in der Budgetfrage den
correcten mit dem möglichst principiellen Standpunkt so glücklich zu
vereinigen gewußt. Daß eben hierin die conservativen Elemente den Aus-
schlag gegeben, haben wir schon angedeutet, und ohne nochmals auf die zweite
Sitzung des verstärkten Reichsraths zurückzukommen genügt die Bemerkung
daß die Gesichtspunkte von welchen die Stimmsührer des conservativen Lagers
ausgehen, durch die vom Grasen Clam-Martinitz gegebenen Entwicklungen
in ein hinlänglich helles Licht gestellt worden. Allerdings kommt hiebei dem
staatsmännischen Tact und der klaren Erkenntniß dessen was noth thut, guter
Wille, patriotischer Sinn, mit einem Worte der loyale Charakter entgegen,
dessen Gepräge die Versammlung durchweg trägt. Abgesehen von den sehr
begreislichen Verschiedenheiten der Anschauungen und der Meinungen im ein-
zelnen, so wird sich wohl nicht behaupten lassen daß der zersetzende Separa-
tismus oder dessen Extrem, die gewaltthätige Centralisation hier Boden
habe. Die Debatte in der vierten Sitzung, der letzten des Plenums, einläß-
lich der Grundbuchsverordnung hat dieß recht deutlich gezeigt, so scharf auch
hier die Anschauungen der Realpolitik und der auf dem Boden des formalen
Rechtes verharrenden sich sonderten. Wir gehen nämlich nicht so weit anzu-
nehmen daß auch den Auhängern des absolutistischen Bureaukratismus oder
des modernen Constitutionalismus irgend welcher Einfluß in jener Körper-
schaft gänzlich fehle, aber während die einen zu beharren, die anderen vorwärts
zu treiben geneigt sein mögen, streben doch alle Elemente -- und hierauf legen
wir das Hauptgewicht -- in einheitlicher und aufrichtiger Gesinnung zu dem-
selben Ziel zu gelangen. Dieses Ziel kann natürlich nur die Consolidirung
des Reichs seyn, und leicht finden wir das Besondere und Unterscheidende
welches unsern Conservation zu vindiciren, wenn wir näher bestimmend
hinzufügen daß ihnen der Leitstern zu jenem Ziel das historische Recht
ist. Auf diesem Boden stehend ist ihnen der Zusammenhalt aller Theile
des Kaiserstaats unter dem Schutz des Throns verbürgt durch mög-
lichstes Gerechtwerden für die naturgemäßen Ansprüche dieser Theile
innerhalb der ihnen eigenthümlichen Lebenssphären und Interessen; sohin
auf dem Grund loyalen Festhaltens streng dynastischer Gesinnung Freiheit für
Individuen, Corporationen und Länder, und damit auf sicherer, weil subjectiver,
Willkür entrückte Grundlage Kräftigung des Gesammtstaats nach innen
und folgerecht nach außen. Um zu diesem Ziel -- und kein anderes soll,
beiläufig bemerkt, von dem zu begründenden großen conservativen Organ er-
strebt werden -- mit aller wünschenswerthen Raschheit zu gelangen, ist, wie
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Ueberzeugung, vorhanden; indeß dürfte allerdings im wesentlichen nur den
Conservativen, welche, einschließlich der Ungarn, die vorzugsweise compacte
und organisirte Gruppe im verstärkten Reichsrath bilden, hiebei eine klare
Erkenntniß über den einzuhaltenden Weg und namentlich eine besonnenere
Anschauung über das zu Erreichende und Erreichbare zuzuschreiben seyn. Es
ergibt sich das aus der Haltung welche ihre Führer in der zweiten, und fast noch

*) S. dagegen die schon citirten "Erinnerungen und Eindrücke aus Griecheuland"
(von W. Vischer (Basel 1857), S. 691 ff., wo der Charakter und die Aus-
sichten der Neu-Griechen in viel günstigerem Lichte geschildert sind.

[Spaltenumbruch] — um von vielen nur einige zu nennen — die Alttrapezuntier Kallimachi
und Muruſi, die Rhangabe, die Maurokordatos, die Notaras, die
Hypſilantis, die Kantakuzenos mit einer Anzahl am goldenen Horn
lebender Colonialgeſchlechter, in welchen ſich mit dem Blut und mit dem Geiſt
der Intrigue und der Unbotmäßigkeit auch die Feinheiten, der gute Geſchmack
und das elegante Ingenium des byzantiniſchen Kaiſerhofs, ſelbſt nach der
türkiſchen Eroberung noch, erhalten haben. Dieſe koſtbaren colonial helleni-
ſchen Ueberbleibſel, in welchen der hohe Klerus eine weſentliche Rolle ſpielt,
ſind im Lauf der Jahrhunderte auf das kleine Häuflein zuſammengeſchmolzen
das man in Europa Phanarioten nennt. Dieſes kleine Häuflein vornehmer
und reicher Hellenen ſuchte bei dem großen Aufftand Griechenlands die Be-
wegung in ſeine Hände zu bringen, ſie in ſeinem Sinn zu lenken und nach
Bertreibung der Türken aus Stambul, woran dieſe Phanarioten in Ueber-
ſchätzung der eigenen wie der Inſurgenten-Kräfte nicht zweifelten, unter einem
Autokraten aus ihrer Mitte das byzantiniſche Reich wiederherzuſtellen, um
an dem neuen Kaiſerhof das alte Spiel wieder zu beginnen.

Ein vom Reichsverband losgeriſſenes, ſlaviniſch conſtituirtes Hellas hat
das orthodexe Regiment von Byzanz amtlich niemals anerkannt, und deßwe-
gen in ſeinen ſtatiſtiſchen Tabellen auch die alten Ortsnamen in Hellas un-
verändert fortgeſührt, obwohl ſelbſt die Ruinen derſelben ſchon verſchwunden
waren. Nach Vorgang dieſer alten Hoffitte wurde das Völkergemiſch auf
Morea und in Rumelien von den byzantiniſchen Archonten für alte Hellenen
gehalten, in welcher Nemenclatur ſie das gelehrte Abendland tapfer unter-
ſtützte. Der Inſtinct warnte aber die inſurgirten Provinzen vor dieſen ihnen
und ihren Intereſſen fremden, nach Herrſchaft und Gewalt lüſternen Män-
nern. In der Unmöglichkeit ihre Auſprüche geltend zu wachen, mußten ſie
endlich das Regiment den Eingebornen überlaſſen, und ſich mit untergeord-
neten Stellungen begnügen.

Wie wenig aber von dem helleniſch-byzantiniſchen Reſtaurationsproject
in Erfüllung gieng, und in welchem Maß auch dieſes wenige ſein Heil nur
dem Abendland verdankt, weiß in Europa, außer den Hellenen und der edlen
Gräfin Dora d’Iſtria, jedermann.

Wenn aber die Verfaſſerin den glücklichen Ausgang der Inſurrection und
die theilweiſe Abſchüttelung des türkiſchen Jochs doch ausſchließlich der „mira-
culöſen“ Thatkraft ihrer Hellenen, beſonders dem Heroismus der Frauen vin-
dicirt, und wenn in ihrer Borſtellung die Franzoſen zum Sieg zwar etwas
beigetragen, im Grund aber eigentlich doch die Hellenen die Seeſchlacht von
Ravarino gewonnen und die ägyptiſche Armee aus Morea vertrieben haben, ſo
iſt es nur Conſequenz und verzeihliche Eitelkeit. Auf allend aber iſt es wenn
die hochgebildete Parganiotin zwar die ſtrengen Sitten des Atheniſchen Hofes
lobt und anerkennt (I, S. 379), im König Otto aber doch nichts weiter als
den Markſtein ſieht mit deſſen Hülfe ſie die frühere Lage des helleniſchen Wei-
bes von der gegenwärtigen zu unterſcheiden vermag. Bei uns iſt man all-
gemein überzeugt daß es die Griechen nur der Thronbeſteigung dieſes deut-
ſchen Fürſten zu verdanken haben, wenn ſie von den endloſen und ekelhaften
Umwälzungen, wie wir ſie ſeit fünfzig Jahren in den ſüdamerikaniſchen Re-
publiken ſehen, und von den unheimlichen Wirren der Moldo-Walachen, der
Serben und der Tſchernagorzen verſchont geblieben, und in beneidenswerther
Stille am Wiederaufbau ihrer noch unerprobten Nationalität ſchaffen können.
König Otto hat an der Stelle des Padiſchah die Aufgabe übernommen die
anarchiſchen Gelüſte und das turbulente Ingenium dieſer Byzantiner zu cor-
rigiren, und in die rechte Bahn zu lenken.

Daß aber dieſes kleine, von den heterogenſten Elementen zuſammenge-
würfelte, zu ewigem Frieden verurtheilte und am Gängelband der Schutz-
mächte fortſchwankende Neu-Hellas durch ſeine „miraculöſe“ Thatkraft näch-
ſtens Konſtantinopel erobern, die Türken aus Europa jagen und das byzan-
tiniſche Reich wieder aufrichten werde, wie man es in Europa von den Helle-
nen noch immer erwartet, das wagt ſelbſt die edle Gräfin mit den determinir-
teſten Griechenfreunden nicht mehr zu hoffen. Sollte es aber mit den Türken
in Europa doch einmal zu Ende gehen, ſo gibt die edle Verfaſſerin den eman-
cipirten chriſtlichen Volksſtämmen den Rath ſich nach Art der helvetiſchen
Conföderation zu conſtituiren, und in dieſer Staatsordnung hätten dann die
Hellenen im Süden und die Rumänen im Norden, als die beiden Repräſen
tanten der höchſten Cultur der alten Welt, die erſte Rolle zu übernehmen,
und zugleich das geiſtige Leben der unwiſſenden Slaven und Albaneſen durch
ihren Prometheusfunken aufzuwecken (I, S. 122). Weil aber an dieſe Con-
föderation vorerſt nicht zu denken ſey, ſo möchten, meint die orthodoxe Gräfin,
die rechtgläubigen Chriſten der Türkei inzwiſchen die römiſchen Glaubensbo-
ten eifrig zurückſtoßen, beſonders aber hätten ſich die Frauen vor der Propa-
ganda der Jeſuiten in Acht zu nehmen (I, 114 — 115). Den liebenswür-
digen Neuhellenen ihre Prätenſionen auszureden iſt eine Unmöglichkeit. Da-
gegen ſoll man in Europa klüger ſeyn, und vorerſt nichts größeres erwarten
als was vom türkiſchen Joch emancipirte Byzantiner in den Feſſeln der ortho-
doxen Kirche nut beſtem Willen zu leiſten vermögen.

Nach dieſen kurzgedrängten und gewiſſenhaften Bedenken, die man, ohne
[Spaltenumbruch] etwas zu präjudiciren, Satz für Satz den ſchwärmeriſchen Theſen der edlen
Verfaſſerin über die Hellenen entgegenſtellt (I, S. 417), iſt es zweifelhaft ob
der Leſer auch noch von der begeiſterten Lobrede auf das ſchöne Geſchlecht der
Hellenen im allgemeinen, von der Bildungsſtufe aber und von der occidenta-
liſch beeinflußten Toilette der Damen von Smyrna, von ihrem originellen
Kopfputz und ihrer Schminke insbeſondere etwas hören will (I, S. 412 —
442). Dagegen iſt es mehr als wahrſcheinlich daß nicht bloß die geiſtvolle
Albaneſin Dora d’Iſtria, mit allem was ſich von ächtem Hellenenblut in Neu-
Byzanz niedergelaffen hat, ſondern daß ſelbſt die kriegeriſchen und beldenmü-
thigen Albaneſen von Hydra, von Phigalia, von Eleuſis und von Marathen
unſere Bedenken für ungegründet zu erklären, und den Inhalt vielleicht gar
ungeprüft und unwiderlegt zu verdammen gedenken. Das ändert aber an
der Sache nichts, und bringt den Griechen weder Nutzen noch Schaden. Denn
in der Geſchichte und in der Politik werden die Völker nicht nach ihrem Stamm-
baum, ſondern nach ihrer Thatkraft und nach dem phyſiſchen und geiſtigen
Gewicht taxirt das ſie in die Wagſchale der menſchlichen Dinge werfen. Ein
wahrer Freund der Hellenen kann ihnen nur zu Maß und Beſcheidenheit in
ihren Anſprüchen rathen,
Este, precor, memores, qua sitis stirpe creati!*)



Deutſchland.

Die momentane Pauſe welche durch die Wahlen
verſchiedener ſofort in Thätigkeit getretener Comités in den Verhandlungen
des verſtärkten Reichsraths eingetreten iſt, dürfte der geeignete Mement ſeyn
auf die (im Briefe vom 10) vorausgeſchickten allgemeinen Andeutungen über
die Haltung unſerer Hochtories im Reichsrath — um in der Sprache des
bureaukratiſchen oder liberalen Lagers zu reden — zurückzukommen. Damit
nun in dieſer Beziehung die Sachlage einigermaßen zutreffend ſich zeige, iſt
vorab ganz beſonders hervorzuheben daß die Thätigkeit des Reichsraths von
dem Augenblick an eine große Tragweite erhielt als er in der Budgetfrage den
correcten mit dem möglichſt principiellen Standpunkt ſo glücklich zu
vereinigen gewußt. Daß eben hierin die conſervativen Elemente den Aus-
ſchlag gegeben, haben wir ſchon angedeutet, und ohne nochmals auf die zweite
Sitzung des verſtärkten Reichsraths zurückzukommen genügt die Bemerkung
daß die Geſichtspunkte von welchen die Stimmſührer des conſervativen Lagers
ausgehen, durch die vom Graſen Clam-Martinitz gegebenen Entwicklungen
in ein hinlänglich helles Licht geſtellt worden. Allerdings kommt hiebei dem
ſtaatsmänniſchen Tact und der klaren Erkenntniß deſſen was noth thut, guter
Wille, patriotiſcher Sinn, mit einem Worte der loyale Charakter entgegen,
deſſen Gepräge die Verſammlung durchweg trägt. Abgeſehen von den ſehr
begreiſlichen Verſchiedenheiten der Anſchauungen und der Meinungen im ein-
zelnen, ſo wird ſich wohl nicht behaupten laſſen daß der zerſetzende Separa-
tismus oder deſſen Extrem, die gewaltthätige Centraliſation hier Boden
habe. Die Debatte in der vierten Sitzung, der letzten des Plenums, einläß-
lich der Grundbuchsverordnung hat dieß recht deutlich gezeigt, ſo ſcharf auch
hier die Anſchauungen der Realpolitik und der auf dem Boden des formalen
Rechtes verharrenden ſich ſonderten. Wir gehen nämlich nicht ſo weit anzu-
nehmen daß auch den Auhängern des abſolutiſtiſchen Bureaukratismus oder
des modernen Conſtitutionalismus irgend welcher Einfluß in jener Körper-
ſchaft gänzlich fehle, aber während die einen zu beharren, die anderen vorwärts
zu treiben geneigt ſein mögen, ſtreben doch alle Elemente — und hierauf legen
wir das Hauptgewicht — in einheitlicher und aufrichtiger Geſinnung zu dem-
ſelben Ziel zu gelangen. Dieſes Ziel kann natürlich nur die Conſolidirung
des Reichs ſeyn, und leicht finden wir das Beſondere und Unterſcheidende
welches unſern Conſervation zu vindiciren, wenn wir näher beſtimmend
hinzufügen daß ihnen der Leitſtern zu jenem Ziel das hiſtoriſche Recht
iſt. Auf dieſem Boden ſtehend iſt ihnen der Zuſammenhalt aller Theile
des Kaiſerſtaats unter dem Schutz des Throns verbürgt durch mög-
lichſtes Gerechtwerden für die naturgemäßen Anſprüche dieſer Theile
innerhalb der ihnen eigenthümlichen Lebensſphären und Intereſſen; ſohin
auf dem Grund loyalen Feſthaltens ſtreng dynaſtiſcher Geſinnung Freiheit für
Individuen, Corporationen und Länder, und damit auf ſicherer, weil ſubjectiver,
Willkür entrückte Grundlage Kräftigung des Geſammtſtaats nach innen
und folgerecht nach außen. Um zu dieſem Ziel — und kein anderes ſoll,
beiläufig bemerkt, von dem zu begründenden großen conſervativen Organ er-
ſtrebt werden — mit aller wünſchenswerthen Raſchheit zu gelangen, iſt, wie
geſagt, die Vor- und Grundbedingung, allſeitiger guter Wille und redliche
Ueberzeugung, vorhanden; indeß dürfte allerdings im weſentlichen nur den
Conſervativen, welche, einſchließlich der Ungarn, die vorzugsweiſe compacte
und organiſirte Gruppe im verſtärkten Reichsrath bilden, hiebei eine klare
Erkenntniß über den einzuhaltenden Weg und namentlich eine beſonnenere
Anſchauung über das zu Erreichende und Erreichbare zuzuſchreiben ſeyn. Es
ergibt ſich das aus der Haltung welche ihre Führer in der zweiten, und faſt noch

*) S. dagegen die ſchon citirten „Erinnerungen und Eindrücke aus Griecheuland“
(von W. Viſcher (Baſel 1857), S. 691 ff., wo der Charakter und die Aus-
ſichten der Neu-Griechen in viel günſtigerem Lichte geſchildert ſind.
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[2839/0011] — um von vielen nur einige zu nennen — die Alttrapezuntier Kallimachi und Muruſi, die Rhangabe, die Maurokordatos, die Notaras, die Hypſilantis, die Kantakuzenos mit einer Anzahl am goldenen Horn lebender Colonialgeſchlechter, in welchen ſich mit dem Blut und mit dem Geiſt der Intrigue und der Unbotmäßigkeit auch die Feinheiten, der gute Geſchmack und das elegante Ingenium des byzantiniſchen Kaiſerhofs, ſelbſt nach der türkiſchen Eroberung noch, erhalten haben. Dieſe koſtbaren colonial helleni- ſchen Ueberbleibſel, in welchen der hohe Klerus eine weſentliche Rolle ſpielt, ſind im Lauf der Jahrhunderte auf das kleine Häuflein zuſammengeſchmolzen das man in Europa Phanarioten nennt. Dieſes kleine Häuflein vornehmer und reicher Hellenen ſuchte bei dem großen Aufftand Griechenlands die Be- wegung in ſeine Hände zu bringen, ſie in ſeinem Sinn zu lenken und nach Bertreibung der Türken aus Stambul, woran dieſe Phanarioten in Ueber- ſchätzung der eigenen wie der Inſurgenten-Kräfte nicht zweifelten, unter einem Autokraten aus ihrer Mitte das byzantiniſche Reich wiederherzuſtellen, um an dem neuen Kaiſerhof das alte Spiel wieder zu beginnen. Ein vom Reichsverband losgeriſſenes, ſlaviniſch conſtituirtes Hellas hat das orthodexe Regiment von Byzanz amtlich niemals anerkannt, und deßwe- gen in ſeinen ſtatiſtiſchen Tabellen auch die alten Ortsnamen in Hellas un- verändert fortgeſührt, obwohl ſelbſt die Ruinen derſelben ſchon verſchwunden waren. Nach Vorgang dieſer alten Hoffitte wurde das Völkergemiſch auf Morea und in Rumelien von den byzantiniſchen Archonten für alte Hellenen gehalten, in welcher Nemenclatur ſie das gelehrte Abendland tapfer unter- ſtützte. Der Inſtinct warnte aber die inſurgirten Provinzen vor dieſen ihnen und ihren Intereſſen fremden, nach Herrſchaft und Gewalt lüſternen Män- nern. In der Unmöglichkeit ihre Auſprüche geltend zu wachen, mußten ſie endlich das Regiment den Eingebornen überlaſſen, und ſich mit untergeord- neten Stellungen begnügen. Wie wenig aber von dem helleniſch-byzantiniſchen Reſtaurationsproject in Erfüllung gieng, und in welchem Maß auch dieſes wenige ſein Heil nur dem Abendland verdankt, weiß in Europa, außer den Hellenen und der edlen Gräfin Dora d’Iſtria, jedermann. Wenn aber die Verfaſſerin den glücklichen Ausgang der Inſurrection und die theilweiſe Abſchüttelung des türkiſchen Jochs doch ausſchließlich der „mira- culöſen“ Thatkraft ihrer Hellenen, beſonders dem Heroismus der Frauen vin- dicirt, und wenn in ihrer Borſtellung die Franzoſen zum Sieg zwar etwas beigetragen, im Grund aber eigentlich doch die Hellenen die Seeſchlacht von Ravarino gewonnen und die ägyptiſche Armee aus Morea vertrieben haben, ſo iſt es nur Conſequenz und verzeihliche Eitelkeit. Auf allend aber iſt es wenn die hochgebildete Parganiotin zwar die ſtrengen Sitten des Atheniſchen Hofes lobt und anerkennt (I, S. 379), im König Otto aber doch nichts weiter als den Markſtein ſieht mit deſſen Hülfe ſie die frühere Lage des helleniſchen Wei- bes von der gegenwärtigen zu unterſcheiden vermag. Bei uns iſt man all- gemein überzeugt daß es die Griechen nur der Thronbeſteigung dieſes deut- ſchen Fürſten zu verdanken haben, wenn ſie von den endloſen und ekelhaften Umwälzungen, wie wir ſie ſeit fünfzig Jahren in den ſüdamerikaniſchen Re- publiken ſehen, und von den unheimlichen Wirren der Moldo-Walachen, der Serben und der Tſchernagorzen verſchont geblieben, und in beneidenswerther Stille am Wiederaufbau ihrer noch unerprobten Nationalität ſchaffen können. König Otto hat an der Stelle des Padiſchah die Aufgabe übernommen die anarchiſchen Gelüſte und das turbulente Ingenium dieſer Byzantiner zu cor- rigiren, und in die rechte Bahn zu lenken. Daß aber dieſes kleine, von den heterogenſten Elementen zuſammenge- würfelte, zu ewigem Frieden verurtheilte und am Gängelband der Schutz- mächte fortſchwankende Neu-Hellas durch ſeine „miraculöſe“ Thatkraft näch- ſtens Konſtantinopel erobern, die Türken aus Europa jagen und das byzan- tiniſche Reich wieder aufrichten werde, wie man es in Europa von den Helle- nen noch immer erwartet, das wagt ſelbſt die edle Gräfin mit den determinir- teſten Griechenfreunden nicht mehr zu hoffen. Sollte es aber mit den Türken in Europa doch einmal zu Ende gehen, ſo gibt die edle Verfaſſerin den eman- cipirten chriſtlichen Volksſtämmen den Rath ſich nach Art der helvetiſchen Conföderation zu conſtituiren, und in dieſer Staatsordnung hätten dann die Hellenen im Süden und die Rumänen im Norden, als die beiden Repräſen tanten der höchſten Cultur der alten Welt, die erſte Rolle zu übernehmen, und zugleich das geiſtige Leben der unwiſſenden Slaven und Albaneſen durch ihren Prometheusfunken aufzuwecken (I, S. 122). Weil aber an dieſe Con- föderation vorerſt nicht zu denken ſey, ſo möchten, meint die orthodoxe Gräfin, die rechtgläubigen Chriſten der Türkei inzwiſchen die römiſchen Glaubensbo- ten eifrig zurückſtoßen, beſonders aber hätten ſich die Frauen vor der Propa- ganda der Jeſuiten in Acht zu nehmen (I, 114 — 115). Den liebenswür- digen Neuhellenen ihre Prätenſionen auszureden iſt eine Unmöglichkeit. Da- gegen ſoll man in Europa klüger ſeyn, und vorerſt nichts größeres erwarten als was vom türkiſchen Joch emancipirte Byzantiner in den Feſſeln der ortho- doxen Kirche nut beſtem Willen zu leiſten vermögen. Nach dieſen kurzgedrängten und gewiſſenhaften Bedenken, die man, ohne etwas zu präjudiciren, Satz für Satz den ſchwärmeriſchen Theſen der edlen Verfaſſerin über die Hellenen entgegenſtellt (I, S. 417), iſt es zweifelhaft ob der Leſer auch noch von der begeiſterten Lobrede auf das ſchöne Geſchlecht der Hellenen im allgemeinen, von der Bildungsſtufe aber und von der occidenta- liſch beeinflußten Toilette der Damen von Smyrna, von ihrem originellen Kopfputz und ihrer Schminke insbeſondere etwas hören will (I, S. 412 — 442). Dagegen iſt es mehr als wahrſcheinlich daß nicht bloß die geiſtvolle Albaneſin Dora d’Iſtria, mit allem was ſich von ächtem Hellenenblut in Neu- Byzanz niedergelaffen hat, ſondern daß ſelbſt die kriegeriſchen und beldenmü- thigen Albaneſen von Hydra, von Phigalia, von Eleuſis und von Marathen unſere Bedenken für ungegründet zu erklären, und den Inhalt vielleicht gar ungeprüft und unwiderlegt zu verdammen gedenken. Das ändert aber an der Sache nichts, und bringt den Griechen weder Nutzen noch Schaden. Denn in der Geſchichte und in der Politik werden die Völker nicht nach ihrem Stamm- baum, ſondern nach ihrer Thatkraft und nach dem phyſiſchen und geiſtigen Gewicht taxirt das ſie in die Wagſchale der menſchlichen Dinge werfen. Ein wahrer Freund der Hellenen kann ihnen nur zu Maß und Beſcheidenheit in ihren Anſprüchen rathen, Este, precor, memores, qua sitis stirpe creati! *) Deutſchland. * † Wien, 13 Jun. Die momentane Pauſe welche durch die Wahlen verſchiedener ſofort in Thätigkeit getretener Comités in den Verhandlungen des verſtärkten Reichsraths eingetreten iſt, dürfte der geeignete Mement ſeyn auf die (im Briefe vom 10) vorausgeſchickten allgemeinen Andeutungen über die Haltung unſerer Hochtories im Reichsrath — um in der Sprache des bureaukratiſchen oder liberalen Lagers zu reden — zurückzukommen. Damit nun in dieſer Beziehung die Sachlage einigermaßen zutreffend ſich zeige, iſt vorab ganz beſonders hervorzuheben daß die Thätigkeit des Reichsraths von dem Augenblick an eine große Tragweite erhielt als er in der Budgetfrage den correcten mit dem möglichſt principiellen Standpunkt ſo glücklich zu vereinigen gewußt. Daß eben hierin die conſervativen Elemente den Aus- ſchlag gegeben, haben wir ſchon angedeutet, und ohne nochmals auf die zweite Sitzung des verſtärkten Reichsraths zurückzukommen genügt die Bemerkung daß die Geſichtspunkte von welchen die Stimmſührer des conſervativen Lagers ausgehen, durch die vom Graſen Clam-Martinitz gegebenen Entwicklungen in ein hinlänglich helles Licht geſtellt worden. Allerdings kommt hiebei dem ſtaatsmänniſchen Tact und der klaren Erkenntniß deſſen was noth thut, guter Wille, patriotiſcher Sinn, mit einem Worte der loyale Charakter entgegen, deſſen Gepräge die Verſammlung durchweg trägt. Abgeſehen von den ſehr begreiſlichen Verſchiedenheiten der Anſchauungen und der Meinungen im ein- zelnen, ſo wird ſich wohl nicht behaupten laſſen daß der zerſetzende Separa- tismus oder deſſen Extrem, die gewaltthätige Centraliſation hier Boden habe. Die Debatte in der vierten Sitzung, der letzten des Plenums, einläß- lich der Grundbuchsverordnung hat dieß recht deutlich gezeigt, ſo ſcharf auch hier die Anſchauungen der Realpolitik und der auf dem Boden des formalen Rechtes verharrenden ſich ſonderten. Wir gehen nämlich nicht ſo weit anzu- nehmen daß auch den Auhängern des abſolutiſtiſchen Bureaukratismus oder des modernen Conſtitutionalismus irgend welcher Einfluß in jener Körper- ſchaft gänzlich fehle, aber während die einen zu beharren, die anderen vorwärts zu treiben geneigt ſein mögen, ſtreben doch alle Elemente — und hierauf legen wir das Hauptgewicht — in einheitlicher und aufrichtiger Geſinnung zu dem- ſelben Ziel zu gelangen. Dieſes Ziel kann natürlich nur die Conſolidirung des Reichs ſeyn, und leicht finden wir das Beſondere und Unterſcheidende welches unſern Conſervation zu vindiciren, wenn wir näher beſtimmend hinzufügen daß ihnen der Leitſtern zu jenem Ziel das hiſtoriſche Recht iſt. Auf dieſem Boden ſtehend iſt ihnen der Zuſammenhalt aller Theile des Kaiſerſtaats unter dem Schutz des Throns verbürgt durch mög- lichſtes Gerechtwerden für die naturgemäßen Anſprüche dieſer Theile innerhalb der ihnen eigenthümlichen Lebensſphären und Intereſſen; ſohin auf dem Grund loyalen Feſthaltens ſtreng dynaſtiſcher Geſinnung Freiheit für Individuen, Corporationen und Länder, und damit auf ſicherer, weil ſubjectiver, Willkür entrückte Grundlage Kräftigung des Geſammtſtaats nach innen und folgerecht nach außen. Um zu dieſem Ziel — und kein anderes ſoll, beiläufig bemerkt, von dem zu begründenden großen conſervativen Organ er- ſtrebt werden — mit aller wünſchenswerthen Raſchheit zu gelangen, iſt, wie geſagt, die Vor- und Grundbedingung, allſeitiger guter Wille und redliche Ueberzeugung, vorhanden; indeß dürfte allerdings im weſentlichen nur den Conſervativen, welche, einſchließlich der Ungarn, die vorzugsweiſe compacte und organiſirte Gruppe im verſtärkten Reichsrath bilden, hiebei eine klare Erkenntniß über den einzuhaltenden Weg und namentlich eine beſonnenere Anſchauung über das zu Erreichende und Erreichbare zuzuſchreiben ſeyn. Es ergibt ſich das aus der Haltung welche ihre Führer in der zweiten, und faſt noch *) S. dagegen die ſchon citirten „Erinnerungen und Eindrücke aus Griecheuland“ (von W. Viſcher (Baſel 1857), S. 691 ff., wo der Charakter und die Aus- ſichten der Neu-Griechen in viel günſtigerem Lichte geſchildert ſind.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 170, 18. Juni 1860, S. 2839. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine170_1860/11>, abgerufen am 01.06.2024.