Allgemeine Zeitung, Nr. 167, 15. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
sehr Willens ist Europa den Frieden, ihren Unterthanen das Glück zu geben. Unwahrheiten. Die deutschen Fürsten treten in Baden-Baden unter sich zusammen, denn sie sind vom Prinz Regenten dazu eingeladen, aber sie treten nicht mit Louis Napoleon zusammen. Dieser hat sich zu einem Besuch dort in einer Weise angemeldet die nicht abzuweisen ist, weil doch die deut- schen Fürsten nicht abläugnen können daß sie in Baden-Baden anwesend sind. "Wilhelm von Preußen geht nicht mit Napoleon III Hand in Hand," Dieser ist aber mit Frankreich nicht identisch, wenn er auch unum- Eine Thatsache ist aber offenkundig: daß, seitdem dieses Regime zur Gel- Wie die öffentliche Meinung außerhalb der inspirirten Presse den kaiser- Der Entwurf zu dem die Einverleibung Savoyens und Nizza's in Frank- Der heutige Artikel des Constitutionnel über Sicilien läßt vermuthen * Paris, 13 Jun. Die Aufsehen erregende Nachricht des Nord, daß [Spaltenumbruch]
ſehr Willens iſt Europa den Frieden, ihren Unterthanen das Glück zu geben. Unwahrheiten. Die deutſchen Fürſten treten in Baden-Baden unter ſich zuſammen, denn ſie ſind vom Prinz Regenten dazu eingeladen, aber ſie treten nicht mit Louis Napoleon zuſammen. Dieſer hat ſich zu einem Beſuch dort in einer Weiſe angemeldet die nicht abzuweiſen iſt, weil doch die deut- ſchen Fürſten nicht abläugnen können daß ſie in Baden-Baden anweſend ſind. „Wilhelm von Preußen geht nicht mit Napoleon III Hand in Hand,“ Dieſer iſt aber mit Frankreich nicht identiſch, wenn er auch unum- Eine Thatſache iſt aber offenkundig: daß, ſeitdem dieſes Régime zur Gel- Wie die öffentliche Meinung außerhalb der inſpirirten Preſſe den kaiſer- Der Entwurf zu dem die Einverleibung Savoyens und Nizza’s in Frank- Der heutige Artikel des Conſtitutionnel über Sicilien läßt vermuthen • Paris, 13 Jun. Die Aufſehen erregende Nachricht des Nord, daß <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><floatingText><body><div n="1"><p><pb facs="#f0006" n="2786"/><cb/> ſehr Willens iſt Europa den Frieden, ihren Unterthanen das Glück zu geben.<lb/> Napoleon <hi rendition="#aq">III</hi> und Wilhelm von Preußen, Hand in Hand, iſt die dauerhafteſte<lb/> und die ſchönſte aller Rheinbrücken, unter deren Bogen ein Strom von inni-<lb/> ger Freude und rauſchendem Jubel dahinzieht.“</p></div></body></floatingText> So viele Worte, ſo viele<lb/> Unwahrheiten. Die deutſchen Fürſten treten in Baden-Baden <hi rendition="#g">unter ſich</hi><lb/> zuſammen, denn ſie ſind vom Prinz Regenten dazu <hi rendition="#g">eingeladen,</hi> aber ſie<lb/> treten nicht mit Louis Napoleon zuſammen. 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Heute erklärt das<lb/> officiöſe Blatt, demzufolge die neapolitaniſche Regierung wegen ihrer blin-<lb/> den Verſtocktheit rechtlos geworden iſt, „daß, wer in Sicilien gelebt hat, weiß<lb/> daß die Mehrzahl der Bevölkerung nicht Garibaldi’s Plane theilt.“ Die<lb/> Beſetzung des Forts von Caſtellamare durch die Engländer wurde, wie es<lb/> ſcheint, dadurch vermieden daß franzöſiſcherſeits beſtimmte Erklärangen gege-<lb/> ben wurden. War es vielleicht die: Sicilien werde nicht annexirt werden?<lb/> Nach der bei der Annexion Savoyens ausgeſprochenen Theorie muß ſonſt,<lb/> auch ohne Kenntniß des Vertrags von Plombières, England weitere Vergrö-<lb/> ßerung Frankreichs fürchten. In jedem Falle bleibt der merkwürdige Um-<lb/> ſchwung in der kaiſerlichen Politik in Betreff Siciliens unerklärt, wenn man<lb/> nicht annehmen will daß der engliſche Einfluß die Urſache ſey.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline>• <hi rendition="#b">Paris,</hi> 13 Jun.</dateline> <p>Die Aufſehen erregende Nachricht des <hi rendition="#g">Nord,</hi> daß<lb/> wegen der durch den Berner Bundesrath unterhaltenen Volksaufregung in<lb/> der Schweiz eine franzöſiſche Diviſion nach der dortigen Gränze geſchickt wird,<lb/> iſt darauf zu beſchränken daß außerordentliche militäriſche und polizeiliche<lb/> Maßregeln längs der franzöſiſch ſchweizeriſchen Gränzen zu dem Zweck ange-<lb/> ordnet wurden den Staatsmännern der Schweiz es recht fühlbar zu machen<lb/> wie ſehr man ihrer in Paris überdrüſſig iſt. 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Es blieb<lb/> alſo kein anderes Mittel übrig als das Wegbleiben der Diplomaten durch die<lb/> Abweſenheit des Hofes zu entſchuldigen. Wenn das Wetter und die Volks-<lb/> ſtimmung ſich nicht über Nacht ändern, wird das Feſt flau und kalt genug<lb/> ausfallen. Schon heute Abends trägt man von Haus zu Haus den obrig-<lb/> keitlichen Befehl morgen alle Fenſter zu beleuchten. In den meiſten Mar-<lb/> chands de Vin der Vorſtädle werden von nicht näher zu bezeichnenden Sub-<lb/> jecten populäre Vorträge über Gloire, Victoire und Napoleon gehalten, um<lb/> die Ateliers zu echauffiren. Den Journalen iſt eine Amneſtie verſprochen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2786/0006]
ſehr Willens iſt Europa den Frieden, ihren Unterthanen das Glück zu geben.
Napoleon III und Wilhelm von Preußen, Hand in Hand, iſt die dauerhafteſte
und die ſchönſte aller Rheinbrücken, unter deren Bogen ein Strom von inni-
ger Freude und rauſchendem Jubel dahinzieht.“
So viele Worte, ſo viele
Unwahrheiten. Die deutſchen Fürſten treten in Baden-Baden unter ſich
zuſammen, denn ſie ſind vom Prinz Regenten dazu eingeladen, aber ſie
treten nicht mit Louis Napoleon zuſammen. Dieſer hat ſich zu einem Beſuch
dort in einer Weiſe angemeldet die nicht abzuweiſen iſt, weil doch die deut-
ſchen Fürſten nicht abläugnen können daß ſie in Baden-Baden anweſend ſind.
„Wilhelm von Preußen geht nicht mit Napoleon III Hand in Hand,“
der direct vom Annexionsfeſt kommt, und des Prinzen Hand bildet keine
Rheinbrücke, denn Preußen liegt auf beiden Seiten des Rheins. Der Straß-
burger Correſpondent ſagt ſpeciell von der Allgemeinen Zeitung: „Die Augs-
burger Allg. Zeitung vom 10 Juni d. bringt endlich die Nachricht von der
bevorſtehenden Zuſammenkunft des Kaiſers mit dem Prinz-Regenten von
Preußen. Das durchkreuzt natürlich die Plane, das widerſpricht den Erwar-
tungen, das vernichtet die Hoffnungen der edeln Bayerin. Was man ſo
lange gehegt und gepflegt, den Zwieſpalt zwiſchen Frankreich und
Deutſchland, ſieht man mit einemmal in nichts zerfließen, kann noch
nicht an das Unglück glauben, und nimmt daher die Nachricht mit „Miß-
trauen“ auf. Dieß iſt zu charakteriſtiſch für die Tendenz jenes Blattes, um
nicht hervorgehoben zu werden.“ Die Allgemeine Zeitung hegt und pflegt
nicht den Zwieſpalt zwiſchen Frankreich und Deutſchland, ſondern ſie hegt
und pflegt nur das Mißtrauſen gegen den 2 December.
Dieſer iſt aber mit Frankreich nicht identiſch, wenn er auch unum-
ſchränkter Herr des Landes iſt. Daß er nicht identiſch, beweiſen die Sicher-
heitsgeſetze, beweist die Handhabung der Juſtiz durch die Verwaltung, be-
weist die vollſtändige Unterdrückung der Preßfreiheit, die Cenſur der Kammer-
protokolle durch den Präſidenten ꝛc. Die Geſchichte des Suffrage univerſel
in Savoyen und Nizza beweist daß dieſes Mittel in keinem Fall den natio-
nalen Willen conſtatirt; daß, ganz abgeſehen davon, die Stimmabgabe auf
Grund welcher ſich Louis Napoleon „durch den nationalen Willen Kaiſer der
Franzoſen nennt, nichts als eine grobe plumpe Täuſchung iſt. Louis Napoleon
iſt Herr Frankreichs, das iſt unzweifelhaft, aber er iſt nicht Frankreich, und
wird nach dem Geſetz der Geſchichte niemals Frankreich ſo corrumpiren, daß
es wirklich das Régime des zweiten Decembers aus freier Wahl anerkennt.
Die Allg. Ztg. ſäet alſo nicht Zwieſpalt zwiſchen Frankreich und Deutſchland,
denn die Gefahr von der ſie heute die Unabhängigkeit und Freiheit des deut-
ſchen Vaterlands bedroht ſieht, datirt vom Gelingen des Staatsſtreichs und
von dem Régime das er zur Geltung brachte.
Eine Thatſache iſt aber offenkundig: daß, ſeitdem dieſes Régime zur Gel-
tung gekommen, Europa den Frieden verloren hot. Die Unvereinbarksit des-
ſelben mit dem Fortſchritt der Welt, mit dem Beſtehen der Freiheit und Ge-
ſittung der Völker, iſt in dieſen Blättern zu oft und zu logiſch nachgewieſen worden
um noch darüber ein Wort zu verlieren. Entweder das eine oder das andere
muß in Europa den Sieg erringen. Wir haben eine Menge von offenkun-
digen, unzweifelhaften Thatſachen angeführt, welche darthun wie die Plane
des zweiten Decembers jetzt gegen die deutſchen Rheinlande gerichtet ſind.
Die außerordentliche perſönliche Mühe die ſich Louis Napoleon gibt die
Deutſchen in eine falſche Sicherheit zu wiegen, die Einigung zu verhindern
welche in Folge der Gefahr zwiſchen den Bedrohten zu entſtehen begann, ma-
chen es zur Pflicht der Preſſe mehr denn je daran zu erinnern daß nur durch
die äußerſten Anſtrengungen, die umſichtigſten Maßnahmen und die zäheſte
Ausdauer für Deutſchland ein ſiegreicher Widerſtand möglich iſt. Die Rü-
ſtungen der Engländer verdoppelten ſich von dem Tag an wo Louis Napo-
leon der Königin Victoria Friedensverſicherungen gab. Vor allem möchten
wir daran erinnern daß nicht bloß die Völker, ſondern noch mehr die Throne
von dem Régime des zweiten Decembers bedroht ſind, daß dieſer die Incar-
nation der Revolution iſt. Gewiß wünſchen die Deutſchen vieles anders im
deutſchen Vaterland, aber gewiß will die unendliche Mehrheit dieſe beſſere
Zukunſt nur auf dem Weg der Reform erſtreben, und ſicher ſind „die wohl-
verſtandenen Intereſſen“ der Fürſten wie der Völker durchaus identiſch. Jede
Furcht vor der Nevolution muß daher die deutſchen Fürſten vom zweiten De-
cember entſernen. Bei den deutſchen Fürſten wird hoffentlich auch jeder Ver-
ſuch ſie zu bethören ebenſo ſicher ſcheitern wie am deutſchen Volk. Weniger
ſicher iſt leider daß man in England den unangenehmen Zwiſchenfall richtig
auffaſſe. Die Haltung des engliſchen Cabinets in der ſictliſchen Angelegen-
heit verbürgt daß, abgeſehen von Gladſtone und Gibſon, jede Neigung mit
der kaiſerlichen Regierung zuſammenzugehen aus dem Cabinet geſchwunden
iſt. Die nächſten Tage werden dieß nur noch offenkundiger machen. Viel-
leicht iſt es eben dieſer Umſchwung welcher Louis Napoleon dazu brachte
endlich in Baden-Baden perſönlich ſeine Kunſt am Prinz-Regenten zu ver-
ſuchen. Daß alle dort erſcheinenden deutſchen Fürſten ohne ihre Miniſter
und lediglich mit militäriſcher Begleitung ſeyn werden, verſchweigen natürlich
die ſraitzöſiſchen Blätter.
Wie die öffentliche Meinung außerhalb der inſpirirten Preſſe den kaiſer-
lichen Beſuch in Baden Baden auffaßt, geht aus folgenden Zeilen der L. C.
hervor. Sie ſagt: „Die Reiſe des Kaiſers nach Baden beſchäftigt
alle politiſchen Kreiſe, und je näher der Zeitpunkt ihrer Verwirklichung rückt,
umſomehr Gewicht ſcheint man derſelben beilegen zu wollen. Es wird er-
zählt L. Napoleon habe dem Prinz-Regenten von Preußen ſagen laſſen, er
habe von deſſen bevorſtehendem Beſuch in Baden-Baden Kenntniß erhalten,
und wolle dieſe Gelegenheit benützen ihm (dem Prinz-Regenten) einen Be-
ſuch zu machen, da er eine wichtige Mittheilung für Se. k. Hoheit habe.
Einem in dieſer Form ausgeſprochenen Wunſch oder Geſuch
ließ ſich ohne directe Feind ſeligkeit unmöglich ausweichen.
Die Gerüchte die man hier verbreitet, verdienen wohl kaum
Erwähnung. Die Journale müſſen ſich ohnehin darauf gefaßt machen
einige Zeitlang an dieſer Zuſammenkunft zu zehren. Die diplomatiſchen
Enthüllungen und Offenbarungen der verſchiedenſten Art werden uns gewiß
nicht erſpart bleiben.“
Der Entwurf zu dem die Einverleibung Savoyens und Nizza’s in Frank-
reich betreffenden Senatusconſult lautet, wie folgt: Art. 1. Savoyen und
das Arrondiſſement Nizza bilden einen integrirenden Theil des franzöſiſchen
Kaiſerreichs. Die Conſtitution und die franzöſiſchen Geſetze werden dort
vom 1 Januar 1861 ab execatoriſch. Art. 2. Die Eintheilung der mit
Frankreich vereinigten Territorien in Gerichtshofbezirke und in Departements
wird durch ein Geſetz feſtgeſtellt werden. Art. 3. Die verſchiedenen Maß-
nahmen wegen Einſetzung der Zolllinien und alle ſonſtigen Verfügungen
wegen Einführung der franzöſiſchen Verwaltungsweiſe in dieſen Territorien
können mittelſt kaiſerlicher Decrete vor dem 1 Januar 1861 geregelt werden
Dieſe Decrete werden Geſetzeskraft haben. Dieſer Entwurf des Senatus-
conſults wurde vom Staatsrath in der Sitzung vom 11 Juni 1860 be-
rathen und angenommen. Der Entwurf iſt bekanntlich ohne Berathung
angenommen.
Der heutige Artikel des Conſtitutionnel über Sicilien läßt vermuthen
daß die energiſche Haltung des engliſchen Cabinets die bonapartiſtiſchen Plane
durchkreuzt habe. In dem Vertrag von Plombières iſt über die Annexion
Siciliens ebenfalls ein Abſchluß getroffen. Wie man ſagt, ſollte dafür Ligu-
rien an Frankreich fallen, für Neapel Sardinien. Garibaldi hat im Namen
Victor Emmanuels von Sicilien Beſitz ergriffen, die Sanction darüber durch
das Suffrage univerſel iſt bereits von Paris verkündet. Heute erklärt das
officiöſe Blatt, demzufolge die neapolitaniſche Regierung wegen ihrer blin-
den Verſtocktheit rechtlos geworden iſt, „daß, wer in Sicilien gelebt hat, weiß
daß die Mehrzahl der Bevölkerung nicht Garibaldi’s Plane theilt.“ Die
Beſetzung des Forts von Caſtellamare durch die Engländer wurde, wie es
ſcheint, dadurch vermieden daß franzöſiſcherſeits beſtimmte Erklärangen gege-
ben wurden. War es vielleicht die: Sicilien werde nicht annexirt werden?
Nach der bei der Annexion Savoyens ausgeſprochenen Theorie muß ſonſt,
auch ohne Kenntniß des Vertrags von Plombières, England weitere Vergrö-
ßerung Frankreichs fürchten. In jedem Falle bleibt der merkwürdige Um-
ſchwung in der kaiſerlichen Politik in Betreff Siciliens unerklärt, wenn man
nicht annehmen will daß der engliſche Einfluß die Urſache ſey.
• Paris, 13 Jun. Die Aufſehen erregende Nachricht des Nord, daß
wegen der durch den Berner Bundesrath unterhaltenen Volksaufregung in
der Schweiz eine franzöſiſche Diviſion nach der dortigen Gränze geſchickt wird,
iſt darauf zu beſchränken daß außerordentliche militäriſche und polizeiliche
Maßregeln längs der franzöſiſch ſchweizeriſchen Gränzen zu dem Zweck ange-
ordnet wurden den Staatsmännern der Schweiz es recht fühlbar zu machen
wie ſehr man ihrer in Paris überdrüſſig iſt. In politiſchen Kreiſen ver-
ſpricht man ſich von der Zuſammenkunft in Baden-Baden nichts gutes, und
in diplomatiſchen Kreiſen ſindet man die Nachäffung der römiſchen Sie-
gesfeſte unter dem erſten Kaiſerthum mehr als anſtößig. Eine ſtarke Ab-
theilung von Sicherheitsorganen in Civilkleidern und von politiſchen Referen-
ten wurde ſchon heute mittelſt der Oſtbahn, und eine zweite mittelſt der Nord-
bahn nach dem Rhein geſchafft. Hr. Thouvenel wird den Kaiſer begleiten,
um, nach der geheimen Unterredung zwiſchen dem Kaiſer und dem Prinz-
Regenten, mit dem preußiſchen Miniſter zu conferiren. Aus dem Feſtpro-
gramm mußte die Anweſenheit des Kaiſers bei dem Tedeum geſtrichen wer-
den, da es ſich als unmöglich herausſtellte das diplomatiſche Corps dazu zu
preſſen. Sogar der ſardiniſche Geſandte weigerte ſich dem Tedeum für den
glücklich vollbrachten Verluſt Savoyens und Nizza’s beizuwohnen. Es blieb
alſo kein anderes Mittel übrig als das Wegbleiben der Diplomaten durch die
Abweſenheit des Hofes zu entſchuldigen. Wenn das Wetter und die Volks-
ſtimmung ſich nicht über Nacht ändern, wird das Feſt flau und kalt genug
ausfallen. Schon heute Abends trägt man von Haus zu Haus den obrig-
keitlichen Befehl morgen alle Fenſter zu beleuchten. In den meiſten Mar-
chands de Vin der Vorſtädle werden von nicht näher zu bezeichnenden Sub-
jecten populäre Vorträge über Gloire, Victoire und Napoleon gehalten, um
die Ateliers zu echauffiren. Den Journalen iſt eine Amneſtie verſprochen
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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