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Allgemeine Zeitung, Nr. 166, 14. Juni 1860.

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AUGSBURG. Das Abonnement,
welches je vierteljährlich und halb-
jährlich angenommen wird, beträgt in
Bayern vierteljährlich 4 fl. 45 kr.
Feremsmünze.

Allgemeine Zeitung.


Inserate werden von der Expedition
aufgenommen und der Baum einer
dreispaltigen Colonelzeile berechnet:
im Hauptblatt mit 12 kr., in der
Beilage mit 9 kr.

Correspondenzen sind an die Redaction, Inserate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adresstren.
Man abonnirt bei allen Postämtern Deutschlands. Oesterreichs und der Schweiz; für Frankreich. Sardinien. Spanien und Portugal bei G. A. Alexandre in Strasburg, Paris bei demselben,
2 Cour du Commerce St. Andre des Arts, und bei der deutschen Buchhandlung von F. Klincksieck, Nr. 11 rue de Lille, oder bei dem Postamt in Karlsruhe; für England bei Williams & Norgate,
44 Henriette-Street, Covent-Garden in London für Nordamerika bei dem königl. preussischen Postamt Cöln oder Westermann & Comp. in New-York; für Italien bei den k. k. Postämtern zu
innsbruck, Verona, Venedig. Triest und Mailand; im Kirchenstaat und den Herzogthumern Lucca, Modena, Parren und Toscana bei Buchhändler H. F. Münster in Verona: für Neapel und
Sacilien bei Buchhändler Albert Detken in Neapel: für Grtechenland, Türkei und die Levante etc. beim k. k. Postamt in Triest.

[Spaltenumbruch]
Uebersicht.
Die Einnahme Palermo's. II. (Schluß.)
Deutschland. Vom Main (die Verbandlungen zwischen Frankreich
und Sardinien behufs der Regulirung der Gränzen fistirt); Frankfurt
(Militärwochenblatt für das deutsche Bundesheer); Speyer (Se. M. König
Max); Durlach (die Thesen der Durlacher Conferenz); Wiesbaden (die
zweite Kammer über die kurhessische Verfassung); Darmstadt (Empfang
der Deputation des Landtags durch den Großherzog); Kassel (Protestations-
eingabe an den Bundestag); Leipzig (Verfahren gegen die Unterzeichner der
Heidelberger Erklärung); Berlin (der sicilische Aufstand. Die australischen
Auswanderungsagenten. Der militärische Turnunterricht. Die Zusammen-
kunst in Baden); Wien (der Reichsrath. Die Zusammenkunft des Prinz-
Regenten mit Louis Napoleon. Der russische Gesandte. Die Beschlüsse der
Branntwein-Enquete. Ausbau des St. Stephansthurms).
Oesterreichische Monarchie. Pesth (Verwarnung. Prote-
stantisches).
Schweiz. Genf (Beginn des Schützenfestes. Starker Fremden ver-
kehr. Eine Interpellation im großen Rath. Savoyische Enttäuschungen).
Großbritannien. Englands Verhältniß zu Sicilien.
Frankreich. Der Prinz-Regent. Die Plane L. Napoleons gegen
Deutschland. Die Theorie der Annexionen. Die Vorsicht Frankreichs und die
Vorsicht Deutschlands. Innere Zustände. Wie die kaiserliche Politik in Ita-
lien seyn könnte. Die Zusammenkunft. Engländer in Palermo.
Italien. Alcamo (Anordnungen Garibaldi's); Rom (das Inter-
dict in Aussicht); Turin (Freiwillige aus Italien und England. Oeffentliche
Politik. Perseveranza. Zustände in Palermo. Zwei Briefe und eine Procla-
mation Garibaldi's); Aus Nordsavoyen zur Einverleibung); Mailand
(Verhaftungen der Priester. Graf Annoni. Patriotische Gaben. Langensee-
dampfer. Ernennung des Quästors. Gerüchte von Ministerwechsel. Aufruf
an Piemont zu den Waffen zu greifen).


Die Einnahme Palermo's.*)
II.
(Schluß.)

30 Mai. Morgens. Der Correspondent erwähnt das Umsichgreifen
der Insurrection auf der ganzen Insel, und namentlich daß am 23 Abends
General Alfan di Heisla die Stadt Girgenti geräumt, worauf die dortige
Bevölkerung, unter Lebehochruf auf Garibaldi und Victor Emmanuel die
italienische Tricolore aufgepflanzt. 200 Gefangene wurden auch dort frei-
gelassen, ohne daß Ruhestörungen erfolgten.**) Hierauf fährt er fort: Die
neapolitanische Flotte hat keinen Schuß mehr gefeuert seit vorgestern Morgens,
wo sich Admiral Mundy darüber gegen den Commodore ausgesprochen, so
daß wenigstens die Hälfte des Elends den Palermitanern erspart blieb. Aber
[Spaltenumbruch] das Castell ist unverbesserlich; sobald es ein Geräusch hört, oder in irgend-
einem Stadttheil eine Bewegung sieht fliegt eine Bombe los. Wär' es mög-
lich fehlzuschießen, so thäten sie's, aber das läßt sich in diesen engen Straßen
nicht erwarten. Die Häuser sind größtentheils so schlecht gebaut, daß eine
Bombe hinreicht eines zu zertrümmern und die Einwohner unter seinen Ruinen
zu begraben. Ganze Familien sind so verschwunden, und Hunderte unschul-
d ger Menschen getödtet oder verwundet. Die Flotte warf 80 bis 90 Bomben
am ersten Tag, das Castell muß mehr als 300 geschleudert haben. Am ersten
Tag richtete Garibaldi einen Protest an die Befehlshaber der fremden Kriegs-
schiffe gegen diese feige Unmenschlichkeit, aber sie können ohne Weisung ihrer
Regierungen nicht direct ins Mittel treten. Die Berufung muß an die öffent-
liche Meinung in Europa geschehen. Das brittische Parlament ist in diesem
Augenblick versammelt, mög' es die Sache in die Hand nehmen u. s. w.

9 Uhr Vormittags. Eben in diesem Augenblick ist eine Waffen-
stillstandsflagge vom k. Palast angekommen mit folgendem Brief an Gari-
baldi: "Der Oberbefehlshaber der Heere und Seestationen jenseits des Faro.
Palermo, 30 Mai. General! Da der brittische Admiral mich wissen ließ daß
er mit Vergnügen an Bord seines Schiffs zwei meiner Generale empfangen
würde um eine Conferenz mit Ihnen zu eröffnen, deren Vermittler er seyn
würde, wenn Sie dieselben durch die Linien passiren ließen, so bitt' ich Sie
mich wissen zu lassen ob Sie beistimmen, und mir in diesem Fall die Stunde
anzugeben wann der Waffenstillstand beginnen soll. Es würde auch gut seyn
wenn Sie die zwei Generale vom k. Palast an bis zum Einschiffungsplatz an
der Sanita begleiten ließen. Ihre Antwort erwartend, hab ich die Ehre zu
zeichnen General Lanza. An Se. Excellenz General Garibaldi." Auf
diesen Brief antwortete Garibaldi: er sey nicht abgeneigt mit den beiden Ge-
neralen auf dem brittischen Admiralsschiff zusammenzutreffen, er wolle auf
seiner ganzen Linie das Feuern einstellen lassen, der Waffenstillstand solle
Mittags beginnen, und Nachmittags 1 Uhr solle die Besprechung an Bord
stattfinden. Oberst Türr, der Generalinspector der nationalen Streitkräfte,
schickte Lanza's Brief an Bord des "Hannibal" durch den Flaggenlieutenant
Wilmot.

Halb 1 Uhr Nachmittags. Wenn jemand in der Verwirrung
seines Nachbars Mantel nimmt, so mag das als ein Irrthum hingehen, aber
wenn derselbe Mensch bei nächster Gelegenheit dasselbe thut, so darf man ihn
wohl als Dieb am Kragen fassen. Als die Neapolitaner um Wassenstillstand
baten, und General Garibaldi sofort sein Feuer einstellte, fuhren sie nicht
bloß fort Bomben zu werfen, sondern suchten das Aufhören des feindlichen
Feuers auch zur Gewinnung einer bessern Position zu benutzen. Heute ver-
suchten sie's nicht nur, sondern gewannen wirklich einen beträchtlichen Vor-
theil. Um das Schießen Mittags einzustellen, hatte Garibaldi ungefähr eine
Stunde vorher angefangen seine Linien deßhalb bedeuten zu lassen. Eben um
dieselbe Zeit erschien eine neapolitanische Colonne auf der nämlichen Straße
durch welche Garibaldi in die Stadt eingedrungen war. Sie war mit Ar-
tillerie versehen, und begann von der Admiralitätsbrücke her gegen die Porta
di Termini vorzurücken. Umsonst verkündigte eine weiße Fahne den Waffen-
stillstand: die einrückende neapolitanische Colonne schoß, und ebenso setzte die
Citadelle ihr Bombenwerfen in der gleichen Richtung fort. Mehrere unserer
Officiere stiegen auf die Höhe der Barricaden, und suchten die Neapolitaner
zu bedeuten; sie wurden mit Flintenschüssen empfangen, und unter andern
Oberst Carini verwundet. Die Garibaldianer aber blieben ihrer Instruction
treu, und erwiederten das Feuer nicht; allein sie schickten eine Botschaft um die
andere an Garibaldi: wenn sie nicht schießen dürften, so seyen sie genöthigt
ihre Stellung aufzugeben. Der General war eben im Begriff den Waffen-
stillstand für gebrochen zu erklären, als zwei neapolitanische Officiere als Par-
lamentäre erschienen. Diese entschuldigten den Vorgang als ein Mißverständ-
niß, indem jener Colonne kein Befehl wegen des Waffenstillstands zuge-
kommen sey. Sie wurden vor die Fronte geschickt, um ihren Cameraden
Einftellung des Feuers zu befehlen. Sonderbar genug dauerte die ganze Zeit
über das Bombenwerfen von der Citadelle fort, und diese mußte doch vom
Waffenstillstand Kunde haben! Gerade um 12 Uhr erfuhr man daß die feind-

*) Diese Berichte sind, wie man jetzt erfährt, nicht aus der Feder William
Russells (letzterer befindet sich in London), sondern des ungarischen Obersten
Eber. Hr. W. Rufsell weiß anschaulicher zu schildern.
**) Wie es scheint, hat man also überall auf Sicilien in Bausch und Bogen die
Gefängnisse geleert. Gott gnade den armen Touristen welche in den nächsten
Jahren Lust haben sollten die Insel zu durchwandern!

AUGSBURG. Das Abonnement,
welches je vierteljährlich und halb-
jährlich angenommen wird, beträgt in
Bayern vierteljährlich 4 fl. 45 kr.
Feremsmünze.

Allgemeine Zeitung.


Inserate werden von der Expedition
aufgenommen und der Baum einer
dreispaltigen Colonelzeile berechnet:
im Hauptblatt mit 12 kr., in der
Beilage mit 9 kr.

Correſpondenzen ſind an die Redaction, Inſerate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adreſſtren.
Man abonnirt bei allen Postämtern Deutschlands. Oesterreichs und der Schweiz; für Frankreich. Sardinien. Spanien und Portugal bei G. A. Alexandre in Strasburg, Paris bei demselben,
2 Cour du Commerce St. André des Arts, und bei der deutschen Buchhandlung von F. Klincksieck, Nr. 11 rue de Lille, oder bei dem Postamt in Karlsruhe; für England bei Williams & Norgate,
44 Henriette-Street, Covent-Garden in London für Nordamerika bei dem königl. preussischen Postamt Cöln oder Westermann & Comp. in New-York; für Italien bei den k. k. Postämtern zu
innsbruck, Verona, Venedig. Triest und Mailand; im Kirchenstaat und den Herzogthumern Lucca, Modena, Parren und Toscana bei Buchhändler H. F. Münster in Verona: für Neapel und
Sacilien bei Buchhändler Albert Detken in Neapel: für Grtechenland, Türkei und die Levante etc. beim k. k. Postamt in Triest.

[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.
Die Einnahme Palermo’s. II. (Schluß.)
Deutſchland. Vom Main (die Verbandlungen zwiſchen Frankreich
und Sardinien behufs der Regulirung der Gränzen fiſtirt); Frankfurt
(Militärwochenblatt für das deutſche Bundesheer); Speyer (Se. M. König
Max); Durlach (die Theſen der Durlacher Conferenz); Wiesbaden (die
zweite Kammer über die kurheſſiſche Verfaſſung); Darmſtadt (Empfang
der Deputation des Landtags durch den Großherzog); Kaſſel (Proteſtations-
eingabe an den Bundestag); Leipzig (Verfahren gegen die Unterzeichner der
Heidelberger Erklärung); Berlin (der ſiciliſche Aufſtand. Die auſtraliſchen
Auswanderungsagenten. Der militäriſche Turnunterricht. Die Zuſammen-
kunſt in Baden); Wien (der Reichsrath. Die Zuſammenkunft des Prinz-
Regenten mit Louis Napoleon. Der ruſſiſche Geſandte. Die Beſchlüſſe der
Branntwein-Enquête. Ausbau des St. Stephansthurms).
Oeſterreichiſche Monarchie. Peſth (Verwarnung. Prote-
ſtantiſches).
Schweiz. Genf (Beginn des Schützenfeſtes. Starker Fremden ver-
kehr. Eine Interpellation im großen Rath. Savoyiſche Enttäuſchungen).
Großbritannien. Englands Verhältniß zu Sicilien.
Frankreich. Der Prinz-Regent. Die Plane L. Napoleons gegen
Deutſchland. Die Theorie der Annexionen. Die Vorſicht Frankreichs und die
Vorſicht Deutſchlands. Innere Zuſtände. Wie die kaiſerliche Politik in Ita-
lien ſeyn könnte. Die Zuſammenkunft. Engländer in Palermo.
Italien. Alcamo (Anordnungen Garibaldi’s); Rom (das Inter-
dict in Ausſicht); Turin (Freiwillige aus Italien und England. Oeffentliche
Politik. Perſeveranza. Zuſtände in Palermo. Zwei Briefe und eine Procla-
mation Garibaldi’s); Aus Nordſavoyen zur Einverleibung); Mailand
(Verhaftungen der Prieſter. Graf Annoni. Patriotiſche Gaben. Langenſee-
dampfer. Ernennung des Quäſtors. Gerüchte von Miniſterwechſel. Aufruf
an Piemont zu den Waffen zu greifen).


Die Einnahme Palermo’s.*)
II.
(Schluß.)

30 Mai. Morgens. Der Correſpondent erwähnt das Umſichgreifen
der Inſurrection auf der ganzen Inſel, und namentlich daß am 23 Abends
General Alfan di Heisla die Stadt Girgenti geräumt, worauf die dortige
Bevölkerung, unter Lebehochruf auf Garibaldi und Victor Emmanuel die
italieniſche Tricolore aufgepflanzt. 200 Gefangene wurden auch dort frei-
gelaſſen, ohne daß Ruheſtörungen erfolgten.**) Hierauf fährt er fort: Die
neapolitaniſche Flotte hat keinen Schuß mehr gefeuert ſeit vorgeſtern Morgens,
wo ſich Admiral Mundy darüber gegen den Commodore ausgeſprochen, ſo
daß wenigſtens die Hälfte des Elends den Palermitanern erſpart blieb. Aber
[Spaltenumbruch] das Caſtell iſt unverbeſſerlich; ſobald es ein Geräuſch hört, oder in irgend-
einem Stadttheil eine Bewegung ſieht fliegt eine Bombe los. Wär’ es mög-
lich fehlzuſchießen, ſo thäten ſie’s, aber das läßt ſich in dieſen engen Straßen
nicht erwarten. Die Häuſer ſind größtentheils ſo ſchlecht gebaut, daß eine
Bombe hinreicht eines zu zertrümmern und die Einwohner unter ſeinen Ruinen
zu begraben. Ganze Familien ſind ſo verſchwunden, und Hunderte unſchul-
d ger Menſchen getödtet oder verwundet. Die Flotte warf 80 bis 90 Bomben
am erſten Tag, das Caſtell muß mehr als 300 geſchleudert haben. Am erſten
Tag richtete Garibaldi einen Proteſt an die Befehlshaber der fremden Kriegs-
ſchiffe gegen dieſe feige Unmenſchlichkeit, aber ſie können ohne Weiſung ihrer
Regierungen nicht direct ins Mittel treten. Die Berufung muß an die öffent-
liche Meinung in Europa geſchehen. Das brittiſche Parlament iſt in dieſem
Augenblick verſammelt, mög’ es die Sache in die Hand nehmen u. ſ. w.

9 Uhr Vormittags. Eben in dieſem Augenblick iſt eine Waffen-
ſtillſtandsflagge vom k. Palaſt angekommen mit folgendem Brief an Gari-
baldi: „Der Oberbefehlshaber der Heere und Seeſtationen jenſeits des Faro.
Palermo, 30 Mai. General! Da der brittiſche Admiral mich wiſſen ließ daß
er mit Vergnügen an Bord ſeines Schiffs zwei meiner Generale empfangen
würde um eine Conferenz mit Ihnen zu eröffnen, deren Vermittler er ſeyn
würde, wenn Sie dieſelben durch die Linien paſſiren ließen, ſo bitt’ ich Sie
mich wiſſen zu laſſen ob Sie beiſtimmen, und mir in dieſem Fall die Stunde
anzugeben wann der Waffenſtillſtand beginnen ſoll. Es würde auch gut ſeyn
wenn Sie die zwei Generale vom k. Palaſt an bis zum Einſchiffungsplatz an
der Sanità begleiten ließen. Ihre Antwort erwartend, hab ich die Ehre zu
zeichnen General Lanza. An Se. Excellenz General Garibaldi.“ Auf
dieſen Brief antwortete Garibaldi: er ſey nicht abgeneigt mit den beiden Ge-
neralen auf dem brittiſchen Admiralsſchiff zuſammenzutreffen, er wolle auf
ſeiner ganzen Linie das Feuern einſtellen laſſen, der Waffenſtillſtand ſolle
Mittags beginnen, und Nachmittags 1 Uhr ſolle die Beſprechung an Bord
ſtattfinden. Oberſt Türr, der Generalinſpector der nationalen Streitkräfte,
ſchickte Lanza’s Brief an Bord des „Hannibal“ durch den Flaggenlieutenant
Wilmot.

Halb 1 Uhr Nachmittags. Wenn jemand in der Verwirrung
ſeines Nachbars Mantel nimmt, ſo mag das als ein Irrthum hingehen, aber
wenn derſelbe Menſch bei nächſter Gelegenheit dasſelbe thut, ſo darf man ihn
wohl als Dieb am Kragen faſſen. Als die Neapolitaner um Waſſenſtillſtand
baten, und General Garibaldi ſofort ſein Feuer einſtellte, fuhren ſie nicht
bloß fort Bomben zu werfen, ſondern ſuchten das Aufhören des feindlichen
Feuers auch zur Gewinnung einer beſſern Poſition zu benutzen. Heute ver-
ſuchten ſie’s nicht nur, ſondern gewannen wirklich einen beträchtlichen Vor-
theil. Um das Schießen Mittags einzuſtellen, hatte Garibaldi ungefähr eine
Stunde vorher angefangen ſeine Linien deßhalb bedeuten zu laſſen. Eben um
dieſelbe Zeit erſchien eine neapolitaniſche Colonne auf der nämlichen Straße
durch welche Garibaldi in die Stadt eingedrungen war. Sie war mit Ar-
tillerie verſehen, und begann von der Admiralitätsbrücke her gegen die Porta
di Termini vorzurücken. Umſonſt verkündigte eine weiße Fahne den Waffen-
ſtillſtand: die einrückende neapolitaniſche Colonne ſchoß, und ebenſo ſetzte die
Citadelle ihr Bombenwerfen in der gleichen Richtung fort. Mehrere unſerer
Officiere ſtiegen auf die Höhe der Barricaden, und ſuchten die Neapolitaner
zu bedeuten; ſie wurden mit Flintenſchüſſen empfangen, und unter andern
Oberſt Carini verwundet. Die Garibaldianer aber blieben ihrer Inſtruction
treu, und erwiederten das Feuer nicht; allein ſie ſchickten eine Botſchaft um die
andere an Garibaldi: wenn ſie nicht ſchießen dürften, ſo ſeyen ſie genöthigt
ihre Stellung aufzugeben. Der General war eben im Begriff den Waffen-
ſtillſtand für gebrochen zu erklären, als zwei neapolitaniſche Officiere als Par-
lamentäre erſchienen. Dieſe entſchuldigten den Vorgang als ein Mißverſtänd-
niß, indem jener Colonne kein Befehl wegen des Waffenſtillſtands zuge-
kommen ſey. Sie wurden vor die Fronte geſchickt, um ihren Cameraden
Einftellung des Feuers zu befehlen. Sonderbar genug dauerte die ganze Zeit
über das Bombenwerfen von der Citadelle fort, und dieſe mußte doch vom
Waffenſtillſtand Kunde haben! Gerade um 12 Uhr erfuhr man daß die feind-

*) Dieſe Berichte ſind, wie man jetzt erfährt, nicht aus der Feder William
Ruſſells (letzterer befindet ſich in London), ſondern des ungariſchen Oberſten
Eber. Hr. W. Rufſell weiß anſchaulicher zu ſchildern.
**) Wie es ſcheint, hat man alſo überall auf Sicilien in Bauſch und Bogen die
Gefängniſſe geleert. Gott gnade den armen Touriſten welche in den nächſten
Jahren Luſt haben ſollten die Inſel zu durchwandern!
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[0001] AUGSBURG. Das Abonnement, welches je vierteljährlich und halb- jährlich angenommen wird, beträgt in Bayern vierteljährlich 4 fl. 45 kr. Feremsmünze. Allgemeine Zeitung. Inserate werden von der Expedition aufgenommen und der Baum einer dreispaltigen Colonelzeile berechnet: im Hauptblatt mit 12 kr., in der Beilage mit 9 kr. Donnerſtag Nr. 166. 14 Junius 1860. Correſpondenzen ſind an die Redaction, Inſerate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adreſſtren. Man abonnirt bei allen Postämtern Deutschlands. Oesterreichs und der Schweiz; für Frankreich. Sardinien. Spanien und Portugal bei G. A. Alexandre in Strasburg, Paris bei demselben, 2 Cour du Commerce St. André des Arts, und bei der deutschen Buchhandlung von F. Klincksieck, Nr. 11 rue de Lille, oder bei dem Postamt in Karlsruhe; für England bei Williams & Norgate, 44 Henriette-Street, Covent-Garden in London für Nordamerika bei dem königl. preussischen Postamt Cöln oder Westermann & Comp. in New-York; für Italien bei den k. k. Postämtern zu innsbruck, Verona, Venedig. Triest und Mailand; im Kirchenstaat und den Herzogthumern Lucca, Modena, Parren und Toscana bei Buchhändler H. F. Münster in Verona: für Neapel und Sacilien bei Buchhändler Albert Detken in Neapel: für Grtechenland, Türkei und die Levante etc. beim k. k. Postamt in Triest. Ueberſicht. Die Einnahme Palermo’s. II. (Schluß.) Deutſchland. Vom Main (die Verbandlungen zwiſchen Frankreich und Sardinien behufs der Regulirung der Gränzen fiſtirt); Frankfurt (Militärwochenblatt für das deutſche Bundesheer); Speyer (Se. M. König Max); Durlach (die Theſen der Durlacher Conferenz); Wiesbaden (die zweite Kammer über die kurheſſiſche Verfaſſung); Darmſtadt (Empfang der Deputation des Landtags durch den Großherzog); Kaſſel (Proteſtations- eingabe an den Bundestag); Leipzig (Verfahren gegen die Unterzeichner der Heidelberger Erklärung); Berlin (der ſiciliſche Aufſtand. Die auſtraliſchen Auswanderungsagenten. Der militäriſche Turnunterricht. Die Zuſammen- kunſt in Baden); Wien (der Reichsrath. Die Zuſammenkunft des Prinz- Regenten mit Louis Napoleon. Der ruſſiſche Geſandte. Die Beſchlüſſe der Branntwein-Enquête. Ausbau des St. Stephansthurms). Oeſterreichiſche Monarchie. Peſth (Verwarnung. Prote- ſtantiſches). Schweiz. Genf (Beginn des Schützenfeſtes. Starker Fremden ver- kehr. Eine Interpellation im großen Rath. Savoyiſche Enttäuſchungen). Großbritannien. Englands Verhältniß zu Sicilien. Frankreich. Der Prinz-Regent. Die Plane L. Napoleons gegen Deutſchland. Die Theorie der Annexionen. Die Vorſicht Frankreichs und die Vorſicht Deutſchlands. Innere Zuſtände. Wie die kaiſerliche Politik in Ita- lien ſeyn könnte. Die Zuſammenkunft. Engländer in Palermo. Italien. Alcamo (Anordnungen Garibaldi’s); Rom (das Inter- dict in Ausſicht); Turin (Freiwillige aus Italien und England. Oeffentliche Politik. Perſeveranza. Zuſtände in Palermo. Zwei Briefe und eine Procla- mation Garibaldi’s); Aus Nordſavoyen zur Einverleibung); Mailand (Verhaftungen der Prieſter. Graf Annoni. Patriotiſche Gaben. Langenſee- dampfer. Ernennung des Quäſtors. Gerüchte von Miniſterwechſel. Aufruf an Piemont zu den Waffen zu greifen). Die Einnahme Palermo’s. *) II. (Schluß.) 30 Mai. Morgens. Der Correſpondent erwähnt das Umſichgreifen der Inſurrection auf der ganzen Inſel, und namentlich daß am 23 Abends General Alfan di Heisla die Stadt Girgenti geräumt, worauf die dortige Bevölkerung, unter Lebehochruf auf Garibaldi und Victor Emmanuel die italieniſche Tricolore aufgepflanzt. 200 Gefangene wurden auch dort frei- gelaſſen, ohne daß Ruheſtörungen erfolgten. **) Hierauf fährt er fort: Die neapolitaniſche Flotte hat keinen Schuß mehr gefeuert ſeit vorgeſtern Morgens, wo ſich Admiral Mundy darüber gegen den Commodore ausgeſprochen, ſo daß wenigſtens die Hälfte des Elends den Palermitanern erſpart blieb. Aber das Caſtell iſt unverbeſſerlich; ſobald es ein Geräuſch hört, oder in irgend- einem Stadttheil eine Bewegung ſieht fliegt eine Bombe los. Wär’ es mög- lich fehlzuſchießen, ſo thäten ſie’s, aber das läßt ſich in dieſen engen Straßen nicht erwarten. Die Häuſer ſind größtentheils ſo ſchlecht gebaut, daß eine Bombe hinreicht eines zu zertrümmern und die Einwohner unter ſeinen Ruinen zu begraben. Ganze Familien ſind ſo verſchwunden, und Hunderte unſchul- d ger Menſchen getödtet oder verwundet. Die Flotte warf 80 bis 90 Bomben am erſten Tag, das Caſtell muß mehr als 300 geſchleudert haben. Am erſten Tag richtete Garibaldi einen Proteſt an die Befehlshaber der fremden Kriegs- ſchiffe gegen dieſe feige Unmenſchlichkeit, aber ſie können ohne Weiſung ihrer Regierungen nicht direct ins Mittel treten. Die Berufung muß an die öffent- liche Meinung in Europa geſchehen. Das brittiſche Parlament iſt in dieſem Augenblick verſammelt, mög’ es die Sache in die Hand nehmen u. ſ. w. 9 Uhr Vormittags. Eben in dieſem Augenblick iſt eine Waffen- ſtillſtandsflagge vom k. Palaſt angekommen mit folgendem Brief an Gari- baldi: „Der Oberbefehlshaber der Heere und Seeſtationen jenſeits des Faro. Palermo, 30 Mai. General! Da der brittiſche Admiral mich wiſſen ließ daß er mit Vergnügen an Bord ſeines Schiffs zwei meiner Generale empfangen würde um eine Conferenz mit Ihnen zu eröffnen, deren Vermittler er ſeyn würde, wenn Sie dieſelben durch die Linien paſſiren ließen, ſo bitt’ ich Sie mich wiſſen zu laſſen ob Sie beiſtimmen, und mir in dieſem Fall die Stunde anzugeben wann der Waffenſtillſtand beginnen ſoll. Es würde auch gut ſeyn wenn Sie die zwei Generale vom k. Palaſt an bis zum Einſchiffungsplatz an der Sanità begleiten ließen. Ihre Antwort erwartend, hab ich die Ehre zu zeichnen General Lanza. An Se. Excellenz General Garibaldi.“ Auf dieſen Brief antwortete Garibaldi: er ſey nicht abgeneigt mit den beiden Ge- neralen auf dem brittiſchen Admiralsſchiff zuſammenzutreffen, er wolle auf ſeiner ganzen Linie das Feuern einſtellen laſſen, der Waffenſtillſtand ſolle Mittags beginnen, und Nachmittags 1 Uhr ſolle die Beſprechung an Bord ſtattfinden. Oberſt Türr, der Generalinſpector der nationalen Streitkräfte, ſchickte Lanza’s Brief an Bord des „Hannibal“ durch den Flaggenlieutenant Wilmot. Halb 1 Uhr Nachmittags. Wenn jemand in der Verwirrung ſeines Nachbars Mantel nimmt, ſo mag das als ein Irrthum hingehen, aber wenn derſelbe Menſch bei nächſter Gelegenheit dasſelbe thut, ſo darf man ihn wohl als Dieb am Kragen faſſen. Als die Neapolitaner um Waſſenſtillſtand baten, und General Garibaldi ſofort ſein Feuer einſtellte, fuhren ſie nicht bloß fort Bomben zu werfen, ſondern ſuchten das Aufhören des feindlichen Feuers auch zur Gewinnung einer beſſern Poſition zu benutzen. Heute ver- ſuchten ſie’s nicht nur, ſondern gewannen wirklich einen beträchtlichen Vor- theil. Um das Schießen Mittags einzuſtellen, hatte Garibaldi ungefähr eine Stunde vorher angefangen ſeine Linien deßhalb bedeuten zu laſſen. Eben um dieſelbe Zeit erſchien eine neapolitaniſche Colonne auf der nämlichen Straße durch welche Garibaldi in die Stadt eingedrungen war. Sie war mit Ar- tillerie verſehen, und begann von der Admiralitätsbrücke her gegen die Porta di Termini vorzurücken. Umſonſt verkündigte eine weiße Fahne den Waffen- ſtillſtand: die einrückende neapolitaniſche Colonne ſchoß, und ebenſo ſetzte die Citadelle ihr Bombenwerfen in der gleichen Richtung fort. Mehrere unſerer Officiere ſtiegen auf die Höhe der Barricaden, und ſuchten die Neapolitaner zu bedeuten; ſie wurden mit Flintenſchüſſen empfangen, und unter andern Oberſt Carini verwundet. Die Garibaldianer aber blieben ihrer Inſtruction treu, und erwiederten das Feuer nicht; allein ſie ſchickten eine Botſchaft um die andere an Garibaldi: wenn ſie nicht ſchießen dürften, ſo ſeyen ſie genöthigt ihre Stellung aufzugeben. Der General war eben im Begriff den Waffen- ſtillſtand für gebrochen zu erklären, als zwei neapolitaniſche Officiere als Par- lamentäre erſchienen. Dieſe entſchuldigten den Vorgang als ein Mißverſtänd- niß, indem jener Colonne kein Befehl wegen des Waffenſtillſtands zuge- kommen ſey. Sie wurden vor die Fronte geſchickt, um ihren Cameraden Einftellung des Feuers zu befehlen. Sonderbar genug dauerte die ganze Zeit über das Bombenwerfen von der Citadelle fort, und dieſe mußte doch vom Waffenſtillſtand Kunde haben! Gerade um 12 Uhr erfuhr man daß die feind- *) Dieſe Berichte ſind, wie man jetzt erfährt, nicht aus der Feder William Ruſſells (letzterer befindet ſich in London), ſondern des ungariſchen Oberſten Eber. Hr. W. Rufſell weiß anſchaulicher zu ſchildern. **) Wie es ſcheint, hat man alſo überall auf Sicilien in Bauſch und Bogen die Gefängniſſe geleert. Gott gnade den armen Touriſten welche in den nächſten Jahren Luſt haben ſollten die Inſel zu durchwandern!

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 166, 14. Juni 1860, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine166_1860/1>, abgerufen am 21.11.2024.