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Allgemeine Zeitung, Nr. 161, 9. Juni 1860.

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hergestellt war, vergaß man die herbe Mahnung (wenigstens in vielen Fällen)
bald wieder, und kehrte zur alten Praxis zurück.*)

Der bürgerliche Statthalter in Oberöfterreich wurde nach gut verrich-
tetem Tagwerk von der wieder am Ruder sitzenden Reaction nicht geradezu
weggeschickt, aber es wurden Anstalten getroffen daß er selber gieng, und von
seiner hohen, mit staatsmännischem Geschick verwalteten Stellung freiwillig
herabstieg, um allmählich wieder in den Privatstand zurückzutreten, aus wel-
chem ihn die Noth der Zeiten herausgerissen hatte.

Daß Hr. Fischer em mit Kraft und Geschick geführtes Steuer nicht ganz
ohne Empfindlichkeit aus der Hand ließ, und nicht ohne Berdruß aus seiner
blühenden Schöpfung weggezogen ist, darf man bei aller Uneigennützigkeit
und Sitteneinfachheit des Mannes doch wohl voraussetzen, fintemal schon in
in den Denkwürdigkeiten des weisen Ritters von la Mancha geschrieben steht:
"Wer einmal die Süßigkeiten der Gewaltübung gekostet hat will sie nicht mehr
missen."

Nicht was Hr. Fischer in Oberösterreich gethan, sondern wie er es ge-
than, hat Anstoß gegeben, und von Seiten der Anhänger des alten Systems
den Vorwurf provocirt: er "vergemeinere" das Regiment, schwätze gleichsam
aus der Schule, und profanire durch ihre Auslieferung an die Menge die
eleusinischen Mysterien der Regierungskunst. Die Tadler haben nur ver-
gessen daß human und gemein nicht synonyme Begriffe sind, und daß die
Aufgabe das schöne Oberösterreich zur bürgerlichen Ordnung und Glückselig-
keit zurückzuführen damals in keiner andern Weise zu lösen war, als auf dem
Wege welchen Hr. Fischer einzuschlagen für nöthig gefunden hat.

Zeit und Fortschritt haben im heidnischen Alterthum die Orakel stumm
gemacht, in unsern Tagen aber hat dieselbe Kraft alles Regiment säcularisirt.
Heute führen nur Verstand, "Phiegma" und kluge Energie zum erwünschten
Ziel.

Um eine Provinz gut und gedeihlich zu verwalten, wäre nach der Meinung
des Verfassers Terränkenntniß das erste Bedürfniß, d. h. der Regierungschef
müßte sich vor allem eine vollständige und erschöpfende Einsicht in die Natur
des seiner Sorge anvertrauten Landes und seiner agronomischen Verhältnisse
erwerben, dann sich vom Charakter der Bevölkerung, von ihren Sitten, Ge-
wohnheiten, geistigen Anlagen, Bedürfnissen und socialen Beständen aufs
genaueste unterrichten. Und um diese Vorbedingung gesunder Verwaltung
vollständig zu ersüllen, sey fast gegen alle frühere Praxis persönlicher Ver-
kehr mit den Regierten von unerläßlicher Nothwendigkeit, und folglich gilt
Hrn. Fischer in Vollziehung der Gesetze nicht polizeilicher Zwang, sondern das
auf Einsicht und Rechtlichkeit gestellte Vertrauen der Bevölkerung als erste
und wirksamste Macht.

Maximen wie diese waren in Oesterreich ziemlich neu; besonders aber
erregte die Zumuthung daß zur Förderung der allgemeinen Wohlfahrt des
Volks sowie des Gesammtreichs die höchstgestellten Beamten nicht bloß, wie
bisher, repräsentiren, sondern persönlich arbeiten sollen, in jenen eng-
herzigea Conventikeln**) allgemeine Entrüstung.

Hr. Fischer weiß recht gut daß man nicht von jedem Adeligen die Talente
eines Stadion oder das Genie eines Schwarzenberg verlangen kann. Hr.
Fischer will nur das Princip zerstören welches der hochgebornen Faineantise
zum größten Nachtheil der Monarchie eine privilegirte Stellung gibt. Nichts
thun und doch geehrt und bevorzugt seyn, ist ein so süßes und ich möchte sagen
naturgemäßes Gefühl, daß man es den Leuten gar nicht übel nehmen kann,
wenn sie sich gegen eine Neuerung sträuben welche die Noth und die Sorge
des gemeinen Lebens in ihre Prunksäle verpflanzen will.

Indessen weiß jedermann daß diese Vorurtheile in Oesterreich über kurz
oder lang doch verschwinden müssen, und Hr. Fischer hat nur im Sinn den
Regierungen voraus die zwar hie und da unwillkommenen, aber allein praktisch
erprobten Mittel an die Hand zu geben: wie man den unwiderstehlichen
Nöthigungen der Zeit gerecht werden und doch das eigene Daseyn dauernd
sichern kann.

Herr Fischer wehrt sich gegen die ungerechten Vorwürfe seiner Gegner,
und vertheidigt in der vorliegenden Denkschrift seine Verwaltungsmaximen so
einfach, energisch und klar, daß er vor seinen Zeitgenossen vollkommen gerecht-
fertigt dasteht, und hinfüro nicht bloß als ein Mann von Bedeutung im Fach
der Administration, sondern als eine der geeignetsten Persönlichkeiten gelten
muß um die in Oesterreich unvermeidlich hereinbrechende neue Ordnung der
Dinge einführen und nach bestem Vermögen befestigen zu helfen.

Das statistische Gemälde der wegen ihrer fleißigen und anstelligen Land-
bevölkerung wohlbekannten Provinz Oberösterreich ist nicht bloß ein wesent-
licher Theil der Apologie, es ist ein wahres Musterstück für Aufgaben dieser
Art, und es wäre für die oberste Gewalt gewiß kein Nachtheil wenn ihr von
allen Landschaften des weiten Reichs so wahrheitsgetreue und geistvolle Ana-
lysen zu Gebote stünden.

Dr. Fischers Apologie ist ein wahrhaft staatmännisches Vademecum, wel-
ches Regierungen und hochgestellte Beamte nicht übersehen sollen.

Wenn Hr. Fischer behauptet: das Leben ruhe nicht, die menschliche Ge-
sellschaft sey in beständiger Bewegung, der Trieb nach geistiger und materieller
Verbesserung dringe bis in die untersten Volksclassen und erschwere das Re-
giment, so ist er offenbar ein Mann des Fortschritts; aber er ist es im nüch-
ternen, gesetzlichen, zeitgemäßen Sinn. Und doch wird Hr. Fischer in seiner Apo-
logie den alles überstürzenden Progressisten seines eigenen Landes nicht genügen;
er wird ihnen überall zu gesetz- und ordnungliebend, zu gründlich, zu frostig,
zu conservativ, zu klerusfreundlich und besonders zu dynastisch vorkommen,
weil allen seinen Verwaltungsreformen eigentlich doch die Thesis zu Grunde
liegt: ###, "Einer soll Herr, Einer soll König
seyn." Deßwegen ist aber Hr. Fischer noch nicht der Einstaatswuth verfal-
len und ein administrativer Nivelleur. Hr. Fischer ist viel zu praktisch und
viel zu nüchtern, um nicht zu wissen daß man das Mannichfaltige, das Viele
und das Jahrhunderte lang Getrennte auf Wegen der Logik oder der Admi-
nistration und der Laune nicht plötzlich zur Einheit verschmelzen kann, und
daß diesem politischen Proceß überall Legionen, Cäsaren, eilfte Ludwige und
Cardinäle Richelieu vorausgehen müssen.

In Ungarn z. B. möchte Hr. Fischer, gegen die in Wien (zum Theil)
geltende Ansicht, die eigene Cultur aus dem Volke sich entwickeln lassen, und
diese ungarische Nationalcultur dann allmählich mit der deutschen vermitteln,
nicht aber das brillante Reitervolk mit Gewalt germanisiren.

Selbst mit der liberalen Studienordnung des Revolutionsjahres 1848
ist der Verfasser nicht ganz einverstanden. Es sey zwar notorisch daß in
Oesterreich während des alten Systems die speculativen Wissenschaften nicht
gepflegt, vielmehr als staatsgefährlich gescheut, vernachlässigt, bureaukratisch
niedergehalten und einige derselben sogar proscribirt wurden; aber nach ser-
folgtem Umschwung habe man alles Alte, wenn auch gut, ohne Unterschied
verworfen und in der Neuerungsfurie alles überstürzt. Der kühle und mathe-
matisch correcte Dr. Fischer, scheint es, könnte selbst am Teufel noch etwas
gutes entdecken. Dafür wurde aber auch während seiner Amtsführung in
Oberösterreich geleistet und vollbracht was andere zu leisten und zu voll-
bringen nicht vermochten. Nur damit man seinem Beispiel folge und sich in
Oesterreich nach und nach ein Kern intelligenter, wohlwollender und politisch-
liberal durchgebildeter Großbeamten bilde, hat Hr. Fischer sein Statthalter-
Manual bekannt gemacht. Berechnet ist es freilich mehr auf die nächste Zu-
kunft als auf die Gegenwart. Denn solange man in Wien noch so sehr am
Princip der Bevormundung festhalte, Selfgovernment und autonome Pro-
vincialverfassung nur dem Namen nach kenne, so lange, glaubt Hr. Fischer,
vermöge in Oesterreich ein Statthalter nichts, und brauche man keine poli-
tischen Männer an der Spitze der Provinzen. Hoffen wir daß auch dieß
anders werde!



Italien.

Das officielle Journal, statt von Palermo zu
sprechen, erzählt seinen Lesern ein langes und breites von öffentlichen Bauten
in festländischen Provinzen. Wir wissen nur daß jede Verbindung mit Sici-
lien seit zwei Tagen aufgehört hat. Alle Post- und Privatdampfer sind als
Kriegsschiffe bewaffnet worden, und befinden sich vor Palermo oder an der
sicilischen Küste. Aufständische haben nicht nur die Telegraphendräthe in Si-
cilien zerrissen, sondern auch das submarine Tau in der Meerenge zerstört.
Die "Saetta," ein kleiner und zugleich schnellfahrender k. Dampfer, ist nach
Palermo abgegangen, und wird seit gestern vergebens zurückerwartet. Aber
man weiß daß es seit Sonntag früh blutig in Palermo hergeht. Während
zwei Heersäulen unter v. Mechel und Colonna einen Haufen Freibeuter und
Insurgenten, an dessen Spitze man Garibaldi vermuthete, von der Piana de'
Greci nach Corleone hin raftlos verfolgten, debouchirte Garibaldi in Wirk-
lichkeit mit einem andern Haufen Aufftändischer aus einer Gebirgsschlucht,
und drang in Palermo ein. Daß er dort sehr zahlreichen Zuwachs fand, liegt
auf der Hand. Das "Comitato" hatte schon lange vorher dafür zu sorgen
verstanden.

(Der Correspondent fügt noch eine Anzahl Gerüchte bei, die wir
weglassen, da wir bereits darüber näheres wissen.)


Neueste Posten.

Der Prinz-Regent und der Prinz Friedrich Wilhelm
find gestern Abend 101/2 Uhr hieher zurückgekehrt, mit ihnen die Minister
v. d. Heydt, v. Schleinitz, v. Roon. -- Heute Vormittag wurde, wie alljähr-
lich, der Todestag des Königs Friedrich Wilhelm III durch einen Trauer-
gottesdienst im Palast des Prinzen Friedrich Wilhelm gefeiert, welchem der
Prinz-Regent, der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin und die andern
königl. Prinzen beiwohnten.

*) Man hat doch der Beispiele genug wie auch in Oesterreich die bürgerlichen
Namen (Bach unter anderen, den Fischer stets Freund genannt hatte), einen
sehr hervorragenden Rang einnahmen.
**) Die nicht gewußt zu haben scheinen daß Fürst Metternich und alle Minister
nach ihm ganz tüchtig arbeiteten. Wir erinnern nur an Ficquelmont, Wessen-
berg, Schwarzenberg, Stadion, Thun aus den aristokratischen Kreisen, und an
Kübeck, Kraus, Schmerling, Bruck, Bach, die aus dem Bürgerthum sich
erhoben und Arbeit gewiß nicht verschmäht haben.

hergeſtellt war, vergaß man die herbe Mahnung (wenigſtens in vielen Fällen)
bald wieder, und kehrte zur alten Praxis zurück.*)

Der bürgerliche Statthalter in Oberöfterreich wurde nach gut verrich-
tetem Tagwerk von der wieder am Ruder ſitzenden Reaction nicht geradezu
weggeſchickt, aber es wurden Anſtalten getroffen daß er ſelber gieng, und von
ſeiner hohen, mit ſtaatsmänniſchem Geſchick verwalteten Stellung freiwillig
herabſtieg, um allmählich wieder in den Privatſtand zurückzutreten, aus wel-
chem ihn die Noth der Zeiten herausgeriſſen hatte.

Daß Hr. Fiſcher em mit Kraft und Geſchick geführtes Steuer nicht ganz
ohne Empfindlichkeit aus der Hand ließ, und nicht ohne Berdruß aus ſeiner
blühenden Schöpfung weggezogen iſt, darf man bei aller Uneigennützigkeit
und Sitteneinfachheit des Mannes doch wohl vorausſetzen, fintemal ſchon in
in den Denkwürdigkeiten des weiſen Ritters von la Mancha geſchrieben ſteht:
„Wer einmal die Süßigkeiten der Gewaltübung gekoſtet hat will ſie nicht mehr
miſſen.“

Nicht was Hr. Fiſcher in Oberöſterreich gethan, ſondern wie er es ge-
than, hat Anſtoß gegeben, und von Seiten der Anhänger des alten Syſtems
den Vorwurf provocirt: er „vergemeinere“ das Regiment, ſchwätze gleichſam
aus der Schule, und profanire durch ihre Auslieferung an die Menge die
eleuſiniſchen Myſterien der Regierungskunſt. Die Tadler haben nur ver-
geſſen daß human und gemein nicht ſynonyme Begriffe ſind, und daß die
Aufgabe das ſchöne Oberöſterreich zur bürgerlichen Ordnung und Glückſelig-
keit zurückzuführen damals in keiner andern Weiſe zu löſen war, als auf dem
Wege welchen Hr. Fiſcher einzuſchlagen für nöthig gefunden hat.

Zeit und Fortſchritt haben im heidniſchen Alterthum die Orakel ſtumm
gemacht, in unſern Tagen aber hat dieſelbe Kraft alles Regiment ſäculariſirt.
Heute führen nur Verſtand, „Phiegma“ und kluge Energie zum erwünſchten
Ziel.

Um eine Provinz gut und gedeihlich zu verwalten, wäre nach der Meinung
des Verfaſſers Terränkenntniß das erſte Bedürfniß, d. h. der Regierungschef
müßte ſich vor allem eine vollſtändige und erſchöpfende Einſicht in die Natur
des ſeiner Sorge anvertrauten Landes und ſeiner agronomiſchen Verhältniſſe
erwerben, dann ſich vom Charakter der Bevölkerung, von ihren Sitten, Ge-
wohnheiten, geiſtigen Anlagen, Bedürfniſſen und ſocialen Beſtänden aufs
genaueſte unterrichten. Und um dieſe Vorbedingung geſunder Verwaltung
vollſtändig zu erſüllen, ſey faſt gegen alle frühere Praxis perſönlicher Ver-
kehr mit den Regierten von unerläßlicher Nothwendigkeit, und folglich gilt
Hrn. Fiſcher in Vollziehung der Geſetze nicht polizeilicher Zwang, ſondern das
auf Einſicht und Rechtlichkeit geſtellte Vertrauen der Bevölkerung als erſte
und wirkſamſte Macht.

Maximen wie dieſe waren in Oeſterreich ziemlich neu; beſonders aber
erregte die Zumuthung daß zur Förderung der allgemeinen Wohlfahrt des
Volks ſowie des Geſammtreichs die höchſtgeſtellten Beamten nicht bloß, wie
bisher, repräſentiren, ſondern perſönlich arbeiten ſollen, in jenen eng-
herzigea Conventikeln**) allgemeine Entrüſtung.

Hr. Fiſcher weiß recht gut daß man nicht von jedem Adeligen die Talente
eines Stadion oder das Genie eines Schwarzenberg verlangen kann. Hr.
Fiſcher will nur das Princip zerſtören welches der hochgebornen Fainéantiſe
zum größten Nachtheil der Monarchie eine privilegirte Stellung gibt. Nichts
thun und doch geehrt und bevorzugt ſeyn, iſt ein ſo ſüßes und ich möchte ſagen
naturgemäßes Gefühl, daß man es den Leuten gar nicht übel nehmen kann,
wenn ſie ſich gegen eine Neuerung ſträuben welche die Noth und die Sorge
des gemeinen Lebens in ihre Prunkſäle verpflanzen will.

Indeſſen weiß jedermann daß dieſe Vorurtheile in Oeſterreich über kurz
oder lang doch verſchwinden müſſen, und Hr. Fiſcher hat nur im Sinn den
Regierungen voraus die zwar hie und da unwillkommenen, aber allein praktiſch
erprobten Mittel an die Hand zu geben: wie man den unwiderſtehlichen
Nöthigungen der Zeit gerecht werden und doch das eigene Daſeyn dauernd
ſichern kann.

Herr Fiſcher wehrt ſich gegen die ungerechten Vorwürfe ſeiner Gegner,
und vertheidigt in der vorliegenden Denkſchrift ſeine Verwaltungsmaximen ſo
einfach, energiſch und klar, daß er vor ſeinen Zeitgenoſſen vollkommen gerecht-
fertigt daſteht, und hinfüro nicht bloß als ein Mann von Bedeutung im Fach
der Adminiſtration, ſondern als eine der geeignetſten Perſönlichkeiten gelten
muß um die in Oeſterreich unvermeidlich hereinbrechende neue Ordnung der
Dinge einführen und nach beſtem Vermögen befeſtigen zu helfen.

Das ſtatiſtiſche Gemälde der wegen ihrer fleißigen und anſtelligen Land-
bevölkerung wohlbekannten Provinz Oberöſterreich iſt nicht bloß ein weſent-
licher Theil der Apologie, es iſt ein wahres Muſterſtück für Aufgaben dieſer
Art, und es wäre für die oberſte Gewalt gewiß kein Nachtheil wenn ihr von
allen Landſchaften des weiten Reichs ſo wahrheitsgetreue und geiſtvolle Ana-
lyſen zu Gebote ſtünden.

Dr. Fiſchers Apologie iſt ein wahrhaft ſtaatmänniſches Vademecum, wel-
ches Regierungen und hochgeſtellte Beamte nicht überſehen ſollen.

Wenn Hr. Fiſcher behauptet: das Leben ruhe nicht, die menſchliche Ge-
ſellſchaft ſey in beſtändiger Bewegung, der Trieb nach geiſtiger und materieller
Verbeſſerung dringe bis in die unterſten Volksclaſſen und erſchwere das Re-
giment, ſo iſt er offenbar ein Mann des Fortſchritts; aber er iſt es im nüch-
ternen, geſetzlichen, zeitgemäßen Sinn. Und doch wird Hr. Fiſcher in ſeiner Apo-
logie den alles überſtürzenden Progreſſiſten ſeines eigenen Landes nicht genügen;
er wird ihnen überall zu geſetz- und ordnungliebend, zu gründlich, zu froſtig,
zu conſervativ, zu klerusfreundlich und beſonders zu dynaſtiſch vorkommen,
weil allen ſeinen Verwaltungsreformen eigentlich doch die Theſis zu Grunde
liegt: ###, „Einer ſoll Herr, Einer ſoll König
ſeyn.“ Deßwegen iſt aber Hr. Fiſcher noch nicht der Einſtaatswuth verfal-
len und ein adminiſtrativer Nivelleur. Hr. Fiſcher iſt viel zu praktiſch und
viel zu nüchtern, um nicht zu wiſſen daß man das Mannichfaltige, das Viele
und das Jahrhunderte lang Getrennte auf Wegen der Logik oder der Admi-
niſtration und der Laune nicht plötzlich zur Einheit verſchmelzen kann, und
daß dieſem politiſchen Proceß überall Legionen, Cäſaren, eilfte Ludwige und
Cardinäle Richelieu vorausgehen müſſen.

In Ungarn z. B. möchte Hr. Fiſcher, gegen die in Wien (zum Theil)
geltende Anſicht, die eigene Cultur aus dem Volke ſich entwickeln laſſen, und
dieſe ungariſche Nationalcultur dann allmählich mit der deutſchen vermitteln,
nicht aber das brillante Reitervolk mit Gewalt germaniſiren.

Selbſt mit der liberalen Studienordnung des Revolutionsjahres 1848
iſt der Verfaſſer nicht ganz einverſtanden. Es ſey zwar notoriſch daß in
Oeſterreich während des alten Syſtems die ſpeculativen Wiſſenſchaften nicht
gepflegt, vielmehr als ſtaatsgefährlich geſcheut, vernachläſſigt, bureaukratiſch
niedergehalten und einige derſelben ſogar proſcribirt wurden; aber nach ſer-
folgtem Umſchwung habe man alles Alte, wenn auch gut, ohne Unterſchied
verworfen und in der Neuerungsfurie alles überſtürzt. Der kühle und mathe-
matiſch correcte Dr. Fiſcher, ſcheint es, könnte ſelbſt am Teufel noch etwas
gutes entdecken. Dafür wurde aber auch während ſeiner Amtsführung in
Oberöſterreich geleiſtet und vollbracht was andere zu leiſten und zu voll-
bringen nicht vermochten. Nur damit man ſeinem Beiſpiel folge und ſich in
Oeſterreich nach und nach ein Kern intelligenter, wohlwollender und politiſch-
liberal durchgebildeter Großbeamten bilde, hat Hr. Fiſcher ſein Statthalter-
Manual bekannt gemacht. Berechnet iſt es freilich mehr auf die nächſte Zu-
kunft als auf die Gegenwart. Denn ſolange man in Wien noch ſo ſehr am
Princip der Bevormundung feſthalte, Selfgovernment und autonome Pro-
vincialverfaſſung nur dem Namen nach kenne, ſo lange, glaubt Hr. Fiſcher,
vermöge in Oeſterreich ein Statthalter nichts, und brauche man keine poli-
tiſchen Männer an der Spitze der Provinzen. Hoffen wir daß auch dieß
anders werde!



Italien.

Das officielle Journal, ſtatt von Palermo zu
ſprechen, erzählt ſeinen Leſern ein langes und breites von öffentlichen Bauten
in feſtländiſchen Provinzen. Wir wiſſen nur daß jede Verbindung mit Sici-
lien ſeit zwei Tagen aufgehört hat. Alle Poſt- und Privatdampfer ſind als
Kriegsſchiffe bewaffnet worden, und befinden ſich vor Palermo oder an der
ſiciliſchen Küſte. Aufſtändiſche haben nicht nur die Telegraphendräthe in Si-
cilien zerriſſen, ſondern auch das ſubmarine Tau in der Meerenge zerſtört.
Die „Saetta,“ ein kleiner und zugleich ſchnellfahrender k. Dampfer, iſt nach
Palermo abgegangen, und wird ſeit geſtern vergebens zurückerwartet. Aber
man weiß daß es ſeit Sonntag früh blutig in Palermo hergeht. Während
zwei Heerſäulen unter v. Mechel und Colonna einen Haufen Freibeuter und
Inſurgenten, an deſſen Spitze man Garibaldi vermuthete, von der Piana de’
Greci nach Corleone hin raftlos verfolgten, debouchirte Garibaldi in Wirk-
lichkeit mit einem andern Haufen Aufftändiſcher aus einer Gebirgsſchlucht,
und drang in Palermo ein. Daß er dort ſehr zahlreichen Zuwachs fand, liegt
auf der Hand. Das „Comitato“ hatte ſchon lange vorher dafür zu ſorgen
verſtanden.

(Der Correſpondent fügt noch eine Anzahl Gerüchte bei, die wir
weglaſſen, da wir bereits darüber näheres wiſſen.)


Neueſte Poſten.

Der Prinz-Regent und der Prinz Friedrich Wilhelm
find geſtern Abend 10½ Uhr hieher zurückgekehrt, mit ihnen die Miniſter
v. d. Heydt, v. Schleinitz, v. Roon. — Heute Vormittag wurde, wie alljähr-
lich, der Todestag des Königs Friedrich Wilhelm III durch einen Trauer-
gottesdienſt im Palaſt des Prinzen Friedrich Wilhelm gefeiert, welchem der
Prinz-Regent, der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin und die andern
königl. Prinzen beiwohnten.

*) Man hat doch der Beiſpiele genug wie auch in Oeſterreich die bürgerlichen
Namen (Bach unter anderen, den Fiſcher ſtets Freund genannt hatte), einen
ſehr hervorragenden Rang einnahmen.
**) Die nicht gewußt zu haben ſcheinen daß Fürſt Metternich und alle Miniſter
nach ihm ganz tüchtig arbeiteten. Wir erinnern nur an Ficquelmont, Weſſen-
berg, Schwarzenberg, Stadion, Thun aus den ariſtokratiſchen Kreiſen, und an
Kübeck, Kraus, Schmerling, Bruck, Bach, die aus dem Bürgerthum ſich
erhoben und Arbeit gewiß nicht verſchmäht haben.
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[2692/0012] hergeſtellt war, vergaß man die herbe Mahnung (wenigſtens in vielen Fällen) bald wieder, und kehrte zur alten Praxis zurück. *) Der bürgerliche Statthalter in Oberöfterreich wurde nach gut verrich- tetem Tagwerk von der wieder am Ruder ſitzenden Reaction nicht geradezu weggeſchickt, aber es wurden Anſtalten getroffen daß er ſelber gieng, und von ſeiner hohen, mit ſtaatsmänniſchem Geſchick verwalteten Stellung freiwillig herabſtieg, um allmählich wieder in den Privatſtand zurückzutreten, aus wel- chem ihn die Noth der Zeiten herausgeriſſen hatte. Daß Hr. Fiſcher em mit Kraft und Geſchick geführtes Steuer nicht ganz ohne Empfindlichkeit aus der Hand ließ, und nicht ohne Berdruß aus ſeiner blühenden Schöpfung weggezogen iſt, darf man bei aller Uneigennützigkeit und Sitteneinfachheit des Mannes doch wohl vorausſetzen, fintemal ſchon in in den Denkwürdigkeiten des weiſen Ritters von la Mancha geſchrieben ſteht: „Wer einmal die Süßigkeiten der Gewaltübung gekoſtet hat will ſie nicht mehr miſſen.“ Nicht was Hr. Fiſcher in Oberöſterreich gethan, ſondern wie er es ge- than, hat Anſtoß gegeben, und von Seiten der Anhänger des alten Syſtems den Vorwurf provocirt: er „vergemeinere“ das Regiment, ſchwätze gleichſam aus der Schule, und profanire durch ihre Auslieferung an die Menge die eleuſiniſchen Myſterien der Regierungskunſt. Die Tadler haben nur ver- geſſen daß human und gemein nicht ſynonyme Begriffe ſind, und daß die Aufgabe das ſchöne Oberöſterreich zur bürgerlichen Ordnung und Glückſelig- keit zurückzuführen damals in keiner andern Weiſe zu löſen war, als auf dem Wege welchen Hr. Fiſcher einzuſchlagen für nöthig gefunden hat. Zeit und Fortſchritt haben im heidniſchen Alterthum die Orakel ſtumm gemacht, in unſern Tagen aber hat dieſelbe Kraft alles Regiment ſäculariſirt. Heute führen nur Verſtand, „Phiegma“ und kluge Energie zum erwünſchten Ziel. Um eine Provinz gut und gedeihlich zu verwalten, wäre nach der Meinung des Verfaſſers Terränkenntniß das erſte Bedürfniß, d. h. der Regierungschef müßte ſich vor allem eine vollſtändige und erſchöpfende Einſicht in die Natur des ſeiner Sorge anvertrauten Landes und ſeiner agronomiſchen Verhältniſſe erwerben, dann ſich vom Charakter der Bevölkerung, von ihren Sitten, Ge- wohnheiten, geiſtigen Anlagen, Bedürfniſſen und ſocialen Beſtänden aufs genaueſte unterrichten. Und um dieſe Vorbedingung geſunder Verwaltung vollſtändig zu erſüllen, ſey faſt gegen alle frühere Praxis perſönlicher Ver- kehr mit den Regierten von unerläßlicher Nothwendigkeit, und folglich gilt Hrn. Fiſcher in Vollziehung der Geſetze nicht polizeilicher Zwang, ſondern das auf Einſicht und Rechtlichkeit geſtellte Vertrauen der Bevölkerung als erſte und wirkſamſte Macht. Maximen wie dieſe waren in Oeſterreich ziemlich neu; beſonders aber erregte die Zumuthung daß zur Förderung der allgemeinen Wohlfahrt des Volks ſowie des Geſammtreichs die höchſtgeſtellten Beamten nicht bloß, wie bisher, repräſentiren, ſondern perſönlich arbeiten ſollen, in jenen eng- herzigea Conventikeln **) allgemeine Entrüſtung. Hr. Fiſcher weiß recht gut daß man nicht von jedem Adeligen die Talente eines Stadion oder das Genie eines Schwarzenberg verlangen kann. Hr. Fiſcher will nur das Princip zerſtören welches der hochgebornen Fainéantiſe zum größten Nachtheil der Monarchie eine privilegirte Stellung gibt. Nichts thun und doch geehrt und bevorzugt ſeyn, iſt ein ſo ſüßes und ich möchte ſagen naturgemäßes Gefühl, daß man es den Leuten gar nicht übel nehmen kann, wenn ſie ſich gegen eine Neuerung ſträuben welche die Noth und die Sorge des gemeinen Lebens in ihre Prunkſäle verpflanzen will. Indeſſen weiß jedermann daß dieſe Vorurtheile in Oeſterreich über kurz oder lang doch verſchwinden müſſen, und Hr. Fiſcher hat nur im Sinn den Regierungen voraus die zwar hie und da unwillkommenen, aber allein praktiſch erprobten Mittel an die Hand zu geben: wie man den unwiderſtehlichen Nöthigungen der Zeit gerecht werden und doch das eigene Daſeyn dauernd ſichern kann. Herr Fiſcher wehrt ſich gegen die ungerechten Vorwürfe ſeiner Gegner, und vertheidigt in der vorliegenden Denkſchrift ſeine Verwaltungsmaximen ſo einfach, energiſch und klar, daß er vor ſeinen Zeitgenoſſen vollkommen gerecht- fertigt daſteht, und hinfüro nicht bloß als ein Mann von Bedeutung im Fach der Adminiſtration, ſondern als eine der geeignetſten Perſönlichkeiten gelten muß um die in Oeſterreich unvermeidlich hereinbrechende neue Ordnung der Dinge einführen und nach beſtem Vermögen befeſtigen zu helfen. Das ſtatiſtiſche Gemälde der wegen ihrer fleißigen und anſtelligen Land- bevölkerung wohlbekannten Provinz Oberöſterreich iſt nicht bloß ein weſent- licher Theil der Apologie, es iſt ein wahres Muſterſtück für Aufgaben dieſer Art, und es wäre für die oberſte Gewalt gewiß kein Nachtheil wenn ihr von allen Landſchaften des weiten Reichs ſo wahrheitsgetreue und geiſtvolle Ana- lyſen zu Gebote ſtünden. Dr. Fiſchers Apologie iſt ein wahrhaft ſtaatmänniſches Vademecum, wel- ches Regierungen und hochgeſtellte Beamte nicht überſehen ſollen. Wenn Hr. Fiſcher behauptet: das Leben ruhe nicht, die menſchliche Ge- ſellſchaft ſey in beſtändiger Bewegung, der Trieb nach geiſtiger und materieller Verbeſſerung dringe bis in die unterſten Volksclaſſen und erſchwere das Re- giment, ſo iſt er offenbar ein Mann des Fortſchritts; aber er iſt es im nüch- ternen, geſetzlichen, zeitgemäßen Sinn. Und doch wird Hr. Fiſcher in ſeiner Apo- logie den alles überſtürzenden Progreſſiſten ſeines eigenen Landes nicht genügen; er wird ihnen überall zu geſetz- und ordnungliebend, zu gründlich, zu froſtig, zu conſervativ, zu klerusfreundlich und beſonders zu dynaſtiſch vorkommen, weil allen ſeinen Verwaltungsreformen eigentlich doch die Theſis zu Grunde liegt: ###, „Einer ſoll Herr, Einer ſoll König ſeyn.“ Deßwegen iſt aber Hr. Fiſcher noch nicht der Einſtaatswuth verfal- len und ein adminiſtrativer Nivelleur. Hr. Fiſcher iſt viel zu praktiſch und viel zu nüchtern, um nicht zu wiſſen daß man das Mannichfaltige, das Viele und das Jahrhunderte lang Getrennte auf Wegen der Logik oder der Admi- niſtration und der Laune nicht plötzlich zur Einheit verſchmelzen kann, und daß dieſem politiſchen Proceß überall Legionen, Cäſaren, eilfte Ludwige und Cardinäle Richelieu vorausgehen müſſen. In Ungarn z. B. möchte Hr. Fiſcher, gegen die in Wien (zum Theil) geltende Anſicht, die eigene Cultur aus dem Volke ſich entwickeln laſſen, und dieſe ungariſche Nationalcultur dann allmählich mit der deutſchen vermitteln, nicht aber das brillante Reitervolk mit Gewalt germaniſiren. Selbſt mit der liberalen Studienordnung des Revolutionsjahres 1848 iſt der Verfaſſer nicht ganz einverſtanden. Es ſey zwar notoriſch daß in Oeſterreich während des alten Syſtems die ſpeculativen Wiſſenſchaften nicht gepflegt, vielmehr als ſtaatsgefährlich geſcheut, vernachläſſigt, bureaukratiſch niedergehalten und einige derſelben ſogar proſcribirt wurden; aber nach ſer- folgtem Umſchwung habe man alles Alte, wenn auch gut, ohne Unterſchied verworfen und in der Neuerungsfurie alles überſtürzt. Der kühle und mathe- matiſch correcte Dr. Fiſcher, ſcheint es, könnte ſelbſt am Teufel noch etwas gutes entdecken. Dafür wurde aber auch während ſeiner Amtsführung in Oberöſterreich geleiſtet und vollbracht was andere zu leiſten und zu voll- bringen nicht vermochten. Nur damit man ſeinem Beiſpiel folge und ſich in Oeſterreich nach und nach ein Kern intelligenter, wohlwollender und politiſch- liberal durchgebildeter Großbeamten bilde, hat Hr. Fiſcher ſein Statthalter- Manual bekannt gemacht. Berechnet iſt es freilich mehr auf die nächſte Zu- kunft als auf die Gegenwart. Denn ſolange man in Wien noch ſo ſehr am Princip der Bevormundung feſthalte, Selfgovernment und autonome Pro- vincialverfaſſung nur dem Namen nach kenne, ſo lange, glaubt Hr. Fiſcher, vermöge in Oeſterreich ein Statthalter nichts, und brauche man keine poli- tiſchen Männer an der Spitze der Provinzen. Hoffen wir daß auch dieß anders werde! Italien. ⌗ Neapel, 1 Jun. Das officielle Journal, ſtatt von Palermo zu ſprechen, erzählt ſeinen Leſern ein langes und breites von öffentlichen Bauten in feſtländiſchen Provinzen. Wir wiſſen nur daß jede Verbindung mit Sici- lien ſeit zwei Tagen aufgehört hat. Alle Poſt- und Privatdampfer ſind als Kriegsſchiffe bewaffnet worden, und befinden ſich vor Palermo oder an der ſiciliſchen Küſte. Aufſtändiſche haben nicht nur die Telegraphendräthe in Si- cilien zerriſſen, ſondern auch das ſubmarine Tau in der Meerenge zerſtört. Die „Saetta,“ ein kleiner und zugleich ſchnellfahrender k. Dampfer, iſt nach Palermo abgegangen, und wird ſeit geſtern vergebens zurückerwartet. Aber man weiß daß es ſeit Sonntag früh blutig in Palermo hergeht. Während zwei Heerſäulen unter v. Mechel und Colonna einen Haufen Freibeuter und Inſurgenten, an deſſen Spitze man Garibaldi vermuthete, von der Piana de’ Greci nach Corleone hin raftlos verfolgten, debouchirte Garibaldi in Wirk- lichkeit mit einem andern Haufen Aufftändiſcher aus einer Gebirgsſchlucht, und drang in Palermo ein. Daß er dort ſehr zahlreichen Zuwachs fand, liegt auf der Hand. Das „Comitato“ hatte ſchon lange vorher dafür zu ſorgen verſtanden. (Der Correſpondent fügt noch eine Anzahl Gerüchte bei, die wir weglaſſen, da wir bereits darüber näheres wiſſen.) Neueſte Poſten. Berlin, 7 Jun. Der Prinz-Regent und der Prinz Friedrich Wilhelm find geſtern Abend 10½ Uhr hieher zurückgekehrt, mit ihnen die Miniſter v. d. Heydt, v. Schleinitz, v. Roon. — Heute Vormittag wurde, wie alljähr- lich, der Todestag des Königs Friedrich Wilhelm III durch einen Trauer- gottesdienſt im Palaſt des Prinzen Friedrich Wilhelm gefeiert, welchem der Prinz-Regent, der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin und die andern königl. Prinzen beiwohnten. *) Man hat doch der Beiſpiele genug wie auch in Oeſterreich die bürgerlichen Namen (Bach unter anderen, den Fiſcher ſtets Freund genannt hatte), einen ſehr hervorragenden Rang einnahmen. **) Die nicht gewußt zu haben ſcheinen daß Fürſt Metternich und alle Miniſter nach ihm ganz tüchtig arbeiteten. Wir erinnern nur an Ficquelmont, Weſſen- berg, Schwarzenberg, Stadion, Thun aus den ariſtokratiſchen Kreiſen, und an Kübeck, Kraus, Schmerling, Bruck, Bach, die aus dem Bürgerthum ſich erhoben und Arbeit gewiß nicht verſchmäht haben.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-02-11T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 161, 9. Juni 1860, S. 2692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine161_1860/12>, abgerufen am 07.06.2024.