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Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 15. Januar 1830.

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Frankreich.

Der Constitutionnel enthält unter der Aufschrift: "Son-
derbarer Ursprung der Erhebung des Prinzen Leopold auf den Thron
von Griechenland," folgenden Artikel: "Alle Blike sind in diesem
Augenblik auf den Prinzen Leopold von Sachsen-Koburg gerichtet.
Dieser Prinz hatte ein bemerkenswerthes Glük. Er verdankt nicht
dem hohen Glanze seiner Geburt, noch irgend einer andern per-
sönlichen Ursache die Auszeichnung, die öffentliche Aufmerksamkeit
zu beschäftigen. Seiner Eigenschaft eines Tochtermanns des Kö-
nigs von England und den Glüksfällen, die ihm dieser Titel er-
öfnet, verdankt er es, daß er die Regierung des neuen Griechen-
lands bekommen kan. Sollte es dazu kommen, so würde er Na-
poleon zu großem Danke verpflichtet seyn, weil dieser die erste Ur-
sache seiner Verbündung mit der Thronerbin Großbritanniens ge-
wesen ist, woher jezt alle seine Ansprüche auf eine neue Krone
entspringen. Begreiflich bedarf eine solche Behauptung der Be-
weise. Dazu ist es nöthig, etwas weit auszuholen. Während
Napoleon nach Moskau zog, versäumte England kein Mittel, die-
sen Strom, der Alles mit sich fortzureißen drohte, aufzuhalten.
Es war nicht mehr möglich, ihm unter den Königen Gegner auf-
zustiften; diese waren alle unterworfen: Sklaven oder Verbündete.
Man dachte daher an die Völker, die bisher so gering geachtet wa-
ren. Man bemächtigte sich des durch einen beständigen Kriegszu-
stand und alles daraus hervorgegangene Ungemach erzeugten Miß-
muths, und suchte im Namen der öffentlichen Jnteressen Beistand
bei den Massen zu neuer Befestigung der Throne. Unter den durch
den Bestand des Kontinentalsystems, dessen Verlezung als die Ur-
sache des Einfalls in Rußland angekündigt ward, gedrükten Na-
tionen litt keine so sehr durch die Unterbrechung des Handels und
der Schiffahrt wie die holländische. Jhre Lage an der Gränze des
alten Frankreichs und ihre Nähe bei den brittischen Küsten muß-
ten ganz besonders jeden Entwurf begünstigen, der auf eine Auf-
lehnung der Völker gegen die Macht Napoleons gegründet war.
Für die Anhänger der Unabhängigkeit, die Holland enthielt, be-
durfte es aber eines Chefs, der durch Erinnerungen dem Volke
theuer war. Welche Wahl schikte sich besser zu dieser Rolle als
die des Prinzen von Oranien, dessen Name mit dem Andenken
der unter Philipp II eroberten Freiheit identisch war? Das Kabi-
net von St. James warf daher die Augen auf den Erbprinzen
von Oranien, der damals als Adjutant des Herzogs von Welling-
ton in Spanien diente, um ihn zum Chef der alten Vasallen sei-
ner Familie zu machen. Dieser junge Mann erwekte bereits die
schönsten Hofnungen; da er aber den Völkern noch ganz unbekannt
war, denen man ihn als Führer vorstellen wollte; da man sich noch
auf keine voransgegangenen Handlungen berufen konnte, aus de-
nen man seine persönlichen Fähigkeiten hätte schäzen können: da
ihm seit dem Verluste der Domainen seines Hauses politisches
Ansehen fehlte, so fühlte man, daß es vor Allem nöthig seyn
würde, ihn mit einem kraftvollen Zauber zu umgeben, damit ihm
gleich bei seinem Erscheinen das öffentliche Vertrauen entgegen
käme. Seine Vermählungmit der Prinzessin Charlotte ward demnach
zwischen den drei Häusern: Hannover, Braunschweig und Oranien
beschlossen. Dazu fehlte nun nur noch die Einwilligung der jun-
gen Leute. Man hegte nicht ohne Grund Besorgnisse in dieser
Hinsicht: ihre gegenseitige Abneigung hatte sich bei vielfachen Anläs-
sen geoffenbart. So standen die Sachen, als die kaiserliche Polizei zu
Hamburg erfuhr, daß einer der ersten Beamten des Hauses Oranien sich
[Spaltenumbruch] zu Berlin mit einem Reisepasse unter falschem Namen versehen hatte,
mittelst dessen er nach England zu kommen hofte. Es wäre eine leichte
Sache gewesen, ihn auf der Reise zu verhaften, aber man hätte dann
nichts von seinem Auftrage erfahren, der um so wichtiger schien, da
er in das größte Geheimniß gehüllt war. Es schien daher zwek-
mäßiger, ihm auf seiner Spur zu folgen. Diese verlor man aber
zu London einige Wochen lang, und zweifelte schon daran, sie je
wieder aufzufinden, als dieselbe Person auf einmal wieder er-
schien, den Mitgliedern der drei oben erwähnten Familien Be-
suche machte, und sich dann nach Gothenburg einschifte. Hier
nahm diese Person wieder ihren Reisepaß und ihre Verkleidung
an, ward aber dennoch erkannt, so wie sie das kaiserliche Gebiet
berührte und verhaftet. Die an einer geheimen Stelle im Wagen
des Reisenden gefundenen Papiere zeigten, daß derselbe beauftragt
ward, sich zu dem jungen Prinzen zu begeben, um ihn zu der
Heirath mit der Erbin des englischen Throns zu bereden. Da
er ihn in London nicht getroffen hatte, so hatte er nach Spanien
reisen müssen, wo der Prinz gerade seine ersten Dienste in der
englischen Armee machte. Wegen dieser Reise hatte man seine
Spur verloren. Der Abgesandte des Hauses Oranien, ein Mann
von Kopf und Herz, hatte der Schlacht von Talaveyra de la
Reyna an der Seite seines jungen Gebieters beigewohnt, der sich dabei
auszeichnete und verwundet ward. Den Tag nach dieser Schlacht hatte
man ihn mit verschiedenen Briefen versehen, unter denen man einen
von Lord Wellington bemerkte, der die Fruchtlosigkeit seiner Bemü-
hungen gegen den festen Entschluß seines königlichen Adjutanten,
auf den ihm aufgedrungenen Vorschlag zu einer Vermählung nicht ein-
zugehen, verkündete. Die Antwort des Prinzen legte die Beweggrün-
de seiner Weigerung dar. Darunter sind vertraute, die nicht be-
kannt gemacht werden dürfen; aber ein gerechter und edler Stolz
hatte ihm folgende lezte Stelle in seinem Schreiben eingegeben:
"Jch werde niemals einwilligen, der erste Unterthan meiner Frau
zu seyn." Die Originalien dieser Depeschen wurden noch an dem-
selben Tage an den Kaiser abgeschikt, der sie in dem Augenblik
erhielt, wo er in den Kremlin einzog. Gleich nach genommener
Einsicht derselben sagte er zu dem Fürsten von Eckmühl: "Hier ist
ein wichtiger Entwurf enthüllt. Jch werde diese Heirath schon zu
verhindern wissen, mittelst deren man meine Völker von Holland
aufzuwiegeln sucht." Napoleon bewahrte, während des Rükzugs,
die Antwort des jungen Prinzen sorgfältig auf, und ließ sie gleich
nach seiner Ankunft zu Paris der Prinzessin Charlotte einhändigen.
Sie hatte die Folge, daß man ihr nun nicht mehr mit weitern
Anträgen beschwerlich fiel. Auf einer Reise, die der Kaiser Ale-
rander nach England machte, während seine Truppen noch in Frank-
reich standen, ward der Prinz Leopold, der sich in seinem Gefolge
befand, von der Prinzessin bemerkt, und erhielt bald darauf die
Einwilligung ihres erlauchten Vaters, dessen Tochtermann zu wer-
den. Dieser Prinz verdankte demnach Napoleon diese unverhofte
Verbindung. Er wird ihm selbst die Krone von Griechenland ver-
danken, wenn sie ihm bewilligt werden sollte, denn ohne den Bruch
der Entwürfe der Häuser Hannover und Oranien wäre er noch in
russischen Diensten. Gewiß würden die gegenwärtigen großen eu-
ropäischen Staatsmänner ihn dort nicht aufgesucht haben, um ihm
den Scepter von Griechenland zu überliefern."

Niederlande.


Allmählich gehen
wir aus dem Zustande der Verworrenheit heraus, und die Lage

[Spaltenumbruch]
Frankreich.

Der Conſtitutionnel enthält unter der Aufſchrift: „Son-
derbarer Urſprung der Erhebung des Prinzen Leopold auf den Thron
von Griechenland,“ folgenden Artikel: „Alle Blike ſind in dieſem
Augenblik auf den Prinzen Leopold von Sachſen-Koburg gerichtet.
Dieſer Prinz hatte ein bemerkenswerthes Glük. Er verdankt nicht
dem hohen Glanze ſeiner Geburt, noch irgend einer andern per-
ſönlichen Urſache die Auszeichnung, die öffentliche Aufmerkſamkeit
zu beſchäftigen. Seiner Eigenſchaft eines Tochtermanns des Kö-
nigs von England und den Glüksfällen, die ihm dieſer Titel er-
öfnet, verdankt er es, daß er die Regierung des neuen Griechen-
lands bekommen kan. Sollte es dazu kommen, ſo würde er Na-
poleon zu großem Danke verpflichtet ſeyn, weil dieſer die erſte Ur-
ſache ſeiner Verbündung mit der Thronerbin Großbritanniens ge-
weſen iſt, woher jezt alle ſeine Anſprüche auf eine neue Krone
entſpringen. Begreiflich bedarf eine ſolche Behauptung der Be-
weiſe. Dazu iſt es nöthig, etwas weit auszuholen. Während
Napoleon nach Moskau zog, verſäumte England kein Mittel, die-
ſen Strom, der Alles mit ſich fortzureißen drohte, aufzuhalten.
Es war nicht mehr möglich, ihm unter den Königen Gegner auf-
zuſtiften; dieſe waren alle unterworfen: Sklaven oder Verbündete.
Man dachte daher an die Völker, die bisher ſo gering geachtet wa-
ren. Man bemächtigte ſich des durch einen beſtändigen Kriegszu-
ſtand und alles daraus hervorgegangene Ungemach erzeugten Miß-
muths, und ſuchte im Namen der öffentlichen Jntereſſen Beiſtand
bei den Maſſen zu neuer Befeſtigung der Throne. Unter den durch
den Beſtand des Kontinentalſyſtems, deſſen Verlezung als die Ur-
ſache des Einfalls in Rußland angekündigt ward, gedrükten Na-
tionen litt keine ſo ſehr durch die Unterbrechung des Handels und
der Schiffahrt wie die holländiſche. Jhre Lage an der Gränze des
alten Frankreichs und ihre Nähe bei den brittiſchen Küſten muß-
ten ganz beſonders jeden Entwurf begünſtigen, der auf eine Auf-
lehnung der Völker gegen die Macht Napoleons gegründet war.
Für die Anhänger der Unabhängigkeit, die Holland enthielt, be-
durfte es aber eines Chefs, der durch Erinnerungen dem Volke
theuer war. Welche Wahl ſchikte ſich beſſer zu dieſer Rolle als
die des Prinzen von Oranien, deſſen Name mit dem Andenken
der unter Philipp II eroberten Freiheit identiſch war? Das Kabi-
net von St. James warf daher die Augen auf den Erbprinzen
von Oranien, der damals als Adjutant des Herzogs von Welling-
ton in Spanien diente, um ihn zum Chef der alten Vaſallen ſei-
ner Familie zu machen. Dieſer junge Mann erwekte bereits die
ſchönſten Hofnungen; da er aber den Völkern noch ganz unbekannt
war, denen man ihn als Führer vorſtellen wollte; da man ſich noch
auf keine voransgegangenen Handlungen berufen konnte, aus de-
nen man ſeine perſönlichen Fähigkeiten hätte ſchäzen können: da
ihm ſeit dem Verluſte der Domainen ſeines Hauſes politiſches
Anſehen fehlte, ſo fühlte man, daß es vor Allem nöthig ſeyn
würde, ihn mit einem kraftvollen Zauber zu umgeben, damit ihm
gleich bei ſeinem Erſcheinen das öffentliche Vertrauen entgegen
käme. Seine Vermählungmit der Prinzeſſin Charlotte ward demnach
zwiſchen den drei Häuſern: Hannover, Braunſchweig und Oranien
beſchloſſen. Dazu fehlte nun nur noch die Einwilligung der jun-
gen Leute. Man hegte nicht ohne Grund Beſorgniſſe in dieſer
Hinſicht: ihre gegenſeitige Abneigung hatte ſich bei vielfachen Anläſ-
ſen geoffenbart. So ſtanden die Sachen, als die kaiſerliche Polizei zu
Hamburg erfuhr, daß einer der erſten Beamten des Hauſes Oranien ſich
[Spaltenumbruch] zu Berlin mit einem Reiſepaſſe unter falſchem Namen verſehen hatte,
mittelſt deſſen er nach England zu kommen hofte. Es wäre eine leichte
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nichts von ſeinem Auftrage erfahren, der um ſo wichtiger ſchien, da
er in das größte Geheimniß gehüllt war. Es ſchien daher zwek-
mäßiger, ihm auf ſeiner Spur zu folgen. Dieſe verlor man aber
zu London einige Wochen lang, und zweifelte ſchon daran, ſie je
wieder aufzufinden, als dieſelbe Perſon auf einmal wieder er-
ſchien, den Mitgliedern der drei oben erwähnten Familien Be-
ſuche machte, und ſich dann nach Gothenburg einſchifte. Hier
nahm dieſe Perſon wieder ihren Reiſepaß und ihre Verkleidung
an, ward aber dennoch erkannt, ſo wie ſie das kaiſerliche Gebiet
berührte und verhaftet. Die an einer geheimen Stelle im Wagen
des Reiſenden gefundenen Papiere zeigten, daß derſelbe beauftragt
ward, ſich zu dem jungen Prinzen zu begeben, um ihn zu der
Heirath mit der Erbin des engliſchen Throns zu bereden. Da
er ihn in London nicht getroffen hatte, ſo hatte er nach Spanien
reiſen müſſen, wo der Prinz gerade ſeine erſten Dienſte in der
engliſchen Armee machte. Wegen dieſer Reiſe hatte man ſeine
Spur verloren. Der Abgeſandte des Hauſes Oranien, ein Mann
von Kopf und Herz, hatte der Schlacht von Talaveyra de la
Reyna an der Seite ſeines jungen Gebieters beigewohnt, der ſich dabei
auszeichnete und verwundet ward. Den Tag nach dieſer Schlacht hatte
man ihn mit verſchiedenen Briefen verſehen, unter denen man einen
von Lord Wellington bemerkte, der die Fruchtloſigkeit ſeiner Bemü-
hungen gegen den feſten Entſchluß ſeines königlichen Adjutanten,
auf den ihm aufgedrungenen Vorſchlag zu einer Vermählung nicht ein-
zugehen, verkündete. Die Antwort des Prinzen legte die Beweggrün-
de ſeiner Weigerung dar. Darunter ſind vertraute, die nicht be-
kannt gemacht werden dürfen; aber ein gerechter und edler Stolz
hatte ihm folgende lezte Stelle in ſeinem Schreiben eingegeben:
„Jch werde niemals einwilligen, der erſte Unterthan meiner Frau
zu ſeyn.“ Die Originalien dieſer Depeſchen wurden noch an dem-
ſelben Tage an den Kaiſer abgeſchikt, der ſie in dem Augenblik
erhielt, wo er in den Kremlin einzog. Gleich nach genommener
Einſicht derſelben ſagte er zu dem Fürſten von Eckmühl: „Hier iſt
ein wichtiger Entwurf enthüllt. Jch werde dieſe Heirath ſchon zu
verhindern wiſſen, mittelſt deren man meine Völker von Holland
aufzuwiegeln ſucht.“ Napoleon bewahrte, während des Rükzugs,
die Antwort des jungen Prinzen ſorgfältig auf, und ließ ſie gleich
nach ſeiner Ankunft zu Paris der Prinzeſſin Charlotte einhändigen.
Sie hatte die Folge, daß man ihr nun nicht mehr mit weitern
Anträgen beſchwerlich fiel. Auf einer Reiſe, die der Kaiſer Ale-
rander nach England machte, während ſeine Truppen noch in Frank-
reich ſtanden, ward der Prinz Leopold, der ſich in ſeinem Gefolge
befand, von der Prinzeſſin bemerkt, und erhielt bald darauf die
Einwilligung ihres erlauchten Vaters, deſſen Tochtermann zu wer-
den. Dieſer Prinz verdankte demnach Napoleon dieſe unverhofte
Verbindung. Er wird ihm ſelbſt die Krone von Griechenland ver-
danken, wenn ſie ihm bewilligt werden ſollte, denn ohne den Bruch
der Entwürfe der Häuſer Hannover und Oranien wäre er noch in
ruſſiſchen Dienſten. Gewiß würden die gegenwärtigen großen eu-
ropäiſchen Staatsmänner ihn dort nicht aufgeſucht haben, um ihm
den Scepter von Griechenland zu überliefern.“

Niederlande.


Allmählich gehen
wir aus dem Zuſtande der Verworrenheit heraus, und die Lage

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[58/0006] Frankreich. Der Conſtitutionnel enthält unter der Aufſchrift: „Son- derbarer Urſprung der Erhebung des Prinzen Leopold auf den Thron von Griechenland,“ folgenden Artikel: „Alle Blike ſind in dieſem Augenblik auf den Prinzen Leopold von Sachſen-Koburg gerichtet. Dieſer Prinz hatte ein bemerkenswerthes Glük. Er verdankt nicht dem hohen Glanze ſeiner Geburt, noch irgend einer andern per- ſönlichen Urſache die Auszeichnung, die öffentliche Aufmerkſamkeit zu beſchäftigen. Seiner Eigenſchaft eines Tochtermanns des Kö- nigs von England und den Glüksfällen, die ihm dieſer Titel er- öfnet, verdankt er es, daß er die Regierung des neuen Griechen- lands bekommen kan. Sollte es dazu kommen, ſo würde er Na- poleon zu großem Danke verpflichtet ſeyn, weil dieſer die erſte Ur- ſache ſeiner Verbündung mit der Thronerbin Großbritanniens ge- weſen iſt, woher jezt alle ſeine Anſprüche auf eine neue Krone entſpringen. Begreiflich bedarf eine ſolche Behauptung der Be- weiſe. Dazu iſt es nöthig, etwas weit auszuholen. Während Napoleon nach Moskau zog, verſäumte England kein Mittel, die- ſen Strom, der Alles mit ſich fortzureißen drohte, aufzuhalten. Es war nicht mehr möglich, ihm unter den Königen Gegner auf- zuſtiften; dieſe waren alle unterworfen: Sklaven oder Verbündete. Man dachte daher an die Völker, die bisher ſo gering geachtet wa- ren. Man bemächtigte ſich des durch einen beſtändigen Kriegszu- ſtand und alles daraus hervorgegangene Ungemach erzeugten Miß- muths, und ſuchte im Namen der öffentlichen Jntereſſen Beiſtand bei den Maſſen zu neuer Befeſtigung der Throne. Unter den durch den Beſtand des Kontinentalſyſtems, deſſen Verlezung als die Ur- ſache des Einfalls in Rußland angekündigt ward, gedrükten Na- tionen litt keine ſo ſehr durch die Unterbrechung des Handels und der Schiffahrt wie die holländiſche. Jhre Lage an der Gränze des alten Frankreichs und ihre Nähe bei den brittiſchen Küſten muß- ten ganz beſonders jeden Entwurf begünſtigen, der auf eine Auf- lehnung der Völker gegen die Macht Napoleons gegründet war. Für die Anhänger der Unabhängigkeit, die Holland enthielt, be- durfte es aber eines Chefs, der durch Erinnerungen dem Volke theuer war. Welche Wahl ſchikte ſich beſſer zu dieſer Rolle als die des Prinzen von Oranien, deſſen Name mit dem Andenken der unter Philipp II eroberten Freiheit identiſch war? Das Kabi- net von St. James warf daher die Augen auf den Erbprinzen von Oranien, der damals als Adjutant des Herzogs von Welling- ton in Spanien diente, um ihn zum Chef der alten Vaſallen ſei- ner Familie zu machen. Dieſer junge Mann erwekte bereits die ſchönſten Hofnungen; da er aber den Völkern noch ganz unbekannt war, denen man ihn als Führer vorſtellen wollte; da man ſich noch auf keine voransgegangenen Handlungen berufen konnte, aus de- nen man ſeine perſönlichen Fähigkeiten hätte ſchäzen können: da ihm ſeit dem Verluſte der Domainen ſeines Hauſes politiſches Anſehen fehlte, ſo fühlte man, daß es vor Allem nöthig ſeyn würde, ihn mit einem kraftvollen Zauber zu umgeben, damit ihm gleich bei ſeinem Erſcheinen das öffentliche Vertrauen entgegen käme. Seine Vermählungmit der Prinzeſſin Charlotte ward demnach zwiſchen den drei Häuſern: Hannover, Braunſchweig und Oranien beſchloſſen. Dazu fehlte nun nur noch die Einwilligung der jun- gen Leute. Man hegte nicht ohne Grund Beſorgniſſe in dieſer Hinſicht: ihre gegenſeitige Abneigung hatte ſich bei vielfachen Anläſ- ſen geoffenbart. So ſtanden die Sachen, als die kaiſerliche Polizei zu Hamburg erfuhr, daß einer der erſten Beamten des Hauſes Oranien ſich zu Berlin mit einem Reiſepaſſe unter falſchem Namen verſehen hatte, mittelſt deſſen er nach England zu kommen hofte. Es wäre eine leichte Sache geweſen, ihn auf der Reiſe zu verhaften, aber man hätte dann nichts von ſeinem Auftrage erfahren, der um ſo wichtiger ſchien, da er in das größte Geheimniß gehüllt war. Es ſchien daher zwek- mäßiger, ihm auf ſeiner Spur zu folgen. Dieſe verlor man aber zu London einige Wochen lang, und zweifelte ſchon daran, ſie je wieder aufzufinden, als dieſelbe Perſon auf einmal wieder er- ſchien, den Mitgliedern der drei oben erwähnten Familien Be- ſuche machte, und ſich dann nach Gothenburg einſchifte. Hier nahm dieſe Perſon wieder ihren Reiſepaß und ihre Verkleidung an, ward aber dennoch erkannt, ſo wie ſie das kaiſerliche Gebiet berührte und verhaftet. Die an einer geheimen Stelle im Wagen des Reiſenden gefundenen Papiere zeigten, daß derſelbe beauftragt ward, ſich zu dem jungen Prinzen zu begeben, um ihn zu der Heirath mit der Erbin des engliſchen Throns zu bereden. Da er ihn in London nicht getroffen hatte, ſo hatte er nach Spanien reiſen müſſen, wo der Prinz gerade ſeine erſten Dienſte in der engliſchen Armee machte. Wegen dieſer Reiſe hatte man ſeine Spur verloren. Der Abgeſandte des Hauſes Oranien, ein Mann von Kopf und Herz, hatte der Schlacht von Talaveyra de la Reyna an der Seite ſeines jungen Gebieters beigewohnt, der ſich dabei auszeichnete und verwundet ward. Den Tag nach dieſer Schlacht hatte man ihn mit verſchiedenen Briefen verſehen, unter denen man einen von Lord Wellington bemerkte, der die Fruchtloſigkeit ſeiner Bemü- hungen gegen den feſten Entſchluß ſeines königlichen Adjutanten, auf den ihm aufgedrungenen Vorſchlag zu einer Vermählung nicht ein- zugehen, verkündete. Die Antwort des Prinzen legte die Beweggrün- de ſeiner Weigerung dar. Darunter ſind vertraute, die nicht be- kannt gemacht werden dürfen; aber ein gerechter und edler Stolz hatte ihm folgende lezte Stelle in ſeinem Schreiben eingegeben: „Jch werde niemals einwilligen, der erſte Unterthan meiner Frau zu ſeyn.“ Die Originalien dieſer Depeſchen wurden noch an dem- ſelben Tage an den Kaiſer abgeſchikt, der ſie in dem Augenblik erhielt, wo er in den Kremlin einzog. Gleich nach genommener Einſicht derſelben ſagte er zu dem Fürſten von Eckmühl: „Hier iſt ein wichtiger Entwurf enthüllt. Jch werde dieſe Heirath ſchon zu verhindern wiſſen, mittelſt deren man meine Völker von Holland aufzuwiegeln ſucht.“ Napoleon bewahrte, während des Rükzugs, die Antwort des jungen Prinzen ſorgfältig auf, und ließ ſie gleich nach ſeiner Ankunft zu Paris der Prinzeſſin Charlotte einhändigen. Sie hatte die Folge, daß man ihr nun nicht mehr mit weitern Anträgen beſchwerlich fiel. Auf einer Reiſe, die der Kaiſer Ale- rander nach England machte, während ſeine Truppen noch in Frank- reich ſtanden, ward der Prinz Leopold, der ſich in ſeinem Gefolge befand, von der Prinzeſſin bemerkt, und erhielt bald darauf die Einwilligung ihres erlauchten Vaters, deſſen Tochtermann zu wer- den. Dieſer Prinz verdankte demnach Napoleon dieſe unverhofte Verbindung. Er wird ihm ſelbſt die Krone von Griechenland ver- danken, wenn ſie ihm bewilligt werden ſollte, denn ohne den Bruch der Entwürfe der Häuſer Hannover und Oranien wäre er noch in ruſſiſchen Dienſten. Gewiß würden die gegenwärtigen großen eu- ropäiſchen Staatsmänner ihn dort nicht aufgeſucht haben, um ihm den Scepter von Griechenland zu überliefern.“ Niederlande. ** Aus den Niederlanden, 5 Jan. Allmählich gehen wir aus dem Zuſtande der Verworrenheit heraus, und die Lage

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 15. Januar 1830, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine15_1830/6>, abgerufen am 24.11.2024.