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Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 15. Januar 1924.

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Dienstag, den 15. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 14
[Spaltenumbruch]
Der erste Mißgriff
beim Beamtenabbau

macht in Bayern böses Blut. Ohne viel zu fragen
und sich um die besonderen Verhältnisse zu küm-
mern, hat das Ministerium des Herrn Mart 5
der berühmtesten und verdientesten Professoren der
Akademie der bildenden Kunst abgebaut: Hugo
Freiherr von Habermann, der der Münchner
Kunst der Wende des 19. und 20. Jahrhunderts
neben einem Zügel und Stuck, Thiersch und Hil-
den Meister der Farbe Ludwig von Herterla,
den Naturalisten Prof. Becker-Grundahl,
der es vom Handwerker bis zum Akademieprofe-
sor brachte, den Vertreter christlicher Kunst Mar-
tin von Feuerstein, die Bildhauer Kurz,
aus der berühmten Dichterfamilie, und Balthasar
Schmitt.

Das formale Buchstabenrecht steht auf Seiten
des Kultusministeriums. die Entthronten sind
sämtlich mehr als 65 Jahre alt, nicht aber das
sachliche: die Akademie der bildenden Kunst ist eine
Hochschule und wenn auch die Professoren hier
Beamte sind und nicht emeritier werden können,
so hätte das Ministerium bei diesem Grenzfall
doch etwas behutsamer vorgehen können. Es ist
eine Ungeheuerlichkeit, mitten im Semester den
Schülern ihre Lehrer zu nehmen. Vom Kultus-
ministerium muß zunächst erwartet werden, daß
die Professoren ihre Meisterklassen zu Ende führen
dürfen. Hat man ja doch auch in der Verwaltung
den Graf Regierungsdirektor Coritz von Ober-
bayern auf Grund der besonderen Verhältnisse
mit der Weiterführung der Geschäfte betraut. Und
hat man ja auch bereits wenistens einen Schritt
zurückgetan und den Direktor der Akademie der
bildenden Kunst Geheimrat v. Marr, der bereits
vom gleichen Schicksal betroffen werdn sollte, sei-
nem Wirkungskreis belassen. Das Berlin eines
Liebermann und Kassirer wird triumphieren, Mün-
chens Kunstruhm, der Bayerns Geltung im Reich
und in der Welt nicht das Wenigste verdankt,
steht auf dem Spiel, um so mehr, als die Steellen
sollen.

Das einseitige Vorgehen wirkt um so unbegreif-
licher, als das gleiche Ministerium in verwandten
Fällen die Grenzen des Billigen weit über-
schreitet und z. B. einen 95 jährigen, wir wieder-
holen einen Fünfundneunzigjährigen, der Vater
der abgebauten Künstler sein könnte, noch als ak-
tiven Vorstand des Herbariums des pflanzenphy-
siologischen Instituts an der Uniersität im Amte
beläßt. Auch hat man bisher nicht das gerinste ge-
hört, daß die übergroße Zahl der staatlichen Ly-
zeen irgendwie vom Abbau betroffen werden, ob-
wohl sie heute restlos, bei entsprechendem Ausbau
der theologischen Fakultäten an den Universitäten,
entbehrt werden könnten wie s. Z. zu Recht die
Forstschule zu Aschaffenburg aufgehoben und der
Universität München eingegliedrt wurde. Ja man
denkt nicht einmal dana, das vor den Thoren
Münchens liegende Lyzeum Freising abzubauen.
Hat doch z. B. für den erledigten Lehrstuhl des
bekannten Geschichst- und Kunstgeschichtsgelehr-
ten Prof, Schlecht sowohl der Herr Kardinal
wie der Herr Staatsminister einen eigenen Kan-
didaten in petto.

Wollen wir hoffen, daß sich das Kultusministe-
rium den zwingenden Gründen für das weitere
Wirken und Lehren der schaffensrüstigen Akade-
mieprofessoren nicht verschließt, zum besten des
bayerischen Kunstlebens.

"Dies academicus"

Vor Wochen sollte die feierliche Ein-
führung des Rektor magni-
ficus
an der Universität München statt-
finden. Rechtsradikale Studentenkreise
haben das verhindert. Man hat nun im
Hinblick auf die Möglichkeit ernsthafter
Störungen endgültig auf den feier-
lichen Einführungsakt verzichtet. Das ist
ein im Münchener akademischen Leben
bisher unerhörter Vorgang.

[Spaltenumbruch]

Wie wir hören, ergeht es der Reichs-
gründungsfeier
ebenso. Der 18. Ja-
nuar ist zwar dies academicus, ein feier-
licher Akt findet jedoch nicht statt. Der
Verzicht erfolgt wiederum mit Rück-
sicht auf die unruhigen rechts-
radikalen Elemente
innerhalb der
Münchener Studentenschaft.

Herr Linus Funke

In einer stark besuchten. Versamm-
lung der christlichen Gewerkschaften
nahm Landtagsabgeordneter Linus Funke
zum "Notbund bayerischer Wirtschaftsstände"
Stellung, dessen Programm er einer eingebenden
Kritik unterzog. Zunächst sei es ein Grundfehler
gewesen, bei der Konstituierung des Bundes die
Arbeiterorganisationen nicht zufra-
gen.
Dagegen stemme sich die Arbeiterschaft mit
Recht. Diktieren lasse sich die christlich-nationale
Arbeitnehmerschaft nicht. Sollte man in bezug
auf die Arbeitszeit wieder zur Willkür der
Vorkriegszeit zurückkehren, werde man sie
auf dem Plan finden.
Man finde in dem
Programm des Notbundes daß es ihm zu tun
sei, alle sozialen Rechte zu beschneiden. Am Be-
triebsrätegesetz, das der Redner "ein
eminent christlich-sittlich-soziales
Gesetz"
nennt, lasse man unter keinen Umständen
rütteln. Der Punkt "Sonntagspostzustel-
lung"
im Notbund-Programm bedeute nichts
anderes, als eine Grundlage zu schaffen, um die
Angestellten in den Bureaus auch Sonntags wie-
der arbeiten zu lassen. Das Streikverbot
wäre besser unterblieben, wie überhaupt alle
wirtschaftlichen Maßnahmen des
Generalstaatskommissars
bisher recht
problematischer Natur seien. Das Streikverbot
sei volkswirtschaftlich ein Unsinn. Ein sehr
großes Gewicht legte der Redner auf Erhal-
tung des Sozialministeriums.

Ein englischer Vizekonsul in München

Nach einer dem Auswärtigen
Amt in Berlin von der dortigen britischen Bot-
schaft zugegangenen Mitteilung hat der königlich
großbritannische Generalkonsul in München, Ro-
bert Henry Clive, mit Genehmigung seiner
Regierung Deslie Charles Hughes Hal-
lot
zum königlich großbritannischen Vizekon-
sul in München
bestellt. Herr Hughes Hallot
ist in dieser Eigenschaft anerkannt und zugelassen
worden.

Zur Vergewaltigung der Universität Jena

erläßt der akademische Senat der Universität
München folgende Erklärung: Ein Erlaß des
thüringischen Ministeriums für Volksbildung will
die Universität Jena zwingen, ihre sämtlichen
amtlichen Schreiben, soweit sie sich nicht auf den
inneren Verkehr der Universität beschränken oder
an das Ministerium gerichtet sind, einer Vor-
zensur durch das Ministerium
zu unter-
werfen. Der Erlaß zeugt von einem Mangel an
Verantwortungsgefühl einer großen und ruhm-
reichen Ueberlieferung gegenüber, wie er auch der
reaktivnärsten Regierung der Metternichschen
Aera nicht vorgeworfen werden kann und stellt
eine Vergewaltigung dar, gegen die auch der
schärfste Protest noch zu sanftmütig ist. Die Ver-
gewaltigung trifft nicht nur die Universität Jena:
denn sie ist nicht nur thüringische, sondern auch
deutsche Universität, und die deutschen Universi-
täten sind nicht gewillt, auf den Verkehr mit einer
von diesen zu verzichten oder sich mit Schreiben
zu begnügen, die durch die Vorzensur einer par-
teiischen Regierung entwertet sind.

Politische Rundschau
Reichsdienststrafordnung für Beamte.

Im
Reichsministerium des Innern ist der Entwurf
einer Reichsdienststrafordnung ausgearbeitet wor-
den, über den demnächst mit den Beamtenvertre-
tern Besprechungen geführt werden sollen.

Der Parteivorstand der A.S.P.D. hat
seine Reichstags- und Landtagsabge-
[Spaltenumbruch] ordneten Bedebour, Vegemann
und
Rusch aus der Partei ausgeschlossen.

Der sozlalistische Kreisdirekter Koch des Kreises
Gotha ist jetzt ebenfalls vom Amte suspendiert
worden. Zu seinem Nachfolger wurde der Ober-
regierungsrat Leuthäuser ernannt.

Der kommunistische Beigeordnete im
Ruhlaer Stadtrat, Fischer, ist seines
Amtes enthoben worden.

Vermischte Nachrichten

Am Donnerstag gerieten sich am
Marktplatz zwei Brüder namens Heene
in die Haare. Sie waren wegen der Ueber-
gabe des elterlichen Anwesens in
Streit
geraten und boten den zahlreichen Zu-
schauern ein Bild wüster Balgerei. Schließlich
brachte der ältere Otto Heene seinem Bruder
Eugen sechs Messerstiche an Händen und
Beinen bei, die zum Glück nicht gefährlich sind.
Die Polizei hat sich der Geschichte angenommen.

Dingolfing. In einer Versammlung hatte die
"Freie Bauernschaft" die Zuhörer aufge-
fordert, die Landabgabe und sonstigen
Steuern nicht zu zahlen,
um sie auf diese
Weise abzuschaffen. Viele Bauern sind diesem
Rate nur zu gern gefolgt, hatten es aber bitter
zu bereuen. Die Steuer wurde nicht abgeschafft,
dafür wurde in vielen Höfen zum Mittel der
Pfändung geschritten. Bei verschiedenen Bauern
der Umgebung sind bereits Pfändungen an
Getreide und Vieh
vorgenommen worden.


Beim Abladen von Schutt
sind die Oekonomen Joh. Steinleitner und
Ludwig Pernreuter von Jägerwirt verun-
glückt. Es löste sich plötzlich eine Erdschicht und
begrub die Beiden unter sich. Pern-
reuter kam so unglücklich auf einen Schaufelstiel
zu liegen, daß ihm der Kopf bis zur Unkenntlich-
keit zerdrückt wurde. Er war sofort tot, während
Steinleitner mit leichteren Verletzungen
davon kam.


Im Anwesen des Maurers Stefan
Bösch in Illerrieden ist ein Brand aus-
gebrochen, der trotz sofortiger Hilfe das ganze
Gebäude einäscherte.
Alle Vorräte an
Frucht, Futter und Stroh sind ein Raub der
Flammen geworden.


Die Stadt hat eine Baukorpo-
ration
gegründet. Man rechnet damit, daß
durch die Tätigkeit dieser Kommission demnächst
10--12 Wohnhäuser mit Gärten erstehen werden.


Der ledige Gerberssohn Philipp
Wellhammer fuhr mit einem Schlittenge-
spann über das Bahngleis, als er von dem
Ingolstädter Morgenzug überfahren und so-
fort getötet
wurde. Ein Pferd ist ebenfalls
getötet worden.


In beneidenswerter geistiger und
körperlicher Frische vollendete am 14. Januar
1924 Oberlehrer und Bezirksschul-
rat a. D. Anton Stauber
sein 70. Lebens-
jahr. Stauber, der 44 Jahre in Kemnath wirkte,
lange Jahre das Amt eines Bezirksoberlehrers
bekleidete und im Ausschusse des Bayer. Lehrer-
vereins, dessen Schatzmeister er z. Zt. noch ist, seit
vielen Jahren eine hervorragende Stelle ein-
nimmt, ist eine in weiten Kreisen bekannte Per-
sönlichkeit und hat sich nicht nur für das vater-
ländische Volksschulwesen, sondern auch in seinen
verschiedenen Nebenämtern und Ehrenstellen um
Gemeinde und Bezirk große Verdienste erworben.


Das 4 jährige Söhnchen
des Straßenwärters Spreier fiel während
der Abwesenheit seiner Eltern vom Fenster der
im dritten Stock befindlichen Wohnung auf die
Straße
herab und war sofort tot.


Eine Frau legte im Ofen
Feuer nach, als plötzlich ein lauter Knall erfolgte
und die Aermste bewußtlos zusammenbrach. Unter
dem Brennmaterial dürfte sich ein
Sprengkörper befunden haben, der in der
Glut explodierte. Die Frau ist ihren Ver-
letzungen erlegen.

[Spaltenumbruch]

An Bord des
Dampfers "America" der United States Lines
fand die Beschenkung von 1200 Kindern aus
Lehe, Bremerhaven und Geestemünde statt. Nach
der Feier in der großen Halle der United States
Lines, die durch den Kapitän Blan vom Bremer
Büro der genannten Dampferlinie eingeleitet
wurde und an die sich die Bewirtung schloß, wur-
den die Kinder auf die "America" geführt, um die
Liebesgaben in Empfang zu nehmen, für
die die Besatzung 1100 Dollars gesammelt hat.

An der Veranstaltung nahmen die Bürgermei-
ster der drei genannten Städte teil. Im Ver-
laufe derselben wurde auch eine Reihe von Drah-
tungen aus Washington und Neuyork verlesen.
Das Telegramm des Präsidenten Coolidge
lautete: Ich hoffe, daß Ihr guter, wohltätiger
Plan Ihnen und Ihren Gästen in großem Maße
Vergnügen und Befriedigung gewährt. Ferner
sandten Depeschen Staatssekretär Hughes und
der Gouverneur des Staates Neuyork.

[irrelevantes Material]



[Spaltenumbruch]

die er widerwillig gab, nicht halten; und er wird
oft aus Liebenswürdigkeit und aus Gefühl für das
Menschliche in der Konvention Anerbieten oder
Zusagen machen, über deren Erfüllung er sich zu-
nächst nicht weiter den Kopf zerbricht. Im
Augenblick des Versprechens ist er sich darüber
nicht klar; es fast immer weniger berechnet, als
es dem Nordländer scheint. Er braucht die Be-
rechnung nicht, weil die Momentanität seiner Na-
tur ihn ganz von selbst das jeweils Vorteilhafte
begehren läßt und die Unbedenklichkeit seiner
Dialektik ihm immer gestattet, sich das Vorteil-
hafte in das ethisch Gebotene umzudeuten.
(sagro egoismo u. dergl.) Natürlich wird dort,
wo Berechnung vorliegt, seine Kunst im Thea-
terspielen ihn umso gefährlicher machen.

Die ostentative Ehrlichkeit der äußeren Form
wird von dem Nordländer leicht auch fälschlich
für Kindlichkeit genommen. In Wirklichkeit ent-
spricht sie der Form des italienischen Charakters.
Neulich sah ich in einer römischen Osteria folgende
Szene: Neben mir war ein großer Tisch gut ge-
dreßter Herren. Plötzlich erscheint eine elegante
Dame, musterte das Lokal, musterte den Tisch
und tritt dann rasch auf diesen zu mit der hef-
tigen Frage: "Wo ist mein Mann?" "Sind sie
nicht wie Kinder?" fragte ein Nordländer neben
mir. Aber es ist eben die Frage, ob das Kind-
lichkeit und nicht vielmehr Theater war. Schließ-
lich würden auch bei uns von den Kindern nur
wenige so direkt sein. Jene Frage war nicht
schlechthin hemmungslos; ja, vielleicht mußte eine
Hemmung durch Charakter überwunden werden.
Was hätten die italienschen Herren gesagt, wenn
die Frau, den Grund ihres Kommens verbergend,
sich zurückgezogen hätte? Natürlich fand die
Szene nach dieser Einleitung ihre gegebene Fort-
setzung, als der Mann kam. Die Frau über-
schüttete ihn mit Vorwürfen oder vielmehr mit
Argumenten des Vorwurfs, die auf die gesamte
Corona mitberechnet waren. Diese suchte zu
begütigen, teils durch ernsthafte Entschuldigungen,
teils durch Scherze, die die Angelegenheit ins
Humoristische zogen. -- Nach fünf Minuten
herrschte die reinste Heiterkeit.

[Spaltenumbruch]

Ueberhaupt die Heiterkeit in Italien. Hier ist
es schwer, nicht neidisch zu werden, wenn man
aus Deutschland kommt.

Kunstabbau.

Sparsamkeit und Sparmaßnah-
men sind heute durchaus verständlich und da,
wo sie angebracht erscheinen, auch grundsätzlich
zu begrüßen. Wenn aber, wie in München
(mit der "Entlassung" der sieben Akademieprof-
fessoren, oder in Dresden so abgebaut wird,
daß der Abbau gleichzeitig Zerstörungsmomente
in sich trägt, muß darauf hingewiesen werden,
Zweckmäßigkeit nicht ob des Prinzipes zu unter-
graben. Nachdem in Dresden der Leiter des
Kupferstichkabinetts Geh. Rat Lelus pensioniert
und der bisherige Kustos Dr. Zoege von Man-
teuffel an seine Stelle versetzt wurde, hat man
die Kustosstelle eingezogen. Der Direktor des
Grünen Gewölbes Prof. Sponsel wurde eben-
falls pensioniert, Prof Dr. Haenel, bisher Leiter
des Historischen Museums und der Gewebegale-
rie, erhielt als drittes Amt nun auch diese Stelle!
Geradezu unwahrscheinlich aber klingt es, daß
jetzt auch noch der Direktor der modernen Abtei-
lung des Stadtmuseums, der hochverdiente und
umsichtige Dr. Paul Ferdinand Schmidt, einfach
verabschiedet werden soll. Seine Stelle bleibt un-
besetzt -- das schöne Werk der Sammlung, die
Schmidt geschaffen hat, schläft ein; die Muse-
umsabteilung soll überhaupt geschlossen werden.

Also auch in Sachsen scheint die Sparsamkeit
der Kunstverwaltung bedenkliche Wege zu
nehmen.

Kleine Nachrichten
Auswärts

Die Universität Köln zählt im laufen-
den Wintersemester 5196 eingeschriebene Studie-
rende. Davon gehören zur Wirtschafts- und So-
zialwissenschaftlichen Fakultät 3164, zur Rechts-
wissenschaftlichen Fakultät 863, zur Medizinischen
Fakultät 168 und zur Philosophischen Fakultät
[Spaltenumbruch] 1011 Studierende. Außerdem haben 599 Gasthörer
Vorlesungen belegt und nehmen 1320 Besucher
an den allgemeinen öffentlichen Vorlesungen teil.
Die Gesamtbesucherzahl der Universität ist dem-
nach 7115.

Ein ausländischer Architektenwettbewerb.

Die
Stadt Spalato an der Adria (Jugoslavien)
schreibt einen Ideenwettbewerb für Groß-Spalato
aus zum 30. April 1924. Die Stadt liegt wunder-
voll auf einer Halbinsel und soll zu einem der
größten Häfen des Mittelmeeres ausgebildet wer-
den. Eine dankbare, interessante Ausgabe für
deutsche Städtebauer, auf deren Teilnahme offen-
bar gerechnet wird, zumal ein deutscher Preisrich-
ter nominiert wird. Alle deutschen Architekten, die
sich an der interessanten Aufgabe beteiligen wollen,
fordert der Bund deutscher Architekten, Berlin-
Wilmersdorf, Helmstedter Straße 6, auf, ihre
Adresse umgehend anzugeben. Die Unterlagen
kosten 80 Schweizer Franken und sollen, der Kürze
der Zeit wegen, auf schnellstem Wege gemeinsam
beschafft werden.

Intendantenwechsel in Weimar.

Wie uns aus
Weimar mitgeteilt wird, ist der lange erwartete
Wechsel in der Leitung der thüringischen Landes-
bühne nunmehr eingetreten. Ernst Hardts Nach-
folger wird der bisherige Meininger Intendant
Ulbrich.

München
Dienstag, den 15. Januar:

"Museum" (8): Erster
Abend für den Mittelstand: Konzert.
Ausfü-
rende:
Philippine Landshoff (Sopran), Dr. L.
Landshoff und Prof. Wolfgang Ruoff (Klapier), das
Münchener Bläserquintett
(Kaleve, Us-
finger, Wagner, Nöth, Baumeister). Programm:
K. Ph. Em. Bach, Sonate A-moll für Flöte allein.
Mozart, Klaviersonate Es-Dur. Joh. Chr. Bach,
Arie mit obligater Flöte, Konzertßene mit obligater
Oboe. Mozart, Bläserquintett.

Heute Dienstag, 15. Januar:

Museum (8):
Erster Abend für den Mittelstand, Konzert
[Spaltenumbruch] (siehe Inserat). -- Odeon (71/2): Beethoven-
Abend Lampe-Berber. -- Tonhalle (8):
Münchener Volksbühne, Konzert mit dem Konzert-
vereinsorchester. Leitung: C. v. Francken-
stein,
Solistin M. v. Neipperg.

Gemeinverständliche Einzelvorträge der Univer-
sität.

Mittwoch, den 16. Januar, abends 8 Uhr,
spricht im Auditorium maximum Geheimrat Pro-
fessor Dr. M. Endres über "Die deutsche Holz-
wirtschaft im Rahmen der Weltwirtschaft". --
Karten beim Hausverwalter der Universität.

Münchener Kammerspiele.

Am Dienstag, den
15. d. M. beginnt Albert Steinrück ein Gast-
spiel in Strindbergs "Wetterleuchten". Außer dem
Gast sind in den Hauptrollen beschäftigt die Damen
Horst, Leschka und Molter und die Herren Eich-
heim und Framer.


Samstag, 19. Januar, Odeon (8):
Orchester-Konzert unter Leitung von Ro-
bert Heger. Solistin Cida Lau (Sopran).
Orchester: Mitglieder des Staatstheaterorchesters.
Vortragsfolge: Anacreon, Ouverture v. Cherubini
-- drei altitalienische Arien v. Händel -- Arie
"Il re pastore" v. Mozart, sowie Arien v. Men-
delssohn und Verdi, die Lieder eines fahrenden
Gesellen von G. Mahler und die selten gehörte
Jugendsymphonie von R. Strauß.

Karten bei Schmid und Halbreiter.


Sigmund Feuermann gibt Sonntag,
20. Januar,
abends 71/2 Uhr im Herkules-
saal
sein einziges Violin-Konzert unter Mitwir-
kung von Professor Wolfg. Ruoff (Klavier). Vor-
tragsfolge: Cesar Frank: Sonate H-Moll -- Gla-
zounow: Konzert in einem Satz -- Rimsky-Kor-
sakow: Hymne an die Sonne und Kompositionen
von Beethoven, Popper, Bazzini und Paganini

Karten bei Schmid und Halbreiter.


Die 12jährige Tänzerin Lotte Wilma gibt
Sonntag, 20. Januar, abends 71/2 Uhr im Baye-
rischen Hof einen Tanzabend. Am Flügel: Ludw.
Woertmüller.

Karten bei Schmid und Halbreiter.

Dienstag, den 15. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 14
[Spaltenumbruch]
Der erſte Mißgriff
beim Beamtenabbau

macht in Bayern böſes Blut. Ohne viel zu fragen
und ſich um die beſonderen Verhältniſſe zu küm-
mern, hat das Miniſterium des Herrn Mart 5
der berühmteſten und verdienteſten Profeſſoren der
Akademie der bildenden Kunſt abgebaut: Hugo
Freiherr von Habermann, der der Münchner
Kunſt der Wende des 19. und 20. Jahrhunderts
neben einem Zügel und Stuck, Thierſch und Hil-
den Meiſter der Farbe Ludwig von Herterla,
den Naturaliſten Prof. Becker-Grundahl,
der es vom Handwerker bis zum Akademieprofe-
ſor brachte, den Vertreter chriſtlicher Kunſt Mar-
tin von Feuerſtein, die Bildhauer Kurz,
aus der berühmten Dichterfamilie, und Balthaſar
Schmitt.

Das formale Buchſtabenrecht ſteht auf Seiten
des Kultusminiſteriums. die Entthronten ſind
ſämtlich mehr als 65 Jahre alt, nicht aber das
ſachliche: die Akademie der bildenden Kunſt iſt eine
Hochſchule und wenn auch die Profeſſoren hier
Beamte ſind und nicht emeritier werden können,
ſo hätte das Miniſterium bei dieſem Grenzfall
doch etwas behutſamer vorgehen können. Es iſt
eine Ungeheuerlichkeit, mitten im Semeſter den
Schülern ihre Lehrer zu nehmen. Vom Kultus-
miniſterium muß zunächſt erwartet werden, daß
die Profeſſoren ihre Meiſterklaſſen zu Ende führen
dürfen. Hat man ja doch auch in der Verwaltung
den Graf Regierungsdirektor Coritz von Ober-
bayern auf Grund der beſonderen Verhältniſſe
mit der Weiterführung der Geſchäfte betraut. Und
hat man ja auch bereits weniſtens einen Schritt
zurückgetan und den Direktor der Akademie der
bildenden Kunſt Geheimrat v. Marr, der bereits
vom gleichen Schickſal betroffen werdn ſollte, ſei-
nem Wirkungskreis belaſſen. Das Berlin eines
Liebermann und Kaſſirer wird triumphieren, Mün-
chens Kunſtruhm, der Bayerns Geltung im Reich
und in der Welt nicht das Wenigſte verdankt,
ſteht auf dem Spiel, um ſo mehr, als die Steellen
ſollen.

Das einſeitige Vorgehen wirkt um ſo unbegreif-
licher, als das gleiche Miniſterium in verwandten
Fällen die Grenzen des Billigen weit über-
ſchreitet und z. B. einen 95 jährigen, wir wieder-
holen einen Fünfundneunzigjährigen, der Vater
der abgebauten Künſtler ſein könnte, noch als ak-
tiven Vorſtand des Herbariums des pflanzenphy-
ſiologiſchen Inſtituts an der Unierſität im Amte
beläßt. Auch hat man bisher nicht das gerinſte ge-
hört, daß die übergroße Zahl der ſtaatlichen Ly-
zeen irgendwie vom Abbau betroffen werden, ob-
wohl ſie heute reſtlos, bei entſprechendem Ausbau
der theologiſchen Fakultäten an den Univerſitäten,
entbehrt werden könnten wie ſ. Z. zu Recht die
Forſtſchule zu Aſchaffenburg aufgehoben und der
Univerſität München eingegliedrt wurde. Ja man
denkt nicht einmal dana, das vor den Thoren
Münchens liegende Lyzeum Freiſing abzubauen.
Hat doch z. B. für den erledigten Lehrſtuhl des
bekannten Geſchichst- und Kunſtgeſchichtsgelehr-
ten Prof, Schlecht ſowohl der Herr Kardinal
wie der Herr Staatsminiſter einen eigenen Kan-
didaten in petto.

Wollen wir hoffen, daß ſich das Kultusminiſte-
rium den zwingenden Gründen für das weitere
Wirken und Lehren der ſchaffensrüſtigen Akade-
mieprofeſſoren nicht verſchließt, zum beſten des
bayeriſchen Kunſtlebens.

„Dies academicus“

Vor Wochen ſollte die feierliche Ein-
führung des Rektor magni-
ficus
an der Univerſität München ſtatt-
finden. Rechtsradikale Studentenkreiſe
haben das verhindert. Man hat nun im
Hinblick auf die Möglichkeit ernſthafter
Störungen endgültig auf den feier-
lichen Einführungsakt verzichtet. Das iſt
ein im Münchener akademiſchen Leben
bisher unerhörter Vorgang.

[Spaltenumbruch]

Wie wir hören, ergeht es der Reichs-
gründungsfeier
ebenſo. Der 18. Ja-
nuar iſt zwar dies academicus, ein feier-
licher Akt findet jedoch nicht ſtatt. Der
Verzicht erfolgt wiederum mit Rück-
ſicht auf die unruhigen rechts-
radikalen Elemente
innerhalb der
Münchener Studentenſchaft.

Herr Linus Funke

In einer ſtark beſuchten. Verſamm-
lung der chriſtlichen Gewerkſchaften
nahm Landtagsabgeordneter Linus Funke
zum „Notbund bayeriſcher Wirtſchaftsſtände“
Stellung, deſſen Programm er einer eingebenden
Kritik unterzog. Zunächſt ſei es ein Grundfehler
geweſen, bei der Konſtituierung des Bundes die
Arbeiterorganiſationen nicht zufra-
gen.
Dagegen ſtemme ſich die Arbeiterſchaft mit
Recht. Diktieren laſſe ſich die chriſtlich-nationale
Arbeitnehmerſchaft nicht. Sollte man in bezug
auf die Arbeitszeit wieder zur Willkür der
Vorkriegszeit zurückkehren, werde man ſie
auf dem Plan finden.
Man finde in dem
Programm des Notbundes daß es ihm zu tun
ſei, alle ſozialen Rechte zu beſchneiden. Am Be-
triebsrätegeſetz, das der Redner „ein
eminent chriſtlich-ſittlich-ſoziales
Geſetz“
nennt, laſſe man unter keinen Umſtänden
rütteln. Der Punkt „Sonntagspoſtzuſtel-
lung“
im Notbund-Programm bedeute nichts
anderes, als eine Grundlage zu ſchaffen, um die
Angeſtellten in den Bureaus auch Sonntags wie-
der arbeiten zu laſſen. Das Streikverbot
wäre beſſer unterblieben, wie überhaupt alle
wirtſchaftlichen Maßnahmen des
Generalſtaatskommiſſars
bisher recht
problematiſcher Natur ſeien. Das Streikverbot
ſei volkswirtſchaftlich ein Unſinn. Ein ſehr
großes Gewicht legte der Redner auf Erhal-
tung des Sozialminiſteriums.

Ein engliſcher Vizekonſul in München

Nach einer dem Auswärtigen
Amt in Berlin von der dortigen britiſchen Bot-
ſchaft zugegangenen Mitteilung hat der königlich
großbritanniſche Generalkonſul in München, Ro-
bert Henry Clive, mit Genehmigung ſeiner
Regierung Deslie Charles Hughes Hal-
lot
zum königlich großbritanniſchen Vizekon-
ſul in München
beſtellt. Herr Hughes Hallot
iſt in dieſer Eigenſchaft anerkannt und zugelaſſen
worden.

Zur Vergewaltigung der Univerſität Jena

erläßt der akademiſche Senat der Univerſität
München folgende Erklärung: Ein Erlaß des
thüringiſchen Miniſteriums für Volksbildung will
die Univerſität Jena zwingen, ihre ſämtlichen
amtlichen Schreiben, ſoweit ſie ſich nicht auf den
inneren Verkehr der Univerſität beſchränken oder
an das Miniſterium gerichtet ſind, einer Vor-
zenſur durch das Miniſterium
zu unter-
werfen. Der Erlaß zeugt von einem Mangel an
Verantwortungsgefühl einer großen und ruhm-
reichen Ueberlieferung gegenüber, wie er auch der
reaktivnärſten Regierung der Metternichſchen
Aera nicht vorgeworfen werden kann und ſtellt
eine Vergewaltigung dar, gegen die auch der
ſchärfſte Proteſt noch zu ſanftmütig iſt. Die Ver-
gewaltigung trifft nicht nur die Univerſität Jena:
denn ſie iſt nicht nur thüringiſche, ſondern auch
deutſche Univerſität, und die deutſchen Univerſi-
täten ſind nicht gewillt, auf den Verkehr mit einer
von dieſen zu verzichten oder ſich mit Schreiben
zu begnügen, die durch die Vorzenſur einer par-
teiiſchen Regierung entwertet ſind.

Politiſche Rundſchau
Reichsdienſtſtrafordnung für Beamte.

Im
Reichsminiſterium des Innern iſt der Entwurf
einer Reichsdienſtſtrafordnung ausgearbeitet wor-
den, über den demnächſt mit den Beamtenvertre-
tern Beſprechungen geführt werden ſollen.

Der Parteivorſtand der A.S.P.D. hat
ſeine Reichstags- und Landtagsabge-
[Spaltenumbruch] ordneten Bedebour, Vegemann
und
Ruſch aus der Partei ausgeſchloſſen.

Der ſozlaliſtiſche Kreisdirekter Koch des Kreiſes
Gotha iſt jetzt ebenfalls vom Amte ſuspendiert
worden. Zu ſeinem Nachfolger wurde der Ober-
regierungsrat Leuthäuſer ernannt.

Der kommuniſtiſche Beigeordnete im
Ruhlaer Stadtrat, Fiſcher, iſt ſeines
Amtes enthoben worden.

Vermiſchte Nachrichten

Am Donnerstag gerieten ſich am
Marktplatz zwei Brüder namens Heene
in die Haare. Sie waren wegen der Ueber-
gabe des elterlichen Anweſens in
Streit
geraten und boten den zahlreichen Zu-
ſchauern ein Bild wüſter Balgerei. Schließlich
brachte der ältere Otto Heene ſeinem Bruder
Eugen ſechs Meſſerſtiche an Händen und
Beinen bei, die zum Glück nicht gefährlich ſind.
Die Polizei hat ſich der Geſchichte angenommen.

Dingolfing. In einer Verſammlung hatte die
„Freie Bauernſchaft“ die Zuhörer aufge-
fordert, die Landabgabe und ſonſtigen
Steuern nicht zu zahlen,
um ſie auf dieſe
Weiſe abzuſchaffen. Viele Bauern ſind dieſem
Rate nur zu gern gefolgt, hatten es aber bitter
zu bereuen. Die Steuer wurde nicht abgeſchafft,
dafür wurde in vielen Höfen zum Mittel der
Pfändung geſchritten. Bei verſchiedenen Bauern
der Umgebung ſind bereits Pfändungen an
Getreide und Vieh
vorgenommen worden.


Beim Abladen von Schutt
ſind die Oekonomen Joh. Steinleitner und
Ludwig Pernreuter von Jägerwirt verun-
glückt. Es löſte ſich plötzlich eine Erdſchicht und
begrub die Beiden unter ſich. Pern-
reuter kam ſo unglücklich auf einen Schaufelſtiel
zu liegen, daß ihm der Kopf bis zur Unkenntlich-
keit zerdrückt wurde. Er war ſofort tot, während
Steinleitner mit leichteren Verletzungen
davon kam.


Im Anweſen des Maurers Stefan
Böſch in Illerrieden iſt ein Brand aus-
gebrochen, der trotz ſofortiger Hilfe das ganze
Gebäude einäſcherte.
Alle Vorräte an
Frucht, Futter und Stroh ſind ein Raub der
Flammen geworden.


Die Stadt hat eine Baukorpo-
ration
gegründet. Man rechnet damit, daß
durch die Tätigkeit dieſer Kommiſſion demnächſt
10—12 Wohnhäuſer mit Gärten erſtehen werden.


Der ledige Gerbersſohn Philipp
Wellhammer fuhr mit einem Schlittenge-
ſpann über das Bahngleis, als er von dem
Ingolſtädter Morgenzug überfahren und ſo-
fort getötet
wurde. Ein Pferd iſt ebenfalls
getötet worden.


In beneidenswerter geiſtiger und
körperlicher Friſche vollendete am 14. Januar
1924 Oberlehrer und Bezirksſchul-
rat a. D. Anton Stauber
ſein 70. Lebens-
jahr. Stauber, der 44 Jahre in Kemnath wirkte,
lange Jahre das Amt eines Bezirksoberlehrers
bekleidete und im Ausſchuſſe des Bayer. Lehrer-
vereins, deſſen Schatzmeiſter er z. Zt. noch iſt, ſeit
vielen Jahren eine hervorragende Stelle ein-
nimmt, iſt eine in weiten Kreiſen bekannte Per-
ſönlichkeit und hat ſich nicht nur für das vater-
ländiſche Volksſchulweſen, ſondern auch in ſeinen
verſchiedenen Nebenämtern und Ehrenſtellen um
Gemeinde und Bezirk große Verdienſte erworben.


Das 4 jährige Söhnchen
des Straßenwärters Spreier fiel während
der Abweſenheit ſeiner Eltern vom Fenſter der
im dritten Stock befindlichen Wohnung auf die
Straße
herab und war ſofort tot.


Eine Frau legte im Ofen
Feuer nach, als plötzlich ein lauter Knall erfolgte
und die Aermſte bewußtlos zuſammenbrach. Unter
dem Brennmaterial dürfte ſich ein
Sprengkörper befunden haben, der in der
Glut explodierte. Die Frau iſt ihren Ver-
letzungen erlegen.

[Spaltenumbruch]

An Bord des
Dampfers „America“ der United States Lines
fand die Beſchenkung von 1200 Kindern aus
Lehe, Bremerhaven und Geeſtemünde ſtatt. Nach
der Feier in der großen Halle der United States
Lines, die durch den Kapitän Blan vom Bremer
Büro der genannten Dampferlinie eingeleitet
wurde und an die ſich die Bewirtung ſchloß, wur-
den die Kinder auf die „America“ geführt, um die
Liebesgaben in Empfang zu nehmen, für
die die Beſatzung 1100 Dollars geſammelt hat.

An der Veranſtaltung nahmen die Bürgermei-
ſter der drei genannten Städte teil. Im Ver-
laufe derſelben wurde auch eine Reihe von Drah-
tungen aus Waſhington und Neuyork verleſen.
Das Telegramm des Präſidenten Coolidge
lautete: Ich hoffe, daß Ihr guter, wohltätiger
Plan Ihnen und Ihren Gäſten in großem Maße
Vergnügen und Befriedigung gewährt. Ferner
ſandten Depeſchen Staatsſekretär Hughes und
der Gouverneur des Staates Neuyork.

[irrelevantes Material]



[Spaltenumbruch]

die er widerwillig gab, nicht halten; und er wird
oft aus Liebenswürdigkeit und aus Gefühl für das
Menſchliche in der Konvention Anerbieten oder
Zuſagen machen, über deren Erfüllung er ſich zu-
nächſt nicht weiter den Kopf zerbricht. Im
Augenblick des Verſprechens iſt er ſich darüber
nicht klar; es faſt immer weniger berechnet, als
es dem Nordländer ſcheint. Er braucht die Be-
rechnung nicht, weil die Momentanität ſeiner Na-
tur ihn ganz von ſelbſt das jeweils Vorteilhafte
begehren läßt und die Unbedenklichkeit ſeiner
Dialektik ihm immer geſtattet, ſich das Vorteil-
hafte in das ethiſch Gebotene umzudeuten.
(ſagro egoismo u. dergl.) Natürlich wird dort,
wo Berechnung vorliegt, ſeine Kunſt im Thea-
terſpielen ihn umſo gefährlicher machen.

Die oſtentative Ehrlichkeit der äußeren Form
wird von dem Nordländer leicht auch fälſchlich
für Kindlichkeit genommen. In Wirklichkeit ent-
ſpricht ſie der Form des italieniſchen Charakters.
Neulich ſah ich in einer römiſchen Oſteria folgende
Szene: Neben mir war ein großer Tiſch gut ge-
dreßter Herren. Plötzlich erſcheint eine elegante
Dame, muſterte das Lokal, muſterte den Tiſch
und tritt dann raſch auf dieſen zu mit der hef-
tigen Frage: „Wo iſt mein Mann?“ „Sind ſie
nicht wie Kinder?“ fragte ein Nordländer neben
mir. Aber es iſt eben die Frage, ob das Kind-
lichkeit und nicht vielmehr Theater war. Schließ-
lich würden auch bei uns von den Kindern nur
wenige ſo direkt ſein. Jene Frage war nicht
ſchlechthin hemmungslos; ja, vielleicht mußte eine
Hemmung durch Charakter überwunden werden.
Was hätten die italienſchen Herren geſagt, wenn
die Frau, den Grund ihres Kommens verbergend,
ſich zurückgezogen hätte? Natürlich fand die
Szene nach dieſer Einleitung ihre gegebene Fort-
ſetzung, als der Mann kam. Die Frau über-
ſchüttete ihn mit Vorwürfen oder vielmehr mit
Argumenten des Vorwurfs, die auf die geſamte
Corona mitberechnet waren. Dieſe ſuchte zu
begütigen, teils durch ernſthafte Entſchuldigungen,
teils durch Scherze, die die Angelegenheit ins
Humoriſtiſche zogen. — Nach fünf Minuten
herrſchte die reinſte Heiterkeit.

[Spaltenumbruch]

Ueberhaupt die Heiterkeit in Italien. Hier iſt
es ſchwer, nicht neidiſch zu werden, wenn man
aus Deutſchland kommt.

Kunſtabbau.

Sparſamkeit und Sparmaßnah-
men ſind heute durchaus verſtändlich und da,
wo ſie angebracht erſcheinen, auch grundſätzlich
zu begrüßen. Wenn aber, wie in München
(mit der „Entlaſſung“ der ſieben Akademieprof-
feſſoren, oder in Dresden ſo abgebaut wird,
daß der Abbau gleichzeitig Zerſtörungsmomente
in ſich trägt, muß darauf hingewieſen werden,
Zweckmäßigkeit nicht ob des Prinzipes zu unter-
graben. Nachdem in Dresden der Leiter des
Kupferſtichkabinetts Geh. Rat Lelus penſioniert
und der bisherige Kuſtos Dr. Zoege von Man-
teuffel an ſeine Stelle verſetzt wurde, hat man
die Kuſtosſtelle eingezogen. Der Direktor des
Grünen Gewölbes Prof. Sponſel wurde eben-
falls penſioniert, Prof Dr. Haenel, bisher Leiter
des Hiſtoriſchen Muſeums und der Gewebegale-
rie, erhielt als drittes Amt nun auch dieſe Stelle!
Geradezu unwahrſcheinlich aber klingt es, daß
jetzt auch noch der Direktor der modernen Abtei-
lung des Stadtmuſeums, der hochverdiente und
umſichtige Dr. Paul Ferdinand Schmidt, einfach
verabſchiedet werden ſoll. Seine Stelle bleibt un-
beſetzt — das ſchöne Werk der Sammlung, die
Schmidt geſchaffen hat, ſchläft ein; die Muſe-
umsabteilung ſoll überhaupt geſchloſſen werden.

Alſo auch in Sachſen ſcheint die Sparſamkeit
der Kunſtverwaltung bedenkliche Wege zu
nehmen.

Kleine Nachrichten
Auswärts

Die Univerſität Köln zählt im laufen-
den Winterſemeſter 5196 eingeſchriebene Studie-
rende. Davon gehören zur Wirtſchafts- und So-
zialwiſſenſchaftlichen Fakultät 3164, zur Rechts-
wiſſenſchaftlichen Fakultät 863, zur Mediziniſchen
Fakultät 168 und zur Philoſophiſchen Fakultät
[Spaltenumbruch] 1011 Studierende. Außerdem haben 599 Gaſthörer
Vorleſungen belegt und nehmen 1320 Beſucher
an den allgemeinen öffentlichen Vorleſungen teil.
Die Geſamtbeſucherzahl der Univerſität iſt dem-
nach 7115.

Ein ausländiſcher Architektenwettbewerb.

Die
Stadt Spalato an der Adria (Jugoſlavien)
ſchreibt einen Ideenwettbewerb für Groß-Spalato
aus zum 30. April 1924. Die Stadt liegt wunder-
voll auf einer Halbinſel und ſoll zu einem der
größten Häfen des Mittelmeeres ausgebildet wer-
den. Eine dankbare, intereſſante Auſgabe für
deutſche Städtebauer, auf deren Teilnahme offen-
bar gerechnet wird, zumal ein deutſcher Preisrich-
ter nominiert wird. Alle deutſchen Architekten, die
ſich an der intereſſanten Aufgabe beteiligen wollen,
fordert der Bund deutſcher Architekten, Berlin-
Wilmersdorf, Helmſtedter Straße 6, auf, ihre
Adreſſe umgehend anzugeben. Die Unterlagen
koſten 80 Schweizer Franken und ſollen, der Kürze
der Zeit wegen, auf ſchnellſtem Wege gemeinſam
beſchafft werden.

Intendantenwechſel in Weimar.

Wie uns aus
Weimar mitgeteilt wird, iſt der lange erwartete
Wechſel in der Leitung der thüringiſchen Landes-
bühne nunmehr eingetreten. Ernſt Hardts Nach-
folger wird der bisherige Meininger Intendant
Ulbrich.

München
Dienstag, den 15. Januar:

„Muſeum“ (8): Erſter
Abend für den Mittelſtand: Konzert.
Ausfü-
rende:
Philippine Landshoff (Sopran), Dr. L.
Landshoff und Prof. Wolfgang Ruoff (Klapier), das
Münchener Bläſerquintett
(Kaleve, Uſ-
finger, Wagner, Nöth, Baumeiſter). Programm:
K. Ph. Em. Bach, Sonate A-moll für Flöte allein.
Mozart, Klavierſonate Es-Dur. Joh. Chr. Bach,
Arie mit obligater Flöte, Konzertſzene mit obligater
Oboe. Mozart, Bläſerquintett.

Heute Dienstag, 15. Januar:

Muſeum (8):
Erſter Abend für den Mittelſtand, Konzert
[Spaltenumbruch] (ſiehe Inſerat). — Odeon (7½): Beethoven-
Abend Lampe-Berber. — Tonhalle (8):
Münchener Volksbühne, Konzert mit dem Konzert-
vereinsorcheſter. Leitung: C. v. Francken-
ſtein,
Soliſtin M. v. Neipperg.

Gemeinverſtändliche Einzelvorträge der Univer-
ſität.

Mittwoch, den 16. Januar, abends 8 Uhr,
ſpricht im Auditorium maximum Geheimrat Pro-
feſſor Dr. M. Endres über „Die deutſche Holz-
wirtſchaft im Rahmen der Weltwirtſchaft“. —
Karten beim Hausverwalter der Univerſität.

Münchener Kammerſpiele.

Am Dienstag, den
15. d. M. beginnt Albert Steinrück ein Gaſt-
ſpiel in Strindbergs „Wetterleuchten“. Außer dem
Gaſt ſind in den Hauptrollen beſchäftigt die Damen
Horſt, Leſchka und Molter und die Herren Eich-
heim und Framer.


Samstag, 19. Januar, Odeon (8):
Orcheſter-Konzert unter Leitung von Ro-
bert Heger. Soliſtin Cida Lau (Sopran).
Orcheſter: Mitglieder des Staatstheaterorcheſters.
Vortragsfolge: Anacreon, Ouverture v. Cherubini
— drei altitalieniſche Arien v. Händel — Arie
„Il re paſtore“ v. Mozart, ſowie Arien v. Men-
delsſohn und Verdi, die Lieder eines fahrenden
Geſellen von G. Mahler und die ſelten gehörte
Jugendſymphonie von R. Strauß.

Karten bei Schmid und Halbreiter.


Sigmund Feuermann gibt Sonntag,
20. Januar,
abends 7½ Uhr im Herkules-
ſaal
ſein einziges Violin-Konzert unter Mitwir-
kung von Profeſſor Wolfg. Ruoff (Klavier). Vor-
tragsfolge: Ceſar Frank: Sonate H-Moll — Gla-
zounow: Konzert in einem Satz — Rimsky-Kor-
ſakow: Hymne an die Sonne und Kompoſitionen
von Beethoven, Popper, Bazzini und Paganini

Karten bei Schmid und Halbreiter.


Die 12jährige Tänzerin Lotte Wilma gibt
Sonntag, 20. Januar, abends 7½ Uhr im Baye-
riſchen Hof einen Tanzabend. Am Flügel: Ludw.
Woertmüller.

Karten bei Schmid und Halbreiter.

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[Seite 3[3]/0003] Dienstag, den 15. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 14 Der erſte Mißgriff beim Beamtenabbau macht in Bayern böſes Blut. Ohne viel zu fragen und ſich um die beſonderen Verhältniſſe zu küm- mern, hat das Miniſterium des Herrn Mart 5 der berühmteſten und verdienteſten Profeſſoren der Akademie der bildenden Kunſt abgebaut: Hugo Freiherr von Habermann, der der Münchner Kunſt der Wende des 19. und 20. Jahrhunderts neben einem Zügel und Stuck, Thierſch und Hil- den Meiſter der Farbe Ludwig von Herterla, den Naturaliſten Prof. Becker-Grundahl, der es vom Handwerker bis zum Akademieprofe- ſor brachte, den Vertreter chriſtlicher Kunſt Mar- tin von Feuerſtein, die Bildhauer Kurz, aus der berühmten Dichterfamilie, und Balthaſar Schmitt. Das formale Buchſtabenrecht ſteht auf Seiten des Kultusminiſteriums. die Entthronten ſind ſämtlich mehr als 65 Jahre alt, nicht aber das ſachliche: die Akademie der bildenden Kunſt iſt eine Hochſchule und wenn auch die Profeſſoren hier Beamte ſind und nicht emeritier werden können, ſo hätte das Miniſterium bei dieſem Grenzfall doch etwas behutſamer vorgehen können. Es iſt eine Ungeheuerlichkeit, mitten im Semeſter den Schülern ihre Lehrer zu nehmen. Vom Kultus- miniſterium muß zunächſt erwartet werden, daß die Profeſſoren ihre Meiſterklaſſen zu Ende führen dürfen. Hat man ja doch auch in der Verwaltung den Graf Regierungsdirektor Coritz von Ober- bayern auf Grund der beſonderen Verhältniſſe mit der Weiterführung der Geſchäfte betraut. Und hat man ja auch bereits weniſtens einen Schritt zurückgetan und den Direktor der Akademie der bildenden Kunſt Geheimrat v. Marr, der bereits vom gleichen Schickſal betroffen werdn ſollte, ſei- nem Wirkungskreis belaſſen. Das Berlin eines Liebermann und Kaſſirer wird triumphieren, Mün- chens Kunſtruhm, der Bayerns Geltung im Reich und in der Welt nicht das Wenigſte verdankt, ſteht auf dem Spiel, um ſo mehr, als die Steellen ſollen. Das einſeitige Vorgehen wirkt um ſo unbegreif- licher, als das gleiche Miniſterium in verwandten Fällen die Grenzen des Billigen weit über- ſchreitet und z. B. einen 95 jährigen, wir wieder- holen einen Fünfundneunzigjährigen, der Vater der abgebauten Künſtler ſein könnte, noch als ak- tiven Vorſtand des Herbariums des pflanzenphy- ſiologiſchen Inſtituts an der Unierſität im Amte beläßt. Auch hat man bisher nicht das gerinſte ge- hört, daß die übergroße Zahl der ſtaatlichen Ly- zeen irgendwie vom Abbau betroffen werden, ob- wohl ſie heute reſtlos, bei entſprechendem Ausbau der theologiſchen Fakultäten an den Univerſitäten, entbehrt werden könnten wie ſ. Z. zu Recht die Forſtſchule zu Aſchaffenburg aufgehoben und der Univerſität München eingegliedrt wurde. Ja man denkt nicht einmal dana, das vor den Thoren Münchens liegende Lyzeum Freiſing abzubauen. Hat doch z. B. für den erledigten Lehrſtuhl des bekannten Geſchichst- und Kunſtgeſchichtsgelehr- ten Prof, Schlecht ſowohl der Herr Kardinal wie der Herr Staatsminiſter einen eigenen Kan- didaten in petto. Wollen wir hoffen, daß ſich das Kultusminiſte- rium den zwingenden Gründen für das weitere Wirken und Lehren der ſchaffensrüſtigen Akade- mieprofeſſoren nicht verſchließt, zum beſten des bayeriſchen Kunſtlebens. Fauſtus „Dies academicus“ Vor Wochen ſollte die feierliche Ein- führung des Rektor magni- ficus an der Univerſität München ſtatt- finden. Rechtsradikale Studentenkreiſe haben das verhindert. Man hat nun im Hinblick auf die Möglichkeit ernſthafter Störungen endgültig auf den feier- lichen Einführungsakt verzichtet. Das iſt ein im Münchener akademiſchen Leben bisher unerhörter Vorgang. Wie wir hören, ergeht es der Reichs- gründungsfeier ebenſo. Der 18. Ja- nuar iſt zwar dies academicus, ein feier- licher Akt findet jedoch nicht ſtatt. Der Verzicht erfolgt wiederum mit Rück- ſicht auf die unruhigen rechts- radikalen Elemente innerhalb der Münchener Studentenſchaft. Herr Linus Funke Kempten. In einer ſtark beſuchten. Verſamm- lung der chriſtlichen Gewerkſchaften nahm Landtagsabgeordneter Linus Funke zum „Notbund bayeriſcher Wirtſchaftsſtände“ Stellung, deſſen Programm er einer eingebenden Kritik unterzog. Zunächſt ſei es ein Grundfehler geweſen, bei der Konſtituierung des Bundes die Arbeiterorganiſationen nicht zufra- gen. Dagegen ſtemme ſich die Arbeiterſchaft mit Recht. Diktieren laſſe ſich die chriſtlich-nationale Arbeitnehmerſchaft nicht. Sollte man in bezug auf die Arbeitszeit wieder zur Willkür der Vorkriegszeit zurückkehren, werde man ſie auf dem Plan finden. Man finde in dem Programm des Notbundes daß es ihm zu tun ſei, alle ſozialen Rechte zu beſchneiden. Am Be- triebsrätegeſetz, das der Redner „ein eminent chriſtlich-ſittlich-ſoziales Geſetz“ nennt, laſſe man unter keinen Umſtänden rütteln. Der Punkt „Sonntagspoſtzuſtel- lung“ im Notbund-Programm bedeute nichts anderes, als eine Grundlage zu ſchaffen, um die Angeſtellten in den Bureaus auch Sonntags wie- der arbeiten zu laſſen. Das Streikverbot wäre beſſer unterblieben, wie überhaupt alle wirtſchaftlichen Maßnahmen des Generalſtaatskommiſſars bisher recht problematiſcher Natur ſeien. Das Streikverbot ſei volkswirtſchaftlich ein Unſinn. Ein ſehr großes Gewicht legte der Redner auf Erhal- tung des Sozialminiſteriums. Ein engliſcher Vizekonſul in München Berlin, 14. Jan. Nach einer dem Auswärtigen Amt in Berlin von der dortigen britiſchen Bot- ſchaft zugegangenen Mitteilung hat der königlich großbritanniſche Generalkonſul in München, Ro- bert Henry Clive, mit Genehmigung ſeiner Regierung Deslie Charles Hughes Hal- lot zum königlich großbritanniſchen Vizekon- ſul in München beſtellt. Herr Hughes Hallot iſt in dieſer Eigenſchaft anerkannt und zugelaſſen worden. Zur Vergewaltigung der Univerſität Jena erläßt der akademiſche Senat der Univerſität München folgende Erklärung: Ein Erlaß des thüringiſchen Miniſteriums für Volksbildung will die Univerſität Jena zwingen, ihre ſämtlichen amtlichen Schreiben, ſoweit ſie ſich nicht auf den inneren Verkehr der Univerſität beſchränken oder an das Miniſterium gerichtet ſind, einer Vor- zenſur durch das Miniſterium zu unter- werfen. Der Erlaß zeugt von einem Mangel an Verantwortungsgefühl einer großen und ruhm- reichen Ueberlieferung gegenüber, wie er auch der reaktivnärſten Regierung der Metternichſchen Aera nicht vorgeworfen werden kann und ſtellt eine Vergewaltigung dar, gegen die auch der ſchärfſte Proteſt noch zu ſanftmütig iſt. Die Ver- gewaltigung trifft nicht nur die Univerſität Jena: denn ſie iſt nicht nur thüringiſche, ſondern auch deutſche Univerſität, und die deutſchen Univerſi- täten ſind nicht gewillt, auf den Verkehr mit einer von dieſen zu verzichten oder ſich mit Schreiben zu begnügen, die durch die Vorzenſur einer par- teiiſchen Regierung entwertet ſind. Politiſche Rundſchau Reichsdienſtſtrafordnung für Beamte. Im Reichsminiſterium des Innern iſt der Entwurf einer Reichsdienſtſtrafordnung ausgearbeitet wor- den, über den demnächſt mit den Beamtenvertre- tern Beſprechungen geführt werden ſollen. Der Parteivorſtand der A.S.P.D. hat ſeine Reichstags- und Landtagsabge- ordneten Bedebour, Vegemann und Ruſch aus der Partei ausgeſchloſſen. Der ſozlaliſtiſche Kreisdirekter Koch des Kreiſes Gotha iſt jetzt ebenfalls vom Amte ſuspendiert worden. Zu ſeinem Nachfolger wurde der Ober- regierungsrat Leuthäuſer ernannt. Der kommuniſtiſche Beigeordnete im Ruhlaer Stadtrat, Fiſcher, iſt ſeines Amtes enthoben worden. Vermiſchte Nachrichten Prien. Am Donnerstag gerieten ſich am Marktplatz zwei Brüder namens Heene in die Haare. Sie waren wegen der Ueber- gabe des elterlichen Anweſens in Streit geraten und boten den zahlreichen Zu- ſchauern ein Bild wüſter Balgerei. Schließlich brachte der ältere Otto Heene ſeinem Bruder Eugen ſechs Meſſerſtiche an Händen und Beinen bei, die zum Glück nicht gefährlich ſind. Die Polizei hat ſich der Geſchichte angenommen. Dingolfing. In einer Verſammlung hatte die „Freie Bauernſchaft“ die Zuhörer aufge- fordert, die Landabgabe und ſonſtigen Steuern nicht zu zahlen, um ſie auf dieſe Weiſe abzuſchaffen. Viele Bauern ſind dieſem Rate nur zu gern gefolgt, hatten es aber bitter zu bereuen. Die Steuer wurde nicht abgeſchafft, dafür wurde in vielen Höfen zum Mittel der Pfändung geſchritten. Bei verſchiedenen Bauern der Umgebung ſind bereits Pfändungen an Getreide und Vieh vorgenommen worden. Vilshofen. Beim Abladen von Schutt ſind die Oekonomen Joh. Steinleitner und Ludwig Pernreuter von Jägerwirt verun- glückt. Es löſte ſich plötzlich eine Erdſchicht und begrub die Beiden unter ſich. Pern- reuter kam ſo unglücklich auf einen Schaufelſtiel zu liegen, daß ihm der Kopf bis zur Unkenntlich- keit zerdrückt wurde. Er war ſofort tot, während Steinleitner mit leichteren Verletzungen davon kam. Dillingen. Im Anweſen des Maurers Stefan Böſch in Illerrieden iſt ein Brand aus- gebrochen, der trotz ſofortiger Hilfe das ganze Gebäude einäſcherte. Alle Vorräte an Frucht, Futter und Stroh ſind ein Raub der Flammen geworden. Illertiſſen. Die Stadt hat eine Baukorpo- ration gegründet. Man rechnet damit, daß durch die Tätigkeit dieſer Kommiſſion demnächſt 10—12 Wohnhäuſer mit Gärten erſtehen werden. Riedenburg. Der ledige Gerbersſohn Philipp Wellhammer fuhr mit einem Schlittenge- ſpann über das Bahngleis, als er von dem Ingolſtädter Morgenzug überfahren und ſo- fort getötet wurde. Ein Pferd iſt ebenfalls getötet worden. Kemnath. In beneidenswerter geiſtiger und körperlicher Friſche vollendete am 14. Januar 1924 Oberlehrer und Bezirksſchul- rat a. D. Anton Stauber ſein 70. Lebens- jahr. Stauber, der 44 Jahre in Kemnath wirkte, lange Jahre das Amt eines Bezirksoberlehrers bekleidete und im Ausſchuſſe des Bayer. Lehrer- vereins, deſſen Schatzmeiſter er z. Zt. noch iſt, ſeit vielen Jahren eine hervorragende Stelle ein- nimmt, iſt eine in weiten Kreiſen bekannte Per- ſönlichkeit und hat ſich nicht nur für das vater- ländiſche Volksſchulweſen, ſondern auch in ſeinen verſchiedenen Nebenämtern und Ehrenſtellen um Gemeinde und Bezirk große Verdienſte erworben. Rottweil (Wrttbg.). Das 4 jährige Söhnchen des Straßenwärters Spreier fiel während der Abweſenheit ſeiner Eltern vom Fenſter der im dritten Stock befindlichen Wohnung auf die Straße herab und war ſofort tot. Botnang (Wrttbg.). Eine Frau legte im Ofen Feuer nach, als plötzlich ein lauter Knall erfolgte und die Aermſte bewußtlos zuſammenbrach. Unter dem Brennmaterial dürfte ſich ein Sprengkörper befunden haben, der in der Glut explodierte. Die Frau iſt ihren Ver- letzungen erlegen. * Bremerhaven, 13. Januar. An Bord des Dampfers „America“ der United States Lines fand die Beſchenkung von 1200 Kindern aus Lehe, Bremerhaven und Geeſtemünde ſtatt. Nach der Feier in der großen Halle der United States Lines, die durch den Kapitän Blan vom Bremer Büro der genannten Dampferlinie eingeleitet wurde und an die ſich die Bewirtung ſchloß, wur- den die Kinder auf die „America“ geführt, um die Liebesgaben in Empfang zu nehmen, für die die Beſatzung 1100 Dollars geſammelt hat. An der Veranſtaltung nahmen die Bürgermei- ſter der drei genannten Städte teil. Im Ver- laufe derſelben wurde auch eine Reihe von Drah- tungen aus Waſhington und Neuyork verleſen. Das Telegramm des Präſidenten Coolidge lautete: Ich hoffe, daß Ihr guter, wohltätiger Plan Ihnen und Ihren Gäſten in großem Maße Vergnügen und Befriedigung gewährt. Ferner ſandten Depeſchen Staatsſekretär Hughes und der Gouverneur des Staates Neuyork. _ die er widerwillig gab, nicht halten; und er wird oft aus Liebenswürdigkeit und aus Gefühl für das Menſchliche in der Konvention Anerbieten oder Zuſagen machen, über deren Erfüllung er ſich zu- nächſt nicht weiter den Kopf zerbricht. Im Augenblick des Verſprechens iſt er ſich darüber nicht klar; es faſt immer weniger berechnet, als es dem Nordländer ſcheint. Er braucht die Be- rechnung nicht, weil die Momentanität ſeiner Na- tur ihn ganz von ſelbſt das jeweils Vorteilhafte begehren läßt und die Unbedenklichkeit ſeiner Dialektik ihm immer geſtattet, ſich das Vorteil- hafte in das ethiſch Gebotene umzudeuten. (ſagro egoismo u. dergl.) Natürlich wird dort, wo Berechnung vorliegt, ſeine Kunſt im Thea- terſpielen ihn umſo gefährlicher machen. Die oſtentative Ehrlichkeit der äußeren Form wird von dem Nordländer leicht auch fälſchlich für Kindlichkeit genommen. In Wirklichkeit ent- ſpricht ſie der Form des italieniſchen Charakters. Neulich ſah ich in einer römiſchen Oſteria folgende Szene: Neben mir war ein großer Tiſch gut ge- dreßter Herren. Plötzlich erſcheint eine elegante Dame, muſterte das Lokal, muſterte den Tiſch und tritt dann raſch auf dieſen zu mit der hef- tigen Frage: „Wo iſt mein Mann?“ „Sind ſie nicht wie Kinder?“ fragte ein Nordländer neben mir. Aber es iſt eben die Frage, ob das Kind- lichkeit und nicht vielmehr Theater war. Schließ- lich würden auch bei uns von den Kindern nur wenige ſo direkt ſein. Jene Frage war nicht ſchlechthin hemmungslos; ja, vielleicht mußte eine Hemmung durch Charakter überwunden werden. Was hätten die italienſchen Herren geſagt, wenn die Frau, den Grund ihres Kommens verbergend, ſich zurückgezogen hätte? Natürlich fand die Szene nach dieſer Einleitung ihre gegebene Fort- ſetzung, als der Mann kam. Die Frau über- ſchüttete ihn mit Vorwürfen oder vielmehr mit Argumenten des Vorwurfs, die auf die geſamte Corona mitberechnet waren. Dieſe ſuchte zu begütigen, teils durch ernſthafte Entſchuldigungen, teils durch Scherze, die die Angelegenheit ins Humoriſtiſche zogen. — Nach fünf Minuten herrſchte die reinſte Heiterkeit. Ueberhaupt die Heiterkeit in Italien. Hier iſt es ſchwer, nicht neidiſch zu werden, wenn man aus Deutſchland kommt. Paul Stern. Kunſtabbau. Sparſamkeit und Sparmaßnah- men ſind heute durchaus verſtändlich und da, wo ſie angebracht erſcheinen, auch grundſätzlich zu begrüßen. Wenn aber, wie in München (mit der „Entlaſſung“ der ſieben Akademieprof- feſſoren, oder in Dresden ſo abgebaut wird, daß der Abbau gleichzeitig Zerſtörungsmomente in ſich trägt, muß darauf hingewieſen werden, Zweckmäßigkeit nicht ob des Prinzipes zu unter- graben. Nachdem in Dresden der Leiter des Kupferſtichkabinetts Geh. Rat Lelus penſioniert und der bisherige Kuſtos Dr. Zoege von Man- teuffel an ſeine Stelle verſetzt wurde, hat man die Kuſtosſtelle eingezogen. Der Direktor des Grünen Gewölbes Prof. Sponſel wurde eben- falls penſioniert, Prof Dr. Haenel, bisher Leiter des Hiſtoriſchen Muſeums und der Gewebegale- rie, erhielt als drittes Amt nun auch dieſe Stelle! Geradezu unwahrſcheinlich aber klingt es, daß jetzt auch noch der Direktor der modernen Abtei- lung des Stadtmuſeums, der hochverdiente und umſichtige Dr. Paul Ferdinand Schmidt, einfach verabſchiedet werden ſoll. Seine Stelle bleibt un- beſetzt — das ſchöne Werk der Sammlung, die Schmidt geſchaffen hat, ſchläft ein; die Muſe- umsabteilung ſoll überhaupt geſchloſſen werden. Alſo auch in Sachſen ſcheint die Sparſamkeit der Kunſtverwaltung bedenkliche Wege zu nehmen. Kleine Nachrichten Auswärts Die Univerſität Köln zählt im laufen- den Winterſemeſter 5196 eingeſchriebene Studie- rende. Davon gehören zur Wirtſchafts- und So- zialwiſſenſchaftlichen Fakultät 3164, zur Rechts- wiſſenſchaftlichen Fakultät 863, zur Mediziniſchen Fakultät 168 und zur Philoſophiſchen Fakultät 1011 Studierende. Außerdem haben 599 Gaſthörer Vorleſungen belegt und nehmen 1320 Beſucher an den allgemeinen öffentlichen Vorleſungen teil. Die Geſamtbeſucherzahl der Univerſität iſt dem- nach 7115. Ein ausländiſcher Architektenwettbewerb. Die Stadt Spalato an der Adria (Jugoſlavien) ſchreibt einen Ideenwettbewerb für Groß-Spalato aus zum 30. April 1924. Die Stadt liegt wunder- voll auf einer Halbinſel und ſoll zu einem der größten Häfen des Mittelmeeres ausgebildet wer- den. Eine dankbare, intereſſante Auſgabe für deutſche Städtebauer, auf deren Teilnahme offen- bar gerechnet wird, zumal ein deutſcher Preisrich- ter nominiert wird. Alle deutſchen Architekten, die ſich an der intereſſanten Aufgabe beteiligen wollen, fordert der Bund deutſcher Architekten, Berlin- Wilmersdorf, Helmſtedter Straße 6, auf, ihre Adreſſe umgehend anzugeben. Die Unterlagen koſten 80 Schweizer Franken und ſollen, der Kürze der Zeit wegen, auf ſchnellſtem Wege gemeinſam beſchafft werden. Intendantenwechſel in Weimar. Wie uns aus Weimar mitgeteilt wird, iſt der lange erwartete Wechſel in der Leitung der thüringiſchen Landes- bühne nunmehr eingetreten. Ernſt Hardts Nach- folger wird der bisherige Meininger Intendant Ulbrich. München Dienstag, den 15. Januar: „Muſeum“ (8): Erſter Abend für den Mittelſtand: Konzert. Ausfü- rende: Philippine Landshoff (Sopran), Dr. L. Landshoff und Prof. Wolfgang Ruoff (Klapier), das Münchener Bläſerquintett (Kaleve, Uſ- finger, Wagner, Nöth, Baumeiſter). Programm: K. Ph. Em. Bach, Sonate A-moll für Flöte allein. Mozart, Klavierſonate Es-Dur. Joh. Chr. Bach, Arie mit obligater Flöte, Konzertſzene mit obligater Oboe. Mozart, Bläſerquintett. Heute Dienstag, 15. Januar: Muſeum (8): Erſter Abend für den Mittelſtand, Konzert (ſiehe Inſerat). — Odeon (7½): Beethoven- Abend Lampe-Berber. — Tonhalle (8): Münchener Volksbühne, Konzert mit dem Konzert- vereinsorcheſter. Leitung: C. v. Francken- ſtein, Soliſtin M. v. Neipperg. Gemeinverſtändliche Einzelvorträge der Univer- ſität. Mittwoch, den 16. Januar, abends 8 Uhr, ſpricht im Auditorium maximum Geheimrat Pro- feſſor Dr. M. Endres über „Die deutſche Holz- wirtſchaft im Rahmen der Weltwirtſchaft“. — Karten beim Hausverwalter der Univerſität. Münchener Kammerſpiele. Am Dienstag, den 15. d. M. beginnt Albert Steinrück ein Gaſt- ſpiel in Strindbergs „Wetterleuchten“. Außer dem Gaſt ſind in den Hauptrollen beſchäftigt die Damen Horſt, Leſchka und Molter und die Herren Eich- heim und Framer. Samstag, 19. Januar, Odeon (8): Orcheſter-Konzert unter Leitung von Ro- bert Heger. Soliſtin Cida Lau (Sopran). Orcheſter: Mitglieder des Staatstheaterorcheſters. Vortragsfolge: Anacreon, Ouverture v. Cherubini — drei altitalieniſche Arien v. Händel — Arie „Il re paſtore“ v. Mozart, ſowie Arien v. Men- delsſohn und Verdi, die Lieder eines fahrenden Geſellen von G. Mahler und die ſelten gehörte Jugendſymphonie von R. Strauß. Karten bei Schmid und Halbreiter. Sigmund Feuermann gibt Sonntag, 20. Januar, abends 7½ Uhr im Herkules- ſaal ſein einziges Violin-Konzert unter Mitwir- kung von Profeſſor Wolfg. Ruoff (Klavier). Vor- tragsfolge: Ceſar Frank: Sonate H-Moll — Gla- zounow: Konzert in einem Satz — Rimsky-Kor- ſakow: Hymne an die Sonne und Kompoſitionen von Beethoven, Popper, Bazzini und Paganini Karten bei Schmid und Halbreiter. Die 12jährige Tänzerin Lotte Wilma gibt Sonntag, 20. Januar, abends 7½ Uhr im Baye- riſchen Hof einen Tanzabend. Am Flügel: Ludw. Woertmüller. Karten bei Schmid und Halbreiter.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-12-19T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 15. Januar 1924, S. Seite 3[3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine14_1924/3>, abgerufen am 24.11.2024.