Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872.[Spaltenumbruch]
Oregon 5 September 1870 106,633 Dollars. Pennsylvania 1 December 1870 31,107,186 " Rhode Island 1 April 1870 2,774,000 " Süd-Carolina 31 October 1870 7,665,908 " Tennessee 1 Januar 1871 38,945,852 " Texas 1 Januar 1871 930,000 " Vermont 1 Januar 1871 1,227,000 " Virginia 31 December 1870 47,390,839 " Summe: 344,090,787 Dollars. Aus der französischen Nationalversammlung. * Versailles, 9 Jan. Nach der Eröffnung der Sitzung nimmt die Ver- Dentsches Reich. * Aus Bayern, 12 Jan. In den Sitzungen der Kammerausschüsse, Der pens. Regierungspräsident Hr. v. Hohe, vormals Präsident der Regie- ^ München, 11 Jan. Lycealprofessor Dr. Diendorfer widmet in der * Berlin, 10 Jan. Die "Corr. Stern" hat gestern ein Wort gesprochen, [Spaltenumbruch]
Oregon 5 September 1870 106,633 Dollars. Pennſylvania 1 December 1870 31,107,186 „ Rhode Island 1 April 1870 2,774,000 „ Süd-Carolina 31 October 1870 7,665,908 „ Tenneſſee 1 Januar 1871 38,945,852 „ Texas 1 Januar 1871 930,000 „ Vermont 1 Januar 1871 1,227,000 „ Virginia 31 December 1870 47,390,839 „ Summe: 344,090,787 Dollars. Aus der franzöſiſchen Nationalverſammlung. * Verſailles, 9 Jan. Nach der Eröffnung der Sitzung nimmt die Ver- Dentſches Reich. * Aus Bayern, 12 Jan. In den Sitzungen der Kammerausſchüſſe, Der penſ. Regierungspräſident Hr. v. Hohe, vormals Präſident der Regie- △ München, 11 Jan. Lycealprofeſſor Dr. Diendorfer widmet in der * Berlin, 10 Jan. Die „Corr. Stern“ hat geſtern ein Wort geſprochen, <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <pb facs="#f0004" n="180"/> <cb/> <list> <item>Oregon 5 September 1870 106,633 Dollars.</item><lb/> <item>Pennſylvania 1 December 1870 31,107,186 „</item><lb/> <item>Rhode Island 1 April 1870 2,774,000 „</item><lb/> <item>Süd-Carolina 31 October 1870 7,665,908 „</item><lb/> <item>Tenneſſee 1 Januar 1871 38,945,852 „</item><lb/> <item>Texas 1 Januar 1871 930,000 „</item><lb/> <item>Vermont 1 Januar 1871 1,227,000 „</item><lb/> <item>Virginia 31 December 1870 47,390,839 „</item><lb/> <item> <hi rendition="#et">Summe: 344,090,787 Dollars.</hi> </item> </list> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Aus der franzöſiſchen Nationalverſammlung.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Verſailles,</hi> 9 Jan.</dateline><lb/> <p>Nach der Eröffnung der Sitzung nimmt die Ver-<lb/> ſammlung ohne Discuſſion die Nachtragsconvention zum Frankfurter Frieden, unter-<lb/> zeichnet am 11 December 1871, an. Graf d’<hi rendition="#g">Harcourt</hi> liest den Vericht über die<lb/> Vorlage, dem wir folgende Stelle entnehmen: <cit><quote>„Der Mangel einer Stipulation, welche<lb/> gewöhnlich, um nicht zu ſagen immer, in den Friedensverträgen ihren Platz findet, war<lb/> ſchon in demjenigen vom 10 Mai bemerkt worden. Wir waren höchlichſt erſtaunt und<lb/> betrübt demſelben auch in der Convention vom 11 December nicht zu begegnen. Wir<lb/> wollen von einer Amneſtie für diejenigen unſerer Landsleute ſprechen die Deutſch-<lb/> land noch heut in Folge von Verurtheilungen, welche die Kriegsgerichte ausgeſprochen,<lb/> als Gefangene zurückhält. Wenn in dieſer Weiſe von den gewöhnlichſten internationalen<lb/> Gebräuchen abgewichen wurde, ſo ſeien Sie überzeugt daß die franzöſiſchen Bevoll-<lb/> mächtigten nicht Schuld daran haben. Die Amneſtie, welche ſie nicht erlangen konnten,<lb/> wird die deutſche Regierung ohne Zweifel für ihre Pflicht halten unter einer andern<lb/> Form zu verwirklichen. Wir hegen gleichzeitig die feſte Zuverſicht daß unſere Mitbürger,<lb/> treu den Ermahnungen des Präſidenten der Republik, ſich in Zukunft jedes Vorgangs<lb/> enthalten werden der einen Vorwand für neue Härten darbieten könnte.“</quote></cit> Die Ver-<lb/> ſammlung geht zur Berathung der Vorlage betreffend die <hi rendition="#g">Beſteuerung der Mobi-<lb/> liarwerthe</hi> über. <hi rendition="#g">Raudot</hi> bekämpft die Argumente welche geſtern Hr. v. Soubeyran<lb/> gegen die Mobilienſteuer vorgebracht. Er glaubt nicht daß dieſe Abgabe dem Auslande<lb/> zu gute komme. Preußen hatte im Jahre 1815 keinen großen Capitalmarkt, und dennoch<lb/> hat ſich ſeine Vevölkerung in 50 Jahren verdoppelt. Wodurch? Durch die Hingebung<lb/> an den Ackerbau. Das iſt beſſer als die Verbreitung fremder Werthpapiere im Lande,<lb/> welche durch die Lockung von Wucherzinſen die Capitalien an die Börſe ziehen. Das<lb/> mag man an der Börſe gut finden, aber im Lande beklagt man ſich darob. Wir ſind<lb/> nicht hier um theoretiſche Discuſſionen zu unterhalten, ſondern um praktiſche Löſungen<lb/> zu finden. Ich bin ſicher daß man in allen Miniſterien, und namentlich im Kriegs-<lb/> miniſterium, große Erſparniſſe erzielen kann. <hi rendition="#g">Buffet:</hi> Es gibt keine einzige Steuer<lb/> gegen welche nicht ernſte Einwürfe erhoben werden könnten; aber da wir gezwungen<lb/> ſind mit irgendeiner Steuer eine Vernunftheirath einzugehen, iſt es unumgänglich daß<lb/> wir dieſe Ehe auf die am wenigſten unangenehme Weiſe ſchließen. Man darf ohne<lb/> Zweifel die Wirkung welche die Beſteuerung der Börſenwerthe auf den Capitalmarkt<lb/> haben kann nicht übertreiben. Uns kommt es vor allem jetzt darauf an daß das Aus-<lb/> land ſeine Gelder in Frankreich placire und franzöſiſche Werthe kaufe. Darum würde<lb/> dieſe Steuer ſo verhängnißvoll ſein, weil ſie das fremde Capital abhielte zu uns zu<lb/> kommen. Die Commiſſion wollte eine allgemeine Einkommenſteuer; die Regierung will<lb/> nur das Capital treffen. Beide Projecte ſind ſich mithin gänzlich entgegengeſetzt. Der<lb/> Finanzminiſter unterſcheidet die Einkünfte welche man leicht beſteuern kann, und die-<lb/> jenigen welche ſich verheimlichen laſſen. Er will aber nur die erſteren beſteuern. Iſt<lb/> dieß ein annehmbares Princip? Und dabei iſt er nicht einmal conſequent; denn er be-<lb/> ſteuert nicht die Darlehen auf Hypotheken und ebenſowenig die Rente, noch gar die<lb/> Schatzſcheine. Und dieſe letzteren läßt er mit Recht frei ausgehen, weil ihre Beſteuerung<lb/> nur eine Myſtification wäre; denn der Staat ſelbſt hätte ſie zu tragen. Ich bin, wie<lb/> Hr. Thiers im Jahre 1848, für eine allgemeine Einkommenſteuer; aber bei der Regie-<lb/> rungsvorlage, welche die Obligationen beſteuert, trifft die Abgabe lediglich den Inhaber,<lb/> und der Werth der Obligation wird ſich im Verhältniſſe der Beſteuerung vermindern.<lb/> Nur eine allgemeine Einkommenſteuer wird anempfohlen werden können. Finanzminiſter<lb/><hi rendition="#g">Pouyer-Quertier:</hi> Ich glaubte daß die Frage der allgemeinen Einkommenſteuer<lb/> definitiv von der Kammer beſeitigt ſei. (Sehr gut! rechts.) Die Regierung hatte ſchon<lb/> einmal geſagt: Wir wollen keine Inquiſition! Darum verlangte ſie 30 Millionen von<lb/> der Beſteuerung der Mobiliarwerthe allein. Man kann die Actien- und Obligationen-<lb/> Inhaber nicht mit den Kaufleuten in <hi rendition="#g">eine</hi> Reihe ſtellen. Die erſtern ſind nur engagirt<lb/> ſoweit ſie ihr Geld in ſolchen Werthen angelegt haben, während die Kaufleute mit ihrem<lb/> ganzen Vermögen einſtehen müſſen und der Gefahr des Bankerotts ausgeſetzt ſind. Die<lb/> Kaufleute zahlen ſchon die Patentſteuer, obgleich dieſelbe in der erſten Claſſe noch nicht<lb/> hoch genug gegriffen iſt. Die wahre Frage um die es ſich handelt, iſt: zu ermeſſen<lb/> welche Wirkung die Beſteuerung der Mobiliarwerthe auf den öffentlichen Credit haben<lb/> würde. Darüber ſoll die Kammer entſcheiden. Damit ſchließt die Sitzung. — Hr. Vau-<lb/> train hat ſeinen Sitz im linken Centrum eingenommen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Dentſches Reich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Aus Bayern,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>In den Sitzungen der Kammerausſchüſſe,<lb/> welche zur Zeit über den Initiativantrag Barth-Schüttinger und über die Be-<lb/> ſchwerde des Biſchofs von Augsburg berathen, ſcheint es an ſehr lebhaften Scenen<lb/> nicht zu fehlen. So ſoll, wie ein Münchener Correſpondent der „Donauzeitung“<lb/> wiſſen will, im Beſchwerdeausſchuſſe neulich Hr. v. Lutz die Aeußerung gethan<lb/> haben: nicht von ihm ſei die Verfaſſung verletzt worden durch ſein Verhalten gegen<lb/> die jüngſten Concilbeſchlüſſe und deren Conſequenzen, wohl aber von dem weiland<lb/> Cultusminiſter Hrn. v. Zwehl, als derſelbe im J. 1854 die Verkündigung des<lb/> neuen Dogma von der unbefleckten Empfängniß zugelaſſen habe. „Als Hr. v. Lutz<lb/> dieſe ſeine Aeußerung im Protokolle wiedergegeben fand, proteſtirte er lebhaft da-<lb/> gegen, und meinte: er würde ſie nicht gethan haben wenn er gewußt hätte daß ſie<lb/> ins Protokoll komme. Die Mehrheit des Ausſchuſſes aber beſtimmte daß es dabei<lb/> ſein Verbleiben habe, die Aeußerung ſei geſchehen, das Protokoll bleibe beſtehen.“<lb/> Auf die bevorſtehenden Plenarverhandlungen über den Initiativantrag und die<lb/> biſchöfliche Beſchwerde darf man allerdings, wie die „Donauzeitung“ meint,<lb/> „einigermaßen geſpannt“ ſein. Vor Mitte oder Ende nächſter Woche werden jedoch<lb/> dieſe Gegenſtände nicht auf die Tagesordnung kommen. Die Klerikalen ſind darauf<lb/> gefaßt daß die Negierung bei Gelegenheit dieſer Debatten und der daran ſich<lb/> knüpfenden Verurtheilung ihres Syſtems von Seite der Kammermehrheit zur<lb/> längſt geplanten Auflöſung des Landtags ſchreiten werde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Der penſ. Regierungspräſident Hr. v. Hohe, vormals Präſident der Regie-<lb/> rung der Pfalz, dann von Niederbayern, iſt nach längerem Leiden geſtern Morgen<lb/> geſtorben.</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jComment" n="3"> <dateline>△ <hi rendition="#b">München,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/> <p>Lycealprofeſſor <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Diendorfer widmet in der<lb/> „Poſtzeitung“ ſeinem ehemaligen Lehrer und „nun leider auch ehemaligen Collegen,“<lb/> Greil, einen Nachruf, woraus wir erſehen daß letzterer im bayeriſchen Walde, auf<lb/> der ſogenannten Oberbreitenau, im Jahre 1819 geboren iſt, im Pfarrvicariat<lb/> Bodenmais, wie Hr. Diendorfer hervorhebt, für den der Menſch überhaupt in<lb/> erſter Linie Pfarrkind und Diöceſane, und dann erſt Angehöriger irgend eines ver-<lb/> ſuchsweiſen Staatengebildes zu ſein ſcheint. Da die Oberbreitenau als kleines<lb/> Sibirien gilt, ſo beſuchte der junge Greil gar keine deutſche Schule, im Winter<lb/> nicht wegen der frühzeitig anfallenden Schneemaſſen, noch auch im Sommer, deſſen<lb/> kurze Dauer zur Anſpan nung aller vorhandenen Arbeitskräfte benützt werden<lb/> mußte. Greil trat deſſenungeachtet ſchon im 13. Jahre in die Deggendorfer Latein-<lb/> ſchule; lediglich ſein Vater, ein armer Söldner, ſoll es geweſen ſein der ihn leſen,<lb/> ſchreiben und rechnen lehrte. Daher, meint der Nekrolog, ſein Haß gegen den<lb/> „Schulzwang,“ was wir zur Ehre des Verſtorbenen entſchieden nicht annehmen.<lb/> 1844 zum Prieſter gew eiht, erhielt Greil wegen des damals herrſchenden Mangels<lb/> an geprüften Studienlehrern ſchon 1845 eine Anſtellung als ſolcher, alſo ohne<lb/> eine Staatsconcursprüfung gemacht zu haben, die ja Perſonen geiſtlichen Standes<lb/> ſelbſt heutzutage noch häuſig geſchenkt wird! Von achtenswerthen Eigenſchaften<lb/> der Perſon, die wir gerne zugeben, abſehend, zählen wir uns nicht zu<lb/> den Bewunderern des Verewigten, aber einen beſſeren Biographen als ſeinen<lb/> „leider ehemaligen Collegen“ hätten wir ihm von Herzen gewünſcht. „Greil,<lb/> ſchreibt derſelbe, war eben eine eckige und markige, aber grundehrliche Natur.“<lb/> Markig, <hi rendition="#g">aber</hi> grundehrlich! „Er konnte ſich, erfahren wir weiter, auch im prakti-<lb/> ſchen Leben niemals zu Conceſſionen an den Weltgeiſt gewöhnen. Er trug <hi rendition="#g">daher</hi><lb/> ſtets auch als Landtags- und Reichstagsabgeordneter als Halsbinde das einfache<lb/> ernſte römiſche Collar.“ Wenn man in Paſſau ſchon eine ſchwarze Cravatte mit<lb/> gewöhnlichem Umſchlagkragen als Conceſſion an den Weltgeiſt betrachtet, was mag<lb/> das Jahrhundert von dieſer Diöceſe zu erwarten haben! „Wie ſehr die <hi rendition="#g">Caſino-<lb/> Mitglieder,</hi> deducirt der Biograph weiter, den Verluſt des ſo bewährten Freun-<lb/> des fühlten, das zeigte die <hi rendition="#g">allgemeine</hi> Theilnahme an den Trauergottesdienſten<lb/> für den Verlebten.“ Und ferner: „Was er angeſtrebt, was er gethan, was er<lb/> erreicht oder nicht erreicht, und endlich was er gelitten hat, das hat ſich vor den<lb/> Augen der Mitwelt <hi rendition="#g">abgewickelt.</hi>“ Der Nekrolog iſt, wie man ſieht, in logiſcher<lb/> und ſtyliſtiſcher Beziehung eine bemerkenswerthe Leiſtung, und wir verdenken es der<lb/> „Donauzeitung“ nicht wenn ſie ſ. Z. anklopfend bemerkte: daß, wenn der erſte Erſatz-<lb/> mann verzichten würde, dann für Greil ein anderer Paſſauer Profeſſor, nämlich<lb/> Hr. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Diendorfer, in die Kammer treten könne. Bauer Kinateder hat aber den<lb/> freundlichen Wink ignorirt und nicht verzichtet, und ſomit bleibt die wiſſenſchaftliche<lb/> Lücke offen. Wir fühlen uns zu keinem verbeſſerten Nekrolog, wohl aber zu der Be-<lb/> merkung gedrungen daß der Autodidakt von Biſchofsmais ein Talent war im eminen-<lb/> teſten Sinne des Wortes, daß aber gerade ſeine ſpätere Richtung — und namentlich die<lb/> traurige Beſchränktheit die er ſeinem vielberufenen Budgetreferat zu Grunde legte —<lb/> den Beweis liefert wie gewiſſe biſchöfliche Erziehungsſyſteme im Stande ſind ſelbſt<lb/> die gewaltigſte und herrlichſte Naturanlage zur einſeitigen Verkümmerung zu brin-<lb/> gen. Unter andern Geſichtskreiſen großgezogen, hätte der Reichstagsabgeordnete<lb/> Greil, bei ſeiner heutzutage nicht mehr gewöhnlichen Willensſtärke, dem Vater-<lb/> land Dienſte leiſten können die ſelbſt dem ungeſchickteſten Biographen die Aufgabe<lb/> erleichterten. Die Phraſe daß er ſich den Tod auf dem parlamentariſchen Schlacht-<lb/> felde geholt, beruht auf Uebertreibung; wenigſtens iſt es nicht denkbar daß jemand<lb/> in Folge politiſcher Aufregung die ſchwarzen Blattern bekommt. Hätte Greil in<lb/> Berlin ſein in geſundheitspolizeilicher Beziehung übel notirtes Quartier nicht trotz<lb/> aller Warnung ein zweitesmal bezogen, er wäre heute noch der anerkannte Jupiter<lb/> des ultramontanen Berges. Auch ſeine körperlichen Kräfte waren gigantiſch.<lb/> Schreiber dieſer Zeilen ſah ſelbſt wie er in einer heiteren Abendgeſellſchaft mit<lb/><hi rendition="#g">einer</hi> Hand, wobei er den Ellbogen in die Hüfte ſtemmte, einen Strohſeſſel auf<lb/> den Tiſch hinaufhob. Daran wäre allerdings nichts beſonderes, aber auf dem<lb/> Seſſel ſaß ſein Freund und Kammercollege, Hr. Pfarrer Sch.! Eine fernere An-<lb/> gabe der „Poſtzeitung,“ daß er eine Weltgeſchichte in 59 Bänden ſchreiben wollte,<lb/> beruht hoffentlich auf einem Druckfehler. Zu Quellenſtudien hatte er nicht die<lb/> Muße, und ſein Schreibeſtyl war präcis.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 10 Jan.</dateline><lb/> <p>Die „Corr. Stern“ hat geſtern ein Wort geſprochen,<lb/> das gewiß ſchon längſt vielen auf der Zunge lag, ohne indeß den treffenden Aus-<lb/> druck gefunden zu haben, indem ſie rügte daß die Telegraphenbureaux uns mit<lb/> vollſtändig werthloſen und gleichgültigen Nachrichten aus Frankreich überſchütten;<lb/> die Wichtigkeit welche deutſche Blätter den bei den franzöſiſchen Nachwahlen ſich<lb/> bekämpfenden Candidaten beizulegen ſcheinen, muß den Franzoſen als eine Ve-<lb/> ſtätigung ihres Größenwahnſinns gelten, welchen zu ſteigern eben wir Deutſche<lb/> ſchon früher überſchwängliches geleiſtet haben. Ihren Ueberdruß an dem Ge-<lb/> zänk unſeres weſtlichen Nachbarn ſpricht heut auch die „N. A. Z.“ mit derben<lb/> Worten aus: „Unſere Leſer,“ ſagt ſie, „werden nicht verlangen Tag für Tag<lb/> Bülletins über den Verlauf der Geiſtesſtörungen zu erhalten deren Schauplatz<lb/> die franzöſiſchen Blätter ſind. Unſeres Erachtens wird von dem was in<lb/> Frankreich vorgcht, in Deutſchland noch immer zu viel Notiz genommen.“ Ein<lb/> anderer in demſelben Blatte befindlicher Artikel moquirt ſich über die telegraphi-<lb/> ſchen Berichte aus Lille über die dortige Nachwahl: <cit><quote>„Eine unerträgliche Spannung,<lb/> in der wir noch geſtern befangen waren, iſt ſo eben durch das Telegramm aus Lille<lb/> gehoben worden. Tauſende werden ſich mit uns erleichtert fühlen, und die Wohlthat<lb/> empfinden welche der Telegraph durch ſolche Mittheilungen der civiliſirten Welt ge-<lb/> währt. Gott ſei Dank, nunmehr liegt das Reſultat der Ergänzungswahlen für die<lb/> Nationalverſammlung (natürlich <hi rendition="#g">der</hi> Nation) zu Lille definitiv vor, und alle Un-<lb/> gewißheit darüber wer im Departement du Nord gewählt iſt hat jetzt ein Ende!<lb/> Es kehren jetzt gerade die Jahrestage wieder da unſer tapferes Nordheer dem<lb/> „ſtets ſiegreichen“ Faidherbe regelmäßig die Gelegenheit darbot in Lille eine Unter-<lb/> kunft zu ſuchen. Und aus dieſem Lille kommt uns nun die erhebende Gemüths-<lb/> bewegung dieſer definitiven Neſultate der mikroſkopiſchen Beobachtungen franzö-<lb/> ſiſcher Weltereigniſſe. Wie geſchmackvoll!“</quote></cit> Die von der „Ofſiciöſen“ zur Schau<lb/> getragene Gleichgültigkeit gegen die franzöſiſchen Angelegenheiten iſt aber cum<lb/> grano salis zu verſtehen. In derſelben heutigen Nummer iſt ein der „Patrie“<lb/> entnommenes Artikelchen über die franzöſiſche Cavallerie abgedruckt und mit einigen<lb/> Bemerkungen verſehen, welche uns den Eindruck machen als ſei deren Verfaſſer<lb/> über dieſen Gegenſtand beſſer unterrichtet als die „Patrie“ ſelber. — Das „Mil.-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [180/0004]
Oregon 5 September 1870 106,633 Dollars.
Pennſylvania 1 December 1870 31,107,186 „
Rhode Island 1 April 1870 2,774,000 „
Süd-Carolina 31 October 1870 7,665,908 „
Tenneſſee 1 Januar 1871 38,945,852 „
Texas 1 Januar 1871 930,000 „
Vermont 1 Januar 1871 1,227,000 „
Virginia 31 December 1870 47,390,839 „
Summe: 344,090,787 Dollars.
Aus der franzöſiſchen Nationalverſammlung.
* Verſailles, 9 Jan.
Nach der Eröffnung der Sitzung nimmt die Ver-
ſammlung ohne Discuſſion die Nachtragsconvention zum Frankfurter Frieden, unter-
zeichnet am 11 December 1871, an. Graf d’Harcourt liest den Vericht über die
Vorlage, dem wir folgende Stelle entnehmen: „Der Mangel einer Stipulation, welche
gewöhnlich, um nicht zu ſagen immer, in den Friedensverträgen ihren Platz findet, war
ſchon in demjenigen vom 10 Mai bemerkt worden. Wir waren höchlichſt erſtaunt und
betrübt demſelben auch in der Convention vom 11 December nicht zu begegnen. Wir
wollen von einer Amneſtie für diejenigen unſerer Landsleute ſprechen die Deutſch-
land noch heut in Folge von Verurtheilungen, welche die Kriegsgerichte ausgeſprochen,
als Gefangene zurückhält. Wenn in dieſer Weiſe von den gewöhnlichſten internationalen
Gebräuchen abgewichen wurde, ſo ſeien Sie überzeugt daß die franzöſiſchen Bevoll-
mächtigten nicht Schuld daran haben. Die Amneſtie, welche ſie nicht erlangen konnten,
wird die deutſche Regierung ohne Zweifel für ihre Pflicht halten unter einer andern
Form zu verwirklichen. Wir hegen gleichzeitig die feſte Zuverſicht daß unſere Mitbürger,
treu den Ermahnungen des Präſidenten der Republik, ſich in Zukunft jedes Vorgangs
enthalten werden der einen Vorwand für neue Härten darbieten könnte.“ Die Ver-
ſammlung geht zur Berathung der Vorlage betreffend die Beſteuerung der Mobi-
liarwerthe über. Raudot bekämpft die Argumente welche geſtern Hr. v. Soubeyran
gegen die Mobilienſteuer vorgebracht. Er glaubt nicht daß dieſe Abgabe dem Auslande
zu gute komme. Preußen hatte im Jahre 1815 keinen großen Capitalmarkt, und dennoch
hat ſich ſeine Vevölkerung in 50 Jahren verdoppelt. Wodurch? Durch die Hingebung
an den Ackerbau. Das iſt beſſer als die Verbreitung fremder Werthpapiere im Lande,
welche durch die Lockung von Wucherzinſen die Capitalien an die Börſe ziehen. Das
mag man an der Börſe gut finden, aber im Lande beklagt man ſich darob. Wir ſind
nicht hier um theoretiſche Discuſſionen zu unterhalten, ſondern um praktiſche Löſungen
zu finden. Ich bin ſicher daß man in allen Miniſterien, und namentlich im Kriegs-
miniſterium, große Erſparniſſe erzielen kann. Buffet: Es gibt keine einzige Steuer
gegen welche nicht ernſte Einwürfe erhoben werden könnten; aber da wir gezwungen
ſind mit irgendeiner Steuer eine Vernunftheirath einzugehen, iſt es unumgänglich daß
wir dieſe Ehe auf die am wenigſten unangenehme Weiſe ſchließen. Man darf ohne
Zweifel die Wirkung welche die Beſteuerung der Börſenwerthe auf den Capitalmarkt
haben kann nicht übertreiben. Uns kommt es vor allem jetzt darauf an daß das Aus-
land ſeine Gelder in Frankreich placire und franzöſiſche Werthe kaufe. Darum würde
dieſe Steuer ſo verhängnißvoll ſein, weil ſie das fremde Capital abhielte zu uns zu
kommen. Die Commiſſion wollte eine allgemeine Einkommenſteuer; die Regierung will
nur das Capital treffen. Beide Projecte ſind ſich mithin gänzlich entgegengeſetzt. Der
Finanzminiſter unterſcheidet die Einkünfte welche man leicht beſteuern kann, und die-
jenigen welche ſich verheimlichen laſſen. Er will aber nur die erſteren beſteuern. Iſt
dieß ein annehmbares Princip? Und dabei iſt er nicht einmal conſequent; denn er be-
ſteuert nicht die Darlehen auf Hypotheken und ebenſowenig die Rente, noch gar die
Schatzſcheine. Und dieſe letzteren läßt er mit Recht frei ausgehen, weil ihre Beſteuerung
nur eine Myſtification wäre; denn der Staat ſelbſt hätte ſie zu tragen. Ich bin, wie
Hr. Thiers im Jahre 1848, für eine allgemeine Einkommenſteuer; aber bei der Regie-
rungsvorlage, welche die Obligationen beſteuert, trifft die Abgabe lediglich den Inhaber,
und der Werth der Obligation wird ſich im Verhältniſſe der Beſteuerung vermindern.
Nur eine allgemeine Einkommenſteuer wird anempfohlen werden können. Finanzminiſter
Pouyer-Quertier: Ich glaubte daß die Frage der allgemeinen Einkommenſteuer
definitiv von der Kammer beſeitigt ſei. (Sehr gut! rechts.) Die Regierung hatte ſchon
einmal geſagt: Wir wollen keine Inquiſition! Darum verlangte ſie 30 Millionen von
der Beſteuerung der Mobiliarwerthe allein. Man kann die Actien- und Obligationen-
Inhaber nicht mit den Kaufleuten in eine Reihe ſtellen. Die erſtern ſind nur engagirt
ſoweit ſie ihr Geld in ſolchen Werthen angelegt haben, während die Kaufleute mit ihrem
ganzen Vermögen einſtehen müſſen und der Gefahr des Bankerotts ausgeſetzt ſind. Die
Kaufleute zahlen ſchon die Patentſteuer, obgleich dieſelbe in der erſten Claſſe noch nicht
hoch genug gegriffen iſt. Die wahre Frage um die es ſich handelt, iſt: zu ermeſſen
welche Wirkung die Beſteuerung der Mobiliarwerthe auf den öffentlichen Credit haben
würde. Darüber ſoll die Kammer entſcheiden. Damit ſchließt die Sitzung. — Hr. Vau-
train hat ſeinen Sitz im linken Centrum eingenommen.
Dentſches Reich.
* Aus Bayern, 12 Jan.
In den Sitzungen der Kammerausſchüſſe,
welche zur Zeit über den Initiativantrag Barth-Schüttinger und über die Be-
ſchwerde des Biſchofs von Augsburg berathen, ſcheint es an ſehr lebhaften Scenen
nicht zu fehlen. So ſoll, wie ein Münchener Correſpondent der „Donauzeitung“
wiſſen will, im Beſchwerdeausſchuſſe neulich Hr. v. Lutz die Aeußerung gethan
haben: nicht von ihm ſei die Verfaſſung verletzt worden durch ſein Verhalten gegen
die jüngſten Concilbeſchlüſſe und deren Conſequenzen, wohl aber von dem weiland
Cultusminiſter Hrn. v. Zwehl, als derſelbe im J. 1854 die Verkündigung des
neuen Dogma von der unbefleckten Empfängniß zugelaſſen habe. „Als Hr. v. Lutz
dieſe ſeine Aeußerung im Protokolle wiedergegeben fand, proteſtirte er lebhaft da-
gegen, und meinte: er würde ſie nicht gethan haben wenn er gewußt hätte daß ſie
ins Protokoll komme. Die Mehrheit des Ausſchuſſes aber beſtimmte daß es dabei
ſein Verbleiben habe, die Aeußerung ſei geſchehen, das Protokoll bleibe beſtehen.“
Auf die bevorſtehenden Plenarverhandlungen über den Initiativantrag und die
biſchöfliche Beſchwerde darf man allerdings, wie die „Donauzeitung“ meint,
„einigermaßen geſpannt“ ſein. Vor Mitte oder Ende nächſter Woche werden jedoch
dieſe Gegenſtände nicht auf die Tagesordnung kommen. Die Klerikalen ſind darauf
gefaßt daß die Negierung bei Gelegenheit dieſer Debatten und der daran ſich
knüpfenden Verurtheilung ihres Syſtems von Seite der Kammermehrheit zur
längſt geplanten Auflöſung des Landtags ſchreiten werde.
Der penſ. Regierungspräſident Hr. v. Hohe, vormals Präſident der Regie-
rung der Pfalz, dann von Niederbayern, iſt nach längerem Leiden geſtern Morgen
geſtorben.
△ München, 11 Jan.
Lycealprofeſſor Dr. Diendorfer widmet in der
„Poſtzeitung“ ſeinem ehemaligen Lehrer und „nun leider auch ehemaligen Collegen,“
Greil, einen Nachruf, woraus wir erſehen daß letzterer im bayeriſchen Walde, auf
der ſogenannten Oberbreitenau, im Jahre 1819 geboren iſt, im Pfarrvicariat
Bodenmais, wie Hr. Diendorfer hervorhebt, für den der Menſch überhaupt in
erſter Linie Pfarrkind und Diöceſane, und dann erſt Angehöriger irgend eines ver-
ſuchsweiſen Staatengebildes zu ſein ſcheint. Da die Oberbreitenau als kleines
Sibirien gilt, ſo beſuchte der junge Greil gar keine deutſche Schule, im Winter
nicht wegen der frühzeitig anfallenden Schneemaſſen, noch auch im Sommer, deſſen
kurze Dauer zur Anſpan nung aller vorhandenen Arbeitskräfte benützt werden
mußte. Greil trat deſſenungeachtet ſchon im 13. Jahre in die Deggendorfer Latein-
ſchule; lediglich ſein Vater, ein armer Söldner, ſoll es geweſen ſein der ihn leſen,
ſchreiben und rechnen lehrte. Daher, meint der Nekrolog, ſein Haß gegen den
„Schulzwang,“ was wir zur Ehre des Verſtorbenen entſchieden nicht annehmen.
1844 zum Prieſter gew eiht, erhielt Greil wegen des damals herrſchenden Mangels
an geprüften Studienlehrern ſchon 1845 eine Anſtellung als ſolcher, alſo ohne
eine Staatsconcursprüfung gemacht zu haben, die ja Perſonen geiſtlichen Standes
ſelbſt heutzutage noch häuſig geſchenkt wird! Von achtenswerthen Eigenſchaften
der Perſon, die wir gerne zugeben, abſehend, zählen wir uns nicht zu
den Bewunderern des Verewigten, aber einen beſſeren Biographen als ſeinen
„leider ehemaligen Collegen“ hätten wir ihm von Herzen gewünſcht. „Greil,
ſchreibt derſelbe, war eben eine eckige und markige, aber grundehrliche Natur.“
Markig, aber grundehrlich! „Er konnte ſich, erfahren wir weiter, auch im prakti-
ſchen Leben niemals zu Conceſſionen an den Weltgeiſt gewöhnen. Er trug daher
ſtets auch als Landtags- und Reichstagsabgeordneter als Halsbinde das einfache
ernſte römiſche Collar.“ Wenn man in Paſſau ſchon eine ſchwarze Cravatte mit
gewöhnlichem Umſchlagkragen als Conceſſion an den Weltgeiſt betrachtet, was mag
das Jahrhundert von dieſer Diöceſe zu erwarten haben! „Wie ſehr die Caſino-
Mitglieder, deducirt der Biograph weiter, den Verluſt des ſo bewährten Freun-
des fühlten, das zeigte die allgemeine Theilnahme an den Trauergottesdienſten
für den Verlebten.“ Und ferner: „Was er angeſtrebt, was er gethan, was er
erreicht oder nicht erreicht, und endlich was er gelitten hat, das hat ſich vor den
Augen der Mitwelt abgewickelt.“ Der Nekrolog iſt, wie man ſieht, in logiſcher
und ſtyliſtiſcher Beziehung eine bemerkenswerthe Leiſtung, und wir verdenken es der
„Donauzeitung“ nicht wenn ſie ſ. Z. anklopfend bemerkte: daß, wenn der erſte Erſatz-
mann verzichten würde, dann für Greil ein anderer Paſſauer Profeſſor, nämlich
Hr. Dr. Diendorfer, in die Kammer treten könne. Bauer Kinateder hat aber den
freundlichen Wink ignorirt und nicht verzichtet, und ſomit bleibt die wiſſenſchaftliche
Lücke offen. Wir fühlen uns zu keinem verbeſſerten Nekrolog, wohl aber zu der Be-
merkung gedrungen daß der Autodidakt von Biſchofsmais ein Talent war im eminen-
teſten Sinne des Wortes, daß aber gerade ſeine ſpätere Richtung — und namentlich die
traurige Beſchränktheit die er ſeinem vielberufenen Budgetreferat zu Grunde legte —
den Beweis liefert wie gewiſſe biſchöfliche Erziehungsſyſteme im Stande ſind ſelbſt
die gewaltigſte und herrlichſte Naturanlage zur einſeitigen Verkümmerung zu brin-
gen. Unter andern Geſichtskreiſen großgezogen, hätte der Reichstagsabgeordnete
Greil, bei ſeiner heutzutage nicht mehr gewöhnlichen Willensſtärke, dem Vater-
land Dienſte leiſten können die ſelbſt dem ungeſchickteſten Biographen die Aufgabe
erleichterten. Die Phraſe daß er ſich den Tod auf dem parlamentariſchen Schlacht-
felde geholt, beruht auf Uebertreibung; wenigſtens iſt es nicht denkbar daß jemand
in Folge politiſcher Aufregung die ſchwarzen Blattern bekommt. Hätte Greil in
Berlin ſein in geſundheitspolizeilicher Beziehung übel notirtes Quartier nicht trotz
aller Warnung ein zweitesmal bezogen, er wäre heute noch der anerkannte Jupiter
des ultramontanen Berges. Auch ſeine körperlichen Kräfte waren gigantiſch.
Schreiber dieſer Zeilen ſah ſelbſt wie er in einer heiteren Abendgeſellſchaft mit
einer Hand, wobei er den Ellbogen in die Hüfte ſtemmte, einen Strohſeſſel auf
den Tiſch hinaufhob. Daran wäre allerdings nichts beſonderes, aber auf dem
Seſſel ſaß ſein Freund und Kammercollege, Hr. Pfarrer Sch.! Eine fernere An-
gabe der „Poſtzeitung,“ daß er eine Weltgeſchichte in 59 Bänden ſchreiben wollte,
beruht hoffentlich auf einem Druckfehler. Zu Quellenſtudien hatte er nicht die
Muße, und ſein Schreibeſtyl war präcis.
* Berlin, 10 Jan.
Die „Corr. Stern“ hat geſtern ein Wort geſprochen,
das gewiß ſchon längſt vielen auf der Zunge lag, ohne indeß den treffenden Aus-
druck gefunden zu haben, indem ſie rügte daß die Telegraphenbureaux uns mit
vollſtändig werthloſen und gleichgültigen Nachrichten aus Frankreich überſchütten;
die Wichtigkeit welche deutſche Blätter den bei den franzöſiſchen Nachwahlen ſich
bekämpfenden Candidaten beizulegen ſcheinen, muß den Franzoſen als eine Ve-
ſtätigung ihres Größenwahnſinns gelten, welchen zu ſteigern eben wir Deutſche
ſchon früher überſchwängliches geleiſtet haben. Ihren Ueberdruß an dem Ge-
zänk unſeres weſtlichen Nachbarn ſpricht heut auch die „N. A. Z.“ mit derben
Worten aus: „Unſere Leſer,“ ſagt ſie, „werden nicht verlangen Tag für Tag
Bülletins über den Verlauf der Geiſtesſtörungen zu erhalten deren Schauplatz
die franzöſiſchen Blätter ſind. Unſeres Erachtens wird von dem was in
Frankreich vorgcht, in Deutſchland noch immer zu viel Notiz genommen.“ Ein
anderer in demſelben Blatte befindlicher Artikel moquirt ſich über die telegraphi-
ſchen Berichte aus Lille über die dortige Nachwahl: „Eine unerträgliche Spannung,
in der wir noch geſtern befangen waren, iſt ſo eben durch das Telegramm aus Lille
gehoben worden. Tauſende werden ſich mit uns erleichtert fühlen, und die Wohlthat
empfinden welche der Telegraph durch ſolche Mittheilungen der civiliſirten Welt ge-
währt. Gott ſei Dank, nunmehr liegt das Reſultat der Ergänzungswahlen für die
Nationalverſammlung (natürlich der Nation) zu Lille definitiv vor, und alle Un-
gewißheit darüber wer im Departement du Nord gewählt iſt hat jetzt ein Ende!
Es kehren jetzt gerade die Jahrestage wieder da unſer tapferes Nordheer dem
„ſtets ſiegreichen“ Faidherbe regelmäßig die Gelegenheit darbot in Lille eine Unter-
kunft zu ſuchen. Und aus dieſem Lille kommt uns nun die erhebende Gemüths-
bewegung dieſer definitiven Neſultate der mikroſkopiſchen Beobachtungen franzö-
ſiſcher Weltereigniſſe. Wie geſchmackvoll!“ Die von der „Ofſiciöſen“ zur Schau
getragene Gleichgültigkeit gegen die franzöſiſchen Angelegenheiten iſt aber cum
grano salis zu verſtehen. In derſelben heutigen Nummer iſt ein der „Patrie“
entnommenes Artikelchen über die franzöſiſche Cavallerie abgedruckt und mit einigen
Bemerkungen verſehen, welche uns den Eindruck machen als ſei deren Verfaſſer
über dieſen Gegenſtand beſſer unterrichtet als die „Patrie“ ſelber. — Das „Mil.-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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