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Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] amtenzahl noch keineswegs in dem Maß entfprochen worden ist, wie es nöthig wäre
wenn die Aufbesserungen dem Bedürfniß genügen und doch die Staatscaffe nicht
überlasten sollen. In der Justiz zwar werden in Folge der neuen Proceßordnung
bedeutende Personalminderungen durch alle Instanzen, vielleicht sogar wird eine
Verminderung in der Zahl der Untergerichte möglich werden; doch geht das nur
allmählich. In der Verwaltung ist durch Erweiterung der Selbständigkeit der
Gemeinden manches geschehen, und wird noch manche Ersparniß auch bei den
Kreisregierungen gemacht werden können. Die Einziehung der Bezirksarztstellen
2. Classe ist nicht zu übersehen. Aber im Finanzwesen ist eine durchgreifende Maß-
regel noch nicht getroffen. Die einzelnen Stellen-Einziehungen bei Regierungen
und beim obersten Rechnungshofe find wenig erklecklich.

Bedeutende Personalersparung könnte nur auf dem nämlichen Weg erzielt
werden wie bei der Verwaltung. Wie hier die Gemeinde als organisches Glied
des Staatsorganismus erkannt und wieder eingefügt worden ist, so müßte auch im
Finanzwesen die Centralisation durchbrochen werden. Unsere Rentämter haben
sich zwar "seit einer Reihe von Jahrzehnten bewährt," aber es bedünkt uns daß
eine Einrichtung, die fich so lange bewährt hat, dem Verdacht ausgesetzt ist als habe
sie sich überlebt. Sie sind im Laufe der Zeit ohnedieß etwas ganz anderes gewor-
als sie ursprünglich waren, und ihre heutige Ueberlastung selbst macht es dringend
nothwendig daß die Frage ihrer künftigen Organisation an maßgebender Stelle
studiert werde. In welcher Richtung? Man stelle sich nur nicht stets die französi-
schen oder rheinpfälzischen Muster vor Augen, sondern sehe nach den Staaten welche
das Selfgovernment entwickelt haben. Man befreie sie von der Detailperception
und ihren Grundlagen, vereinfache das Steuerwesen, in welchem die gegenwärtige
Grundsteuer ein Ausbund vielregierender, kostspieliger Bureaukratie ist, und die
Gewerbe-, Capitalrenten- und Einkommensteuern fast das Dreifache von der Arbeit
erfordern mit der sie verwaltet werden könnten; endlich befreie man die Finanz-
organe von dem Cassen- und Rechnungswesen für die Justiz und Verwaltung --
einer Last welcher ein verhältnißmäßiger Vortheil für die Staatscasse nicht
entspricht, weil die Organe dieser Staatsgewalten doch selbständig über ihre
Mittel verfügen. Auf diese Weise ließe sich die Zahl der Rentämter bedeu-
tend vermindern, ihre Competenzen ließen sich erweitern, und in Folge dessen würde
auch eine vielleicht kostenersparende Auflöhnung der Finanzkammern mit ihrem
schleppenden, Zeit und Arbeit kostenden Geschäftsgange möglich werden, an deren
Stelle Rechnungsbehörden und für die einzelnen Verwaltungszweige Inspectoren
mit erweiterten Bezirken treten könnten.

Es ließe sich über diesen Gegenstand noch viel sagen, allein denselben zu er-
schöpfen ist hier nicht der Ort, und es genüge daher Andeutungen gegeben zu haben
welche für den Sachkundigen verständlich genug sein werden. Sie gehören zwar
nicht direct, aber doch indirect zu dem Gegenstand dieses Artikels, und ein Zeichen
der Geneigtheit seitens der Regierung auf organisatorischem Weg auf Ersparung
hinzuwirken, würde vielleicht doch die Kammern mitveranlassen, wenn auch nicht
freigebig, so doch gerecht auch gegen die jetzigen Beamten-Generation zu sein, welche
durch ihre Zahl, ohne ihr Verschulden, mehr kostet als eine künftige minder zahl-
reiche, aber besser ausgestattete, und welche unter ganz anderen Preisverhältnissen,
als die jetzigen sind, in den Staatsdienst, den sie nicht wieder verlassen kann, ge-
treten ist, so daß wir wohl sagen dürfen: es seien damals bei dem höherem Geld-
werthe relativ höhere Besoldungen, d. h. die Möglichkeit besserer Bedürfnißbefrie-
digung und höheren Lebensgenusses angeboten und in Aussicht gestellt worden,
als jetzt gewährt wird.

Die Höhe des Arbeitslohns bemißt sich nicht nach dem Gelde das bezahlt
wird, sondern nach den Genußgütern die sich der Arbeiter dafür verschaffen kann, und
wer vor zwanzig Jahren in den Staatsdienst getreten ist, durfte nach zwanzigjäh-
riger Dienftleistung ein weit größeres Maß dieser Güter erwarten als er jetzt er-
hält. Es besteht also sogar eine gewisse rechtliche Verpflichtung des Staats die
Gehalte der älteren Beamten zu erhöhen, und der Lehrsatz von Angebot und Nach-
frage kann auf diese noch weniger eine Anwendung finden als im allgemeinen
zulässig ist.



Aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Die Internationalen haben vor acht Tagen
in New-York eine demonstrative Todesfeier zu Ehren des in Frankreich erschossenen
Obristen Roffel abgehalten; die Feier bestand in einem öffentlichen Trauerzuge,
an dem sich viele Tausende, unter denen das fremde Element vorherrschend war,
betheiligten. Diese Demonstration war gegen das Thierssche "blutdürstige Gouver-
nement" wie zugleich darauf gerichtet eine imponirende Macht der Internationalen
zur Schau zu bringen.

Bisher hatte die Presse Europa's die öffentliche Meinung in diesem Lande
gegen die Internationalen eingenommen, allein in letzterer Zeit ist hier ein bedeuten-
der Umschwung sowohl in der Presse als in der öffentlichen Stimmung eingetreten.
Die Agitation für die Internationalen und die Arbeiter-Interessen ist sogar jetzt
in den Congreß gedrungen, in welchem der republicanische Abgeordnete Hoar von
Massachusetts die Bill im Hause eingebracht hat, wonach eine Commission beauf-
tragt sein soll eine genaue Untersuchung über die Arbeitszeit, die Löhne, die Diffe-
renz der letzteren von dem Gewinne des Capitals, ferner über die Erziehungs-, Ge-
sundheits- und sonstige sociale Verhältnisse des Arbeiterstandes anzustellen, und dar-
über dem Congresse, behufs Abhülfe durch Gesetzgebung, zu berichten. Hr. Hoar be-
tonte die humane und ökonomische Frage der Arbeiter und vertheidigte in einer
feurigen Rede die Internationalen. Beide Parteien, sowohl die demokratische als
die republicanische, wetteiferten in der Sympathie mit den Arbeitern, welche von
einem Redner sogar als der Adel dieses Landes bezeichnet wurden, denn die Arbeit
des Gehirns, des Herzens und der Hand adle allein den Menschen. Die ge-
nannte Hoar'sche Bill wurde im Hause fast einftimmig angenommen, die Commis-
sion auf ein Jahr bestimmt und jedes Mitglied derselben mit fünftausend Dollars
besoldet. Außerdem wurde im Haus ein Beschluß der Sympathie mit den für die
Freiheit und das Selfgovernment gefallenen Opfern in Paris (den Com-
munisten) angenommen, nur eine einzige Stimme dissentirte. Durch diesen
[Spaltenumbruch] Beschluß sollte indirect das reactionäre Thiers'sche Gouvernement verurtheilt
werden.

Der russische Großfürst besuchte kürzlich Boston und den Fabrikstaat Massachu-
setts. Der Gouverneur dieses Staates zeigte ihm die verschiedenen großartigen Fabri-
ken; beiläufig unterhielt sich der Gouverneur im Beisein des Prinzen mit verschiedenen
Arbeitern. Der Prinz erkundigte sich nach dem Bildungsstande der Arbeiter, wor-
auf der Gouverneur erklärte: daß er selbst noch vor wenigen Jahren ein Arbeiter
in dieser Fabrik gewesen und jetzt der Gouverneur des gebildetsten Staates in der
Union sei. Dem Prinzen Alexis müssen, wenn er eine Vergleichung mit dem rus-
sischen Arbeiterstand anstellt, sicher die Schuppen von den Augen gefallen sein.

Auf Grund des letzten Census von 1870 hat das Repräsentantenhaus des
Congresses eine Bill angenommen, wonach in Folge der vermehrten Bevölkerung
die Zahl der bisherigen Volksrepräsentanten von bisher 243 auf 283 erhöht wird.
Früher wurde eine Seelenzahl von 127,000 als zur Bildung eines Repräsentanten-
Districts erforderlich angenommen; dießmal sollen 137,000 dazu nöthig sein. Die
Bevölkerung der Union durch 137,000 dividirt, ergibt 283 als die künftige Zahl
der Congreß-Repräsentanten. Der Westen, welcher durch die Einwanderung eine
große Präponderanz erlangt hat, wird nach der erwähnten Vertheilung, statt früher
durch 80, künftig durch 103 Mitglieder vertreten sein, während die alten östlichen
und Mittelstaaten 91 Mitglieder haben werden. Der Westen und der Süden,
welcher letztere 87 Mitglieder des Repräsentantenhauses zählt, haben als Ackerbau-
Staaten ein gemeinschaftliches Interesse. Diese Präponderanz der Ackerbau-
Interessen im Congreß muß natürlicher Weise eine bedeutende Aenderung in
der Tarifpolitik herbeiführen. Der hohe Tarif wurde bisher durch den überwie-
genden Einfluß der östlichen Manufactur-Staaten herbeigeführt. Dieser Einfluß
ist in Zukunft gebrochen, so daß der Protectiv-Tarif durch einen bloßen Revenue-
Tarif ersetzt werden wird. Merkwürdiger Weise kann man sich hier noch nicht zu
der wesentlich nothwendigen Reform erheben die Repräsentanten aus einem belie-
bigen Theile des Landes zu wählen; sie sind vielmehr auf den Congreßbezirk in
welchem sie wohnen beschränkt. Man geht dabei von der Ansicht aus daß die
Interessen des Bezirks besser durch einen Repräsentanten der mit denselben
identificirt ist vertreten werden, als durch einen Volksrepräsentanten der außer-
halb des Bezirks residirt. Durch diese Schollen-Repräsentation werden natürlich
viele höchst mittelmäßige Männer in den Congreß geschickt, während große Intel-
ligenzen, die sich vorzugsweise in großen Städten aufhalten, vollständig ausgeschlossen
find. Ein besonderes Interesse gewährt der neueste Census von 1870 insofern,
als er den amerikanischen National-Typus feststellt, nämlich:

a) In der Fremde geboren find 5,556,546.
b) Von den in der Fremde geborenen Eltern, sei es Vater
oder Mutter 10,892,015.
Summe: 16,458,561.

Diese Zahl ist beinahe die Hälfte der Gesammtbevölkerung von 40 Millionen.
Berücksichtigt man nun noch die zweite und frühere Generation Fremdgeborner in
diesem Lande, so zeigt sich daß die Umänderung des amerikanischen Nationaltypus
mit Riesenschritten vorangeht, und daß in kurzer Zeit der fremde Typus der vor-
herrschende sein wird. Die Amalgamirung der Volksmenge in eine gleichartige
Masse ist bis jetzt noch nicht bewirkt, denn die mitgebrachten verschiedenen Bil-
dungsstufen, die verschiedenen Sprachen, Sitten und Gebräuche, überhaupt die
socialen Verschiedenheiten, bilden als heterogene Bestandtheile gegenwärtig noch
ein Hinderniß in der Amalgamirung. Ein näheres ethnologisches Studium muß
sicher zu dem Schlusse führen daß der amerikanische Typus im Untergehen begriffen
ist und durch bildungsfähige, körperlich und geistig solide fremde Bestandtheile er-
setzt wird.

Schließlich füge ich ein Verzeichniß der Schulden der einzelnen Staaten der
Union bei, in der Voraussetzung daß ein solches Verzeichniß von Interesse und
Nutzen für die Leser der "Allg. Ztg." ist, da verschiedene amerikanische Staats- und
Eisenbahn-Obligationen auf der europäischen Börse figuriren. Vorausschicken
will ich daß die Staaten Wisconsin, West-Virginien, Nebraska, Mississippi durch-
aus schuldenfrei und daher auf dem folgenden Verzeichnisse nicht angegeben sind,
daß ferner die westlichen Staaten die wenigsten Schulden haben, und endlich in
verschiedenen Staaten, besonders im Süden, ein großer Theil der Staatsschulden
zur Unterstützung der Eisenbahnen contrahirt ist; Virginien schuldet den größten
und Oregon den geringsten Betrag. Das Verzeichniß der Staatsschulden ist
folgendes:

Staat. Datum. Schuld.
Alabama 1 October 1870 16,958,010 Dollars
Arkansas 27 April 1871 6,150,000 "
California 1 Mai 1871 3,506,000 "
Conneeticut 1 April 1871 6,775,900 "
Delaware 1 Mai 1871 1,402,000 "
Florida 1 Januar 1871 1,288,697 "
Georgia 1 Januar 1871 7,514,500 "
Illinois 1 März 1871 1,893,496 "
Indiana 31 October 1870 4,167,507 "
Iowa 1 Januar 1871 300,000 "
Kansas 31 December 1870 1,341,675 "
Kentucky 10 October 1870 3,072,677 "
Lousiana 1 Januar 1870 22,560,233 "
Maine 1 Januar 1871 8,067,900 "
Maryland 30 September 1870 13,317,475 "
Massachusetts 1 Januar 1871 16,682,068 "
Michigan 27 März 1871 2,376,292 "
Minnesota 1 Mai 1871 350,000 "
Missouri 1 Januar 1871 17,886,000 "
Nevada 1 Mai 1871 660,000 "
New-Hampshire 1 Januar 1870 2,752,200 "
New-Jersey 1 November 1870 2,896,200 "
New-York 1 October 1870 32,409,144 "
Rord-Carolina 1 October 1870 29,960,045 "
Ohio 5 November 1870 9,675,343 "

[Spaltenumbruch] amtenzahl noch keineswegs in dem Maß entfprochen worden iſt, wie es nöthig wäre
wenn die Aufbeſſerungen dem Bedürfniß genügen und doch die Staatscaffe nicht
überlaſten ſollen. In der Juſtiz zwar werden in Folge der neuen Proceßordnung
bedeutende Perſonalminderungen durch alle Inſtanzen, vielleicht ſogar wird eine
Verminderung in der Zahl der Untergerichte möglich werden; doch geht das nur
allmählich. In der Verwaltung iſt durch Erweiterung der Selbſtändigkeit der
Gemeinden manches geſchehen, und wird noch manche Erſparniß auch bei den
Kreisregierungen gemacht werden können. Die Einziehung der Bezirksarztſtellen
2. Claſſe iſt nicht zu überſehen. Aber im Finanzweſen iſt eine durchgreifende Maß-
regel noch nicht getroffen. Die einzelnen Stellen-Einziehungen bei Regierungen
und beim oberſten Rechnungshofe find wenig erklecklich.

Bedeutende Perſonalerſparung könnte nur auf dem nämlichen Weg erzielt
werden wie bei der Verwaltung. Wie hier die Gemeinde als organiſches Glied
des Staatsorganismus erkannt und wieder eingefügt worden iſt, ſo müßte auch im
Finanzweſen die Centraliſation durchbrochen werden. Unſere Rentämter haben
ſich zwar „ſeit einer Reihe von Jahrzehnten bewährt,“ aber es bedünkt uns daß
eine Einrichtung, die fich ſo lange bewährt hat, dem Verdacht ausgeſetzt iſt als habe
ſie ſich überlebt. Sie ſind im Laufe der Zeit ohnedieß etwas ganz anderes gewor-
als ſie urſprünglich waren, und ihre heutige Ueberlaſtung ſelbſt macht es dringend
nothwendig daß die Frage ihrer künftigen Organiſation an maßgebender Stelle
ſtudiert werde. In welcher Richtung? Man ſtelle ſich nur nicht ſtets die franzöſi-
ſchen oder rheinpfälziſchen Muſter vor Augen, ſondern ſehe nach den Staaten welche
das Selfgovernment entwickelt haben. Man befreie ſie von der Detailperception
und ihren Grundlagen, vereinfache das Steuerweſen, in welchem die gegenwärtige
Grundſteuer ein Ausbund vielregierender, koſtſpieliger Bureaukratie iſt, und die
Gewerbe-, Capitalrenten- und Einkommenſteuern faſt das Dreifache von der Arbeit
erfordern mit der ſie verwaltet werden könnten; endlich befreie man die Finanz-
organe von dem Caſſen- und Rechnungsweſen für die Juſtiz und Verwaltung —
einer Laſt welcher ein verhältnißmäßiger Vortheil für die Staatscaſſe nicht
entſpricht, weil die Organe dieſer Staatsgewalten doch ſelbſtändig über ihre
Mittel verfügen. Auf dieſe Weiſe ließe ſich die Zahl der Rentämter bedeu-
tend vermindern, ihre Competenzen ließen ſich erweitern, und in Folge deſſen würde
auch eine vielleicht koſtenerſparende Auflöhnung der Finanzkammern mit ihrem
ſchleppenden, Zeit und Arbeit koſtenden Geſchäftsgange möglich werden, an deren
Stelle Rechnungsbehörden und für die einzelnen Verwaltungszweige Inſpectoren
mit erweiterten Bezirken treten könnten.

Es ließe ſich über dieſen Gegenſtand noch viel ſagen, allein denſelben zu er-
ſchöpfen iſt hier nicht der Ort, und es genüge daher Andeutungen gegeben zu haben
welche für den Sachkundigen verſtändlich genug ſein werden. Sie gehören zwar
nicht direct, aber doch indirect zu dem Gegenſtand dieſes Artikels, und ein Zeichen
der Geneigtheit ſeitens der Regierung auf organiſatoriſchem Weg auf Erſparung
hinzuwirken, würde vielleicht doch die Kammern mitveranlaſſen, wenn auch nicht
freigebig, ſo doch gerecht auch gegen die jetzigen Beamten-Generation zu ſein, welche
durch ihre Zahl, ohne ihr Verſchulden, mehr koſtet als eine künftige minder zahl-
reiche, aber beſſer ausgeſtattete, und welche unter ganz anderen Preisverhältniſſen,
als die jetzigen ſind, in den Staatsdienſt, den ſie nicht wieder verlaſſen kann, ge-
treten iſt, ſo daß wir wohl ſagen dürfen: es ſeien damals bei dem höherem Geld-
werthe relativ höhere Beſoldungen, d. h. die Möglichkeit beſſerer Bedürfnißbefrie-
digung und höheren Lebensgenuſſes angeboten und in Ausſicht geſtellt worden,
als jetzt gewährt wird.

Die Höhe des Arbeitslohns bemißt ſich nicht nach dem Gelde das bezahlt
wird, ſondern nach den Genußgütern die ſich der Arbeiter dafür verſchaffen kann, und
wer vor zwanzig Jahren in den Staatsdienſt getreten iſt, durfte nach zwanzigjäh-
riger Dienftleiſtung ein weit größeres Maß dieſer Güter erwarten als er jetzt er-
hält. Es beſteht alſo ſogar eine gewiſſe rechtliche Verpflichtung des Staats die
Gehalte der älteren Beamten zu erhöhen, und der Lehrſatz von Angebot und Nach-
frage kann auf dieſe noch weniger eine Anwendung finden als im allgemeinen
zuläſſig iſt.



Aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Die Internationalen haben vor acht Tagen
in New-York eine demonſtrative Todesfeier zu Ehren des in Frankreich erſchoſſenen
Obriſten Roffel abgehalten; die Feier beſtand in einem öffentlichen Trauerzuge,
an dem ſich viele Tauſende, unter denen das fremde Element vorherrſchend war,
betheiligten. Dieſe Demonſtration war gegen das Thiersſche „blutdürſtige Gouver-
nement“ wie zugleich darauf gerichtet eine imponirende Macht der Internationalen
zur Schau zu bringen.

Bisher hatte die Preſſe Europa’s die öffentliche Meinung in dieſem Lande
gegen die Internationalen eingenommen, allein in letzterer Zeit iſt hier ein bedeuten-
der Umſchwung ſowohl in der Preſſe als in der öffentlichen Stimmung eingetreten.
Die Agitation für die Internationalen und die Arbeiter-Intereſſen iſt ſogar jetzt
in den Congreß gedrungen, in welchem der republicaniſche Abgeordnete Hoar von
Maſſachuſetts die Bill im Hauſe eingebracht hat, wonach eine Commiſſion beauf-
tragt ſein ſoll eine genaue Unterſuchung über die Arbeitszeit, die Löhne, die Diffe-
renz der letzteren von dem Gewinne des Capitals, ferner über die Erziehungs-, Ge-
ſundheits- und ſonſtige ſociale Verhältniſſe des Arbeiterſtandes anzuſtellen, und dar-
über dem Congreſſe, behufs Abhülfe durch Geſetzgebung, zu berichten. Hr. Hoar be-
tonte die humane und ökonomiſche Frage der Arbeiter und vertheidigte in einer
feurigen Rede die Internationalen. Beide Parteien, ſowohl die demokratiſche als
die republicaniſche, wetteiferten in der Sympathie mit den Arbeitern, welche von
einem Redner ſogar als der Adel dieſes Landes bezeichnet wurden, denn die Arbeit
des Gehirns, des Herzens und der Hand adle allein den Menſchen. Die ge-
nannte Hoar’ſche Bill wurde im Hauſe faſt einftimmig angenommen, die Commiſ-
ſion auf ein Jahr beſtimmt und jedes Mitglied derſelben mit fünftauſend Dollars
beſoldet. Außerdem wurde im Haus ein Beſchluß der Sympathie mit den für die
Freiheit und das Selfgovernment gefallenen Opfern in Paris (den Com-
muniſten) angenommen, nur eine einzige Stimme diſſentirte. Durch dieſen
[Spaltenumbruch] Beſchluß ſollte indirect das reactionäre Thiers’ſche Gouvernement verurtheilt
werden.

Der ruſſiſche Großfürſt beſuchte kürzlich Boſton und den Fabrikſtaat Maſſachu-
ſetts. Der Gouverneur dieſes Staates zeigte ihm die verſchiedenen großartigen Fabri-
ken; beiläufig unterhielt ſich der Gouverneur im Beiſein des Prinzen mit verſchiedenen
Arbeitern. Der Prinz erkundigte ſich nach dem Bildungsſtande der Arbeiter, wor-
auf der Gouverneur erklärte: daß er ſelbſt noch vor wenigen Jahren ein Arbeiter
in dieſer Fabrik geweſen und jetzt der Gouverneur des gebildetſten Staates in der
Union ſei. Dem Prinzen Alexis müſſen, wenn er eine Vergleichung mit dem ruſ-
ſiſchen Arbeiterſtand anſtellt, ſicher die Schuppen von den Augen gefallen ſein.

Auf Grund des letzten Cenſus von 1870 hat das Repräſentantenhaus des
Congreſſes eine Bill angenommen, wonach in Folge der vermehrten Bevölkerung
die Zahl der bisherigen Volksrepräſentanten von bisher 243 auf 283 erhöht wird.
Früher wurde eine Seelenzahl von 127,000 als zur Bildung eines Repräſentanten-
Diſtricts erforderlich angenommen; dießmal ſollen 137,000 dazu nöthig ſein. Die
Bevölkerung der Union durch 137,000 dividirt, ergibt 283 als die künftige Zahl
der Congreß-Repräſentanten. Der Weſten, welcher durch die Einwanderung eine
große Präponderanz erlangt hat, wird nach der erwähnten Vertheilung, ſtatt früher
durch 80, künftig durch 103 Mitglieder vertreten ſein, während die alten öſtlichen
und Mittelſtaaten 91 Mitglieder haben werden. Der Weſten und der Süden,
welcher letztere 87 Mitglieder des Repräſentantenhauſes zählt, haben als Ackerbau-
Staaten ein gemeinſchaftliches Intereſſe. Dieſe Präponderanz der Ackerbau-
Intereſſen im Congreß muß natürlicher Weiſe eine bedeutende Aenderung in
der Tarifpolitik herbeiführen. Der hohe Tarif wurde bisher durch den überwie-
genden Einfluß der öſtlichen Manufactur-Staaten herbeigeführt. Dieſer Einfluß
iſt in Zukunft gebrochen, ſo daß der Protectiv-Tarif durch einen bloßen Revenue-
Tarif erſetzt werden wird. Merkwürdiger Weiſe kann man ſich hier noch nicht zu
der weſentlich nothwendigen Reform erheben die Repräſentanten aus einem belie-
bigen Theile des Landes zu wählen; ſie ſind vielmehr auf den Congreßbezirk in
welchem ſie wohnen beſchränkt. Man geht dabei von der Anſicht aus daß die
Intereſſen des Bezirks beſſer durch einen Repräſentanten der mit denſelben
identificirt iſt vertreten werden, als durch einen Volksrepräſentanten der außer-
halb des Bezirks reſidirt. Durch dieſe Schollen-Repräſentation werden natürlich
viele höchſt mittelmäßige Männer in den Congreß geſchickt, während große Intel-
ligenzen, die ſich vorzugsweiſe in großen Städten aufhalten, vollſtändig ausgeſchloſſen
find. Ein beſonderes Intereſſe gewährt der neueſte Cenſus von 1870 inſofern,
als er den amerikaniſchen National-Typus feſtſtellt, nämlich:

a) In der Fremde geboren find 5,556,546.
b) Von den in der Fremde geborenen Eltern, ſei es Vater
oder Mutter 10,892,015.
Summe: 16,458,561.

Dieſe Zahl iſt beinahe die Hälfte der Geſammtbevölkerung von 40 Millionen.
Berückſichtigt man nun noch die zweite und frühere Generation Fremdgeborner in
dieſem Lande, ſo zeigt ſich daß die Umänderung des amerikaniſchen Nationaltypus
mit Rieſenſchritten vorangeht, und daß in kurzer Zeit der fremde Typus der vor-
herrſchende ſein wird. Die Amalgamirung der Volksmenge in eine gleichartige
Maſſe iſt bis jetzt noch nicht bewirkt, denn die mitgebrachten verſchiedenen Bil-
dungsſtufen, die verſchiedenen Sprachen, Sitten und Gebräuche, überhaupt die
ſocialen Verſchiedenheiten, bilden als heterogene Beſtandtheile gegenwärtig noch
ein Hinderniß in der Amalgamirung. Ein näheres ethnologiſches Studium muß
ſicher zu dem Schluſſe führen daß der amerikaniſche Typus im Untergehen begriffen
iſt und durch bildungsfähige, körperlich und geiſtig ſolide fremde Beſtandtheile er-
ſetzt wird.

Schließlich füge ich ein Verzeichniß der Schulden der einzelnen Staaten der
Union bei, in der Vorausſetzung daß ein ſolches Verzeichniß von Intereſſe und
Nutzen für die Leſer der „Allg. Ztg.“ iſt, da verſchiedene amerikaniſche Staats- und
Eiſenbahn-Obligationen auf der europäiſchen Börſe figuriren. Vorausſchicken
will ich daß die Staaten Wisconſin, Weſt-Virginien, Nebraska, Miſſiſſippi durch-
aus ſchuldenfrei und daher auf dem folgenden Verzeichniſſe nicht angegeben ſind,
daß ferner die weſtlichen Staaten die wenigſten Schulden haben, und endlich in
verſchiedenen Staaten, beſonders im Süden, ein großer Theil der Staatsſchulden
zur Unterſtützung der Eiſenbahnen contrahirt iſt; Virginien ſchuldet den größten
und Oregon den geringſten Betrag. Das Verzeichniß der Staatsſchulden iſt
folgendes:

Staat. Datum. Schuld.
Alabama 1 October 1870 16,958,010 Dollars
Arkanſas 27 April 1871 6,150,000 „
California 1 Mai 1871 3,506,000 „
Conneeticut 1 April 1871 6,775,900 „
Delaware 1 Mai 1871 1,402,000 „
Florida 1 Januar 1871 1,288,697 „
Georgia 1 Januar 1871 7,514,500 „
Illinois 1 März 1871 1,893,496 „
Indiana 31 October 1870 4,167,507 „
Iowa 1 Januar 1871 300,000 „
Kanſas 31 December 1870 1,341,675 „
Kentucky 10 October 1870 3,072,677 „
Louſiana 1 Januar 1870 22,560,233 „
Maine 1 Januar 1871 8,067,900 „
Maryland 30 September 1870 13,317,475 „
Maſſachuſetts 1 Januar 1871 16,682,068 „
Michigan 27 März 1871 2,376,292 „
Minneſota 1 Mai 1871 350,000 „
Miſſouri 1 Januar 1871 17,886,000 „
Nevada 1 Mai 1871 660,000 „
New-Hampſhire 1 Januar 1870 2,752,200 „
New-Jerſey 1 November 1870 2,896,200 „
New-York 1 October 1870 32,409,144 „
Rord-Carolina 1 October 1870 29,960,045 „
Ohio 5 November 1870 9,675,343 „
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            <p>Auf Grund des letzten Cen&#x017F;us von 1870 hat das Reprä&#x017F;entantenhaus des<lb/>
Congre&#x017F;&#x017F;es eine Bill angenommen, wonach in Folge der vermehrten Bevölkerung<lb/>
die Zahl der bisherigen Volksreprä&#x017F;entanten von bisher 243 auf 283 erhöht wird.<lb/>
Früher wurde eine Seelenzahl von 127,000 als zur Bildung eines Reprä&#x017F;entanten-<lb/>
Di&#x017F;tricts erforderlich angenommen; dießmal &#x017F;ollen 137,000 dazu nöthig &#x017F;ein. Die<lb/>
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zur Unter&#x017F;tützung der Ei&#x017F;enbahnen contrahirt i&#x017F;t; Virginien &#x017F;chuldet den größten<lb/>
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[179/0003] amtenzahl noch keineswegs in dem Maß entfprochen worden iſt, wie es nöthig wäre wenn die Aufbeſſerungen dem Bedürfniß genügen und doch die Staatscaffe nicht überlaſten ſollen. In der Juſtiz zwar werden in Folge der neuen Proceßordnung bedeutende Perſonalminderungen durch alle Inſtanzen, vielleicht ſogar wird eine Verminderung in der Zahl der Untergerichte möglich werden; doch geht das nur allmählich. In der Verwaltung iſt durch Erweiterung der Selbſtändigkeit der Gemeinden manches geſchehen, und wird noch manche Erſparniß auch bei den Kreisregierungen gemacht werden können. Die Einziehung der Bezirksarztſtellen 2. Claſſe iſt nicht zu überſehen. Aber im Finanzweſen iſt eine durchgreifende Maß- regel noch nicht getroffen. Die einzelnen Stellen-Einziehungen bei Regierungen und beim oberſten Rechnungshofe find wenig erklecklich. Bedeutende Perſonalerſparung könnte nur auf dem nämlichen Weg erzielt werden wie bei der Verwaltung. Wie hier die Gemeinde als organiſches Glied des Staatsorganismus erkannt und wieder eingefügt worden iſt, ſo müßte auch im Finanzweſen die Centraliſation durchbrochen werden. Unſere Rentämter haben ſich zwar „ſeit einer Reihe von Jahrzehnten bewährt,“ aber es bedünkt uns daß eine Einrichtung, die fich ſo lange bewährt hat, dem Verdacht ausgeſetzt iſt als habe ſie ſich überlebt. Sie ſind im Laufe der Zeit ohnedieß etwas ganz anderes gewor- als ſie urſprünglich waren, und ihre heutige Ueberlaſtung ſelbſt macht es dringend nothwendig daß die Frage ihrer künftigen Organiſation an maßgebender Stelle ſtudiert werde. In welcher Richtung? Man ſtelle ſich nur nicht ſtets die franzöſi- ſchen oder rheinpfälziſchen Muſter vor Augen, ſondern ſehe nach den Staaten welche das Selfgovernment entwickelt haben. Man befreie ſie von der Detailperception und ihren Grundlagen, vereinfache das Steuerweſen, in welchem die gegenwärtige Grundſteuer ein Ausbund vielregierender, koſtſpieliger Bureaukratie iſt, und die Gewerbe-, Capitalrenten- und Einkommenſteuern faſt das Dreifache von der Arbeit erfordern mit der ſie verwaltet werden könnten; endlich befreie man die Finanz- organe von dem Caſſen- und Rechnungsweſen für die Juſtiz und Verwaltung — einer Laſt welcher ein verhältnißmäßiger Vortheil für die Staatscaſſe nicht entſpricht, weil die Organe dieſer Staatsgewalten doch ſelbſtändig über ihre Mittel verfügen. Auf dieſe Weiſe ließe ſich die Zahl der Rentämter bedeu- tend vermindern, ihre Competenzen ließen ſich erweitern, und in Folge deſſen würde auch eine vielleicht koſtenerſparende Auflöhnung der Finanzkammern mit ihrem ſchleppenden, Zeit und Arbeit koſtenden Geſchäftsgange möglich werden, an deren Stelle Rechnungsbehörden und für die einzelnen Verwaltungszweige Inſpectoren mit erweiterten Bezirken treten könnten. Es ließe ſich über dieſen Gegenſtand noch viel ſagen, allein denſelben zu er- ſchöpfen iſt hier nicht der Ort, und es genüge daher Andeutungen gegeben zu haben welche für den Sachkundigen verſtändlich genug ſein werden. Sie gehören zwar nicht direct, aber doch indirect zu dem Gegenſtand dieſes Artikels, und ein Zeichen der Geneigtheit ſeitens der Regierung auf organiſatoriſchem Weg auf Erſparung hinzuwirken, würde vielleicht doch die Kammern mitveranlaſſen, wenn auch nicht freigebig, ſo doch gerecht auch gegen die jetzigen Beamten-Generation zu ſein, welche durch ihre Zahl, ohne ihr Verſchulden, mehr koſtet als eine künftige minder zahl- reiche, aber beſſer ausgeſtattete, und welche unter ganz anderen Preisverhältniſſen, als die jetzigen ſind, in den Staatsdienſt, den ſie nicht wieder verlaſſen kann, ge- treten iſt, ſo daß wir wohl ſagen dürfen: es ſeien damals bei dem höherem Geld- werthe relativ höhere Beſoldungen, d. h. die Möglichkeit beſſerer Bedürfnißbefrie- digung und höheren Lebensgenuſſes angeboten und in Ausſicht geſtellt worden, als jetzt gewährt wird. Die Höhe des Arbeitslohns bemißt ſich nicht nach dem Gelde das bezahlt wird, ſondern nach den Genußgütern die ſich der Arbeiter dafür verſchaffen kann, und wer vor zwanzig Jahren in den Staatsdienſt getreten iſt, durfte nach zwanzigjäh- riger Dienftleiſtung ein weit größeres Maß dieſer Güter erwarten als er jetzt er- hält. Es beſteht alſo ſogar eine gewiſſe rechtliche Verpflichtung des Staats die Gehalte der älteren Beamten zu erhöhen, und der Lehrſatz von Angebot und Nach- frage kann auf dieſe noch weniger eine Anwendung finden als im allgemeinen zuläſſig iſt. Aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika. ◇Waſhington, 26 Dec. Die Internationalen haben vor acht Tagen in New-York eine demonſtrative Todesfeier zu Ehren des in Frankreich erſchoſſenen Obriſten Roffel abgehalten; die Feier beſtand in einem öffentlichen Trauerzuge, an dem ſich viele Tauſende, unter denen das fremde Element vorherrſchend war, betheiligten. Dieſe Demonſtration war gegen das Thiersſche „blutdürſtige Gouver- nement“ wie zugleich darauf gerichtet eine imponirende Macht der Internationalen zur Schau zu bringen. Bisher hatte die Preſſe Europa’s die öffentliche Meinung in dieſem Lande gegen die Internationalen eingenommen, allein in letzterer Zeit iſt hier ein bedeuten- der Umſchwung ſowohl in der Preſſe als in der öffentlichen Stimmung eingetreten. Die Agitation für die Internationalen und die Arbeiter-Intereſſen iſt ſogar jetzt in den Congreß gedrungen, in welchem der republicaniſche Abgeordnete Hoar von Maſſachuſetts die Bill im Hauſe eingebracht hat, wonach eine Commiſſion beauf- tragt ſein ſoll eine genaue Unterſuchung über die Arbeitszeit, die Löhne, die Diffe- renz der letzteren von dem Gewinne des Capitals, ferner über die Erziehungs-, Ge- ſundheits- und ſonſtige ſociale Verhältniſſe des Arbeiterſtandes anzuſtellen, und dar- über dem Congreſſe, behufs Abhülfe durch Geſetzgebung, zu berichten. Hr. Hoar be- tonte die humane und ökonomiſche Frage der Arbeiter und vertheidigte in einer feurigen Rede die Internationalen. Beide Parteien, ſowohl die demokratiſche als die republicaniſche, wetteiferten in der Sympathie mit den Arbeitern, welche von einem Redner ſogar als der Adel dieſes Landes bezeichnet wurden, denn die Arbeit des Gehirns, des Herzens und der Hand adle allein den Menſchen. Die ge- nannte Hoar’ſche Bill wurde im Hauſe faſt einftimmig angenommen, die Commiſ- ſion auf ein Jahr beſtimmt und jedes Mitglied derſelben mit fünftauſend Dollars beſoldet. Außerdem wurde im Haus ein Beſchluß der Sympathie mit den für die Freiheit und das Selfgovernment gefallenen Opfern in Paris (den Com- muniſten) angenommen, nur eine einzige Stimme diſſentirte. Durch dieſen Beſchluß ſollte indirect das reactionäre Thiers’ſche Gouvernement verurtheilt werden. Der ruſſiſche Großfürſt beſuchte kürzlich Boſton und den Fabrikſtaat Maſſachu- ſetts. Der Gouverneur dieſes Staates zeigte ihm die verſchiedenen großartigen Fabri- ken; beiläufig unterhielt ſich der Gouverneur im Beiſein des Prinzen mit verſchiedenen Arbeitern. Der Prinz erkundigte ſich nach dem Bildungsſtande der Arbeiter, wor- auf der Gouverneur erklärte: daß er ſelbſt noch vor wenigen Jahren ein Arbeiter in dieſer Fabrik geweſen und jetzt der Gouverneur des gebildetſten Staates in der Union ſei. Dem Prinzen Alexis müſſen, wenn er eine Vergleichung mit dem ruſ- ſiſchen Arbeiterſtand anſtellt, ſicher die Schuppen von den Augen gefallen ſein. Auf Grund des letzten Cenſus von 1870 hat das Repräſentantenhaus des Congreſſes eine Bill angenommen, wonach in Folge der vermehrten Bevölkerung die Zahl der bisherigen Volksrepräſentanten von bisher 243 auf 283 erhöht wird. Früher wurde eine Seelenzahl von 127,000 als zur Bildung eines Repräſentanten- Diſtricts erforderlich angenommen; dießmal ſollen 137,000 dazu nöthig ſein. Die Bevölkerung der Union durch 137,000 dividirt, ergibt 283 als die künftige Zahl der Congreß-Repräſentanten. Der Weſten, welcher durch die Einwanderung eine große Präponderanz erlangt hat, wird nach der erwähnten Vertheilung, ſtatt früher durch 80, künftig durch 103 Mitglieder vertreten ſein, während die alten öſtlichen und Mittelſtaaten 91 Mitglieder haben werden. Der Weſten und der Süden, welcher letztere 87 Mitglieder des Repräſentantenhauſes zählt, haben als Ackerbau- Staaten ein gemeinſchaftliches Intereſſe. Dieſe Präponderanz der Ackerbau- Intereſſen im Congreß muß natürlicher Weiſe eine bedeutende Aenderung in der Tarifpolitik herbeiführen. Der hohe Tarif wurde bisher durch den überwie- genden Einfluß der öſtlichen Manufactur-Staaten herbeigeführt. Dieſer Einfluß iſt in Zukunft gebrochen, ſo daß der Protectiv-Tarif durch einen bloßen Revenue- Tarif erſetzt werden wird. Merkwürdiger Weiſe kann man ſich hier noch nicht zu der weſentlich nothwendigen Reform erheben die Repräſentanten aus einem belie- bigen Theile des Landes zu wählen; ſie ſind vielmehr auf den Congreßbezirk in welchem ſie wohnen beſchränkt. Man geht dabei von der Anſicht aus daß die Intereſſen des Bezirks beſſer durch einen Repräſentanten der mit denſelben identificirt iſt vertreten werden, als durch einen Volksrepräſentanten der außer- halb des Bezirks reſidirt. Durch dieſe Schollen-Repräſentation werden natürlich viele höchſt mittelmäßige Männer in den Congreß geſchickt, während große Intel- ligenzen, die ſich vorzugsweiſe in großen Städten aufhalten, vollſtändig ausgeſchloſſen find. Ein beſonderes Intereſſe gewährt der neueſte Cenſus von 1870 inſofern, als er den amerikaniſchen National-Typus feſtſtellt, nämlich: a) In der Fremde geboren find 5,556,546. b) Von den in der Fremde geborenen Eltern, ſei es Vater oder Mutter 10,892,015. Summe: 16,458,561. Dieſe Zahl iſt beinahe die Hälfte der Geſammtbevölkerung von 40 Millionen. Berückſichtigt man nun noch die zweite und frühere Generation Fremdgeborner in dieſem Lande, ſo zeigt ſich daß die Umänderung des amerikaniſchen Nationaltypus mit Rieſenſchritten vorangeht, und daß in kurzer Zeit der fremde Typus der vor- herrſchende ſein wird. Die Amalgamirung der Volksmenge in eine gleichartige Maſſe iſt bis jetzt noch nicht bewirkt, denn die mitgebrachten verſchiedenen Bil- dungsſtufen, die verſchiedenen Sprachen, Sitten und Gebräuche, überhaupt die ſocialen Verſchiedenheiten, bilden als heterogene Beſtandtheile gegenwärtig noch ein Hinderniß in der Amalgamirung. Ein näheres ethnologiſches Studium muß ſicher zu dem Schluſſe führen daß der amerikaniſche Typus im Untergehen begriffen iſt und durch bildungsfähige, körperlich und geiſtig ſolide fremde Beſtandtheile er- ſetzt wird. Schließlich füge ich ein Verzeichniß der Schulden der einzelnen Staaten der Union bei, in der Vorausſetzung daß ein ſolches Verzeichniß von Intereſſe und Nutzen für die Leſer der „Allg. Ztg.“ iſt, da verſchiedene amerikaniſche Staats- und Eiſenbahn-Obligationen auf der europäiſchen Börſe figuriren. Vorausſchicken will ich daß die Staaten Wisconſin, Weſt-Virginien, Nebraska, Miſſiſſippi durch- aus ſchuldenfrei und daher auf dem folgenden Verzeichniſſe nicht angegeben ſind, daß ferner die weſtlichen Staaten die wenigſten Schulden haben, und endlich in verſchiedenen Staaten, beſonders im Süden, ein großer Theil der Staatsſchulden zur Unterſtützung der Eiſenbahnen contrahirt iſt; Virginien ſchuldet den größten und Oregon den geringſten Betrag. Das Verzeichniß der Staatsſchulden iſt folgendes: Staat. Datum. Schuld. Alabama 1 October 1870 16,958,010 Dollars Arkanſas 27 April 1871 6,150,000 „ California 1 Mai 1871 3,506,000 „ Conneeticut 1 April 1871 6,775,900 „ Delaware 1 Mai 1871 1,402,000 „ Florida 1 Januar 1871 1,288,697 „ Georgia 1 Januar 1871 7,514,500 „ Illinois 1 März 1871 1,893,496 „ Indiana 31 October 1870 4,167,507 „ Iowa 1 Januar 1871 300,000 „ Kanſas 31 December 1870 1,341,675 „ Kentucky 10 October 1870 3,072,677 „ Louſiana 1 Januar 1870 22,560,233 „ Maine 1 Januar 1871 8,067,900 „ Maryland 30 September 1870 13,317,475 „ Maſſachuſetts 1 Januar 1871 16,682,068 „ Michigan 27 März 1871 2,376,292 „ Minneſota 1 Mai 1871 350,000 „ Miſſouri 1 Januar 1871 17,886,000 „ Nevada 1 Mai 1871 660,000 „ New-Hampſhire 1 Januar 1870 2,752,200 „ New-Jerſey 1 November 1870 2,896,200 „ New-York 1 October 1870 32,409,144 „ Rord-Carolina 1 October 1870 29,960,045 „ Ohio 5 November 1870 9,675,343 „

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine13_1872/3>, abgerufen am 25.11.2024.