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Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1830.

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[Spaltenumbruch] Pasquill sey oder nicht. Daß es aber ein solches sey, gehe sowol
aus dem Tone desselben hervor, als aus den Umständen, unter
denen es geschrieben worden. Denn Hr. Alexander habe sich nicht
entblödet, seine Angriffe auf die Minister wegen jener Maaßre-
gel auch alsdann noch zu machen, als sie bereits durch die drei
Gewalten der Legislatur sanktionirt gewesen, und auch als-
dann noch zu behaupten, daß der König unfrei handle. Das schöne
Vorrecht eines Königs von England sey die Freiheit; niemals
aber habe ein Monarch den Thron dieses Landes eingenommen,
der dieses Vorrecht mehr besessen habe, als der gegenwärtige; kei-
ner würde auch so sehr, als er, jeden Versuch zurükgewiesen ha-
ben, ihm irgend einen Zwang anzuthun. Man habe zwar in ei-
ner frühern Vertheidigung behaupten wollen, daß die Presse schon
weit Aergeres ins Publikum gebracht habe, ohne daß ein gericht-
liches Verfahren dawider eingeleitet worden sey; das könnte jedoch,
auch wenn es wahr wäre, keinen Entschuldigungsgrund abgeben.
Denn sollte wohl, weil Ein Vergehen der Verfolgung entschlüpft
sey, deshalb das andere ebenfalls frei seyn können? Woher wußte
übrigens der Pasquillant, daß der König nicht aus freiem Willen
handle? Was hat ihm den Aufschluß dazu gegeben, daß sich der
König dem Volke nicht zu zeigen wage? Wahrscheinlich die be-
kannte Prozession nach Windsor, die am Ende auf eine mit vier
Pferden bespannte Landkutsche hinauslief, der der König sich nicht
gezeigt hat. War dis jedoch ein Beweis von Unpopularität? Nie-
mand, selbst nicht der eifrigste Freund der freien Presse würde ge-
statten wollen, daß man den König so beleidige, und erwarte er
(der Generalanwald), daß die Jurp seinen eigenen Unwillen darüber
theilen werde. -- Wie bei dem vorigen Prozesse suchte der Advo-
kat des früheren Eigenthümers vom Morning-Journal die An-
klage von seinem Klienten ganz abzulenken; er wolle nicht unter-
suchen, sagte er, ob der inkriminirte Artikel ein Pasquill sey oder
nicht; das sey jedoch gewiß, daß sich der Herausgeber niemals um
den Inhalt seines Blattes bekümmert habe, und daher auch
nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. -- Hr. Alexander
(der Herausgeber des Journals und Verfasser des Artikels) ver-
theidigte sich selbst in einer langen, folgerecht durchgeführ-
ten Rede. Er tadelte es zunächst, daß der oben erwähnte Ad-
vokat die Sache seines Klienten von der der andern Angeklagten
trennen und die erstere, wenn auch auf Unkosten der leztern, ver-
theidigen wolle. Er würde besser gethan haben, ebenfalls zu be-
weisen, daß der inkriminirte Artikel kein Pasquill sey, denn die
Ausflucht, die er gebraucht, würde ihm nichts helfen, weil es
Recht sey, daß der eine Theilhaber an einem Geschäfte auch die
Fehler des andern mit vertreten helfe. Der Angeklagte ging hier-
auf näher auf die Natur des angeschuldigten Artikels ein, und
suchte darzuthun, daß es unmöglich ein Verbrechen zu nennen
sey, wenn Jemand, der übrigens vom Monarchen nur in den
respektvollsten Ausdrüken rede, die Lage desselben eine bemitleidens-
werthe nenne. Er gab zu bedenken, daß jener Artikel zu einer
Zeit geschrieben worden sey, wo die höchste Aufregung im Lande
geherrscht und er, als ein Publizist, es besonders für seine Pflicht
gehalten habe, auf das Dringliche der Gefahr aufmerksam zu ma-
chen. Seyen auch die Gränzen der Diskretion zuweilen von ihm
überschritten worden, so glaube er doch, daß die ungemeine Wich-
tigkeit des Gegenstandes es entschuldige. Falle man aber dem
Geseze und seinen Strafen durch Ausdrüke, wie die von ihm
gebrauchten, anheim, so wäre es in der That an der Zeit, je-
[Spaltenumbruch] des Zeitungs-Bureau zu schließen und die Drukerpressen in die
Themse zu werfen. Erkläre man jenen Artikel für ein Pasquill,
so werde es seine und jedes rechtschaffenen Mannes Pflicht, das Par-
lament um Einführung der Censur zu bitten, die unstreitig eine weit
größere Freiheit als ein solches Gesez gewähren werde. Keineswegs
habe er in seinem Artikel eine Handlung des Königs angegriffen,
sondern blos gesagt, daß der Monarch durch das Verfahren seiner
Minister in eine Lage versezt worden, die sehr gefährlich sey.
Zum Beweise führe er an, daß er zu jener Zeit von einem vor-
nehmen Herrn gefragt worden, ob es wohl für den König rath-
sam seyn würde, das Drurylane- oder Coventgarden-Theater zu
besuchen. Er habe darauf den ihm vom pflichtmäßigen Respekt
gegen den Monarchen eingegebenen Rath ertheilt, daß Se. Maj.
sich dem Wagnisse nicht aussezen möge, und dieser Rath sey an-
genommen worden, indem der König im Theater nicht erschienen
sey. (Man lacht.) "Der Herzog von Wellington, fuhr der Red-
ner fort, ist noch nicht König in diesem Lande; er ist hoffentlich
noch ein bloßer Unterthan und -- was in dieser Hinsicht nicht zu
übersehen ist -- Diener des Staats; als solcher muß er Jedem
das Recht gestatten, über ihn zu sagen, was eben Noth thut.
Ich habe von dem Herzoge nie anders, als wie von einem öffent-
lichen Beamten gesprochen. Ich bin nie in das Privatleben und
in den häuslichen Kreis irgend eines Mannes eingedrungen, und
habe durch keine Verläumdung irgend ein Familienglük gestört.
Andere Journalisten sind solcher Vergehen wegen schon vor Ge-
richt geladen worden; ich aber niemals. Man hat es auch zum
Gegenstande der Anklage gemacht, daß ich dem Herzoge von Wel-
lington ehrgeizige Absichten beimesse. Allein -- wer kan läug-
nen, daß der Herzog ehrgeizig war und ist? Hätte ich das Ge-
gentheil versichert, kein Mensch in England würde es mir geglaubt
haben. Die Anklage des Ehrgeizes ist eine ehrenvolle Anklage,
denn der Ehrgeiz ist eine hohe Tugend. Ohne Ehrgeiz wäre der
Herzog niemals Sieger bei Waterloo gewesen, und würde er auch
jezt nicht erster Minister von England seyn. Wenn aber etwas
Pasquillartiges in meinem Artikel zu finden wäre, so müßte es
das Wort "Ehrgeiz" seyn; denn den Ehrgeiz sieht man allgemein
auch als etwas Gefährliches an: ich frage also, ob es wohl ein
Pasquill zu nennen ist, wenn demnach der Herzog von Wellington
ein gefährlicher Minister genannt wird?" -- Nachdem der Gene-
ralanwald auf die Vertheidigung geantwortet, und Lord Tenterden
Anklage und Vertheidigung zusammengefaßt hatte, zog sich die
Jury zurük, und gab nach 31/2stündiger Berathung folgendes Ur-
theil ab: "Wir finden die Angeklagten schuldig eines Pasquills
gegen Se. Majestät, und entledigen sie der Anklage eines Pasquills
gegen die Regierung. Die Jury ist jedoch der Meynung, daß der
Artikel unter Umständen und zu einer Zeit geschrieben wurde, da
eine große, früher nie erhörte Aufregung herrschte, und empfiehlt
daher auch die Angeklagten der Gnade des Gerichtshofes."*) --
An demselben Tage wurde auch noch ein Prozeß gegen das Mor-
ning-Journal verhandelt. Die Herausgeber wurden angeklagt,
in ihrem Blatte vom 16 Jun. gesagt zu haben, daß die Regie-
rung sowol, als die Parlamentshäuser kein Mitgefühl für die

*) Auf ähnliche Weise wurde am darauf folgenden Tage ein Prozeß
gegen Hrn. Bell, den Herausgeber des Atlas, der eines Pasquills
gegen den Lordkanzler angeklagt war, entschieden. Die Jury er-
klärte ihn nemlich für schuldig, empfahl ihn aber der Gnade des
Gerichtshofs.

[Spaltenumbruch] Pasquill ſey oder nicht. Daß es aber ein ſolches ſey, gehe ſowol
aus dem Tone deſſelben hervor, als aus den Umſtänden, unter
denen es geſchrieben worden. Denn Hr. Alexander habe ſich nicht
entblödet, ſeine Angriffe auf die Miniſter wegen jener Maaßre-
gel auch alsdann noch zu machen, als ſie bereits durch die drei
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dann noch zu behaupten, daß der König unfrei handle. Das ſchöne
Vorrecht eines Königs von England ſey die Freiheit; niemals
aber habe ein Monarch den Thron dieſes Landes eingenommen,
der dieſes Vorrecht mehr beſeſſen habe, als der gegenwärtige; kei-
ner würde auch ſo ſehr, als er, jeden Verſuch zurükgewieſen ha-
ben, ihm irgend einen Zwang anzuthun. Man habe zwar in ei-
ner frühern Vertheidigung behaupten wollen, daß die Preſſe ſchon
weit Aergeres ins Publikum gebracht habe, ohne daß ein gericht-
liches Verfahren dawider eingeleitet worden ſey; das könnte jedoch,
auch wenn es wahr wäre, keinen Entſchuldigungsgrund abgeben.
Denn ſollte wohl, weil Ein Vergehen der Verfolgung entſchlüpft
ſey, deshalb das andere ebenfalls frei ſeyn können? Woher wußte
übrigens der Pasquillant, daß der König nicht aus freiem Willen
handle? Was hat ihm den Aufſchluß dazu gegeben, daß ſich der
König dem Volke nicht zu zeigen wage? Wahrſcheinlich die be-
kannte Prozeſſion nach Windſor, die am Ende auf eine mit vier
Pferden beſpannte Landkutſche hinauslief, der der König ſich nicht
gezeigt hat. War dis jedoch ein Beweis von Unpopularität? Nie-
mand, ſelbſt nicht der eifrigſte Freund der freien Preſſe würde ge-
ſtatten wollen, daß man den König ſo beleidige, und erwarte er
(der Generalanwald), daß die Jurp ſeinen eigenen Unwillen darüber
theilen werde. — Wie bei dem vorigen Prozeſſe ſuchte der Advo-
kat des früheren Eigenthümers vom Morning-Journal die An-
klage von ſeinem Klienten ganz abzulenken; er wolle nicht unter-
ſuchen, ſagte er, ob der inkriminirte Artikel ein Pasquill ſey oder
nicht; das ſey jedoch gewiß, daß ſich der Herausgeber niemals um
den Inhalt ſeines Blattes bekümmert habe, und daher auch
nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. — Hr. Alexander
(der Herausgeber des Journals und Verfaſſer des Artikels) ver-
theidigte ſich ſelbſt in einer langen, folgerecht durchgeführ-
ten Rede. Er tadelte es zunächſt, daß der oben erwähnte Ad-
vokat die Sache ſeines Klienten von der der andern Angeklagten
trennen und die erſtere, wenn auch auf Unkoſten der leztern, ver-
theidigen wolle. Er würde beſſer gethan haben, ebenfalls zu be-
weiſen, daß der inkriminirte Artikel kein Pasquill ſey, denn die
Ausflucht, die er gebraucht, würde ihm nichts helfen, weil es
Recht ſey, daß der eine Theilhaber an einem Geſchäfte auch die
Fehler des andern mit vertreten helfe. Der Angeklagte ging hier-
auf näher auf die Natur des angeſchuldigten Artikels ein, und
ſuchte darzuthun, daß es unmöglich ein Verbrechen zu nennen
ſey, wenn Jemand, der übrigens vom Monarchen nur in den
reſpektvollſten Ausdrüken rede, die Lage deſſelben eine bemitleidens-
werthe nenne. Er gab zu bedenken, daß jener Artikel zu einer
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geherrſcht und er, als ein Publiziſt, es beſonders für ſeine Pflicht
gehalten habe, auf das Dringliche der Gefahr aufmerkſam zu ma-
chen. Seyen auch die Gränzen der Diskretion zuweilen von ihm
überſchritten worden, ſo glaube er doch, daß die ungemeine Wich-
tigkeit des Gegenſtandes es entſchuldige. Falle man aber dem
Geſeze und ſeinen Strafen durch Ausdrüke, wie die von ihm
gebrauchten, anheim, ſo wäre es in der That an der Zeit, je-
[Spaltenumbruch] des Zeitungs-Bureau zu ſchließen und die Drukerpreſſen in die
Themſe zu werfen. Erkläre man jenen Artikel für ein Pasquill,
ſo werde es ſeine und jedes rechtſchaffenen Mannes Pflicht, das Par-
lament um Einführung der Cenſur zu bitten, die unſtreitig eine weit
größere Freiheit als ein ſolches Geſez gewähren werde. Keineswegs
habe er in ſeinem Artikel eine Handlung des Königs angegriffen,
ſondern blos geſagt, daß der Monarch durch das Verfahren ſeiner
Miniſter in eine Lage verſezt worden, die ſehr gefährlich ſey.
Zum Beweiſe führe er an, daß er zu jener Zeit von einem vor-
nehmen Herrn gefragt worden, ob es wohl für den König rath-
ſam ſeyn würde, das Drurylane- oder Coventgarden-Theater zu
beſuchen. Er habe darauf den ihm vom pflichtmäßigen Reſpekt
gegen den Monarchen eingegebenen Rath ertheilt, daß Se. Maj.
ſich dem Wagniſſe nicht ausſezen möge, und dieſer Rath ſey an-
genommen worden, indem der König im Theater nicht erſchienen
ſey. (Man lacht.) „Der Herzog von Wellington, fuhr der Red-
ner fort, iſt noch nicht König in dieſem Lande; er iſt hoffentlich
noch ein bloßer Unterthan und — was in dieſer Hinſicht nicht zu
überſehen iſt — Diener des Staats; als ſolcher muß er Jedem
das Recht geſtatten, über ihn zu ſagen, was eben Noth thut.
Ich habe von dem Herzoge nie anders, als wie von einem öffent-
lichen Beamten geſprochen. Ich bin nie in das Privatleben und
in den häuslichen Kreis irgend eines Mannes eingedrungen, und
habe durch keine Verläumdung irgend ein Familienglük geſtört.
Andere Journaliſten ſind ſolcher Vergehen wegen ſchon vor Ge-
richt geladen worden; ich aber niemals. Man hat es auch zum
Gegenſtande der Anklage gemacht, daß ich dem Herzoge von Wel-
lington ehrgeizige Abſichten beimeſſe. Allein — wer kan läug-
nen, daß der Herzog ehrgeizig war und iſt? Hätte ich das Ge-
gentheil verſichert, kein Menſch in England würde es mir geglaubt
haben. Die Anklage des Ehrgeizes iſt eine ehrenvolle Anklage,
denn der Ehrgeiz iſt eine hohe Tugend. Ohne Ehrgeiz wäre der
Herzog niemals Sieger bei Waterloo geweſen, und würde er auch
jezt nicht erſter Miniſter von England ſeyn. Wenn aber etwas
Pasquillartiges in meinem Artikel zu finden wäre, ſo müßte es
das Wort „Ehrgeiz“ ſeyn; denn den Ehrgeiz ſieht man allgemein
auch als etwas Gefährliches an: ich frage alſo, ob es wohl ein
Pasquill zu nennen iſt, wenn demnach der Herzog von Wellington
ein gefährlicher Miniſter genannt wird?“ — Nachdem der Gene-
ralanwald auf die Vertheidigung geantwortet, und Lord Tenterden
Anklage und Vertheidigung zuſammengefaßt hatte, zog ſich die
Jury zurük, und gab nach 3½ſtündiger Berathung folgendes Ur-
theil ab: „Wir finden die Angeklagten ſchuldig eines Pasquills
gegen Se. Majeſtät, und entledigen ſie der Anklage eines Pasquills
gegen die Regierung. Die Jury iſt jedoch der Meynung, daß der
Artikel unter Umſtänden und zu einer Zeit geſchrieben wurde, da
eine große, früher nie erhörte Aufregung herrſchte, und empfiehlt
daher auch die Angeklagten der Gnade des Gerichtshofes.“*)
An demſelben Tage wurde auch noch ein Prozeß gegen das Mor-
ning-Journal verhandelt. Die Herausgeber wurden angeklagt,
in ihrem Blatte vom 16 Jun. geſagt zu haben, daß die Regie-
rung ſowol, als die Parlamentshäuſer kein Mitgefühl für die

*) Auf ähnliche Weiſe wurde am darauf folgenden Tage ein Prozeß
gegen Hrn. Bell, den Herausgeber des Atlas, der eines Pasquills
gegen den Lordkanzler angeklagt war, entſchieden. Die Jury er-
klärte ihn nemlich für ſchuldig, empfahl ihn aber der Gnade des
Gerichtshofs.
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[50/0006] Pasquill ſey oder nicht. Daß es aber ein ſolches ſey, gehe ſowol aus dem Tone deſſelben hervor, als aus den Umſtänden, unter denen es geſchrieben worden. Denn Hr. Alexander habe ſich nicht entblödet, ſeine Angriffe auf die Miniſter wegen jener Maaßre- gel auch alsdann noch zu machen, als ſie bereits durch die drei Gewalten der Legislatur ſanktionirt geweſen, und auch als- dann noch zu behaupten, daß der König unfrei handle. Das ſchöne Vorrecht eines Königs von England ſey die Freiheit; niemals aber habe ein Monarch den Thron dieſes Landes eingenommen, der dieſes Vorrecht mehr beſeſſen habe, als der gegenwärtige; kei- ner würde auch ſo ſehr, als er, jeden Verſuch zurükgewieſen ha- ben, ihm irgend einen Zwang anzuthun. Man habe zwar in ei- ner frühern Vertheidigung behaupten wollen, daß die Preſſe ſchon weit Aergeres ins Publikum gebracht habe, ohne daß ein gericht- liches Verfahren dawider eingeleitet worden ſey; das könnte jedoch, auch wenn es wahr wäre, keinen Entſchuldigungsgrund abgeben. Denn ſollte wohl, weil Ein Vergehen der Verfolgung entſchlüpft ſey, deshalb das andere ebenfalls frei ſeyn können? Woher wußte übrigens der Pasquillant, daß der König nicht aus freiem Willen handle? Was hat ihm den Aufſchluß dazu gegeben, daß ſich der König dem Volke nicht zu zeigen wage? Wahrſcheinlich die be- kannte Prozeſſion nach Windſor, die am Ende auf eine mit vier Pferden beſpannte Landkutſche hinauslief, der der König ſich nicht gezeigt hat. War dis jedoch ein Beweis von Unpopularität? Nie- mand, ſelbſt nicht der eifrigſte Freund der freien Preſſe würde ge- ſtatten wollen, daß man den König ſo beleidige, und erwarte er (der Generalanwald), daß die Jurp ſeinen eigenen Unwillen darüber theilen werde. — Wie bei dem vorigen Prozeſſe ſuchte der Advo- kat des früheren Eigenthümers vom Morning-Journal die An- klage von ſeinem Klienten ganz abzulenken; er wolle nicht unter- ſuchen, ſagte er, ob der inkriminirte Artikel ein Pasquill ſey oder nicht; das ſey jedoch gewiß, daß ſich der Herausgeber niemals um den Inhalt ſeines Blattes bekümmert habe, und daher auch nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. — Hr. Alexander (der Herausgeber des Journals und Verfaſſer des Artikels) ver- theidigte ſich ſelbſt in einer langen, folgerecht durchgeführ- ten Rede. Er tadelte es zunächſt, daß der oben erwähnte Ad- vokat die Sache ſeines Klienten von der der andern Angeklagten trennen und die erſtere, wenn auch auf Unkoſten der leztern, ver- theidigen wolle. Er würde beſſer gethan haben, ebenfalls zu be- weiſen, daß der inkriminirte Artikel kein Pasquill ſey, denn die Ausflucht, die er gebraucht, würde ihm nichts helfen, weil es Recht ſey, daß der eine Theilhaber an einem Geſchäfte auch die Fehler des andern mit vertreten helfe. Der Angeklagte ging hier- auf näher auf die Natur des angeſchuldigten Artikels ein, und ſuchte darzuthun, daß es unmöglich ein Verbrechen zu nennen ſey, wenn Jemand, der übrigens vom Monarchen nur in den reſpektvollſten Ausdrüken rede, die Lage deſſelben eine bemitleidens- werthe nenne. Er gab zu bedenken, daß jener Artikel zu einer Zeit geſchrieben worden ſey, wo die höchſte Aufregung im Lande geherrſcht und er, als ein Publiziſt, es beſonders für ſeine Pflicht gehalten habe, auf das Dringliche der Gefahr aufmerkſam zu ma- chen. Seyen auch die Gränzen der Diskretion zuweilen von ihm überſchritten worden, ſo glaube er doch, daß die ungemeine Wich- tigkeit des Gegenſtandes es entſchuldige. Falle man aber dem Geſeze und ſeinen Strafen durch Ausdrüke, wie die von ihm gebrauchten, anheim, ſo wäre es in der That an der Zeit, je- des Zeitungs-Bureau zu ſchließen und die Drukerpreſſen in die Themſe zu werfen. Erkläre man jenen Artikel für ein Pasquill, ſo werde es ſeine und jedes rechtſchaffenen Mannes Pflicht, das Par- lament um Einführung der Cenſur zu bitten, die unſtreitig eine weit größere Freiheit als ein ſolches Geſez gewähren werde. Keineswegs habe er in ſeinem Artikel eine Handlung des Königs angegriffen, ſondern blos geſagt, daß der Monarch durch das Verfahren ſeiner Miniſter in eine Lage verſezt worden, die ſehr gefährlich ſey. Zum Beweiſe führe er an, daß er zu jener Zeit von einem vor- nehmen Herrn gefragt worden, ob es wohl für den König rath- ſam ſeyn würde, das Drurylane- oder Coventgarden-Theater zu beſuchen. Er habe darauf den ihm vom pflichtmäßigen Reſpekt gegen den Monarchen eingegebenen Rath ertheilt, daß Se. Maj. ſich dem Wagniſſe nicht ausſezen möge, und dieſer Rath ſey an- genommen worden, indem der König im Theater nicht erſchienen ſey. (Man lacht.) „Der Herzog von Wellington, fuhr der Red- ner fort, iſt noch nicht König in dieſem Lande; er iſt hoffentlich noch ein bloßer Unterthan und — was in dieſer Hinſicht nicht zu überſehen iſt — Diener des Staats; als ſolcher muß er Jedem das Recht geſtatten, über ihn zu ſagen, was eben Noth thut. Ich habe von dem Herzoge nie anders, als wie von einem öffent- lichen Beamten geſprochen. Ich bin nie in das Privatleben und in den häuslichen Kreis irgend eines Mannes eingedrungen, und habe durch keine Verläumdung irgend ein Familienglük geſtört. Andere Journaliſten ſind ſolcher Vergehen wegen ſchon vor Ge- richt geladen worden; ich aber niemals. Man hat es auch zum Gegenſtande der Anklage gemacht, daß ich dem Herzoge von Wel- lington ehrgeizige Abſichten beimeſſe. Allein — wer kan läug- nen, daß der Herzog ehrgeizig war und iſt? Hätte ich das Ge- gentheil verſichert, kein Menſch in England würde es mir geglaubt haben. Die Anklage des Ehrgeizes iſt eine ehrenvolle Anklage, denn der Ehrgeiz iſt eine hohe Tugend. Ohne Ehrgeiz wäre der Herzog niemals Sieger bei Waterloo geweſen, und würde er auch jezt nicht erſter Miniſter von England ſeyn. Wenn aber etwas Pasquillartiges in meinem Artikel zu finden wäre, ſo müßte es das Wort „Ehrgeiz“ ſeyn; denn den Ehrgeiz ſieht man allgemein auch als etwas Gefährliches an: ich frage alſo, ob es wohl ein Pasquill zu nennen iſt, wenn demnach der Herzog von Wellington ein gefährlicher Miniſter genannt wird?“ — Nachdem der Gene- ralanwald auf die Vertheidigung geantwortet, und Lord Tenterden Anklage und Vertheidigung zuſammengefaßt hatte, zog ſich die Jury zurük, und gab nach 3½ſtündiger Berathung folgendes Ur- theil ab: „Wir finden die Angeklagten ſchuldig eines Pasquills gegen Se. Majeſtät, und entledigen ſie der Anklage eines Pasquills gegen die Regierung. Die Jury iſt jedoch der Meynung, daß der Artikel unter Umſtänden und zu einer Zeit geſchrieben wurde, da eine große, früher nie erhörte Aufregung herrſchte, und empfiehlt daher auch die Angeklagten der Gnade des Gerichtshofes.“ *) — An demſelben Tage wurde auch noch ein Prozeß gegen das Mor- ning-Journal verhandelt. Die Herausgeber wurden angeklagt, in ihrem Blatte vom 16 Jun. geſagt zu haben, daß die Regie- rung ſowol, als die Parlamentshäuſer kein Mitgefühl für die *) Auf ähnliche Weiſe wurde am darauf folgenden Tage ein Prozeß gegen Hrn. Bell, den Herausgeber des Atlas, der eines Pasquills gegen den Lordkanzler angeklagt war, entſchieden. Die Jury er- klärte ihn nemlich für ſchuldig, empfahl ihn aber der Gnade des Gerichtshofs.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1830, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine13_1830/6>, abgerufen am 27.11.2024.