Allgemeine Zeitung, Nr. 138, 24. März 1908.Dienstag. 24. März 1908. München. Vorabendblatt. -- Nr. 138. Erscheint täglich 2mal. -- Einhundertelfter Jahrgang.Allgemeine Zeitung. Bezugspreis: Ausgabe B mit Wissenschaftlicher Beilage und Internationaler Wochenschrift in [Abbildung]
Insertionspreis: für die 7 gespaltene Kolonelzeile oder deren Raum im Morgenblatt Chefredakteur: Dr. Hermann Diez. Redaktion: Bayerstraße 57 Telephon 8432, 8433. = Druck und Verlag: Bayerische Druckerei & Verlagsanstalt, G. m. b. H., in München. = Expedition: Bayerstraße 57. Telephon 8430, 8431. [Spaltenumbruch] Das Neueste vom Tage. Bei der Neuwahl im Landtagswahlkreise Erding wurde der offi- Der Bureauvorstand der Kammer der Abgeordneten, Regierungs- Der frühere preußische Landwirtschaftsminister v. Podbielski Zwischen dem Abgeordneten Gröber und der Dreier- Der Wiener akademische Senat F. Wien, 22. März.zum Fall Wahrmund. Der Kampf der Geister fordert Opfer wie jeder an- In seiner letzten Sitzung des abgelaufenen Wintersemesters Bei der Sitzung des akademischen Senats fehlten die Von väterlicher Seite aus stammt meine Familie aus Wies- Da es zudem feststeht, daß Professor Wahrmund nicht, Zur Frage der Kirchenrechtsprofessuren wird uns von katholischer Seite noch geschrieben: "Der p. Innsbruck, 21. März. Der Hochschulausschuß der Politische Rundschau. Der Detailhandel und die neuesten sozialpolitischen Vorschläge. * Gegenüber den Beschlüssen der Reichstagskommission Einen originellen Steuergedanken behandelt der konservative Reichstagsabgeordnete v. Gers- Der Gedanke wird hier und dort mit Heiterkeit aufgenommen Dienstag. 24. März 1908. München. Vorabendblatt. — Nr. 138. Erſcheint täglich 2mal. — Einhundertelfter Jahrgang.Allgemeine Zeitung. Bezugspreis: Ausgabe B mit Wiſſenſchaftlicher Beilage und Internationaler Wochenſchrift in [Abbildung]
Inſertionspreis: für die 7 geſpaltene Kolonelzeile oder deren Raum im Morgenblatt Chefredakteur: Dr. Hermann Diez. Redaktion: Bayerſtraße 57 Telephon 8432, 8433. = Druck und Verlag: Bayeriſche Druckerei & Verlagsanſtalt, G. m. b. H., in München. = Expedition: Bayerſtraße 57. Telephon 8430, 8431. [Spaltenumbruch] Das Neueſte vom Tage. Bei der Neuwahl im Landtagswahlkreiſe Erding wurde der offi- Der Bureauvorſtand der Kammer der Abgeordneten, Regierungs- Der frühere preußiſche Landwirtſchaftsminiſter v. Podbielski Zwiſchen dem Abgeordneten Gröber und der Dreier- Der Wiener akademiſche Senat F. Wien, 22. März.zum Fall Wahrmund. Der Kampf der Geiſter fordert Opfer wie jeder an- In ſeiner letzten Sitzung des abgelaufenen Winterſemeſters Bei der Sitzung des akademiſchen Senats fehlten die Von väterlicher Seite aus ſtammt meine Familie aus Wies- Da es zudem feſtſteht, daß Profeſſor Wahrmund nicht, Zur Frage der Kirchenrechtsprofeſſuren wird uns von katholiſcher Seite noch geſchrieben: „Der p. Innsbruck, 21. März. Der Hochſchulausſchuß der Politiſche Rundſchau. Der Detailhandel und die neueſten ſozialpolitiſchen Vorſchläge. * Gegenüber den Beſchlüſſen der Reichstagskommiſſion Einen originellen Steuergedanken behandelt der konſervative Reichstagsabgeordnete v. Gers- Der Gedanke wird hier und dort mit Heiterkeit aufgenommen <TEI> <text> <pb facs="#f0001"/> <front> <titlePage type="heading"> <docDate>Dienstag. 24. März 1908. <hi rendition="#b">München.</hi> Vorabendblatt. — <hi rendition="#b">Nr. 138.</hi></docDate><lb/> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle> </titlePage><lb/> <note>Erſcheint täglich 2mal. — Einhundertelfter Jahrgang.</note><lb/> <div type="jExpedition" n="1"> <p><hi rendition="#g">Bezugspreis:</hi> Ausgabe <hi rendition="#aq">B</hi> mit Wiſſenſchaftlicher Beilage und Internationaler Wochenſchrift in<lb/> München 1.50 Mark monatlich frei ins Haus; durch die Poſt: 2. — Mark monatlich. Ausgabe <hi rendition="#aq">A</hi> (ohne<lb/> Beilage) in München 1. — Mark, durch die Poſt bezogen 1.50 Mark monatlich. Abonnements für<lb/> München: Expedition Bayerſtraße 57, deren Filialen und ſämtliche Zeitungs-Expeditionen; für<lb/> das Ausland: England: A. Siegle, 30 Lime Str. und The Anglo-Foreign Publiſhing Syndicate,<lb/> Ltd., 38 Coleman Str., in London; Frankreich, Portugal und Spanien: A. Ammel u. C. Klienckſieck<lb/> in Paris; das übrige Europa: die Poſtämter; Orient: das k. k. Poſtamt in Wien oder in Trieſt; Nord-<lb/> amerika: F. W. Chriſtern. E. Steiger & Co., Guſt. E. Stechert. Weſtermann & Co., ſämtlich in New York.</p><lb/> <figure/> <p><hi rendition="#g">Inſertionspreis:</hi> für die 7 geſpaltene Kolonelzeile oder deren Raum im Morgenblatt<lb/> 40 Pfennig, im Abendblatt 30 Pfennig, Lokale Anzeigen nach Tarif. Stellen-Geſuche 10 Pfennig.<lb/> Inſeraten-Annahme in München: Expedition Bayerſtraße 57, die Filialen der Allgemeinen<lb/> Zeitung und alle Annoncen-Expeditionen. — Generalvertretungen: für Oeſterreich-Ungarn<lb/> in Wien <hi rendition="#aq">V/I,</hi> Schönbrunner Str. 48 (Richard Jahn); Frankreich: John F. Jones & Co.,<lb/> 31 bis Rue du Faubourg Montmartre in Paris; England: John F. Jones & Co.,<lb/> 1 & 2 Snow Hill, Holborn-Viadukt, London; Rußland: L. & E. Metzl & Co., Moskau.<lb/> Mjasnitzkaja Haus Syſtow, St. Petersburg. Morskaja 11; Warſchau: Kral-Vorſtadt 53.</p> </div><lb/> <div type="imprint" n="1"> <p><hi rendition="#c">Chefredakteur: Dr. <hi rendition="#g">Hermann Diez</hi>.</hi><lb/> Verantwortlich: für den politiſchen Teil mit Ausnahme der bayeriſchen Politik Dr. <hi rendition="#g">Rudolf Dammert</hi>; für den bayeriſchen Teil Dr. <hi rendition="#g">Paul Buſching</hi>; für das Feuilleton und den „Sonntag“ <hi rendition="#g">Alfred Frhr. v. Menſi</hi>;<lb/> für die Wiſſenſchaftliche Beilage Dr. <hi rendition="#g">Oskar Bulle</hi>; für den Handelsteil <hi rendition="#g">Leo Jolles</hi>, ſämtlich in München.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Redaktion</hi>: Bayerſtraße 57 Telephon 8432, 8433. = Druck und Verlag: <hi rendition="#g">Bayeriſche Druckerei & Verlagsanſtalt</hi>, G. m. b. H., in München. = <hi rendition="#g">Expedition</hi>: Bayerſtraße 57. Telephon 8430, 8431.</p> </div> </front><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Neueſte vom Tage.</hi> </head><lb/> <p>Bei der Neuwahl im Landtagswahlkreiſe Erding wurde der offi-<lb/> zielle Kandidat des Zentrums, Herr <hi rendition="#g">Hupfer</hi>, mit ſehr großer<lb/> Mehrheit gewählt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Der Bureauvorſtand der Kammer der Abgeordneten, Regierungs-<lb/> direktor v. <hi rendition="#g">Dobner</hi>, iſt <hi rendition="#g">geſtorben</hi>.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Der frühere preußiſche Landwirtſchaftsminiſter v. <hi rendition="#g">Podbielski</hi><lb/> hat eine <hi rendition="#g">Kandidatur für das preußiſche Ab-<lb/> geordnetenhaus</hi> angenommen.</p><lb/> <p>Zwiſchen dem <hi rendition="#g">Abgeordneten Gröber</hi> und der <hi rendition="#g">Dreier-<lb/> Kommiſſion der Preſſevertreter</hi> des Reichstags<lb/> haben am Sonntag Verhandlungen ſtattgefunden, die erwarten<lb/> laſſen, daß den beleidigten Journaliſten <hi rendition="#g">volle Genug-<lb/> tuung</hi> wird.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Wiener akademiſche Senat<lb/> zum Fall Wahrmund.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#aq">F.</hi><hi rendition="#b">Wien,</hi> 22. März.</dateline><lb/> <p>Der Kampf der Geiſter fordert Opfer wie jeder an-<lb/> dere, aber er entbindet auch wohltätige Kräfte. Das zeigt<lb/> ſich auch in der Erklärung des Wiener akademiſchen Senats<lb/> anläßlich des Falles Wahrmund. Die Wiener Hochſchule<lb/> hat niemals gefehlt, wenn es ſich um die Verteidigung<lb/> geiſtiger Freiheit handelte; ihre letzte Kundgebung iſt aber<lb/> durch ihre imponierende Ruhe und Feſtigkeit, mit der ſie<lb/> den Angriff vornehmlich auf die Unabhängigkeit der Pro-<lb/> feſſoren des Kirchenrechts abwehrt, beſonders bemerkens-<lb/> wert. Sie läßt, was die Freiheit der Forſchung und der<lb/> Lehre betrifft, auch für dieſes Fach keine Ausnahme zu und<lb/> begründet dies mit unwiderleglichen Argumenten. Der<lb/> Bericht über die betreffende Sitzung des akademiſchen Se-<lb/> nats lautet:</p><lb/> <cit> <quote>In ſeiner letzten Sitzung des abgelaufenen Winterſemeſters<lb/> hat ſich auch der akademiſche Senat der Wiener Univerſität mit<lb/> der Frage beſchäftigt, ob <hi rendition="#g">ein Profeſſor des Kirchen-<lb/> rechtes</hi> an einer rechts- und ſtaatswiſſenſchaftlichen Fakultät<lb/><hi rendition="#g">ſeines Lehrauftrages für dieſes Fach verluſtig<lb/> erklärt</hi> werden könne, wenn er mit den <hi rendition="#g">Lehren der<lb/> katholiſchen Kirche</hi> in Widerſpruch gerät, und ob<lb/> es zuläſſig ſei, daß die <hi rendition="#g">Kontrolle</hi> über die Uebereinſtimmung<lb/> ſeiner Lehren mit denen der <hi rendition="#g">Kirche</hi> dieſer zuſtehe.<lb/> Der Senat hat es abgelehnt, ſich mit der Frage in der<lb/> Richtung zu beſchäftigen, als eine Einmengung in die Verwal-<lb/> tungstätigkeit des Staates von ſeiten eines auswärtigen Ver-<lb/> treters vorliegt und ſomit das Gebiet der auswärtigen Be-<lb/> ziehungen des Staates berührt wird. Um ſo mehr hatte er ſich<lb/> jedoch mit der Frage zu befaſſen, ob die Anerkennung jener vom<lb/> päpſtlichen Vertreter beanſpruchten Rechte in Widerſpruch ſtünde<lb/> mit den <hi rendition="#g">Grundlagen der Univerſitäten</hi>, welche<lb/> durch das Geſetz geſichert ſind. Sowohl durch die Staats-<lb/> grundgeſetze wie durch das Geſetz vom 7. Mai 1874 und vom<lb/> 27. April 1873, in deſſen erſten Artikel das Konkordat ſeinem<lb/> vollen Inhalt nach aufgehoben wurde, ferner durch die<lb/> allerhöchſte Entſchließung vom 11. April 1872 ſind <hi rendition="#g">die welt-<lb/> lichen Fakultäten jedem kirchlichen oder<lb/> konfeſſionellen Einfluß entrückt</hi>. Von dieſen<lb/> die Freiheit der Wiſſenſchaft und ihre Lehre garantierenden<lb/> Geſetzen gibt es <hi rendition="#g">keine Ausnahmen</hi>. Auch das <hi rendition="#g">Kirchen-<lb/> recht</hi>, wie es an den juriſtiſchen Fakultäten gelehrt wird, iſt<lb/> daher <hi rendition="#g">nicht eine katholiſche Wiſſenſchaft</hi>, ſon-<lb/> dern eine Wiſſenſchaft, welche die Geſchichte und Dogmatik<lb/> des Rechtes der Kirchen überhaupt ſowie ihre innere Verfaſſung<lb/> und die Stellung des Staates zu ihnen zu lehren hat. Je<lb/> nachdem die Kirche, deren Recht dargeſtellt wird, die katholiſche,<lb/> die orientaliſche oder eine proteſtantiſche iſt, wird durch die<lb/> beſondere Natur der einzelnen Kirchen <hi rendition="#g">zwar das Objekt,<lb/> nicht aber die wiſſenſchaftliche Behandlung<lb/> modifiziert</hi>. Um wiſſenſchaftlich klarzuſtellen, wie<lb/> die Rechtsſätze der Kirchen aus ihren Glaubensſätzen ent-<lb/> ſpringen, iſt es <hi rendition="#g">nicht notwendig</hi>, daß der Darſtellende<lb/> dieſe Glaubensſätze <hi rendition="#g">ſelbſt anerkennt</hi>, weshalb es auch<lb/> in einzelnen Staaten, wie in Deutſchland, vorkommt, daß ein<lb/> und dieſelbe Perſon katholiſches und proteſtantiſches Kirchen-<lb/> recht vorträgt. Es war daher niemals die Pflege des Kirchen-<lb/> rechtes auf Katholiken beſchränkt und glänzende Darſtellungen<lb/> des katholiſchen Kirchenrechtes ſind auch von Proteſtanten<lb/> (Sohm, Hinſchius, Stutz) ausgegangen.<lb/> Würden gegenteilige Anſprüche anerkannt werden, ſo würde<lb/> dies zugleich die Anerkennung jenes Geſichtspunktes be-<lb/> deuten, von dem die Normen des Konkordats ausgingen, daß<lb/> jede Lehre auf ihre Uebereinſtimmung mit den religiöſen Lehren<lb/> geprüft werden müßte, denn es gibt kein Gebiet des menſchlichen<lb/> Wiſſens, in das nicht religiöſe Lehren hineinſpielen und Anlaß<lb/> geben können zu beſtimmten Forderungen. Der Senat ſpricht<lb/> nur aus, was in den Grundgeſetzen unſeres Staates gewähr-<lb/> leiſtet iſt, wenn er betont, <hi rendition="#g">daß nur dem Staate die<lb/> Aufſicht über die Univerſitäten innerhalb<lb/> der geſetzlichen Schranken zuſteht</hi>, und er zweifelt<lb/> nicht, daß die Leitung des Miniſteriums dieſe Auffaſſung teilt.<lb/> Da aber der Verſuch, die Staatsverwaltung von ihrem durch die<lb/> Geſetze vorgeſchriebenen Wege abzudrängen, von ſo einfluß-<lb/> reicher Seite unternommen und von einer Minorität der öffent-<lb/> lichen Meinung beifällig begrüßt wurde, iſt nicht ausgeſchloſſen,<lb/> daß auf beſſer gewähltem Wege die Beſtrebungen ſich wieder-<lb/> holen werden, kirchlichen Einflüſſen in der Verwaltung des Uni-<lb/> verſitätsweſens Geltung zu verſchaffen. Beſtrebungen dieſer Art,<lb/><cb/> wie immer ſie ſich geltend machen mögen, <hi rendition="#g">unbeugſamen<lb/> Widerſtand entgegen zuſtellen</hi>, iſt eine durch das<lb/><hi rendition="#g">Lebensprinzip der Wiſſenſchaft</hi> gebotene Not-<lb/> wendigkeit.</quote> </cit><lb/> <p>Bei der Sitzung des akademiſchen Senats fehlten die<lb/> Vertreter der theologiſchen Fakultät, da ſie dem Nuntius<lb/> nicht direkt entgegentreten wollten. So war ihre Abſen-<lb/> tierung den Verhältniſſen angemeſſen. Uebrigens<lb/> wehen betreffs des päpſtlichen Geſandten wieder mil-<lb/> dere Lüfte. Seine Niederlage iſt offenſichtlich; man<lb/> möchte die Sache aber nicht auf die Spitze treiben<lb/> und die Regierungsorgane wollen, falls er ſeine<lb/> Polemik gegen das Miniſterium nicht fortſetzt, die<lb/> Sache fallen laſſen. Faſt könnte man ſagen, daß es um die<lb/> Sache der freien Forſchung in Oeſterreich beſſer beſtellt iſt,<lb/> wenn in Wien ein Nuntius reſidiert, der ſich ſelbſt die<lb/> eigene Autorität untergraben hat. Auch ſonſt iſt die Re-<lb/> gierung bemüht, beſchwichtigend zu wirken. Das ſoll in der<lb/> Weiſe geſchehen, daß, wie Ihrem Berichterſtatter mitge-<lb/> teilt wird, Profeſſor <hi rendition="#g">Wahrmund zunächſt einen<lb/> Urlaub nimmt, um dann wieder auf ſeinen<lb/> Poſten in Innsbruck zurückzukehren</hi>. Das<lb/> juriſtiſche Profeſſorenkollegium in Innsbruck hat dieſer<lb/> Löſung bereits den Weg gebahnt, indem es Dr. Wahrmund<lb/> nahe legte, angeſichts der unmittelbar bevorſtehenden Oſter-<lb/> ferien ſeine Vorleſungen zu ſiſtieren, damit nicht ein Zu-<lb/> ſammenſtoß der fortſchrittlichen und der klerikalen Studen-<lb/> ten die Ruhe der Hochſchule ſtöre. Uebrigens hat Profeſſor<lb/> Wahrmund ſelbſt das Wort genommen, um die nicht zu-<lb/> treffende Meldung von ſeiner jüdiſchen Abſtammung rich-<lb/> tigzuſtellen. Seine Mitteilung an das Tiroler Tagblatt<lb/> beſagt:</p><lb/> <cit> <quote>Von väterlicher Seite aus ſtammt meine Familie aus Wies-<lb/> baden. Die Stellung meines Vaters, Profeſſors Dr. Adolf Wahr-<lb/> mund, iſt bekannt. Mein <hi rendition="#g">Großvater</hi> war <hi rendition="#g">Proteſtant</hi>,<lb/> Bürger und kleiner Grundbeſitzer in Wiesbaden; mein <hi rendition="#g">Urgroß-<lb/> vater</hi>, ebenfalls <hi rendition="#g">Proteſtant</hi>, ſoll Zimmermann, gleichfalls in<lb/> Wiesbaden, geweſen ſein. Mütterlicherſeits iſt meine Familie<lb/> teils wieneriſchen, teils italieniſchen Urſprungs. Meine <hi rendition="#g">Mutter</hi><lb/> iſt <hi rendition="#g">Katholikin</hi> und die Tochter eines Oberkriegskommiſſars,<lb/> der ſeinerzeit in Peterwardein ſtationiert war. Meine Großmutter<lb/> war eine Reichsfreiin v. Albergotti und ſtammte aus einem ur-<lb/> alten italieniſchen Adelsgeſchlecht.</quote> </cit><lb/> <p>Da es zudem feſtſteht, daß Profeſſor Wahrmund nicht,<lb/> wie von klerikaler Seite behauptet worden iſt, ſein Lehr-<lb/> amt der Protektion der ultramontanen Partei verdankt,<lb/> ſondern wegen ſeiner freiſinnigen Auffaſſung ſeit zehn<lb/> Jahren häufig übergangen wurde, ſo iſt der Fall auch nach<lb/> der perſönlichen Seite aufgeklärt, und es iſt einleuchtend,<lb/> daß der Innsbrucker Profeſſor in ſeinem Kampfe gegen die<lb/> ultramontane Weltanſchauung bloß von innerſter Ueber-<lb/> zeugung und zugleich von religiöſen Motiven getragen iſt.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Zur Frage der Kirchenrechtsprofeſſuren</hi> </head><lb/> <p>wird uns von katholiſcher Seite noch geſchrieben: „Der<lb/> Nuntius behauptet, nur ein Katholik könne katholiſches<lb/> Kirchenrecht lehren. Dieſer Behauptung widerſpricht zu-<lb/> nächſt die Tatſache, daß das zweifellos beſte, heute noch un-<lb/> übertroffene Werk über katholiſches Kirchenrecht von dem<lb/> proteſtantiſchen Kirchenrechtslehrer Hinſchius verfaßt iſt.<lb/> An den deutſchen Univerſitäten wird katholiſches und pro-<lb/> teſtantiſches Kirchenrecht nicht getrennt, ſondern von dem<lb/> einen juriſtiſchen Vertreter für beide Fächer geleſen, der<lb/> verfaſſungsrechtlich weder Katholik noch Proteſtant zu ſein<lb/> braucht. In München trägt Prof. Stengel, in Würzburg<lb/> Prof. Meurer, in Wien Prof. Scherer katholiſches und pro-<lb/> teſtantiſches Kirchenrecht vor, und doch mußte, nach dem<lb/> Grundſatze der Wiener Nuntiatur, für jede Konfeſſion ein<lb/> gläubiger Juriſt dieſer Kirchengemeinſchaft beſtimmt wer-<lb/> den. Man braucht nur die Konſequenzen zu ziehen, um die<lb/> unheilvollen Folgen ſolcher Forderungen zu erkennen; ſie<lb/> rütteln an den Grundfeſten des paritätiſchen Staates.<lb/> Wie ſollte dann auch einem proteſtantiſchen oder ungläubi-<lb/> gen Gelehrten eine rein ſyſtematiſche, objektive Darlegung<lb/> des geltenden Rechtes unmöglich ſein? Freilich die Kirche<lb/> erkennt nur, der Notwendigkeit gehorchend, das ſtaatskirch-<lb/> liche Syſtem an. Die alten Rechtsforderungen beſtehen<lb/> fort, ſie ſind nur latent, d. h. können mißlicher Verhältniſſe<lb/> wegen nicht ausgeübt werden, wie z. B. die Ketzerverbren-<lb/> nung. Doch ſelbſt wenn ein Katholik auf dem Katheder<lb/> für kirchliches Recht ſäße, er dürfte nicht rütteln an den<lb/> Grundlagen der Verfaſſung, deren Hauptpfeiler Parität<lb/> und Gewiſſensfreiheit ſind. So proteſtiert der Nuntius am<lb/> Wiener Hofe zugleich gegen die Staatsverfaſſung wie gegen<lb/> die Wiſſenſchaft, der er die Fähigkeit, objektiv das Recht<lb/> feſtzuſtellen, abſpricht. Ein Staat, der ſolchen Anſprüchen<lb/> Rechnung trägt, verleugnet ſich ſelbſt und arbeitet an<lb/> ſeinem Untergang.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#aq">p.</hi><hi rendition="#b">Innsbruck,</hi> 21. März.</dateline> <p>Der <hi rendition="#g">Hochſchulausſchuß</hi> der<lb/><hi rendition="#g">deutſchfreiheitlichen Studentenſchaft</hi> an der<lb/> hieſigen Univerſität hielt geſtern abend eine Sitzung ab, bei<lb/> der folgende <hi rendition="#g">Reſolution</hi> beſchloſſen wurde: Die deutſchfrei-<lb/> heitliche Studentenſchaft Innsbruck verwahrt ſich auf das ent-<lb/> ſchiedenſte gegen die Angriffe, welche von klerikaler Seite gegen<lb/> Profeſſor Dr. Wahrmund erhoben wurden. Sie erblickt darin<lb/><cb/> einen neuerlichen Verſuch der Klerikalen, die Lehr- und Geiſtes-<lb/> freiheit zu unterdrücken, um die Hochſchulen zu erobern. Sie<lb/> verwahrt ſich ferner auf das ſchärfſte gegen die anmaßende Ein-<lb/> miſchung des päpſtlichen Nuntius in Angelegenheiten des Staates.<lb/> Die deutſchfreiheitliche Studentenſchaft bedauert aber auch die<lb/> läſſige Haltung der deutſchfreiheitlichen Abgeordneten, welchen<lb/> der Neunerausſchuß über alles zu gehen ſcheint. Sie vermag in<lb/> der ganzen Wahrmund-Angelegenheit nicht „nur eine ſimple,<lb/> tiroliſche Angelegenheit“ zu erblicken, ſondern eine für das ganze<lb/> Geiſtesleben Oeſterreichs ausſchlaggebende. Sie lehnt jede Ver-<lb/> antwortung für die auf Univerſitätsboden entſtehenden Folgen<lb/> ab und muß ſie denen zu tragen überlaſſen, welche dieſen Streit<lb/> in voller Abſicht heraufbeſchworen haben.“ — Heute abend findet<lb/> hier eine vom Deutſchen Wählerverein für Tirol einberufene<lb/><hi rendition="#g">öffentliche Verſammlung</hi> ſtatt, in welcher die Ange-<lb/> legenheit Wahrmund erörtert werden wird. Als Redner iſt<lb/> Reichsratsabgeordneter Malik angemeldet. — An <hi rendition="#g">Profeſſor<lb/> Wahrmund</hi> laufen täglich Hunderte von <hi rendition="#g">Zuſtimmungs-<lb/> telegrammen</hi> und Schreiben ein. Natürlich iſt auch die<lb/> Zahl der einlaufenden <hi rendition="#g">Schmäh- und Drohbriefe,</hi> die faſt<lb/> ſämtlich tiroliſchen Poſtſtempel zeigen, nicht gering. — Samstag<lb/> veranſtaltet die hieſige Ortsgruppe des Vereins „<hi rendition="#g">Freie<lb/> Schule</hi>“ eine große Kundgebung gegen den Ultramontanismus.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Rundſchau.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Detailhandel und die neueſten ſozialpolitiſchen<lb/> Vorſchläge.</hi> </head><lb/> <p>* Gegenüber den Beſchlüſſen der Reichstagskommiſſion<lb/> zu § 63 des Handelsgeſetzbuches macht ſich im Handel und<lb/> insbeſondere im Detailhandel eine ſtarke Gereiztheit gel-<lb/> tend, man macht darauf aufmerkſam, daß in ihrem ſozial-<lb/> politiſchen Uebereifer die Kommiſſion die Rückſicht auf die<lb/> Klein- und Mittelkaufleute durchaus vernachläſſigt habe<lb/> und man iſt recht unwillig darüber, daß die zahlreichen<lb/> Eingaben der Detailliſtenverbände eine gründliche Prüfung<lb/> nicht gefunden haben. Nicht minderen Unwillen haben<lb/> aber die Vorſchläge des Reichsamts des Innern über die<lb/> Erweiterung und Verſchärfung der Sonntagsruhe hervor-<lb/> gerufen, deren Durchführung allerdings zahlreiche kauf-<lb/> männiſche Exiſtenzen ſchwer treffen würden. Auch die er-<lb/> neut im Reichstage hervorgetretenen Beſtrebungen nach<lb/> Beſeitigung oder doch weſentlicher Beſchränkung der Kon-<lb/> kurrenzklauſel ſtoßen auf ſtarken Widerſtand auf ſeiten des<lb/> Handels. Man ſollte ſeitens der politiſchen Parteien und<lb/> insbeſondere ſeitens der verbündeten Regierungen dieſe<lb/> Stimmung der Kaufmannſchaft nicht unterſchätzen. Der<lb/> ſozialpolitiſche Uebereifer, der heute herrſcht, bedroht die<lb/> Intereſſen der Mittel- und Kleinkaufmannſchaft allerdings<lb/> in empfindlicher Weiſe, und man kann es verſtehen, wenn<lb/> ſich dieſelbe gegen die Beſtrebungen der Gehilfenſchaft zur<lb/> Wehr ſetzt. Uebrigens werden auch aus juriſtiſchen Kreiſen<lb/> neueſtens ernſte Bedenken gegen den ſozialpolitiſchen<lb/> Uebereifer geltend gemacht, der in den Beſchlüſſen der<lb/> Reichstagskommiſſion zu § 63 des Handelsgeſetzbuches und<lb/> in den Beſtrebungen zur Beſeitigung der Konkurrenzklauſel<lb/> zum Ausdruck kommt, die Aufſätze, welche kürzlich in der<lb/> Deutſchen Juriſtenzeitung und in dem Recht Oberlandes-<lb/> gerichtsrat Neukamp-Köln und Juſtizrat Dr. Fuld-Mainz<lb/> veröffentlicht, ſind ein Beweis hierfür.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Einen originellen Steuergedanken</hi> </head><lb/> <p>behandelt der konſervative Reichstagsabgeordnete v. <hi rendition="#g">Gers-<lb/> dorff</hi> in der Deutſchen Tageszeitung: <cit><quote>„Wenn man den von<lb/> Jahr zu Jahr ſteigenden Verkehr in den Reſtaurants beobachtet,<lb/> ſo kommt man unwillkürlich auf den Gedanken, den <hi rendition="#g">Konſum<lb/> in den Reſtaurants</hi>, der mit dem ſteigenden Verkehr<lb/> gleichmäßig gewachſen und in ganz Deutſchland einen enormen<lb/> Wert repräſentieren muß, zu einer Steuer heranzuziehen. Die<lb/> Reſtaurationsinhaber brauchen bei dieſem Vorſchlag nicht in Ent-<lb/> rüſtung zu geraten; ich will nicht ſie mit der Steuer belaſten.,<lb/> ſondern die <hi rendition="#g">Konſumenten</hi>. Ich denke mir die Steuer als<lb/> eine <hi rendition="#g">Quittungsſteuer</hi>. Jeder Inhaber einer Reſtauration<lb/> müßte geſetzlich gehalten ſein, von der Steuerbehörde ſteueramt-<lb/> lich abgeſtempelte Quittungsformulare, am zweckmäßigſten in<lb/> Blockform, zu erwerben, und nur gegen ſolche Speiſen, Getränke<lb/> uſw. zu verabfolgen. Der <hi rendition="#g">Verbrauch bis zu 1.50 Mark</hi><lb/> müßte von der Steuer frei bleiben, der von 1.50 bis 5.00 Mark<lb/> wäre mit 0.10 Mark, der von 5.00 bis 10.00 Mark mit 0.50 Mark,<lb/> über 10.00 Mark mit 1.00 Mark zu beſteuern. Eine Einteilung<lb/> in eine größere Anzahl von Steuerklaſſen, die zwar auf den erſten<lb/> Blick gerecht erſcheint, dürfte ſich nicht empfehlen, um nicht die<lb/> Möglichkeit einer <hi rendition="#g">Steuerdefraudation</hi> zu erleichtern.<lb/> Letztere iſt nicht in dem Maße zu befürchten, wie wohl angenom-<lb/> men werden könnte, da ihr einmal durch Strafbeſtimmung event.<lb/><hi rendition="#g">Konzeſſionsentziehung</hi> entgegengetreten werden könnte,<lb/> andrerſeits der Anreiz zu einer Umgehung der Steuer dadurch<lb/> ſehr gering iſt, daß die niedrigſte Stufe nur mit 0.10 Mark vor-<lb/> geſchlagen wird und ſich wohl kaum jemand, wenn er für 3 Mark<lb/> verzehrt, ſträuben wird, 10 Pfennig Steuer zu bezahlen, wenn<lb/> er ſich noch obendrein einer Anklage wegen Betrugs ausſetzt. Und<lb/> wenn jemand für 5 Mark und darüber konſumiert, dann iſt er<lb/> auch in der Lage, 0.50 Mark an das Reich abzugeben, ganz zu<lb/> ſchweigen von dem, der über 10 Mark auf einmal vertilgt, ver-<lb/> trinkt und verraucht und der eine Mark auf dem Altar des<lb/> Reiches opfern ſoll.“</quote></cit></p><lb/> <p>Der Gedanke wird hier und dort mit Heiterkeit aufgenommen<lb/> werden, aber er ſcheint uns in ſeinem Kern immerhin beachtens-<lb/> wert. Freilich, eine wirklich gerechte Ausführung dieſes Ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0001]
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Das Neueſte vom Tage.
Bei der Neuwahl im Landtagswahlkreiſe Erding wurde der offi-
zielle Kandidat des Zentrums, Herr Hupfer, mit ſehr großer
Mehrheit gewählt.
Der Bureauvorſtand der Kammer der Abgeordneten, Regierungs-
direktor v. Dobner, iſt geſtorben.
Der frühere preußiſche Landwirtſchaftsminiſter v. Podbielski
hat eine Kandidatur für das preußiſche Ab-
geordnetenhaus angenommen.
Zwiſchen dem Abgeordneten Gröber und der Dreier-
Kommiſſion der Preſſevertreter des Reichstags
haben am Sonntag Verhandlungen ſtattgefunden, die erwarten
laſſen, daß den beleidigten Journaliſten volle Genug-
tuung wird.
Der Wiener akademiſche Senat
zum Fall Wahrmund.
F. Wien, 22. März.
Der Kampf der Geiſter fordert Opfer wie jeder an-
dere, aber er entbindet auch wohltätige Kräfte. Das zeigt
ſich auch in der Erklärung des Wiener akademiſchen Senats
anläßlich des Falles Wahrmund. Die Wiener Hochſchule
hat niemals gefehlt, wenn es ſich um die Verteidigung
geiſtiger Freiheit handelte; ihre letzte Kundgebung iſt aber
durch ihre imponierende Ruhe und Feſtigkeit, mit der ſie
den Angriff vornehmlich auf die Unabhängigkeit der Pro-
feſſoren des Kirchenrechts abwehrt, beſonders bemerkens-
wert. Sie läßt, was die Freiheit der Forſchung und der
Lehre betrifft, auch für dieſes Fach keine Ausnahme zu und
begründet dies mit unwiderleglichen Argumenten. Der
Bericht über die betreffende Sitzung des akademiſchen Se-
nats lautet:
In ſeiner letzten Sitzung des abgelaufenen Winterſemeſters
hat ſich auch der akademiſche Senat der Wiener Univerſität mit
der Frage beſchäftigt, ob ein Profeſſor des Kirchen-
rechtes an einer rechts- und ſtaatswiſſenſchaftlichen Fakultät
ſeines Lehrauftrages für dieſes Fach verluſtig
erklärt werden könne, wenn er mit den Lehren der
katholiſchen Kirche in Widerſpruch gerät, und ob
es zuläſſig ſei, daß die Kontrolle über die Uebereinſtimmung
ſeiner Lehren mit denen der Kirche dieſer zuſtehe.
Der Senat hat es abgelehnt, ſich mit der Frage in der
Richtung zu beſchäftigen, als eine Einmengung in die Verwal-
tungstätigkeit des Staates von ſeiten eines auswärtigen Ver-
treters vorliegt und ſomit das Gebiet der auswärtigen Be-
ziehungen des Staates berührt wird. Um ſo mehr hatte er ſich
jedoch mit der Frage zu befaſſen, ob die Anerkennung jener vom
päpſtlichen Vertreter beanſpruchten Rechte in Widerſpruch ſtünde
mit den Grundlagen der Univerſitäten, welche
durch das Geſetz geſichert ſind. Sowohl durch die Staats-
grundgeſetze wie durch das Geſetz vom 7. Mai 1874 und vom
27. April 1873, in deſſen erſten Artikel das Konkordat ſeinem
vollen Inhalt nach aufgehoben wurde, ferner durch die
allerhöchſte Entſchließung vom 11. April 1872 ſind die welt-
lichen Fakultäten jedem kirchlichen oder
konfeſſionellen Einfluß entrückt. Von dieſen
die Freiheit der Wiſſenſchaft und ihre Lehre garantierenden
Geſetzen gibt es keine Ausnahmen. Auch das Kirchen-
recht, wie es an den juriſtiſchen Fakultäten gelehrt wird, iſt
daher nicht eine katholiſche Wiſſenſchaft, ſon-
dern eine Wiſſenſchaft, welche die Geſchichte und Dogmatik
des Rechtes der Kirchen überhaupt ſowie ihre innere Verfaſſung
und die Stellung des Staates zu ihnen zu lehren hat. Je
nachdem die Kirche, deren Recht dargeſtellt wird, die katholiſche,
die orientaliſche oder eine proteſtantiſche iſt, wird durch die
beſondere Natur der einzelnen Kirchen zwar das Objekt,
nicht aber die wiſſenſchaftliche Behandlung
modifiziert. Um wiſſenſchaftlich klarzuſtellen, wie
die Rechtsſätze der Kirchen aus ihren Glaubensſätzen ent-
ſpringen, iſt es nicht notwendig, daß der Darſtellende
dieſe Glaubensſätze ſelbſt anerkennt, weshalb es auch
in einzelnen Staaten, wie in Deutſchland, vorkommt, daß ein
und dieſelbe Perſon katholiſches und proteſtantiſches Kirchen-
recht vorträgt. Es war daher niemals die Pflege des Kirchen-
rechtes auf Katholiken beſchränkt und glänzende Darſtellungen
des katholiſchen Kirchenrechtes ſind auch von Proteſtanten
(Sohm, Hinſchius, Stutz) ausgegangen.
Würden gegenteilige Anſprüche anerkannt werden, ſo würde
dies zugleich die Anerkennung jenes Geſichtspunktes be-
deuten, von dem die Normen des Konkordats ausgingen, daß
jede Lehre auf ihre Uebereinſtimmung mit den religiöſen Lehren
geprüft werden müßte, denn es gibt kein Gebiet des menſchlichen
Wiſſens, in das nicht religiöſe Lehren hineinſpielen und Anlaß
geben können zu beſtimmten Forderungen. Der Senat ſpricht
nur aus, was in den Grundgeſetzen unſeres Staates gewähr-
leiſtet iſt, wenn er betont, daß nur dem Staate die
Aufſicht über die Univerſitäten innerhalb
der geſetzlichen Schranken zuſteht, und er zweifelt
nicht, daß die Leitung des Miniſteriums dieſe Auffaſſung teilt.
Da aber der Verſuch, die Staatsverwaltung von ihrem durch die
Geſetze vorgeſchriebenen Wege abzudrängen, von ſo einfluß-
reicher Seite unternommen und von einer Minorität der öffent-
lichen Meinung beifällig begrüßt wurde, iſt nicht ausgeſchloſſen,
daß auf beſſer gewähltem Wege die Beſtrebungen ſich wieder-
holen werden, kirchlichen Einflüſſen in der Verwaltung des Uni-
verſitätsweſens Geltung zu verſchaffen. Beſtrebungen dieſer Art,
wie immer ſie ſich geltend machen mögen, unbeugſamen
Widerſtand entgegen zuſtellen, iſt eine durch das
Lebensprinzip der Wiſſenſchaft gebotene Not-
wendigkeit.
Bei der Sitzung des akademiſchen Senats fehlten die
Vertreter der theologiſchen Fakultät, da ſie dem Nuntius
nicht direkt entgegentreten wollten. So war ihre Abſen-
tierung den Verhältniſſen angemeſſen. Uebrigens
wehen betreffs des päpſtlichen Geſandten wieder mil-
dere Lüfte. Seine Niederlage iſt offenſichtlich; man
möchte die Sache aber nicht auf die Spitze treiben
und die Regierungsorgane wollen, falls er ſeine
Polemik gegen das Miniſterium nicht fortſetzt, die
Sache fallen laſſen. Faſt könnte man ſagen, daß es um die
Sache der freien Forſchung in Oeſterreich beſſer beſtellt iſt,
wenn in Wien ein Nuntius reſidiert, der ſich ſelbſt die
eigene Autorität untergraben hat. Auch ſonſt iſt die Re-
gierung bemüht, beſchwichtigend zu wirken. Das ſoll in der
Weiſe geſchehen, daß, wie Ihrem Berichterſtatter mitge-
teilt wird, Profeſſor Wahrmund zunächſt einen
Urlaub nimmt, um dann wieder auf ſeinen
Poſten in Innsbruck zurückzukehren. Das
juriſtiſche Profeſſorenkollegium in Innsbruck hat dieſer
Löſung bereits den Weg gebahnt, indem es Dr. Wahrmund
nahe legte, angeſichts der unmittelbar bevorſtehenden Oſter-
ferien ſeine Vorleſungen zu ſiſtieren, damit nicht ein Zu-
ſammenſtoß der fortſchrittlichen und der klerikalen Studen-
ten die Ruhe der Hochſchule ſtöre. Uebrigens hat Profeſſor
Wahrmund ſelbſt das Wort genommen, um die nicht zu-
treffende Meldung von ſeiner jüdiſchen Abſtammung rich-
tigzuſtellen. Seine Mitteilung an das Tiroler Tagblatt
beſagt:
Von väterlicher Seite aus ſtammt meine Familie aus Wies-
baden. Die Stellung meines Vaters, Profeſſors Dr. Adolf Wahr-
mund, iſt bekannt. Mein Großvater war Proteſtant,
Bürger und kleiner Grundbeſitzer in Wiesbaden; mein Urgroß-
vater, ebenfalls Proteſtant, ſoll Zimmermann, gleichfalls in
Wiesbaden, geweſen ſein. Mütterlicherſeits iſt meine Familie
teils wieneriſchen, teils italieniſchen Urſprungs. Meine Mutter
iſt Katholikin und die Tochter eines Oberkriegskommiſſars,
der ſeinerzeit in Peterwardein ſtationiert war. Meine Großmutter
war eine Reichsfreiin v. Albergotti und ſtammte aus einem ur-
alten italieniſchen Adelsgeſchlecht.
Da es zudem feſtſteht, daß Profeſſor Wahrmund nicht,
wie von klerikaler Seite behauptet worden iſt, ſein Lehr-
amt der Protektion der ultramontanen Partei verdankt,
ſondern wegen ſeiner freiſinnigen Auffaſſung ſeit zehn
Jahren häufig übergangen wurde, ſo iſt der Fall auch nach
der perſönlichen Seite aufgeklärt, und es iſt einleuchtend,
daß der Innsbrucker Profeſſor in ſeinem Kampfe gegen die
ultramontane Weltanſchauung bloß von innerſter Ueber-
zeugung und zugleich von religiöſen Motiven getragen iſt.
Zur Frage der Kirchenrechtsprofeſſuren
wird uns von katholiſcher Seite noch geſchrieben: „Der
Nuntius behauptet, nur ein Katholik könne katholiſches
Kirchenrecht lehren. Dieſer Behauptung widerſpricht zu-
nächſt die Tatſache, daß das zweifellos beſte, heute noch un-
übertroffene Werk über katholiſches Kirchenrecht von dem
proteſtantiſchen Kirchenrechtslehrer Hinſchius verfaßt iſt.
An den deutſchen Univerſitäten wird katholiſches und pro-
teſtantiſches Kirchenrecht nicht getrennt, ſondern von dem
einen juriſtiſchen Vertreter für beide Fächer geleſen, der
verfaſſungsrechtlich weder Katholik noch Proteſtant zu ſein
braucht. In München trägt Prof. Stengel, in Würzburg
Prof. Meurer, in Wien Prof. Scherer katholiſches und pro-
teſtantiſches Kirchenrecht vor, und doch mußte, nach dem
Grundſatze der Wiener Nuntiatur, für jede Konfeſſion ein
gläubiger Juriſt dieſer Kirchengemeinſchaft beſtimmt wer-
den. Man braucht nur die Konſequenzen zu ziehen, um die
unheilvollen Folgen ſolcher Forderungen zu erkennen; ſie
rütteln an den Grundfeſten des paritätiſchen Staates.
Wie ſollte dann auch einem proteſtantiſchen oder ungläubi-
gen Gelehrten eine rein ſyſtematiſche, objektive Darlegung
des geltenden Rechtes unmöglich ſein? Freilich die Kirche
erkennt nur, der Notwendigkeit gehorchend, das ſtaatskirch-
liche Syſtem an. Die alten Rechtsforderungen beſtehen
fort, ſie ſind nur latent, d. h. können mißlicher Verhältniſſe
wegen nicht ausgeübt werden, wie z. B. die Ketzerverbren-
nung. Doch ſelbſt wenn ein Katholik auf dem Katheder
für kirchliches Recht ſäße, er dürfte nicht rütteln an den
Grundlagen der Verfaſſung, deren Hauptpfeiler Parität
und Gewiſſensfreiheit ſind. So proteſtiert der Nuntius am
Wiener Hofe zugleich gegen die Staatsverfaſſung wie gegen
die Wiſſenſchaft, der er die Fähigkeit, objektiv das Recht
feſtzuſtellen, abſpricht. Ein Staat, der ſolchen Anſprüchen
Rechnung trägt, verleugnet ſich ſelbſt und arbeitet an
ſeinem Untergang.
p. Innsbruck, 21. März. Der Hochſchulausſchuß der
deutſchfreiheitlichen Studentenſchaft an der
hieſigen Univerſität hielt geſtern abend eine Sitzung ab, bei
der folgende Reſolution beſchloſſen wurde: Die deutſchfrei-
heitliche Studentenſchaft Innsbruck verwahrt ſich auf das ent-
ſchiedenſte gegen die Angriffe, welche von klerikaler Seite gegen
Profeſſor Dr. Wahrmund erhoben wurden. Sie erblickt darin
einen neuerlichen Verſuch der Klerikalen, die Lehr- und Geiſtes-
freiheit zu unterdrücken, um die Hochſchulen zu erobern. Sie
verwahrt ſich ferner auf das ſchärfſte gegen die anmaßende Ein-
miſchung des päpſtlichen Nuntius in Angelegenheiten des Staates.
Die deutſchfreiheitliche Studentenſchaft bedauert aber auch die
läſſige Haltung der deutſchfreiheitlichen Abgeordneten, welchen
der Neunerausſchuß über alles zu gehen ſcheint. Sie vermag in
der ganzen Wahrmund-Angelegenheit nicht „nur eine ſimple,
tiroliſche Angelegenheit“ zu erblicken, ſondern eine für das ganze
Geiſtesleben Oeſterreichs ausſchlaggebende. Sie lehnt jede Ver-
antwortung für die auf Univerſitätsboden entſtehenden Folgen
ab und muß ſie denen zu tragen überlaſſen, welche dieſen Streit
in voller Abſicht heraufbeſchworen haben.“ — Heute abend findet
hier eine vom Deutſchen Wählerverein für Tirol einberufene
öffentliche Verſammlung ſtatt, in welcher die Ange-
legenheit Wahrmund erörtert werden wird. Als Redner iſt
Reichsratsabgeordneter Malik angemeldet. — An Profeſſor
Wahrmund laufen täglich Hunderte von Zuſtimmungs-
telegrammen und Schreiben ein. Natürlich iſt auch die
Zahl der einlaufenden Schmäh- und Drohbriefe, die faſt
ſämtlich tiroliſchen Poſtſtempel zeigen, nicht gering. — Samstag
veranſtaltet die hieſige Ortsgruppe des Vereins „Freie
Schule“ eine große Kundgebung gegen den Ultramontanismus.
Politiſche Rundſchau.
Der Detailhandel und die neueſten ſozialpolitiſchen
Vorſchläge.
* Gegenüber den Beſchlüſſen der Reichstagskommiſſion
zu § 63 des Handelsgeſetzbuches macht ſich im Handel und
insbeſondere im Detailhandel eine ſtarke Gereiztheit gel-
tend, man macht darauf aufmerkſam, daß in ihrem ſozial-
politiſchen Uebereifer die Kommiſſion die Rückſicht auf die
Klein- und Mittelkaufleute durchaus vernachläſſigt habe
und man iſt recht unwillig darüber, daß die zahlreichen
Eingaben der Detailliſtenverbände eine gründliche Prüfung
nicht gefunden haben. Nicht minderen Unwillen haben
aber die Vorſchläge des Reichsamts des Innern über die
Erweiterung und Verſchärfung der Sonntagsruhe hervor-
gerufen, deren Durchführung allerdings zahlreiche kauf-
männiſche Exiſtenzen ſchwer treffen würden. Auch die er-
neut im Reichstage hervorgetretenen Beſtrebungen nach
Beſeitigung oder doch weſentlicher Beſchränkung der Kon-
kurrenzklauſel ſtoßen auf ſtarken Widerſtand auf ſeiten des
Handels. Man ſollte ſeitens der politiſchen Parteien und
insbeſondere ſeitens der verbündeten Regierungen dieſe
Stimmung der Kaufmannſchaft nicht unterſchätzen. Der
ſozialpolitiſche Uebereifer, der heute herrſcht, bedroht die
Intereſſen der Mittel- und Kleinkaufmannſchaft allerdings
in empfindlicher Weiſe, und man kann es verſtehen, wenn
ſich dieſelbe gegen die Beſtrebungen der Gehilfenſchaft zur
Wehr ſetzt. Uebrigens werden auch aus juriſtiſchen Kreiſen
neueſtens ernſte Bedenken gegen den ſozialpolitiſchen
Uebereifer geltend gemacht, der in den Beſchlüſſen der
Reichstagskommiſſion zu § 63 des Handelsgeſetzbuches und
in den Beſtrebungen zur Beſeitigung der Konkurrenzklauſel
zum Ausdruck kommt, die Aufſätze, welche kürzlich in der
Deutſchen Juriſtenzeitung und in dem Recht Oberlandes-
gerichtsrat Neukamp-Köln und Juſtizrat Dr. Fuld-Mainz
veröffentlicht, ſind ein Beweis hierfür.
Einen originellen Steuergedanken
behandelt der konſervative Reichstagsabgeordnete v. Gers-
dorff in der Deutſchen Tageszeitung: „Wenn man den von
Jahr zu Jahr ſteigenden Verkehr in den Reſtaurants beobachtet,
ſo kommt man unwillkürlich auf den Gedanken, den Konſum
in den Reſtaurants, der mit dem ſteigenden Verkehr
gleichmäßig gewachſen und in ganz Deutſchland einen enormen
Wert repräſentieren muß, zu einer Steuer heranzuziehen. Die
Reſtaurationsinhaber brauchen bei dieſem Vorſchlag nicht in Ent-
rüſtung zu geraten; ich will nicht ſie mit der Steuer belaſten.,
ſondern die Konſumenten. Ich denke mir die Steuer als
eine Quittungsſteuer. Jeder Inhaber einer Reſtauration
müßte geſetzlich gehalten ſein, von der Steuerbehörde ſteueramt-
lich abgeſtempelte Quittungsformulare, am zweckmäßigſten in
Blockform, zu erwerben, und nur gegen ſolche Speiſen, Getränke
uſw. zu verabfolgen. Der Verbrauch bis zu 1.50 Mark
müßte von der Steuer frei bleiben, der von 1.50 bis 5.00 Mark
wäre mit 0.10 Mark, der von 5.00 bis 10.00 Mark mit 0.50 Mark,
über 10.00 Mark mit 1.00 Mark zu beſteuern. Eine Einteilung
in eine größere Anzahl von Steuerklaſſen, die zwar auf den erſten
Blick gerecht erſcheint, dürfte ſich nicht empfehlen, um nicht die
Möglichkeit einer Steuerdefraudation zu erleichtern.
Letztere iſt nicht in dem Maße zu befürchten, wie wohl angenom-
men werden könnte, da ihr einmal durch Strafbeſtimmung event.
Konzeſſionsentziehung entgegengetreten werden könnte,
andrerſeits der Anreiz zu einer Umgehung der Steuer dadurch
ſehr gering iſt, daß die niedrigſte Stufe nur mit 0.10 Mark vor-
geſchlagen wird und ſich wohl kaum jemand, wenn er für 3 Mark
verzehrt, ſträuben wird, 10 Pfennig Steuer zu bezahlen, wenn
er ſich noch obendrein einer Anklage wegen Betrugs ausſetzt. Und
wenn jemand für 5 Mark und darüber konſumiert, dann iſt er
auch in der Lage, 0.50 Mark an das Reich abzugeben, ganz zu
ſchweigen von dem, der über 10 Mark auf einmal vertilgt, ver-
trinkt und verraucht und der eine Mark auf dem Altar des
Reiches opfern ſoll.“
Der Gedanke wird hier und dort mit Heiterkeit aufgenommen
werden, aber er ſcheint uns in ſeinem Kern immerhin beachtens-
wert. Freilich, eine wirklich gerechte Ausführung dieſes Ge-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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