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Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 15. Januar 1929.

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Dienstag. den 15. Januar "AZ am Abend" Nr. 12
[Spaltenumbruch]

Die Beisetzung des Großfürsten Rikolai Nikolajewitsch.

[Abbildung]

des Onkels des letzten Zaren und einstigen Generalissimus der russischen Armee, der vor
wenigen Tagen in Antibes (französische Riviera) starb, fand in Cannes in feierlicher
Weise statt. Die russischen Emigranten und die französische Regierung waren vertreten.



Schulmädchen ermorden ihre Lehrerin
Aus Furcht vor Strafe wegen sexueller Verfehlungen
[Spaltenumbruch]

Eine sonderbare Aufklärung hat, wie die
Frankfurter Zeitung amerikanischen Blät-
tern entnimmt, der vor kurzer Zeit an der
45 Jahre alten Lehrerin Anna Prehorst in
Stoutham (Virginia) begangene Mord ge-
funden. Die Lehrerin wurde fünf Tage vor
Weihnachten in dem von ihr allein bewohn-
tem Hause
enthauptet
aufgefunden, die Schränke waren erbrochen
und ihr Inhalt lag auf der Erde zerstreut
umher, Geld und Wertsachen waren jedoch
nicht geraubt worden.

In den Verdacht, das Verbrechen began-
gen zu haben, geriet zuerst die Schwester
der Ermordeten, welche mit ihr seit längerer
Zeit wegen eines Erbschaftsstreites in Un-
frieden lebte; diese konnte jedoch zweifellos
ihr Alibi nachweisen.

Bei den weiteren Rachforschungen fiel
besonders der Polizei auf, daß die an den
auf der Erde liegenden Wäschestücken be-
findlichen Fingerabdrücke von auffallend
kleinen Händen, und zwar nicht von einer,
sondern von drei Personen herrührten. Es
wurde weiter ermittelt, daß die Lehrerin
bei ihren Schülerinnen, zumeift 12--14jäh-
rigen Mädchen, nicht beliebt und besonders
wegen ihrer Strenge gefürchtet war.
Die Nachforschungen in der Klasse ergaben
denn auch, daß sie am Tage ihrer Ermor-
dung drei Mädchen, der 13 Jahre alten
Bethsy Michelson, der ebenso alten Allin
Rocheborough und der 14 Jahre alten Eve-
line Jellings, wegen sexueller Verfehlungen
sehr umfangreiche Strafarbeiten aufgegeben
hatte. Die Lehrerin war verpflichtet, den
Grund zu diesen Strafarbeiten stets der
Vorsteherin der Schule schriftlich mitzutei-
len; diese Niederschrift fertigte sie gewöhnlich
in ihrer Wohnung nach dem Unterricht an
und übergab sie dann am anderen Tag der
Vorsteherin.

Nun war die Lehrerin am Tage vor
ihrer Ermordung um 6 Uhr abends noch
gesehen worden, also zu einer Zeit, als sie
die Berichte über die Verfehlungen der
Mädchen schon angefertigt hatte. Diese Be-
richte sind in der Wohnung der Ermordeten
nicht mehr vorgefunden und waren auch
der Vorsteherin nicht übergeben worden.
Die drei Mädchen wurden nun einem stren-
gen Verhör unterworfen und
gestanden nach längerem Leugnen ein,
die Lehverin ermordet zu haben.

Alle drei befürchteten, daß die Vorsteherin
ihre Verfehlungen den Eltern mitteilen
würde, und hatten sehr strenge Bestrafung
zu erwarten. Gemeinsam haben sie sich daher
gegen sieben Uhr zur Lehrerin begeben, um
dieselbe zu bitten, der Vorsteherin ihre Ver-
fehlung nicht mitzuteilen. Miß Prehorst
lehnte ihre Bitte schroff ab und soll die
Mädchen noch verhöhnt haben. In ihrer
Angst ergriff die 13jährige Michelson ein
auf dem Tisch liegendes,
sehr scharfes Hackmesser
und schlug damit der Lehrerin an den
Hals; die Schlagader wurde verletzt und
Fräulein Prehorst stürzte zu Boden. Darauf
nahm ein Mädchen nach dem anderen das
Hackbeil und hieb damit der auf der Erde
Liegenden glatt den Kopf vom Rumpf ab.
Rachdem durchsuchten sie sämtliche Behält-
[Spaltenumbruch] nisse, bis sie die Berichte fanden, die sie
verbrannten, reinigten sich vom Blute und
es gelang ihnen, unbemerkt wieder das
Haus zu verlassen. Nach dem Geständnis
wurden die drei Mörderinnen in Haft ge-
nommen.



Deutsche Stunde in Bayern



6.45 Morgengymnastik.
12.55 Mittagskonzert. Ausgeführt mit Schall-
platten vom Musithaus Gebr. Nahr, G. m.
b. H., München, Westenriederstr. 21.
16.00 Unterthaltungskonzert des Kammerquartetts
Anny Rosenberger.
17.00 Kinderstunde.
17.45 Jugendstunde.
19.00 Der Weltrundfunk. Eine Vortragsreihe.
3. Allan A. Gullilund: Großbritannien.
19.30 Die Entstehung der großen europäischen
Vermögen (I).
Eine Vortragsreihe von
Geheimrat Professor Dr. Jakob Strieder.
20.00 Schlager der Saison (I). Anni Welden-Ka-
minski (Sopran) -- Carl König (Tenor)
-- Das Rundfunktrio.
21.00 Hanns Krug: Das Gesicht der Türkei.
21.20 Türkischer Abend. Gemeinsame Veranstal-
tung der europäischen Sender. Eva Wacch-
ter-Weishaar -- Rudolf Hoch -- Ferdinand
Classen -- Albert Spenger (Rezitationen)
-- Joachim von Delbrück (Leitung).
22.20 Abendmeldungen.
22.45 Uebertragung englischer Sender.
23.15--24.00 Tanzmusik. Kapelle Benno Sarsky.
Uebertragung aus dem Parkhotel, München.


Residenztheater.

In der Uraufführung von
Leonhard Franks Schauspiel "Karl und
Anna"
am Mittwoch. 16. Januar, sind die Da-
men Holtz, Pricken, Weinert und die Herren
Burkart. Holm, Holten, Lallinger, Martens, Ried-
müller, Wernicke beschäftigt. Inßenierung: Karl
Hans Böhm; Bühnenbild: Adolf Linnebach.



"Die Natur", sagte ein Philosoph, "findet immer
einen Ausgleich. Wenn ein Auge die Sehkraft
verliert, wird das andere stärker; wenn. man auf
einem Ohr schwerhörig oder taub wird, wird das
Gehör auf dem anderen feiner."

"Ja, ich glaube, daß du recht hast", sagt sein
Freund: "ich habe auch schon bemerkt, daß bei
einem Menschen, der ein kurzes Bein hat, das
andere länger ist."

("Lustige Blätter.")



Schweres Eisenbahnunglück in England
[Abbildung]

Bei Ashchurch unweit Tewkesbury fuhr ein Postexpreßzug einem Güterzug in die
Flanke. Vier Personen wurden getötet und großer Materialschaden verursacht.

[Spaltenumbruch]
Der Pantoffelheld in der Staatsoper

Ein lustiger Zwischenfall * Er läßt sich seine Unschuld bescheinigen

[Spaltenumbruch]

In der Berliner Staatsoper ereignete
sich ein höchst komischer Vorsall, dessen Mit-
wirkende
eine Katze und ein Pankoffelheld
waren. Es war gewissermaßen ein Inter-
mezzo, das sich zwischen dem zweiten und
dritten Akt der Opernaufführung ereignete.
Als die letzten Klänge des zweiten Aktes
verrauscht waren, kletterte plötzlich ein
Mann auf die Bühne und stellte sich in die
Nähe des Souffleurkastens vor den Vor-
hang, der inzwischen herabgelassen worden
war, hielt seine rechte Backe mit einem
Taschentuch fest und richtete ungefähr
folgende Ansprache
an die Zuhörer der Oper:

Ich bin auf der Durchreise in Berlin.
Während der Vorstellung wurde ich vor
einigen Minuten von einer Katze im Gesicht
gekratzt (dabei nahm er das Taschentuch
vom Gesicht fort und zeigte eine blutige
Schramme auf der Wange). Meine Frau,
die
sehr eiferfüchtig
ist, wird wohl kaum glauben, daß ich diese
Wunde in der Oper von einer Katze erhal-
ten habe. Ich wäre darum den Herrschaf-
[Spaltenumbruch] ten sehr dankbar, wenn sie mir bescheinigen
wollten, daß ich tatsächlich hier von einer
Katze gekratzt worden bin. Ich brauche die-
ses Zeugnis des häuslichen Friedens
wegen."

Dabei zog er einen großen Bogen unbe-
schriebenen Papiers aus der Tasche und bat
alle Zeugen, sich darauf zu verewigen. Die
Zuhörer machten sich den Spaß, durch
ihre Unterschrift zu bestätigen, daß der zu-
gereiste Herr tatsächlich die Wunde nicht
im Kampf mit einer verliebten Berlinerin
erhalten hatte, sondern von einer anmuti-
gen Katze.

Mehrere hundert Zuschauer erklärten sich
durch die Tat bereit, dieses zu bezeugen,
obwohl es keiner gesehen hatte, denn der
Vorgang spielte sich im Dunkeln ab. Be-
friedigt steckte der ängstliche Ehegatte
die kostbare Bescheinigung
in die Tasche, in der Hoffnung, daß seine
eifersüchtige, allem Anscheine nach auch sehr
energische Frau diesem Dokument gegen-
über werde schweigen müssen.

Als die Katze, das corpus delicti, schließ-
lich entdeckt wurde, wurde sie als Heldin
des komischen Intermezzos mit Jubel be-
grüßt.



Der gepfändete Misthaufen
Ein Gerichtsvollzieher in Nöten
[Spaltenumbruch]

Es ist keine Tragikomödie, die irgendein
Witzbold geschrieben hat, um seiner und vie-
ler anderer Erbitterung über das rigorose
Vorgehen der Vollstreckungsbeamten Aus-
druck zu geben. Es ist eine wahre Geschichte,
die in schlesischen Blättern zu lesen ist.

In peinliche Verlegenheit ist ein Gerichts-
vollzieher in Schweidnitz gekommen, der
mit großer Gewissenhaftigkeit seines Amtes
gewaltet hat. Bei einem Landwirt in Brei-
tenstein bei Schweidnitz, der schon zu wie-
derholten Malen ausgevfändet war, er-
schien nun wieder der Gerichtsvollzieher,
um zu pfänden.
Unentbehrliche Sachen in der Wirtschaft
waren nicht vorhanden, da erblickte der
Mann des Gesetzes den auf dem Hofe des
Grundstückes befindlichen Misthaufen: flugs
setzte er ein Protokoll auf und pfändete
diesen. Ein Siegel konnte er an das Pfand-
objekt nicht anlegen und überließ daher bis
zur Versteigerung den Misthaufen in Ge-
wahrsam des Schuldners. Damit war aber
der Ausgepfändete nicht einverstanden und
forderte, daß der Gerichtsvollzieher das
Pfandobjekt
umgehend von dem Gehöft schaffen
sollte und erhob deswegen Beschwerde ge-
gen den Beamten bei Gericht. Vergebens
suchte nun der Gerichtsvollzieher nach einem
Platz, wo er den Misthaufen bis zur Ver-
steigerung unterstellen könne, denn auch der
Besitzer der Pfandkammer weigerte sich
energisch, den übelriechenden Gegenstand da-
rin unterzustellen. Um aus der Verlegen-
heit zu kommen, setzte der Gerichtsvollzieher
die sofortige Zwangsversteigerung mit dem
Bemerken an, daß der Misthaufen einen
leicht verderblichen Gegenstand
darstelle. Darauf folgte prompt eine wei-
[Spaltenumbruch] tere Beschwerde gegen den Gerichtsvoll-
zieher wegen falscher Beurkundung. Bis
das Gericht über die Beschwerde erkannt
hat, dürften noch mehrere Tage vergehen.
In Breitenstein ist man sehr gespannt dar-
auf, ob nun der Misthaufen zur Versteige-
rung kommt und ob sich ein Kauflustiger
finden wird.

[irrelevantes Material]
Dienstag. den 15. Januar „AZ am Abend“ Nr. 12
[Spaltenumbruch]

Die Beiſetzung des Großfürſten Rikolai Nikolajewitſch.

[Abbildung]

des Onkels des letzten Zaren und einſtigen Generaliſſimus der ruſſiſchen Armee, der vor
wenigen Tagen in Antibes (franzöſiſche Riviera) ſtarb, fand in Cannes in feierlicher
Weiſe ſtatt. Die ruſſiſchen Emigranten und die franzöſiſche Regierung waren vertreten.



Schulmädchen ermorden ihre Lehrerin
Aus Furcht vor Strafe wegen ſexueller Verfehlungen
[Spaltenumbruch]

Eine ſonderbare Aufklärung hat, wie die
Frankfurter Zeitung amerikaniſchen Blät-
tern entnimmt, der vor kurzer Zeit an der
45 Jahre alten Lehrerin Anna Prehorſt in
Stoutham (Virginia) begangene Mord ge-
funden. Die Lehrerin wurde fünf Tage vor
Weihnachten in dem von ihr allein bewohn-
tem Hauſe
enthauptet
aufgefunden, die Schränke waren erbrochen
und ihr Inhalt lag auf der Erde zerſtreut
umher, Geld und Wertſachen waren jedoch
nicht geraubt worden.

In den Verdacht, das Verbrechen began-
gen zu haben, geriet zuerſt die Schweſter
der Ermordeten, welche mit ihr ſeit längerer
Zeit wegen eines Erbſchaftsſtreites in Un-
frieden lebte; dieſe konnte jedoch zweifellos
ihr Alibi nachweiſen.

Bei den weiteren Rachforſchungen fiel
beſonders der Polizei auf, daß die an den
auf der Erde liegenden Wäſcheſtücken be-
findlichen Fingerabdrücke von auffallend
kleinen Händen, und zwar nicht von einer,
ſondern von drei Perſonen herrührten. Es
wurde weiter ermittelt, daß die Lehrerin
bei ihren Schülerinnen, zumeift 12—14jäh-
rigen Mädchen, nicht beliebt und beſonders
wegen ihrer Strenge gefürchtet war.
Die Nachforſchungen in der Klaſſe ergaben
denn auch, daß ſie am Tage ihrer Ermor-
dung drei Mädchen, der 13 Jahre alten
Bethſy Michelſon, der ebenſo alten Allin
Rocheborough und der 14 Jahre alten Eve-
line Jellings, wegen ſexueller Verfehlungen
ſehr umfangreiche Strafarbeiten aufgegeben
hatte. Die Lehrerin war verpflichtet, den
Grund zu dieſen Strafarbeiten ſtets der
Vorſteherin der Schule ſchriftlich mitzutei-
len; dieſe Niederſchrift fertigte ſie gewöhnlich
in ihrer Wohnung nach dem Unterricht an
und übergab ſie dann am anderen Tag der
Vorſteherin.

Nun war die Lehrerin am Tage vor
ihrer Ermordung um 6 Uhr abends noch
geſehen worden, alſo zu einer Zeit, als ſie
die Berichte über die Verfehlungen der
Mädchen ſchon angefertigt hatte. Dieſe Be-
richte ſind in der Wohnung der Ermordeten
nicht mehr vorgefunden und waren auch
der Vorſteherin nicht übergeben worden.
Die drei Mädchen wurden nun einem ſtren-
gen Verhör unterworfen und
geſtanden nach längerem Leugnen ein,
die Lehverin ermordet zu haben.

Alle drei befürchteten, daß die Vorſteherin
ihre Verfehlungen den Eltern mitteilen
würde, und hatten ſehr ſtrenge Beſtrafung
zu erwarten. Gemeinſam haben ſie ſich daher
gegen ſieben Uhr zur Lehrerin begeben, um
dieſelbe zu bitten, der Vorſteherin ihre Ver-
fehlung nicht mitzuteilen. Miß Prehorſt
lehnte ihre Bitte ſchroff ab und ſoll die
Mädchen noch verhöhnt haben. In ihrer
Angſt ergriff die 13jährige Michelſon ein
auf dem Tiſch liegendes,
ſehr ſcharfes Hackmeſſer
und ſchlug damit der Lehrerin an den
Hals; die Schlagader wurde verletzt und
Fräulein Prehorſt ſtürzte zu Boden. Darauf
nahm ein Mädchen nach dem anderen das
Hackbeil und hieb damit der auf der Erde
Liegenden glatt den Kopf vom Rumpf ab.
Rachdem durchſuchten ſie ſämtliche Behält-
[Spaltenumbruch] niſſe, bis ſie die Berichte fanden, die ſie
verbrannten, reinigten ſich vom Blute und
es gelang ihnen, unbemerkt wieder das
Haus zu verlaſſen. Nach dem Geſtändnis
wurden die drei Mörderinnen in Haft ge-
nommen.



Deutsche Stunde in Bayern



6.45 Morgengymnaſtik.
12.55 Mittagskonzert. Ausgeführt mit Schall-
platten vom Muſithaus Gebr. Nahr, G. m.
b. H., München, Weſtenriederſtr. 21.
16.00 Unterthaltungskonzert des Kammerquartetts
Anny Roſenberger.
17.00 Kinderſtunde.
17.45 Jugendſtunde.
19.00 Der Weltrundfunk. Eine Vortragsreihe.
3. Allan A. Gullilund: Großbritannien.
19.30 Die Entſtehung der großen europäiſchen
Vermögen (I).
Eine Vortragsreihe von
Geheimrat Profeſſor Dr. Jakob Strieder.
20.00 Schlager der Saiſon (I). Anni Welden-Ka-
minſki (Sopran) — Carl König (Tenor)
— Das Rundfunktrio.
21.00 Hanns Krug: Das Geſicht der Türkei.
21.20 Türkiſcher Abend. Gemeinſame Veranſtal-
tung der europäiſchen Sender. Eva Wacch-
ter-Weishaar — Rudolf Hoch — Ferdinand
Claſſen — Albert Spenger (Rezitationen)
— Joachim von Delbrück (Leitung).
22.20 Abendmeldungen.
22.45 Uebertragung engliſcher Sender.
23.15—24.00 Tanzmuſik. Kapelle Benno Sarſky.
Uebertragung aus dem Parkhotel, München.


Reſidenztheater.

In der Uraufführung von
Leonhard Franks Schauſpiel „Karl und
Anna“
am Mittwoch. 16. Januar, ſind die Da-
men Holtz, Pricken, Weinert und die Herren
Burkart. Holm, Holten, Lallinger, Martens, Ried-
müller, Wernicke beſchäftigt. Inſzenierung: Karl
Hans Böhm; Bühnenbild: Adolf Linnebach.



„Die Natur“, ſagte ein Philoſoph, „findet immer
einen Ausgleich. Wenn ein Auge die Sehkraft
verliert, wird das andere ſtärker; wenn. man auf
einem Ohr ſchwerhörig oder taub wird, wird das
Gehör auf dem anderen feiner.“

„Ja, ich glaube, daß du recht haſt“, ſagt ſein
Freund: „ich habe auch ſchon bemerkt, daß bei
einem Menſchen, der ein kurzes Bein hat, das
andere länger iſt.“

(„Luſtige Blätter.“)



Schweres Eiſenbahnunglück in England
[Abbildung]

Bei Aſhchurch unweit Tewkesbury fuhr ein Poſtexpreßzug einem Güterzug in die
Flanke. Vier Perſonen wurden getötet und großer Materialſchaden verurſacht.

[Spaltenumbruch]
Der Pantoffelheld in der Staatsoper

Ein luſtiger Zwiſchenfall * Er läßt ſich ſeine Unſchuld beſcheinigen

[Spaltenumbruch]

In der Berliner Staatsoper ereignete
ſich ein höchſt komiſcher Vorſall, deſſen Mit-
wirkende
eine Katze und ein Pankoffelheld
waren. Es war gewiſſermaßen ein Inter-
mezzo, das ſich zwiſchen dem zweiten und
dritten Akt der Opernaufführung ereignete.
Als die letzten Klänge des zweiten Aktes
verrauſcht waren, kletterte plötzlich ein
Mann auf die Bühne und ſtellte ſich in die
Nähe des Souffleurkaſtens vor den Vor-
hang, der inzwiſchen herabgelaſſen worden
war, hielt ſeine rechte Backe mit einem
Taſchentuch feſt und richtete ungefähr
folgende Anſprache
an die Zuhörer der Oper:

Ich bin auf der Durchreiſe in Berlin.
Während der Vorſtellung wurde ich vor
einigen Minuten von einer Katze im Geſicht
gekratzt (dabei nahm er das Taſchentuch
vom Geſicht fort und zeigte eine blutige
Schramme auf der Wange). Meine Frau,
die
ſehr eiferfüchtig
iſt, wird wohl kaum glauben, daß ich dieſe
Wunde in der Oper von einer Katze erhal-
ten habe. Ich wäre darum den Herrſchaf-
[Spaltenumbruch] ten ſehr dankbar, wenn ſie mir beſcheinigen
wollten, daß ich tatſächlich hier von einer
Katze gekratzt worden bin. Ich brauche die-
ſes Zeugnis des häuslichen Friedens
wegen.“

Dabei zog er einen großen Bogen unbe-
ſchriebenen Papiers aus der Taſche und bat
alle Zeugen, ſich darauf zu verewigen. Die
Zuhörer machten ſich den Spaß, durch
ihre Unterſchrift zu beſtätigen, daß der zu-
gereiſte Herr tatſächlich die Wunde nicht
im Kampf mit einer verliebten Berlinerin
erhalten hatte, ſondern von einer anmuti-
gen Katze.

Mehrere hundert Zuſchauer erklärten ſich
durch die Tat bereit, dieſes zu bezeugen,
obwohl es keiner geſehen hatte, denn der
Vorgang ſpielte ſich im Dunkeln ab. Be-
friedigt ſteckte der ängſtliche Ehegatte
die koſtbare Beſcheinigung
in die Taſche, in der Hoffnung, daß ſeine
eiferſüchtige, allem Anſcheine nach auch ſehr
energiſche Frau dieſem Dokument gegen-
über werde ſchweigen müſſen.

Als die Katze, das corpus delicti, ſchließ-
lich entdeckt wurde, wurde ſie als Heldin
des komiſchen Intermezzos mit Jubel be-
grüßt.



Der gepfändete Miſthaufen
Ein Gerichtsvollzieher in Nöten
[Spaltenumbruch]

Es iſt keine Tragikomödie, die irgendein
Witzbold geſchrieben hat, um ſeiner und vie-
ler anderer Erbitterung über das rigoroſe
Vorgehen der Vollſtreckungsbeamten Aus-
druck zu geben. Es iſt eine wahre Geſchichte,
die in ſchleſiſchen Blättern zu leſen iſt.

In peinliche Verlegenheit iſt ein Gerichts-
vollzieher in Schweidnitz gekommen, der
mit großer Gewiſſenhaftigkeit ſeines Amtes
gewaltet hat. Bei einem Landwirt in Brei-
tenſtein bei Schweidnitz, der ſchon zu wie-
derholten Malen ausgevfändet war, er-
ſchien nun wieder der Gerichtsvollzieher,
um zu pfänden.
Unentbehrliche Sachen in der Wirtſchaft
waren nicht vorhanden, da erblickte der
Mann des Geſetzes den auf dem Hofe des
Grundſtückes befindlichen Miſthaufen: flugs
ſetzte er ein Protokoll auf und pfändete
dieſen. Ein Siegel konnte er an das Pfand-
objekt nicht anlegen und überließ daher bis
zur Verſteigerung den Miſthaufen in Ge-
wahrſam des Schuldners. Damit war aber
der Ausgepfändete nicht einverſtanden und
forderte, daß der Gerichtsvollzieher das
Pfandobjekt
umgehend von dem Gehöft ſchaffen
ſollte und erhob deswegen Beſchwerde ge-
gen den Beamten bei Gericht. Vergebens
ſuchte nun der Gerichtsvollzieher nach einem
Platz, wo er den Miſthaufen bis zur Ver-
ſteigerung unterſtellen könne, denn auch der
Beſitzer der Pfandkammer weigerte ſich
energiſch, den übelriechenden Gegenſtand da-
rin unterzuſtellen. Um aus der Verlegen-
heit zu kommen, ſetzte der Gerichtsvollzieher
die ſofortige Zwangsverſteigerung mit dem
Bemerken an, daß der Miſthaufen einen
leicht verderblichen Gegenſtand
darſtelle. Darauf folgte prompt eine wei-
[Spaltenumbruch] tere Beſchwerde gegen den Gerichtsvoll-
zieher wegen falſcher Beurkundung. Bis
das Gericht über die Beſchwerde erkannt
hat, dürften noch mehrere Tage vergehen.
In Breitenſtein iſt man ſehr geſpannt dar-
auf, ob nun der Miſthaufen zur Verſteige-
rung kommt und ob ſich ein Kaufluſtiger
finden wird.

[irrelevantes Material]
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[Seite 9[9]/0009] Dienstag. den 15. Januar „AZ am Abend“ Nr. 12 Die Beiſetzung des Großfürſten Rikolai Nikolajewitſch. [Abbildung] des Onkels des letzten Zaren und einſtigen Generaliſſimus der ruſſiſchen Armee, der vor wenigen Tagen in Antibes (franzöſiſche Riviera) ſtarb, fand in Cannes in feierlicher Weiſe ſtatt. Die ruſſiſchen Emigranten und die franzöſiſche Regierung waren vertreten. Schulmädchen ermorden ihre Lehrerin Aus Furcht vor Strafe wegen ſexueller Verfehlungen Eine ſonderbare Aufklärung hat, wie die Frankfurter Zeitung amerikaniſchen Blät- tern entnimmt, der vor kurzer Zeit an der 45 Jahre alten Lehrerin Anna Prehorſt in Stoutham (Virginia) begangene Mord ge- funden. Die Lehrerin wurde fünf Tage vor Weihnachten in dem von ihr allein bewohn- tem Hauſe enthauptet aufgefunden, die Schränke waren erbrochen und ihr Inhalt lag auf der Erde zerſtreut umher, Geld und Wertſachen waren jedoch nicht geraubt worden. In den Verdacht, das Verbrechen began- gen zu haben, geriet zuerſt die Schweſter der Ermordeten, welche mit ihr ſeit längerer Zeit wegen eines Erbſchaftsſtreites in Un- frieden lebte; dieſe konnte jedoch zweifellos ihr Alibi nachweiſen. Bei den weiteren Rachforſchungen fiel beſonders der Polizei auf, daß die an den auf der Erde liegenden Wäſcheſtücken be- findlichen Fingerabdrücke von auffallend kleinen Händen, und zwar nicht von einer, ſondern von drei Perſonen herrührten. Es wurde weiter ermittelt, daß die Lehrerin bei ihren Schülerinnen, zumeift 12—14jäh- rigen Mädchen, nicht beliebt und beſonders wegen ihrer Strenge gefürchtet war. Die Nachforſchungen in der Klaſſe ergaben denn auch, daß ſie am Tage ihrer Ermor- dung drei Mädchen, der 13 Jahre alten Bethſy Michelſon, der ebenſo alten Allin Rocheborough und der 14 Jahre alten Eve- line Jellings, wegen ſexueller Verfehlungen ſehr umfangreiche Strafarbeiten aufgegeben hatte. Die Lehrerin war verpflichtet, den Grund zu dieſen Strafarbeiten ſtets der Vorſteherin der Schule ſchriftlich mitzutei- len; dieſe Niederſchrift fertigte ſie gewöhnlich in ihrer Wohnung nach dem Unterricht an und übergab ſie dann am anderen Tag der Vorſteherin. Nun war die Lehrerin am Tage vor ihrer Ermordung um 6 Uhr abends noch geſehen worden, alſo zu einer Zeit, als ſie die Berichte über die Verfehlungen der Mädchen ſchon angefertigt hatte. Dieſe Be- richte ſind in der Wohnung der Ermordeten nicht mehr vorgefunden und waren auch der Vorſteherin nicht übergeben worden. Die drei Mädchen wurden nun einem ſtren- gen Verhör unterworfen und geſtanden nach längerem Leugnen ein, die Lehverin ermordet zu haben. Alle drei befürchteten, daß die Vorſteherin ihre Verfehlungen den Eltern mitteilen würde, und hatten ſehr ſtrenge Beſtrafung zu erwarten. Gemeinſam haben ſie ſich daher gegen ſieben Uhr zur Lehrerin begeben, um dieſelbe zu bitten, der Vorſteherin ihre Ver- fehlung nicht mitzuteilen. Miß Prehorſt lehnte ihre Bitte ſchroff ab und ſoll die Mädchen noch verhöhnt haben. In ihrer Angſt ergriff die 13jährige Michelſon ein auf dem Tiſch liegendes, ſehr ſcharfes Hackmeſſer und ſchlug damit der Lehrerin an den Hals; die Schlagader wurde verletzt und Fräulein Prehorſt ſtürzte zu Boden. Darauf nahm ein Mädchen nach dem anderen das Hackbeil und hieb damit der auf der Erde Liegenden glatt den Kopf vom Rumpf ab. Rachdem durchſuchten ſie ſämtliche Behält- niſſe, bis ſie die Berichte fanden, die ſie verbrannten, reinigten ſich vom Blute und es gelang ihnen, unbemerkt wieder das Haus zu verlaſſen. Nach dem Geſtändnis wurden die drei Mörderinnen in Haft ge- nommen. Deutsche Stunde in Bayern Mittwoch, 16. Januar 1929. 6.45 Morgengymnaſtik. 12.55 Mittagskonzert. Ausgeführt mit Schall- platten vom Muſithaus Gebr. Nahr, G. m. b. 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Januar, ſind die Da- men Holtz, Pricken, Weinert und die Herren Burkart. Holm, Holten, Lallinger, Martens, Ried- müller, Wernicke beſchäftigt. Inſzenierung: Karl Hans Böhm; Bühnenbild: Adolf Linnebach. „Die Natur“, ſagte ein Philoſoph, „findet immer einen Ausgleich. Wenn ein Auge die Sehkraft verliert, wird das andere ſtärker; wenn. man auf einem Ohr ſchwerhörig oder taub wird, wird das Gehör auf dem anderen feiner.“ „Ja, ich glaube, daß du recht haſt“, ſagt ſein Freund: „ich habe auch ſchon bemerkt, daß bei einem Menſchen, der ein kurzes Bein hat, das andere länger iſt.“ („Luſtige Blätter.“) Schweres Eiſenbahnunglück in England [Abbildung] Bei Aſhchurch unweit Tewkesbury fuhr ein Poſtexpreßzug einem Güterzug in die Flanke. Vier Perſonen wurden getötet und großer Materialſchaden verurſacht. Der Pantoffelheld in der Staatsoper Ein luſtiger Zwiſchenfall * Er läßt ſich ſeine Unſchuld beſcheinigen In der Berliner Staatsoper ereignete ſich ein höchſt komiſcher Vorſall, deſſen Mit- wirkende eine Katze und ein Pankoffelheld waren. Es war gewiſſermaßen ein Inter- mezzo, das ſich zwiſchen dem zweiten und dritten Akt der Opernaufführung ereignete. Als die letzten Klänge des zweiten Aktes verrauſcht waren, kletterte plötzlich ein Mann auf die Bühne und ſtellte ſich in die Nähe des Souffleurkaſtens vor den Vor- hang, der inzwiſchen herabgelaſſen worden war, hielt ſeine rechte Backe mit einem Taſchentuch feſt und richtete ungefähr folgende Anſprache an die Zuhörer der Oper: Ich bin auf der Durchreiſe in Berlin. Während der Vorſtellung wurde ich vor einigen Minuten von einer Katze im Geſicht gekratzt (dabei nahm er das Taſchentuch vom Geſicht fort und zeigte eine blutige Schramme auf der Wange). Meine Frau, die ſehr eiferfüchtig iſt, wird wohl kaum glauben, daß ich dieſe Wunde in der Oper von einer Katze erhal- ten habe. Ich wäre darum den Herrſchaf- ten ſehr dankbar, wenn ſie mir beſcheinigen wollten, daß ich tatſächlich hier von einer Katze gekratzt worden bin. Ich brauche die- ſes Zeugnis des häuslichen Friedens wegen.“ Dabei zog er einen großen Bogen unbe- ſchriebenen Papiers aus der Taſche und bat alle Zeugen, ſich darauf zu verewigen. Die Zuhörer machten ſich den Spaß, durch ihre Unterſchrift zu beſtätigen, daß der zu- gereiſte Herr tatſächlich die Wunde nicht im Kampf mit einer verliebten Berlinerin erhalten hatte, ſondern von einer anmuti- gen Katze. Mehrere hundert Zuſchauer erklärten ſich durch die Tat bereit, dieſes zu bezeugen, obwohl es keiner geſehen hatte, denn der Vorgang ſpielte ſich im Dunkeln ab. Be- friedigt ſteckte der ängſtliche Ehegatte die koſtbare Beſcheinigung in die Taſche, in der Hoffnung, daß ſeine eiferſüchtige, allem Anſcheine nach auch ſehr energiſche Frau dieſem Dokument gegen- über werde ſchweigen müſſen. Als die Katze, das corpus delicti, ſchließ- lich entdeckt wurde, wurde ſie als Heldin des komiſchen Intermezzos mit Jubel be- grüßt. Der gepfändete Miſthaufen Ein Gerichtsvollzieher in Nöten Es iſt keine Tragikomödie, die irgendein Witzbold geſchrieben hat, um ſeiner und vie- ler anderer Erbitterung über das rigoroſe Vorgehen der Vollſtreckungsbeamten Aus- druck zu geben. Es iſt eine wahre Geſchichte, die in ſchleſiſchen Blättern zu leſen iſt. In peinliche Verlegenheit iſt ein Gerichts- vollzieher in Schweidnitz gekommen, der mit großer Gewiſſenhaftigkeit ſeines Amtes gewaltet hat. Bei einem Landwirt in Brei- tenſtein bei Schweidnitz, der ſchon zu wie- derholten Malen ausgevfändet war, er- ſchien nun wieder der Gerichtsvollzieher, um zu pfänden. 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Um aus der Verlegen- heit zu kommen, ſetzte der Gerichtsvollzieher die ſofortige Zwangsverſteigerung mit dem Bemerken an, daß der Miſthaufen einen leicht verderblichen Gegenſtand darſtelle. Darauf folgte prompt eine wei- tere Beſchwerde gegen den Gerichtsvoll- zieher wegen falſcher Beurkundung. Bis das Gericht über die Beſchwerde erkannt hat, dürften noch mehrere Tage vergehen. In Breitenſtein iſt man ſehr geſpannt dar- auf, ob nun der Miſthaufen zur Verſteige- rung kommt und ob ſich ein Kaufluſtiger finden wird. _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2020-10-02T09:49:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 15. Januar 1929, S. Seite 9[9]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine12_1929/9>, abgerufen am 23.11.2024.