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Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 12. Januar 1924.

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Samstag, den 12. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 11
[Spaltenumbruch]
Bayerischer Landtag.
Sicherung der Wahlfreiheit.

Der Verfassungsausschuß beschäftigte
sich am Freitag vormittag mit einem unerledigt
gebliebenen Punkt der demokratischen Anträge
zur Sicherung der Wahlfreiheit, der
ursprünglich in Ziff. 4 dieser Anträge hätte auf-
genommen werden sollen, dann aber als Ziffer 5
von den Sozialdemokraten beantragt wurde:
Ebenso ist das Recht der Person gemäß
den allgemeinen Straf- und sonstigen Gesetzen
sicherzustellen.

Die Antragsteller ließen durch den Abg.
Endre&sr; erklären, daß die Freiheit der Per-
son
im Rahmen der Gesetze nur eine Er-
gänzung
der Rede-, Preß- und Versamm-
lungsfreiheit während der Wahl sei; der An-
trag soll auch verhindern, daß über mißliebige
Personen in der Zeit des Wahlkampfes die
Schutzhaft verhängt wird.

Abg. Dr. Held (B. Vp.) äußerte Bedenken
gegen den Wortlaut des Antrages, der zu un-
klar sei.

Minister des Innern Dr. Schweyer griff
diese Bedenken auf. Der Ausnahmezustand,
dessen Aufhebung abgelehnt wurde, dürfe nicht
von dieser Seite her aufgehoben werden. Nach
den weitgehenden Beschlüssen zur Sicherung der
Wahlfreiheit bestehe auch sachlich kein Be-
dürfni&sr
;. Weiter sei zu beachten, daß bei Auf-
hebung des bayerischen Ausnahmezustandes der
Reichsausnahmezustand -- mit Schutzhaft --
an seine Stelle trete.

Abg. Dr. Müller (D. D. P.) erklärte, eine
andere Formulierung als notwendig. Im übrigen
schloß er sich der Forderung des Abg. Endres
an, daß die Regierung die Verordnung zur Si-
cherung der Wahlen möglichst rasch

vorzulegen habe, da davon die endgültige Stel-
lungnahme der Parteien zur Landtagsauflösung
abhänge.

Im weiteren Verlaufe der Aussprache wurde
auch Art. 2 des Landeswahlgesetze&sr;
angezogen, der hinsichtlich der Schutzhaft alles
Notwendige erhalte. Von sozialdemokratischer
Seite wurde dies bestritten und im übrigen er-
klärt, daß die in Ziff. 4 der demokratischen An-
träge geforderte Wiederherstellung der Rede-,
Preß- und Versammlungsfreiheit den Aus-
nahmezustand
schon zu einem wesentlichen
Teil beseitigt habe. Wird der Ausnahmezu-
stand nicht faktisch aufgehoben, sind Wahlen un-
möglich.

Schließlich wurde der Antrag in der Fassung:

"Ebenso ist das Recht der Person, soweit es sich
um die an den Wahlvorbereitungen beteiligten
passiven Wähler handelt, gemäß den allgemeinen
Straf- und sonstigen Gesetzen sicherzustellen"

mit
14 Stimmen gegen 11 Stimmen der Bayerischen
Volkspartei angenommen. Die Zustimmung im
Plenum vorausgesetzt, bedeutet der Beschluß eine
Art "Kandidatenschutzgesetz" gegenüber
dem Generalstaatskommissariat.

Das Verbot der "Freien Bauernschaft".

Abg. Dr. Roth (fraktionslos) hatte beantragt,
der "Freien Bauernschaft" des rechts-
rheinischen Bayern, die als wirtschaftliche Orga-
nisation von der Kreisbauernkammer Nieder-
bayern anerkannt sei, gleich den anderen bäuer-
lichen Organisationen volle Versammlungsfrei-
heit zu gewähren und die sofortige Aufhebung
der entgegenstehenden Anordnungen zu veran-
lossen.

Der Antragsteller betonte den christlichen
Charakter der Organisation, die sich wegen ihrer
antimarxistischen Einstellung eigentlich der be-
sonderen Gunst des Generalstaatskommissars er-
freuen müßte, ihre konfessionelle Neutralität
und Mitgliederstärke, sowie das Recht des Land-
tags, sich mit der Sache zu befassen. Von eini-
gem Interesse war eine bittere Klage Roths
darüber, daß Graf Du Moulin Eckart jüngst in
Bayreuth nicht einmal über "Richard Wagner
und das deutsche Volkstum" sprechen durfte!

Minister des Innern Dr. Schweyer hob
hervor, es handle sich um einen Akt der Exeku-
tion. Die Freie Bauernschaft sei eine ausge-
[Spaltenumbruch] sprochen politische Organisation
,
auch keineswegs so harmlos. Wenn auch ein
Trennungsstrich zur Pfälzischen Freien Bauern-
schaft gezogen wurde, die Zusammenhänge sind
doch gegeben. Leute von drüben haben die Orga-
nisation hier durchgeführt. Die Versammlungs-
freiheit wurde schon durch die Maiverordnung
beschränkt, durch die Septemberverordnung auf-
gehoben; ein besonderes Verbot ist nicht ergan-
gen. Alle Versammlungen fallen unter das allge-
meine Versammlungsverbot. Die "Freie Bauern-
schaft" ist nach ihrer ganzen Zusammensetzung
der öffentlichen Ordnung nicht ungefährlich;
man braucht nur an die unheilvolle Tätigkeit
ihres geistigen Oberhauptes Heinz-Orbis zu er-
innern. Auch die rechtsrheinische Organisation
habe versucht, Reichs- und Staatsregie-
rung herabzusetzen
, den Vollzug von
Gesetzen und Verordnungen zu hintertrei-
ben
, hat zum Liefer- und Steuerstreik
aufgefordert.

Abg. Dr. Held (B. Vp.) erinnerte in seiner
den Antrag mit Rechtsgründen -- Eingriff in die
Exekution -- ablehnenden Rede den Abgeord-
neten Roth daran, daß er als Minister mit aller
Schärfe die Exekution für sich gefordert habe.

Abg. Saenger (V. S. P.) stimmte aus
grundsätzlichen Erwägungen dem Antrage zu.

Abg. Brosiu&sr; (B. Mp.) meinte, der Land-
tag könne sich das Recht der Exekutivkontrolle
nicht nehmen lassen.

Abg. Roth beteuerte, daß ein scharfer Tren-
nungsstrich zwischen hüben und drüben gezo-
gen sei.

Abg. Dr. Müller (D. D. P.) unterstrich ge-
genüber Held, daß nur ein Ersuchen vor-
liege, das stets statthaft sei. Da es sich um die
Frage der vollen Versammlungsfreiheit schlecht-
hin handelt, kann ich, ohne die Tendenzen der
"Freien Bauernschaft" zu billigen, um Zustim-
mung zum Antrag Roth ersuchen.

Mit 14 Stimmen der Bayerischen Volkspartei
und Bayerischen Mittelpartei gegen 12 Stim-
men der Sozialdemokraten, Demokraten und
Bauernbündler verfiel der Antrag der Ab-
lehnung
.

Der Personalabbau in Bayern.

Eine Reihe von Personaleingaben an
den Landtag ließ dem Verfassungsausschuß die
Erörterung der Frags zweckmäßig erscheinen, ob
es nach der durch den Antrag Helb erteilten Er-
mächtigung an die Landesregierung angebracht
sei, sich mit diesen Eingaben im einzelnen zu
befassen und dadurch geradezu die Lust zu Ein-
gaben zu wecken. Der Ausschuß stellte sich nahe-
zu einstimmig auf den Standpunkt, daß der Re-
gierung in keiner Weise in den Arm gefallen
werden darf. Der Personalabbau muß an-
gesichts der ernsten Finanzlage durchge-
führt
werden. Der Regierung soll aber ein
Gutachterausschuß zur Seite gestellt wer-
den, der sie mit Vorschlägen unterstützt.

Staatsrat Dr. v. Deybeck erklärte sich mit
der Bildung eines solchen Ausschusses einver-
standen.

Der Vorsitzende des Eingabenarsschusses Abg.
Eisenhei&sr; (D. D. P.) teilte mit, daß auch
diesem Ausschuß bereits ein Stoß von Bitt-
schriften
vorliege; es sei unmöglich, über alle
diese Dinge jetzt zu Gericht zu sitzen.

Die vorliegenden Eingaben wurden der
Staatsregierung als Material hinüberge-
geben.

Personalabbau und Künstlerschaft.

Die Münchener Künstlerschaft beabsichtigt, in
den nächsten Tagen eine Eingabe an den Land-
tag zu richten, welche die Ruhestandsver-
setzung der sieben Akademieprofes-
soren
zum Gegenstand hat. Im Verfassungs-
ausschuß des Landtages griff Abg. Dr. Müller
(Meiningen) gelegentlich einer allgemeinen De-
batte über Personalabbau-Petitionen die Sache
auf und wies vorsorglich auf das große kul-
turelle Moment
dieser Angelegenheit hin,
demgegenüber das finanzielle
keine Rolle spiele
. Der Vertreter des Fi-
nanzministers, Dr. v. Deyleck, gab als Grund
für die Ruhestandsversetzung die Ueber-
schreitung der Altersgrenze von 65
[Spaltenumbruch] Jahren
an und wies im übrigen auf die ernste
Finanzlage und die Notwendigkeit einer allge-
meinen Durchführung des Personalabbaues hin.

Da der Verfassungsausschuß beschlossen hat,
Eingaben zum Personalabbau nicht im einzelnen
zu würdigen, und eine Reihe solcher Eingaben
der Regierung kurzerhand als Material hinüber-
gab, scheint vorerst wenig Aussicht zu bestehen,
diese -- wie Dr. Müller hervorhob --, für das
Staatsinteresse und das Interesse der
Kunststadt München
so bedeutungsvolle
Angelegenheit materiell im Landtag zu erör-
tern. Vielleicht aber gibt sich Gelegenheit, den
Gutachterausschuß, dessen Einsetzung der Ver-
fassungsausschuß beschlossen hat und der die Re-
gierung beim Personalabbau mit Vorschlägen
unterstützen soll, mit der Sache zu befassen und
auf diesem Wege einen empfindlichen Schaden
um Münchens Kunstleben abzuwenden.

Nochmals die liberale Einheitsfront.

Zu den verschiedenen Gerüchten und Nachrich-
ten über Besprechungen zwischen Deutscher
Volkspartei
und Deutscher Demokra-
tischer Partei
in Bayern bringt die "Mün-
chen-Augsburger Abendzeitung" in Erwiderung
auf unsere letzte Notiz ("Allg. Ztg." Nr. 6 vom
7. Januar) eine Darstellung, "aus den Kreisen
der Deutschen Volkspartei", die nach unserer
Kenntnis der Dinge völlig unzutreffend
und irreführend
ist. Sie stellt keines-
fall&sr
; die Auffassung der Deutschen Volks-
partei als solcher
dar, sondern gibt im
besten Fall die Meinung der Leute um
Herrn Dahn
wieder, die es durch ihre Spe-
zialpolitik längst dahin gebracht haben, daß sie
nirgends mehr ernst genommen werden.

Im übrigen müssen wir es den beiden beteilig-
ten Parteien überlassen, die Angelegenheit zu
klären und zu Ende zu führen. Unser Stand-
punkt ist nicht zweifelhaft:

In der Lage, wie sie in Bayern gegeben ist,
halten wir eine klare deutsche Front
des gesamten freiheitlich und
deutsch gesinnten Bürgertum&sr
; für
ein Gebot politischer Notwendigkeit, namentlich
angesichts der ungeheueren parteipolitischen Zer-
splitterung. Wir sehen diese Front als ein Ziel
an, das bei der weitgehenden beider-
seitigen Uebereinstimmung
in poli-
tischer und wirtschaftspolitischer Hinsicht sach-
lich
durchaus erreichbar wäre.

Die in dem deutschnationalen Blatt dreinge-
gebenen gehässigen Ausfälle gegen uns bewegen
sich in dem dort heimischen rüden Ton. Sie sind
einer Erwiderung nicht wert.

Aus der Pfalz.

Gegen die Verhaf-
tung von Geiseln
durch die pfälzischen Se-
paratisten, die ohne Bewilligung und Unter-
stützung durch die französischen Besatzungsbehör-
den in Speyer nicht möglich gewesen wäre und
nicht aufrechterhalten werden könnte, wird, wie
angenommen werden darf, von der Rhein-
landskommission
alsbald Protest ein-
gelegt
werden.


General de Metz in
Speyer hat folgende Anordnungen infolge der
Ermordung von Heinz-Orbis getroffen:

1. Die Einreise nach der Rheinpfalz wird sämt-
lichen Personen aus dem unbesetzten Gebiet, die
nicht in der Pfalz ansässig sind, untersagt.

2. Die Brückenübergänge über den Rhein wer-
den für den Verkehr gesperrt.

3. Die Brücke von Ludwigshafen nach Mann-
heim steht zu bestimmten Stunden für das Pu-
blikum offen, besonders um die Verpflegung der
Stadt zu sichern.

4. In der Stadt Speyer wird der Verkehr in
der Zeit von 7 Uhr abends bis 8 Uhr morgens
untersagt. Die Restaurants und Cafes usw.
müssen während dieser Zeit geschlossen bleiben.
Sämtliche Ansammlungen sind strenge verboten.


Der stellvertreteude
Landgerichtsdirektor Gießen und der Bürger-
meister Zaun sind von den Separatisten ver-
[Spaltenumbruch] haftet worden und nach Speyer verbracht wor-
den. Offenbar sollen sie, wie die in Zweibrücken
verhafteten Beamten, als Geiseln für die Er-
schießung der Separatisten festgehalten werden.

Die freie Bauernschaft der Pfalz gegen die
Separatisten.

Dieser Tage fand eine Sitzung des
Gesamtvorstandes der Freien Bau-
ernschaft der Pfalz
statt. Anwesend war
auch ein Vertreter des französischen Provinzdele-
gierten. Es entspann sich eine heftige De-
batte
, aus der jedoch mit überwältigender
Mehrheit der Beschluß hervorging, daß den
Vorstandsmitgliedern, wie überhaupt jedem Mit-
glied der Freien Bauernschaft verboten sein
soll
, sich an der separatistischen Bewe-
gung
zu beteiligen. Verschiedene frühere Mit-
glieder der Freien Bauernschaft, die sich als
Afterbezirksamtmänner und in ähnlicher Weise
betätigen, sind aus der Vereinigung ausge-
schlossen
worden. Der jetzt nicht mehr am
Leben weilende Präsident Heinz-Orbis hatte
bereits vor längerer Zeit seinen Austritt aus
der Freien Bauernschaft erklärt.

Verkehrssperre.

Der Rheinübergang
Mannheim-Ludwigshafen
ist seit heute
morgen 10 Uhr für jeden Verkehr vollkommen
gesperrt. Vor Reisen in die Pfalz wird dringend
gewarnt.

Politische Rundschau.

Zur Reichstagskandidatur Luden-
dorff
wird aus Kreisen der Vaterländischen
Verbände erklärt, daß eine Unterstützung dieser
Kandidatur durch die Vaterländischen Verbände
nicht in Frage kommt.


Zur Beratung der Neuorganisation
bei der Reichsbahn
trat heute der Orga-
nisationsausschuß im Reichsverkehrsministerium
zusammen.


An der Universität Frankfurt hat sich eine
Arbeitsgemeinschaft der Jugend-
bewegung
gebildet, die alle bewegten Grup-
pen von den Völkischen bis zu den Sozia-
listen
umfaßt.


Gegen den thüringischen Minister Herr-
mann
und den Regierungsassessor Kunze ist
die öffentliche Klage erhoben worden. Der
Untersuchungsrichter beim Landgericht Weimar
hatte die Haftbefehle bestätigt, und zwar wegen
schwerer Urkundenfälschung im Amte.


In Sachsen finden am kommenden Sonn-
tag Gemeindewahlen statt.


In London ist eine englische Bauern-
partei
gegründet worden. Sie will bei den
nächsten Wahlen Kandidaten aufstellen,
die sich verpflichten müssen, die Interessen der
englischen Landwirtschaft im Unterhaus zu ver-
fechten.

Vermischte Nachrichten.

Auf der Strecke
Reutte-Innsbruck der Mittenwaldbahn
wird bis auf weiteres die zweite Wagenklasse
nicht mehr mitgeführt.


Die Sirius-
Werke
-A.-G. errichten zurzeit in Deggen-
dorf in der Nähe des Donauhafens eine chemi-
sche Fabrik
großen Umfangs. Der Bau sieht
seiner Vollendung entgegen. In den Werken, die
ihren Betrieb bereits in den nächsten Monaten
aufzunehmen gedenken, werden Tone aller Art
verarbeitet.


Wenige Wochen vor
seinem 80. Geburtstag, ist Herr Sebastian
Ramsauer
in Oberergoldsbach -- wahr-
scheinlich in der Schlaftrunkenheit -- nachts die
Stiege seines Wohnhauses heruntergestürzt und
tödlich verunglückt. Ramsauer hatte sechs Jahre
lang das Amt des Bürgermeisters inne und hat
im vorigen Monat seine goldene Hochzeit in
voller Rüstigkeit gefeiert.





[Spaltenumbruch]
Die Goetheausstellung in Kopenhagen.

Der
deutsch-dänischen Goetheausstellung, die, vom
27. Januar bis etwa Mitte Februar von der
deutsch-dänischen Gesellschaft veranstaltet, in Ko-
penhagen stattfindet, wird von den bedeutendsten
deutschen Goethesammlungen reichlichstes Material
zur Verfügung gestellt werden. Ausgestellt wer-
den die wertvollen Weimarer Sammlungen, die
der Universität Leipzig, die Frankfurter Samm-
lung, die berühmte Sammlung Kippenberg, Dr.
Stummes Faustsammlung, die des deutschen
Buchmuseums, darunter Briefe Goethes, andere
Handschriften, Originalausgaben usw. An der
Ordnung und Einrichtung des umfangreichen
Materials arbeiteten u. a. Dr. Hünnich vom In-
selverlag und Dr. Rockwitz vom deutschen Buch-
museum, der nach Kopenhagen berufen worden ist.

Die Ausstellung wird drei Hauptabteilungen
umfassen; die historische deutsche Abteilung be-
leuchtet Goethes Leben von der Wiege bis zum
Grabe; die moderne deutsche Abteilung zeigt die
neue Goethe-Literatur, und endlich zeigt die
dänische Abteilung, was in Dänemark über
Goethe geschrieben worden ist und veranschau-
licht die Bedeutung Goethes für das dänische Gei-
stesleben. Während der Goethe-Ausstellung wer-
den folgende Vorträge gehalten werden: Ge-
sandter Dr. Mutius: Goethe als Aktualität;
Prof. Albert Köster: Faust; Prof. Louis Ham-
merich: Goethe und der Orient; Dozent Wan-
scher: Goethe und die bildende Kunst; Prof.
Karl Larsen: Goethe und Dänemark.

Korngolds Mißerfolg in Rom.

Wie aus Rom
berichtet wird, hat der Wiener Komponist W. E.
Korngold bei seinem ersten Auftreten in Ita-
lien als Dirigent eigener Kompositionen kei-
neswegs den erwarteten Erfolg. Der Dirigent
gefiel wenig, die Kompositionen wurden aus-
gezischt! Nur die ja wirklich reizende "Suite" zu
Shakespeares "Viel Lärm um Nichts", die wir
auch in München kennen, fand lebhaften, wohl-
verdienten Beifall. Starke Reklame hatte die Er-
wartungen für Korngolds Konzert aufs höchste
gesteigert. Man rechnete mit Sensation -- um so
arger die Enttäuschung. Für Rom ist Korngold
[Spaltenumbruch] wohl erledigt -- das heißt, man wird dort nur
die wenigen glücklichen Werke seiner schwächlichen
Muse bieten können. Dieser wird wohl mit der
Zeit das Schicksal von Korngolds Musik über-
haupt sein.


-- Die Münchener Kammerspiele haben mit der
Besetzung der Rolle des Louis Ferdinand im
gleichnamigen Drama von Unruh durch Karl
Ludwig Di[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]hla. a. G. der Dichtung einen ausge-
zeichneten Dienst erwiesen. Herr Diehl hält sein
starkes Temperament in straffen Zügeln und
brachte in die Aufführung die dem ersten Abend
fehlende dramatische Belebung durch feine Ab-
tönung der durchaus nicht so ganz auf Siedehitze
gestellten Rolle. Dadurch erschien auch der spä-
tere Uebergang natürlicher, und der Bruch, der
durch die Dichtung geht, überbrückt. Weiter er-
freulich war, daß auch die meisten der übrigen
Darsteller seit der Erstaufführung gewonnen ha-
ben, so Herr Riewe als Riesel und die Damen
Molten (Königin) und Jacobson (Pauline).
Glücklich war auch die Umbesetzung des Staats-
kanzlers, den nun Herr Horwitz diskret spielt.
Mancherlei Kleinigkeiten dagegen scheinen etwas
vernachlässigt.

Ein Konzert auf 13 000 Kilometer.

Als ein
neuer Triumph der drahtlosen Telephonie wird
die Tatsache bezeichnet, daß ein Konzert, das von
Pittsburg in den Vereinigten Staaten drahtlos
nach London übermittelt wurde, zu gleicher Zeit
auch von Mithörern zu Middleburg in Kapland
genosser werden konnte. Das in Amerika veran-
staltete Konzert konnte über eine Strecke von
mehr als 18 000 Kilometer gehört werden. Dies
ist mehr als ein Drittel des Erdumfangs am
Aequator.


In dem sehr reichhaltigen Januarheft der
"Literatur" (Herausgeber: Ernst Heilborn, Ver-
lag: Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart-Berlin)
gewährt ein russischer Mitarbeiter, Wladimir
Astrow
, Einblick in die neuesten literarischen
Vorgänge des bolschewistischen Rußland, von
denen bislang nur überaus spärliche Kunde zu uns
[Spaltenumbruch] gedrungen ist. Er charakterisiert den tiefgreifen-
den Auffassungsunterschied eines Trotzki, dem
alle Religion nur äußerliches Schaugepränge be-
deutet und der uns eben auf einen literarischen
Zukunftsstaat zu vertrösten weiß, und eines
Tschitscherin, dem doch eine mehr seelische
Erkenntnis sich aufdrängt, um alsdann aus der
neuesten Dichtung selbst ein Bild zu gewinnen.
Er schreibt: "Der erfolgreichste Lyriker im bolsche-
wistischen Rußland ist der ,Futurist' Maja-
kowski
. Seine Art wird von einem begeisterten
Kritiker wie folgt charakterisiert: ,Der Poet be-
ginnt in der Poesie so zu sprechen, wie er und
alle anderen es im täglichen Leben zu tun ge-
wohnt sind; endlich findet der Dichter eine ge-
meinsame Sprache mit seinen Mitmenschen, ohne
sie dabei aus der Wirklichkeit in ein Bereich un-
tätiger, emotionaler Beschaulichkeit zu entführen,
sondern, im Gegenteil, mittätig in ihr soziales
Tun eingreifend. Bis in ihre Formen wird die
Poesie sozial-utilitär.' In ähnlicher Weise wollen
auch die anderen Literaturgruppen (Serapions-
brüder, Imaginisten) Sprachrohre der neuen Zeit
sein; sie ahmen ihre rastlose Dynamik nach, ihre
Ueberstürzung, die Auflösung aller gewohnten
Synthesen, die die Wirklichkeit in einen phantasti-
schen Traum verwandeln, die Vergötterung der
Masse und der Maschine. Das ,realistische' Prin-
zip wird auf die Spitze getrieben in der bevor-
zugten Ausmalung der rohesten, äußerlichsten,
entseelten Wirklichkeit. Und man muß schon tief
in dieser Wirklichkeit befangen sein, um noch an
ihrem getreuen Spiegelbild Gefallen zu finden."



Kleine Nachrichten.
Regensburg.

Hier wird demnächst mit der Er-
richtung einer Dombauhütte begonnen, in der
alle Arbeiten zur Istandsetzung des Re-
gensburger Dom&sr
; zur Ausführung kom-
men sollen.

Graphik-Auktion.

Das Antiquariat Paul
Graupe, Berlin, verschickt seinen Katalog zur 29.
Auktion "Graphik und Handzeichnungen des 19.
[Spaltenumbruch] und 20. Jahrhunderts" (darunter eine umfassende
Sammlung von Probe- und Zustandsdrucken von
Corinth, Liebermann, Meid, Oppler und Sle-
vogt). Versteigerung am 25. und 26. Januar.


Donnerstag, 17. Januar, Odeon (71/2 Uhr):
4. Konzert der Konzertgesellschaft für Chorgesang
unter Leitung von Dr. Hans Rohr.

Das Programm stellt eine Heitere Soiree in
Alt-Wien dar und enthält heitere Chöre, Ge-
sänge, Orchesterwerke, Kammermusiken des Wiener
Rokoko und Biedermeier von Dittersdorf bis Schubert.
Mitwirkende: Adele Kern (Koloratursopran der
Staatsoper), Irma Donle-Gorter (Mezzo-
sopran), Karl Seydel (Tenor der Staatsoper), Wil-
helm Bauer (Bariton-Augsburg), Jani Szanto
(Violine), das Münchener Streichquartett,
Chorgruppen der Konzertgesellschaft für Chorgesang
und ein Kammerorchester.

Ein Vorabend findet am Mittwoch, 16. Jan.
im Odeon (71/2 Uhr) statt. Karten bei Bauer
und Hieber.


Freitag, 18. Januar, im Odeon (71/2 Uhr):
Lieder- und Arien-Abend Lauritz Melchior (Tenor)
und Maria Delbran (Sopran).

Programm: Lieder von Järnefelt, Sibelius, Heise,
Grieg, Sjöberg, Hermann, Trunk, Strauß. Arien von
Mozart, Puccini und Leoncavallo. Am Klavier:
Richard Trunk. Karten bei Bauer und Hieber.


Heute Samstag, 12. Januar, veranstaltet
die Münchener Jugendbühne Gust.
Rud. Sellners im Steinickesaal, Adalbert-
straße 15, einen Hofmannsthal-Abend.
Zur Aufführung gelangen: Prolog zu Antigone,
Tod des Tizian, Kaiser und Here. Tor und Tod.
Die Abendkasse ist ab 6.30 Uhr geöffnet. Beginn
7.30 Uhr, Ende gegen 10 Uhr. Der Reinerlös
wird dem Roten Kreuz für das Tagesheim der
Notleidenden zugeführt.


Heute, Samstag, den 12. Januar: Ton-
halle:
Zweites Promenade-Konzert
mit Tanz. Odeon (8 Uhr): Münchener
Volksbuhne, Solisten-Konzert
.



Samstag, den 12. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 11
[Spaltenumbruch]
Bayeriſcher Landtag.
Sicherung der Wahlfreiheit.

Der Verfaſſungsausſchuß beſchäftigte
ſich am Freitag vormittag mit einem unerledigt
gebliebenen Punkt der demokratiſchen Anträge
zur Sicherung der Wahlfreiheit, der
urſprünglich in Ziff. 4 dieſer Anträge hätte auf-
genommen werden ſollen, dann aber als Ziffer 5
von den Sozialdemokraten beantragt wurde:
Ebenſo iſt das Recht der Perſon gemäß
den allgemeinen Straf- und ſonſtigen Geſetzen
ſicherzuſtellen.

Die Antragſteller ließen durch den Abg.
Endre&ſr; erklären, daß die Freiheit der Per-
ſon
im Rahmen der Geſetze nur eine Er-
gänzung
der Rede-, Preß- und Verſamm-
lungsfreiheit während der Wahl ſei; der An-
trag ſoll auch verhindern, daß über mißliebige
Perſonen in der Zeit des Wahlkampfes die
Schutzhaft verhängt wird.

Abg. Dr. Held (B. Vp.) äußerte Bedenken
gegen den Wortlaut des Antrages, der zu un-
klar ſei.

Miniſter des Innern Dr. Schweyer griff
dieſe Bedenken auf. Der Ausnahmezuſtand,
deſſen Aufhebung abgelehnt wurde, dürfe nicht
von dieſer Seite her aufgehoben werden. Nach
den weitgehenden Beſchlüſſen zur Sicherung der
Wahlfreiheit beſtehe auch ſachlich kein Be-
dürfni&ſr
;. Weiter ſei zu beachten, daß bei Auf-
hebung des bayeriſchen Ausnahmezuſtandes der
Reichsausnahmezuſtand — mit Schutzhaft —
an ſeine Stelle trete.

Abg. Dr. Müller (D. D. P.) erklärte, eine
andere Formulierung als notwendig. Im übrigen
ſchloß er ſich der Forderung des Abg. Endres
an, daß die Regierung die Verordnung zur Si-
cherung der Wahlen möglichſt raſch

vorzulegen habe, da davon die endgültige Stel-
lungnahme der Parteien zur Landtagsauflöſung
abhänge.

Im weiteren Verlaufe der Ausſprache wurde
auch Art. 2 des Landeswahlgeſetze&ſr;
angezogen, der hinſichtlich der Schutzhaft alles
Notwendige erhalte. Von ſozialdemokratiſcher
Seite wurde dies beſtritten und im übrigen er-
klärt, daß die in Ziff. 4 der demokratiſchen An-
träge geforderte Wiederherſtellung der Rede-,
Preß- und Verſammlungsfreiheit den Aus-
nahmezuſtand
ſchon zu einem weſentlichen
Teil beſeitigt habe. Wird der Ausnahmezu-
ſtand nicht faktiſch aufgehoben, ſind Wahlen un-
möglich.

Schließlich wurde der Antrag in der Faſſung:

„Ebenſo iſt das Recht der Perſon, ſoweit es ſich
um die an den Wahlvorbereitungen beteiligten
paſſiven Wähler handelt, gemäß den allgemeinen
Straf- und ſonſtigen Geſetzen ſicherzuſtellen“

mit
14 Stimmen gegen 11 Stimmen der Bayeriſchen
Volkspartei angenommen. Die Zuſtimmung im
Plenum vorausgeſetzt, bedeutet der Beſchluß eine
Art „Kandidatenſchutzgeſetz“ gegenüber
dem Generalſtaatskommiſſariat.

Das Verbot der „Freien Bauernſchaft“.

Abg. Dr. Roth (fraktionslos) hatte beantragt,
der „Freien Bauernſchaft“ des rechts-
rheiniſchen Bayern, die als wirtſchaftliche Orga-
niſation von der Kreisbauernkammer Nieder-
bayern anerkannt ſei, gleich den anderen bäuer-
lichen Organiſationen volle Verſammlungsfrei-
heit zu gewähren und die ſofortige Aufhebung
der entgegenſtehenden Anordnungen zu veran-
loſſen.

Der Antragſteller betonte den chriſtlichen
Charakter der Organiſation, die ſich wegen ihrer
antimarxiſtiſchen Einſtellung eigentlich der be-
ſonderen Gunſt des Generalſtaatskommiſſars er-
freuen müßte, ihre konfeſſionelle Neutralität
und Mitgliederſtärke, ſowie das Recht des Land-
tags, ſich mit der Sache zu befaſſen. Von eini-
gem Intereſſe war eine bittere Klage Roths
darüber, daß Graf Du Moulin Eckart jüngſt in
Bayreuth nicht einmal über „Richard Wagner
und das deutſche Volkstum“ ſprechen durfte!

Miniſter des Innern Dr. Schweyer hob
hervor, es handle ſich um einen Akt der Exeku-
tion. Die Freie Bauernſchaft ſei eine ausge-
[Spaltenumbruch] ſprochen politiſche Organiſation
,
auch keineswegs ſo harmlos. Wenn auch ein
Trennungsſtrich zur Pfälziſchen Freien Bauern-
ſchaft gezogen wurde, die Zuſammenhänge ſind
doch gegeben. Leute von drüben haben die Orga-
niſation hier durchgeführt. Die Verſammlungs-
freiheit wurde ſchon durch die Maiverordnung
beſchränkt, durch die Septemberverordnung auf-
gehoben; ein beſonderes Verbot iſt nicht ergan-
gen. Alle Verſammlungen fallen unter das allge-
meine Verſammlungsverbot. Die „Freie Bauern-
ſchaft“ iſt nach ihrer ganzen Zuſammenſetzung
der öffentlichen Ordnung nicht ungefährlich;
man braucht nur an die unheilvolle Tätigkeit
ihres geiſtigen Oberhauptes Heinz-Orbis zu er-
innern. Auch die rechtsrheiniſche Organiſation
habe verſucht, Reichs- und Staatsregie-
rung herabzuſetzen
, den Vollzug von
Geſetzen und Verordnungen zu hintertrei-
ben
, hat zum Liefer- und Steuerſtreik
aufgefordert.

Abg. Dr. Held (B. Vp.) erinnerte in ſeiner
den Antrag mit Rechtsgründen — Eingriff in die
Exekution — ablehnenden Rede den Abgeord-
neten Roth daran, daß er als Miniſter mit aller
Schärfe die Exekution für ſich gefordert habe.

Abg. Saenger (V. S. P.) ſtimmte aus
grundſätzlichen Erwägungen dem Antrage zu.

Abg. Broſiu&ſr; (B. Mp.) meinte, der Land-
tag könne ſich das Recht der Exekutivkontrolle
nicht nehmen laſſen.

Abg. Roth beteuerte, daß ein ſcharfer Tren-
nungsſtrich zwiſchen hüben und drüben gezo-
gen ſei.

Abg. Dr. Müller (D. D. P.) unterſtrich ge-
genüber Held, daß nur ein Erſuchen vor-
liege, das ſtets ſtatthaft ſei. Da es ſich um die
Frage der vollen Verſammlungsfreiheit ſchlecht-
hin handelt, kann ich, ohne die Tendenzen der
„Freien Bauernſchaft“ zu billigen, um Zuſtim-
mung zum Antrag Roth erſuchen.

Mit 14 Stimmen der Bayeriſchen Volkspartei
und Bayeriſchen Mittelpartei gegen 12 Stim-
men der Sozialdemokraten, Demokraten und
Bauernbündler verfiel der Antrag der Ab-
lehnung
.

Der Perſonalabbau in Bayern.

Eine Reihe von Perſonaleingaben an
den Landtag ließ dem Verfaſſungsausſchuß die
Erörterung der Frags zweckmäßig erſcheinen, ob
es nach der durch den Antrag Helb erteilten Er-
mächtigung an die Landesregierung angebracht
ſei, ſich mit dieſen Eingaben im einzelnen zu
befaſſen und dadurch geradezu die Luſt zu Ein-
gaben zu wecken. Der Ausſchuß ſtellte ſich nahe-
zu einſtimmig auf den Standpunkt, daß der Re-
gierung in keiner Weiſe in den Arm gefallen
werden darf. Der Perſonalabbau muß an-
geſichts der ernſten Finanzlage durchge-
führt
werden. Der Regierung ſoll aber ein
Gutachterausſchuß zur Seite geſtellt wer-
den, der ſie mit Vorſchlägen unterſtützt.

Staatsrat Dr. v. Deybeck erklärte ſich mit
der Bildung eines ſolchen Ausſchuſſes einver-
ſtanden.

Der Vorſitzende des Eingabenarsſchuſſes Abg.
Eiſenhei&ſr; (D. D. P.) teilte mit, daß auch
dieſem Ausſchuß bereits ein Stoß von Bitt-
ſchriften
vorliege; es ſei unmöglich, über alle
dieſe Dinge jetzt zu Gericht zu ſitzen.

Die vorliegenden Eingaben wurden der
Staatsregierung als Material hinüberge-
geben.

Perſonalabbau und Künſtlerſchaft.

Die Münchener Künſtlerſchaft beabſichtigt, in
den nächſten Tagen eine Eingabe an den Land-
tag zu richten, welche die Ruheſtandsver-
ſetzung der ſieben Akademieprofeſ-
ſoren
zum Gegenſtand hat. Im Verfaſſungs-
ausſchuß des Landtages griff Abg. Dr. Müller
(Meiningen) gelegentlich einer allgemeinen De-
batte über Perſonalabbau-Petitionen die Sache
auf und wies vorſorglich auf das große kul-
turelle Moment
dieſer Angelegenheit hin,
demgegenüber das finanzielle
keine Rolle ſpiele
. Der Vertreter des Fi-
nanzminiſters, Dr. v. Deyleck, gab als Grund
für die Ruheſtandsverſetzung die Ueber-
ſchreitung der Altersgrenze von 65
[Spaltenumbruch] Jahren
an und wies im übrigen auf die ernſte
Finanzlage und die Notwendigkeit einer allge-
meinen Durchführung des Perſonalabbaues hin.

Da der Verfaſſungsausſchuß beſchloſſen hat,
Eingaben zum Perſonalabbau nicht im einzelnen
zu würdigen, und eine Reihe ſolcher Eingaben
der Regierung kurzerhand als Material hinüber-
gab, ſcheint vorerſt wenig Ausſicht zu beſtehen,
dieſe — wie Dr. Müller hervorhob —, für das
Staatsintereſſe und das Intereſſe der
Kunſtſtadt München
ſo bedeutungsvolle
Angelegenheit materiell im Landtag zu erör-
tern. Vielleicht aber gibt ſich Gelegenheit, den
Gutachterausſchuß, deſſen Einſetzung der Ver-
faſſungsausſchuß beſchloſſen hat und der die Re-
gierung beim Perſonalabbau mit Vorſchlägen
unterſtützen ſoll, mit der Sache zu befaſſen und
auf dieſem Wege einen empfindlichen Schaden
um Münchens Kunſtleben abzuwenden.

Nochmals die liberale Einheitsfront.

Zu den verſchiedenen Gerüchten und Nachrich-
ten über Beſprechungen zwiſchen Deutſcher
Volkspartei
und Deutſcher Demokra-
tiſcher Partei
in Bayern bringt die „Mün-
chen-Augsburger Abendzeitung“ in Erwiderung
auf unſere letzte Notiz („Allg. Ztg.“ Nr. 6 vom
7. Januar) eine Darſtellung, „aus den Kreiſen
der Deutſchen Volkspartei“, die nach unſerer
Kenntnis der Dinge völlig unzutreffend
und irreführend
iſt. Sie ſtellt keines-
fall&ſr
; die Auffaſſung der Deutſchen Volks-
partei als ſolcher
dar, ſondern gibt im
beſten Fall die Meinung der Leute um
Herrn Dahn
wieder, die es durch ihre Spe-
zialpolitik längſt dahin gebracht haben, daß ſie
nirgends mehr ernſt genommen werden.

Im übrigen müſſen wir es den beiden beteilig-
ten Parteien überlaſſen, die Angelegenheit zu
klären und zu Ende zu führen. Unſer Stand-
punkt iſt nicht zweifelhaft:

In der Lage, wie ſie in Bayern gegeben iſt,
halten wir eine klare deutſche Front
des geſamten freiheitlich und
deutſch geſinnten Bürgertum&ſr
; für
ein Gebot politiſcher Notwendigkeit, namentlich
angeſichts der ungeheueren parteipolitiſchen Zer-
ſplitterung. Wir ſehen dieſe Front als ein Ziel
an, das bei der weitgehenden beider-
ſeitigen Uebereinſtimmung
in poli-
tiſcher und wirtſchaftspolitiſcher Hinſicht ſach-
lich
durchaus erreichbar wäre.

Die in dem deutſchnationalen Blatt dreinge-
gebenen gehäſſigen Ausfälle gegen uns bewegen
ſich in dem dort heimiſchen rüden Ton. Sie ſind
einer Erwiderung nicht wert.

Aus der Pfalz.

Gegen die Verhaf-
tung von Geiſeln
durch die pfälziſchen Se-
paratiſten, die ohne Bewilligung und Unter-
ſtützung durch die franzöſiſchen Beſatzungsbehör-
den in Speyer nicht möglich geweſen wäre und
nicht aufrechterhalten werden könnte, wird, wie
angenommen werden darf, von der Rhein-
landskommiſſion
alsbald Proteſt ein-
gelegt
werden.


General de Metz in
Speyer hat folgende Anordnungen infolge der
Ermordung von Heinz-Orbis getroffen:

1. Die Einreiſe nach der Rheinpfalz wird ſämt-
lichen Perſonen aus dem unbeſetzten Gebiet, die
nicht in der Pfalz anſäſſig ſind, unterſagt.

2. Die Brückenübergänge über den Rhein wer-
den für den Verkehr geſperrt.

3. Die Brücke von Ludwigshafen nach Mann-
heim ſteht zu beſtimmten Stunden für das Pu-
blikum offen, beſonders um die Verpflegung der
Stadt zu ſichern.

4. In der Stadt Speyer wird der Verkehr in
der Zeit von 7 Uhr abends bis 8 Uhr morgens
unterſagt. Die Reſtaurants und Cafés uſw.
müſſen während dieſer Zeit geſchloſſen bleiben.
Sämtliche Anſammlungen ſind ſtrenge verboten.


Der ſtellvertreteude
Landgerichtsdirektor Gießen und der Bürger-
meiſter Zaun ſind von den Separatiſten ver-
[Spaltenumbruch] haftet worden und nach Speyer verbracht wor-
den. Offenbar ſollen ſie, wie die in Zweibrücken
verhafteten Beamten, als Geiſeln für die Er-
ſchießung der Separatiſten feſtgehalten werden.

Die freie Bauernſchaft der Pfalz gegen die
Separatiſten.

Dieſer Tage fand eine Sitzung des
Geſamtvorſtandes der Freien Bau-
ernſchaft der Pfalz
ſtatt. Anweſend war
auch ein Vertreter des franzöſiſchen Provinzdele-
gierten. Es entſpann ſich eine heftige De-
batte
, aus der jedoch mit überwältigender
Mehrheit der Beſchluß hervorging, daß den
Vorſtandsmitgliedern, wie überhaupt jedem Mit-
glied der Freien Bauernſchaft verboten ſein
ſoll
, ſich an der ſeparatiſtiſchen Bewe-
gung
zu beteiligen. Verſchiedene frühere Mit-
glieder der Freien Bauernſchaft, die ſich als
Afterbezirksamtmänner und in ähnlicher Weiſe
betätigen, ſind aus der Vereinigung ausge-
ſchloſſen
worden. Der jetzt nicht mehr am
Leben weilende Präſident Heinz-Orbis hatte
bereits vor längerer Zeit ſeinen Austritt aus
der Freien Bauernſchaft erklärt.

Verkehrsſperre.

Der Rheinübergang
Mannheim-Ludwigshafen
iſt ſeit heute
morgen 10 Uhr für jeden Verkehr vollkommen
geſperrt. Vor Reiſen in die Pfalz wird dringend
gewarnt.

Politiſche Rundſchau.

Zur Reichstagskandidatur Luden-
dorff
wird aus Kreiſen der Vaterländiſchen
Verbände erklärt, daß eine Unterſtützung dieſer
Kandidatur durch die Vaterländiſchen Verbände
nicht in Frage kommt.


Zur Beratung der Neuorganiſation
bei der Reichsbahn
trat heute der Orga-
niſationsausſchuß im Reichsverkehrsminiſterium
zuſammen.


An der Univerſität Frankfurt hat ſich eine
Arbeitsgemeinſchaft der Jugend-
bewegung
gebildet, die alle bewegten Grup-
pen von den Völkiſchen bis zu den Sozia-
liſten
umfaßt.


Gegen den thüringiſchen Miniſter Herr-
mann
und den Regierungsaſſeſſor Kunze iſt
die öffentliche Klage erhoben worden. Der
Unterſuchungsrichter beim Landgericht Weimar
hatte die Haftbefehle beſtätigt, und zwar wegen
ſchwerer Urkundenfälſchung im Amte.


In Sachſen finden am kommenden Sonn-
tag Gemeindewahlen ſtatt.


In London iſt eine engliſche Bauern-
partei
gegründet worden. Sie will bei den
nächſten Wahlen Kandidaten aufſtellen,
die ſich verpflichten müſſen, die Intereſſen der
engliſchen Landwirtſchaft im Unterhaus zu ver-
fechten.

Vermiſchte Nachrichten.

Auf der Strecke
Reutte-Innsbruck der Mittenwaldbahn
wird bis auf weiteres die zweite Wagenklaſſe
nicht mehr mitgeführt.


Die Sirius-
Werke
-A.-G. errichten zurzeit in Deggen-
dorf in der Nähe des Donauhafens eine chemi-
ſche Fabrik
großen Umfangs. Der Bau ſieht
ſeiner Vollendung entgegen. In den Werken, die
ihren Betrieb bereits in den nächſten Monaten
aufzunehmen gedenken, werden Tone aller Art
verarbeitet.


Wenige Wochen vor
ſeinem 80. Geburtstag, iſt Herr Sebaſtian
Ramſauer
in Oberergoldsbach — wahr-
ſcheinlich in der Schlaftrunkenheit — nachts die
Stiege ſeines Wohnhauſes heruntergeſtürzt und
tödlich verunglückt. Ramſauer hatte ſechs Jahre
lang das Amt des Bürgermeiſters inne und hat
im vorigen Monat ſeine goldene Hochzeit in
voller Rüſtigkeit gefeiert.





[Spaltenumbruch]
Die Goetheausſtellung in Kopenhagen.

Der
deutſch-däniſchen Goetheausſtellung, die, vom
27. Januar bis etwa Mitte Februar von der
deutſch-däniſchen Geſellſchaft veranſtaltet, in Ko-
penhagen ſtattfindet, wird von den bedeutendſten
deutſchen Goetheſammlungen reichlichſtes Material
zur Verfügung geſtellt werden. Ausgeſtellt wer-
den die wertvollen Weimarer Sammlungen, die
der Univerſität Leipzig, die Frankfurter Samm-
lung, die berühmte Sammlung Kippenberg, Dr.
Stummes Fauſtſammlung, die des deutſchen
Buchmuſeums, darunter Briefe Goethes, andere
Handſchriften, Originalausgaben uſw. An der
Ordnung und Einrichtung des umfangreichen
Materials arbeiteten u. a. Dr. Hünnich vom In-
ſelverlag und Dr. Rockwitz vom deutſchen Buch-
muſeum, der nach Kopenhagen berufen worden iſt.

Die Ausſtellung wird drei Hauptabteilungen
umfaſſen; die hiſtoriſche deutſche Abteilung be-
leuchtet Goethes Leben von der Wiege bis zum
Grabe; die moderne deutſche Abteilung zeigt die
neue Goethe-Literatur, und endlich zeigt die
däniſche Abteilung, was in Dänemark über
Goethe geſchrieben worden iſt und veranſchau-
licht die Bedeutung Goethes für das däniſche Gei-
ſtesleben. Während der Goethe-Ausſtellung wer-
den folgende Vorträge gehalten werden: Ge-
ſandter Dr. Mutius: Goethe als Aktualität;
Prof. Albert Köſter: Fauſt; Prof. Louis Ham-
merich: Goethe und der Orient; Dozent Wan-
ſcher: Goethe und die bildende Kunſt; Prof.
Karl Larſen: Goethe und Dänemark.

Korngolds Mißerfolg in Rom.

Wie aus Rom
berichtet wird, hat der Wiener Komponiſt W. E.
Korngold bei ſeinem erſten Auftreten in Ita-
lien als Dirigent eigener Kompoſitionen kei-
neswegs den erwarteten Erfolg. Der Dirigent
gefiel wenig, die Kompoſitionen wurden aus-
geziſcht! Nur die ja wirklich reizende „Suite“ zu
Shakeſpeares „Viel Lärm um Nichts“, die wir
auch in München kennen, fand lebhaften, wohl-
verdienten Beifall. Starke Reklame hatte die Er-
wartungen für Korngolds Konzert aufs höchſte
geſteigert. Man rechnete mit Senſation — um ſo
arger die Enttäuſchung. Für Rom iſt Korngold
[Spaltenumbruch] wohl erledigt — das heißt, man wird dort nur
die wenigen glücklichen Werke ſeiner ſchwächlichen
Muſe bieten können. Dieſer wird wohl mit der
Zeit das Schickſal von Korngolds Muſik über-
haupt ſein.


Die Münchener Kammerſpiele haben mit der
Beſetzung der Rolle des Louis Ferdinand im
gleichnamigen Drama von Unruh durch Karl
Ludwig Di[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]hla. a. G. der Dichtung einen ausge-
zeichneten Dienſt erwieſen. Herr Diehl hält ſein
ſtarkes Temperament in ſtraffen Zügeln und
brachte in die Aufführung die dem erſten Abend
fehlende dramatiſche Belebung durch feine Ab-
tönung der durchaus nicht ſo ganz auf Siedehitze
geſtellten Rolle. Dadurch erſchien auch der ſpä-
tere Uebergang natürlicher, und der Bruch, der
durch die Dichtung geht, überbrückt. Weiter er-
freulich war, daß auch die meiſten der übrigen
Darſteller ſeit der Erſtaufführung gewonnen ha-
ben, ſo Herr Riewe als Rieſel und die Damen
Molten (Königin) und Jacobſon (Pauline).
Glücklich war auch die Umbeſetzung des Staats-
kanzlers, den nun Herr Horwitz diskret ſpielt.
Mancherlei Kleinigkeiten dagegen ſcheinen etwas
vernachläſſigt.

Ein Konzert auf 13 000 Kilometer.

Als ein
neuer Triumph der drahtloſen Telephonie wird
die Tatſache bezeichnet, daß ein Konzert, das von
Pittsburg in den Vereinigten Staaten drahtlos
nach London übermittelt wurde, zu gleicher Zeit
auch von Mithörern zu Middleburg in Kapland
genoſſer werden konnte. Das in Amerika veran-
ſtaltete Konzert konnte über eine Strecke von
mehr als 18 000 Kilometer gehört werden. Dies
iſt mehr als ein Drittel des Erdumfangs am
Aequator.


In dem ſehr reichhaltigen Januarheft der
„Literatur“ (Herausgeber: Ernſt Heilborn, Ver-
lag: Deutſche Verlags-Anſtalt Stuttgart-Berlin)
gewährt ein ruſſiſcher Mitarbeiter, Wladimir
Aſtrow
, Einblick in die neueſten literariſchen
Vorgänge des bolſchewiſtiſchen Rußland, von
denen bislang nur überaus ſpärliche Kunde zu uns
[Spaltenumbruch] gedrungen iſt. Er charakteriſiert den tiefgreifen-
den Auffaſſungsunterſchied eines Trotzki, dem
alle Religion nur äußerliches Schaugepränge be-
deutet und der uns eben auf einen literariſchen
Zukunftsſtaat zu vertröſten weiß, und eines
Tſchitſcherin, dem doch eine mehr ſeeliſche
Erkenntnis ſich aufdrängt, um alsdann aus der
neueſten Dichtung ſelbſt ein Bild zu gewinnen.
Er ſchreibt: „Der erfolgreichſte Lyriker im bolſche-
wiſtiſchen Rußland iſt der ‚Futuriſt’ Maja-
kowſki
. Seine Art wird von einem begeiſterten
Kritiker wie folgt charakteriſiert: ‚Der Poet be-
ginnt in der Poeſie ſo zu ſprechen, wie er und
alle anderen es im täglichen Leben zu tun ge-
wohnt ſind; endlich findet der Dichter eine ge-
meinſame Sprache mit ſeinen Mitmenſchen, ohne
ſie dabei aus der Wirklichkeit in ein Bereich un-
tätiger, emotionaler Beſchaulichkeit zu entführen,
ſondern, im Gegenteil, mittätig in ihr ſoziales
Tun eingreifend. Bis in ihre Formen wird die
Poeſie ſozial-utilitär.’ In ähnlicher Weiſe wollen
auch die anderen Literaturgruppen (Serapions-
brüder, Imaginiſten) Sprachrohre der neuen Zeit
ſein; ſie ahmen ihre raſtloſe Dynamik nach, ihre
Ueberſtürzung, die Auflöſung aller gewohnten
Syntheſen, die die Wirklichkeit in einen phantaſti-
ſchen Traum verwandeln, die Vergötterung der
Maſſe und der Maſchine. Das ‚realiſtiſche’ Prin-
zip wird auf die Spitze getrieben in der bevor-
zugten Ausmalung der roheſten, äußerlichſten,
entſeelten Wirklichkeit. Und man muß ſchon tief
in dieſer Wirklichkeit befangen ſein, um noch an
ihrem getreuen Spiegelbild Gefallen zu finden.“



Kleine Nachrichten.
Regensburg.

Hier wird demnächſt mit der Er-
richtung einer Dombauhütte begonnen, in der
alle Arbeiten zur Iſtandſetzung des Re-
gensburger Dom&ſr
; zur Ausführung kom-
men ſollen.

Graphik-Auktion.

Das Antiquariat Paul
Graupe, Berlin, verſchickt ſeinen Katalog zur 29.
Auktion „Graphik und Handzeichnungen des 19.
[Spaltenumbruch] und 20. Jahrhunderts“ (darunter eine umfaſſende
Sammlung von Probe- und Zuſtandsdrucken von
Corinth, Liebermann, Meid, Oppler und Sle-
vogt). Verſteigerung am 25. und 26. Januar.


Donnerstag, 17. Januar, Odeon (7½ Uhr):
4. Konzert der Konzertgeſellſchaft für Chorgeſang
unter Leitung von Dr. Hans Rohr.

Das Programm ſtellt eine Heitere Soiree in
Alt-Wien dar und enthält heitere Chöre, Ge-
ſänge, Orcheſterwerke, Kammermuſiken des Wiener
Rokoko und Biedermeier von Dittersdorf bis Schubert.
Mitwirkende: Adele Kern (Koloraturſopran der
Staatsoper), Irma Donle-Gorter (Mezzo-
ſopran), Karl Seydel (Tenor der Staatsoper), Wil-
helm Bauer (Bariton-Augsburg), Jani Szanto
(Violine), das Münchener Streichquartett,
Chorgruppen der Konzertgeſellſchaft für Chorgeſang
und ein Kammerorcheſter.

Ein Vorabend findet am Mittwoch, 16. Jan.
im Odeon (7½ Uhr) ſtatt. Karten bei Bauer
und Hieber.


Freitag, 18. Januar, im Odeon (7½ Uhr):
Lieder- und Arien-Abend Lauritz Melchior (Tenor)
und Maria Delbran (Sopran).

Programm: Lieder von Järnefelt, Sibelius, Heiſe,
Grieg, Sjöberg, Hermann, Trunk, Strauß. Arien von
Mozart, Puccini und Leoncavallo. Am Klavier:
Richard Trunk. Karten bei Bauer und Hieber.


Heute Samstag, 12. Januar, veranſtaltet
die Münchener Jugendbühne Guſt.
Rud. Sellners im Steinickeſaal, Adalbert-
ſtraße 15, einen Hofmannsthal-Abend.
Zur Aufführung gelangen: Prolog zu Antigone,
Tod des Tizian, Kaiſer und Here. Tor und Tod.
Die Abendkaſſe iſt ab 6.30 Uhr geöffnet. Beginn
7.30 Uhr, Ende gegen 10 Uhr. Der Reinerlös
wird dem Roten Kreuz für das Tagesheim der
Notleidenden zugeführt.


Heute, Samstag, den 12. Januar: Ton-
halle:
Zweites Promenade-Konzert
mit Tanz. Odeon (8 Uhr): Münchener
Volksbuhne, Soliſten-Konzert
.



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[3/0003] Samstag, den 12. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 11 Bayeriſcher Landtag. Sicherung der Wahlfreiheit. Der Verfaſſungsausſchuß beſchäftigte ſich am Freitag vormittag mit einem unerledigt gebliebenen Punkt der demokratiſchen Anträge zur Sicherung der Wahlfreiheit, der urſprünglich in Ziff. 4 dieſer Anträge hätte auf- genommen werden ſollen, dann aber als Ziffer 5 von den Sozialdemokraten beantragt wurde: Ebenſo iſt das Recht der Perſon gemäß den allgemeinen Straf- und ſonſtigen Geſetzen ſicherzuſtellen. Die Antragſteller ließen durch den Abg. Endre&ſr; erklären, daß die Freiheit der Per- ſon im Rahmen der Geſetze nur eine Er- gänzung der Rede-, Preß- und Verſamm- lungsfreiheit während der Wahl ſei; der An- trag ſoll auch verhindern, daß über mißliebige Perſonen in der Zeit des Wahlkampfes die Schutzhaft verhängt wird. Abg. Dr. Held (B. Vp.) äußerte Bedenken gegen den Wortlaut des Antrages, der zu un- klar ſei. Miniſter des Innern Dr. Schweyer griff dieſe Bedenken auf. Der Ausnahmezuſtand, deſſen Aufhebung abgelehnt wurde, dürfe nicht von dieſer Seite her aufgehoben werden. Nach den weitgehenden Beſchlüſſen zur Sicherung der Wahlfreiheit beſtehe auch ſachlich kein Be- dürfni&ſr;. Weiter ſei zu beachten, daß bei Auf- hebung des bayeriſchen Ausnahmezuſtandes der Reichsausnahmezuſtand — mit Schutzhaft — an ſeine Stelle trete. Abg. Dr. Müller (D. D. P.) erklärte, eine andere Formulierung als notwendig. Im übrigen ſchloß er ſich der Forderung des Abg. Endres an, daß die Regierung die Verordnung zur Si- cherung der Wahlen möglichſt raſch vorzulegen habe, da davon die endgültige Stel- lungnahme der Parteien zur Landtagsauflöſung abhänge. Im weiteren Verlaufe der Ausſprache wurde auch Art. 2 des Landeswahlgeſetze&ſr; angezogen, der hinſichtlich der Schutzhaft alles Notwendige erhalte. Von ſozialdemokratiſcher Seite wurde dies beſtritten und im übrigen er- klärt, daß die in Ziff. 4 der demokratiſchen An- träge geforderte Wiederherſtellung der Rede-, Preß- und Verſammlungsfreiheit den Aus- nahmezuſtand ſchon zu einem weſentlichen Teil beſeitigt habe. Wird der Ausnahmezu- ſtand nicht faktiſch aufgehoben, ſind Wahlen un- möglich. Schließlich wurde der Antrag in der Faſſung: „Ebenſo iſt das Recht der Perſon, ſoweit es ſich um die an den Wahlvorbereitungen beteiligten paſſiven Wähler handelt, gemäß den allgemeinen Straf- und ſonſtigen Geſetzen ſicherzuſtellen“ mit 14 Stimmen gegen 11 Stimmen der Bayeriſchen Volkspartei angenommen. Die Zuſtimmung im Plenum vorausgeſetzt, bedeutet der Beſchluß eine Art „Kandidatenſchutzgeſetz“ gegenüber dem Generalſtaatskommiſſariat. Das Verbot der „Freien Bauernſchaft“. Abg. Dr. Roth (fraktionslos) hatte beantragt, der „Freien Bauernſchaft“ des rechts- rheiniſchen Bayern, die als wirtſchaftliche Orga- niſation von der Kreisbauernkammer Nieder- bayern anerkannt ſei, gleich den anderen bäuer- lichen Organiſationen volle Verſammlungsfrei- heit zu gewähren und die ſofortige Aufhebung der entgegenſtehenden Anordnungen zu veran- loſſen. Der Antragſteller betonte den chriſtlichen Charakter der Organiſation, die ſich wegen ihrer antimarxiſtiſchen Einſtellung eigentlich der be- ſonderen Gunſt des Generalſtaatskommiſſars er- freuen müßte, ihre konfeſſionelle Neutralität und Mitgliederſtärke, ſowie das Recht des Land- tags, ſich mit der Sache zu befaſſen. Von eini- gem Intereſſe war eine bittere Klage Roths darüber, daß Graf Du Moulin Eckart jüngſt in Bayreuth nicht einmal über „Richard Wagner und das deutſche Volkstum“ ſprechen durfte! Miniſter des Innern Dr. Schweyer hob hervor, es handle ſich um einen Akt der Exeku- tion. Die Freie Bauernſchaft ſei eine ausge- ſprochen politiſche Organiſation, auch keineswegs ſo harmlos. Wenn auch ein Trennungsſtrich zur Pfälziſchen Freien Bauern- ſchaft gezogen wurde, die Zuſammenhänge ſind doch gegeben. Leute von drüben haben die Orga- niſation hier durchgeführt. Die Verſammlungs- freiheit wurde ſchon durch die Maiverordnung beſchränkt, durch die Septemberverordnung auf- gehoben; ein beſonderes Verbot iſt nicht ergan- gen. Alle Verſammlungen fallen unter das allge- meine Verſammlungsverbot. Die „Freie Bauern- ſchaft“ iſt nach ihrer ganzen Zuſammenſetzung der öffentlichen Ordnung nicht ungefährlich; man braucht nur an die unheilvolle Tätigkeit ihres geiſtigen Oberhauptes Heinz-Orbis zu er- innern. Auch die rechtsrheiniſche Organiſation habe verſucht, Reichs- und Staatsregie- rung herabzuſetzen, den Vollzug von Geſetzen und Verordnungen zu hintertrei- ben, hat zum Liefer- und Steuerſtreik aufgefordert. Abg. Dr. Held (B. Vp.) erinnerte in ſeiner den Antrag mit Rechtsgründen — Eingriff in die Exekution — ablehnenden Rede den Abgeord- neten Roth daran, daß er als Miniſter mit aller Schärfe die Exekution für ſich gefordert habe. Abg. Saenger (V. S. P.) ſtimmte aus grundſätzlichen Erwägungen dem Antrage zu. Abg. Broſiu&ſr; (B. Mp.) meinte, der Land- tag könne ſich das Recht der Exekutivkontrolle nicht nehmen laſſen. Abg. Roth beteuerte, daß ein ſcharfer Tren- nungsſtrich zwiſchen hüben und drüben gezo- gen ſei. Abg. Dr. Müller (D. D. P.) unterſtrich ge- genüber Held, daß nur ein Erſuchen vor- liege, das ſtets ſtatthaft ſei. Da es ſich um die Frage der vollen Verſammlungsfreiheit ſchlecht- hin handelt, kann ich, ohne die Tendenzen der „Freien Bauernſchaft“ zu billigen, um Zuſtim- mung zum Antrag Roth erſuchen. Mit 14 Stimmen der Bayeriſchen Volkspartei und Bayeriſchen Mittelpartei gegen 12 Stim- men der Sozialdemokraten, Demokraten und Bauernbündler verfiel der Antrag der Ab- lehnung. Der Perſonalabbau in Bayern. Eine Reihe von Perſonaleingaben an den Landtag ließ dem Verfaſſungsausſchuß die Erörterung der Frags zweckmäßig erſcheinen, ob es nach der durch den Antrag Helb erteilten Er- mächtigung an die Landesregierung angebracht ſei, ſich mit dieſen Eingaben im einzelnen zu befaſſen und dadurch geradezu die Luſt zu Ein- gaben zu wecken. Der Ausſchuß ſtellte ſich nahe- zu einſtimmig auf den Standpunkt, daß der Re- gierung in keiner Weiſe in den Arm gefallen werden darf. Der Perſonalabbau muß an- geſichts der ernſten Finanzlage durchge- führt werden. Der Regierung ſoll aber ein Gutachterausſchuß zur Seite geſtellt wer- den, der ſie mit Vorſchlägen unterſtützt. Staatsrat Dr. v. Deybeck erklärte ſich mit der Bildung eines ſolchen Ausſchuſſes einver- ſtanden. Der Vorſitzende des Eingabenarsſchuſſes Abg. Eiſenhei&ſr; (D. D. P.) teilte mit, daß auch dieſem Ausſchuß bereits ein Stoß von Bitt- ſchriften vorliege; es ſei unmöglich, über alle dieſe Dinge jetzt zu Gericht zu ſitzen. Die vorliegenden Eingaben wurden der Staatsregierung als Material hinüberge- geben. Perſonalabbau und Künſtlerſchaft. Die Münchener Künſtlerſchaft beabſichtigt, in den nächſten Tagen eine Eingabe an den Land- tag zu richten, welche die Ruheſtandsver- ſetzung der ſieben Akademieprofeſ- ſoren zum Gegenſtand hat. Im Verfaſſungs- ausſchuß des Landtages griff Abg. Dr. Müller (Meiningen) gelegentlich einer allgemeinen De- batte über Perſonalabbau-Petitionen die Sache auf und wies vorſorglich auf das große kul- turelle Moment dieſer Angelegenheit hin, demgegenüber das finanzielle keine Rolle ſpiele. Der Vertreter des Fi- nanzminiſters, Dr. v. Deyleck, gab als Grund für die Ruheſtandsverſetzung die Ueber- ſchreitung der Altersgrenze von 65 Jahren an und wies im übrigen auf die ernſte Finanzlage und die Notwendigkeit einer allge- meinen Durchführung des Perſonalabbaues hin. Da der Verfaſſungsausſchuß beſchloſſen hat, Eingaben zum Perſonalabbau nicht im einzelnen zu würdigen, und eine Reihe ſolcher Eingaben der Regierung kurzerhand als Material hinüber- gab, ſcheint vorerſt wenig Ausſicht zu beſtehen, dieſe — wie Dr. Müller hervorhob —, für das Staatsintereſſe und das Intereſſe der Kunſtſtadt München ſo bedeutungsvolle Angelegenheit materiell im Landtag zu erör- tern. Vielleicht aber gibt ſich Gelegenheit, den Gutachterausſchuß, deſſen Einſetzung der Ver- faſſungsausſchuß beſchloſſen hat und der die Re- gierung beim Perſonalabbau mit Vorſchlägen unterſtützen ſoll, mit der Sache zu befaſſen und auf dieſem Wege einen empfindlichen Schaden um Münchens Kunſtleben abzuwenden. Nochmals die liberale Einheitsfront. Zu den verſchiedenen Gerüchten und Nachrich- ten über Beſprechungen zwiſchen Deutſcher Volkspartei und Deutſcher Demokra- tiſcher Partei in Bayern bringt die „Mün- chen-Augsburger Abendzeitung“ in Erwiderung auf unſere letzte Notiz („Allg. Ztg.“ Nr. 6 vom 7. Januar) eine Darſtellung, „aus den Kreiſen der Deutſchen Volkspartei“, die nach unſerer Kenntnis der Dinge völlig unzutreffend und irreführend iſt. Sie ſtellt keines- fall&ſr; die Auffaſſung der Deutſchen Volks- partei als ſolcher dar, ſondern gibt im beſten Fall die Meinung der Leute um Herrn Dahn wieder, die es durch ihre Spe- zialpolitik längſt dahin gebracht haben, daß ſie nirgends mehr ernſt genommen werden. Im übrigen müſſen wir es den beiden beteilig- ten Parteien überlaſſen, die Angelegenheit zu klären und zu Ende zu führen. Unſer Stand- punkt iſt nicht zweifelhaft: In der Lage, wie ſie in Bayern gegeben iſt, halten wir eine klare deutſche Front des geſamten freiheitlich und deutſch geſinnten Bürgertum&ſr; für ein Gebot politiſcher Notwendigkeit, namentlich angeſichts der ungeheueren parteipolitiſchen Zer- ſplitterung. Wir ſehen dieſe Front als ein Ziel an, das bei der weitgehenden beider- ſeitigen Uebereinſtimmung in poli- tiſcher und wirtſchaftspolitiſcher Hinſicht ſach- lich durchaus erreichbar wäre. Die in dem deutſchnationalen Blatt dreinge- gebenen gehäſſigen Ausfälle gegen uns bewegen ſich in dem dort heimiſchen rüden Ton. Sie ſind einer Erwiderung nicht wert. Aus der Pfalz. Berlin, 11. Januar. Gegen die Verhaf- tung von Geiſeln durch die pfälziſchen Se- paratiſten, die ohne Bewilligung und Unter- ſtützung durch die franzöſiſchen Beſatzungsbehör- den in Speyer nicht möglich geweſen wäre und nicht aufrechterhalten werden könnte, wird, wie angenommen werden darf, von der Rhein- landskommiſſion alsbald Proteſt ein- gelegt werden. Mainz, 11. Januar. General de Metz in Speyer hat folgende Anordnungen infolge der Ermordung von Heinz-Orbis getroffen: 1. Die Einreiſe nach der Rheinpfalz wird ſämt- lichen Perſonen aus dem unbeſetzten Gebiet, die nicht in der Pfalz anſäſſig ſind, unterſagt. 2. Die Brückenübergänge über den Rhein wer- den für den Verkehr geſperrt. 3. Die Brücke von Ludwigshafen nach Mann- heim ſteht zu beſtimmten Stunden für das Pu- blikum offen, beſonders um die Verpflegung der Stadt zu ſichern. 4. In der Stadt Speyer wird der Verkehr in der Zeit von 7 Uhr abends bis 8 Uhr morgens unterſagt. Die Reſtaurants und Cafés uſw. müſſen während dieſer Zeit geſchloſſen bleiben. Sämtliche Anſammlungen ſind ſtrenge verboten. Frankenthal, 11. Januar. Der ſtellvertreteude Landgerichtsdirektor Gießen und der Bürger- meiſter Zaun ſind von den Separatiſten ver- haftet worden und nach Speyer verbracht wor- den. Offenbar ſollen ſie, wie die in Zweibrücken verhafteten Beamten, als Geiſeln für die Er- ſchießung der Separatiſten feſtgehalten werden. Die freie Bauernſchaft der Pfalz gegen die Separatiſten. Dieſer Tage fand eine Sitzung des Geſamtvorſtandes der Freien Bau- ernſchaft der Pfalz ſtatt. Anweſend war auch ein Vertreter des franzöſiſchen Provinzdele- gierten. Es entſpann ſich eine heftige De- batte, aus der jedoch mit überwältigender Mehrheit der Beſchluß hervorging, daß den Vorſtandsmitgliedern, wie überhaupt jedem Mit- glied der Freien Bauernſchaft verboten ſein ſoll, ſich an der ſeparatiſtiſchen Bewe- gung zu beteiligen. Verſchiedene frühere Mit- glieder der Freien Bauernſchaft, die ſich als Afterbezirksamtmänner und in ähnlicher Weiſe betätigen, ſind aus der Vereinigung ausge- ſchloſſen worden. Der jetzt nicht mehr am Leben weilende Präſident Heinz-Orbis hatte bereits vor längerer Zeit ſeinen Austritt aus der Freien Bauernſchaft erklärt. Verkehrsſperre. Der Rheinübergang Mannheim-Ludwigshafen iſt ſeit heute morgen 10 Uhr für jeden Verkehr vollkommen geſperrt. Vor Reiſen in die Pfalz wird dringend gewarnt. Politiſche Rundſchau. Zur Reichstagskandidatur Luden- dorff wird aus Kreiſen der Vaterländiſchen Verbände erklärt, daß eine Unterſtützung dieſer Kandidatur durch die Vaterländiſchen Verbände nicht in Frage kommt. Zur Beratung der Neuorganiſation bei der Reichsbahn trat heute der Orga- niſationsausſchuß im Reichsverkehrsminiſterium zuſammen. An der Univerſität Frankfurt hat ſich eine Arbeitsgemeinſchaft der Jugend- bewegung gebildet, die alle bewegten Grup- pen von den Völkiſchen bis zu den Sozia- liſten umfaßt. Gegen den thüringiſchen Miniſter Herr- mann und den Regierungsaſſeſſor Kunze iſt die öffentliche Klage erhoben worden. Der Unterſuchungsrichter beim Landgericht Weimar hatte die Haftbefehle beſtätigt, und zwar wegen ſchwerer Urkundenfälſchung im Amte. In Sachſen finden am kommenden Sonn- tag Gemeindewahlen ſtatt. In London iſt eine engliſche Bauern- partei gegründet worden. Sie will bei den nächſten Wahlen Kandidaten aufſtellen, die ſich verpflichten müſſen, die Intereſſen der engliſchen Landwirtſchaft im Unterhaus zu ver- fechten. Vermiſchte Nachrichten. Garmiſch, 11. Januar. Auf der Strecke Reutte-Innsbruck der Mittenwaldbahn wird bis auf weiteres die zweite Wagenklaſſe nicht mehr mitgeführt. Deggendorf, 11. Januar. Die Sirius- Werke-A.-G. errichten zurzeit in Deggen- dorf in der Nähe des Donauhafens eine chemi- ſche Fabrik großen Umfangs. Der Bau ſieht ſeiner Vollendung entgegen. In den Werken, die ihren Betrieb bereits in den nächſten Monaten aufzunehmen gedenken, werden Tone aller Art verarbeitet. Ergoldsbach, 11. Januar. Wenige Wochen vor ſeinem 80. Geburtstag, iſt Herr Sebaſtian Ramſauer in Oberergoldsbach — wahr- ſcheinlich in der Schlaftrunkenheit — nachts die Stiege ſeines Wohnhauſes heruntergeſtürzt und tödlich verunglückt. Ramſauer hatte ſechs Jahre lang das Amt des Bürgermeiſters inne und hat im vorigen Monat ſeine goldene Hochzeit in voller Rüſtigkeit gefeiert. Die Goetheausſtellung in Kopenhagen. Der deutſch-däniſchen Goetheausſtellung, die, vom 27. Januar bis etwa Mitte Februar von der deutſch-däniſchen Geſellſchaft veranſtaltet, in Ko- penhagen ſtattfindet, wird von den bedeutendſten deutſchen Goetheſammlungen reichlichſtes Material zur Verfügung geſtellt werden. Ausgeſtellt wer- den die wertvollen Weimarer Sammlungen, die der Univerſität Leipzig, die Frankfurter Samm- lung, die berühmte Sammlung Kippenberg, Dr. Stummes Fauſtſammlung, die des deutſchen Buchmuſeums, darunter Briefe Goethes, andere Handſchriften, Originalausgaben uſw. An der Ordnung und Einrichtung des umfangreichen Materials arbeiteten u. a. Dr. Hünnich vom In- ſelverlag und Dr. Rockwitz vom deutſchen Buch- muſeum, der nach Kopenhagen berufen worden iſt. Die Ausſtellung wird drei Hauptabteilungen umfaſſen; die hiſtoriſche deutſche Abteilung be- leuchtet Goethes Leben von der Wiege bis zum Grabe; die moderne deutſche Abteilung zeigt die neue Goethe-Literatur, und endlich zeigt die däniſche Abteilung, was in Dänemark über Goethe geſchrieben worden iſt und veranſchau- licht die Bedeutung Goethes für das däniſche Gei- ſtesleben. Während der Goethe-Ausſtellung wer- den folgende Vorträge gehalten werden: Ge- ſandter Dr. Mutius: Goethe als Aktualität; Prof. Albert Köſter: Fauſt; Prof. Louis Ham- merich: Goethe und der Orient; Dozent Wan- ſcher: Goethe und die bildende Kunſt; Prof. Karl Larſen: Goethe und Dänemark. Korngolds Mißerfolg in Rom. Wie aus Rom berichtet wird, hat der Wiener Komponiſt W. E. Korngold bei ſeinem erſten Auftreten in Ita- lien als Dirigent eigener Kompoſitionen kei- neswegs den erwarteten Erfolg. Der Dirigent gefiel wenig, die Kompoſitionen wurden aus- geziſcht! Nur die ja wirklich reizende „Suite“ zu Shakeſpeares „Viel Lärm um Nichts“, die wir auch in München kennen, fand lebhaften, wohl- verdienten Beifall. Starke Reklame hatte die Er- wartungen für Korngolds Konzert aufs höchſte geſteigert. Man rechnete mit Senſation — um ſo arger die Enttäuſchung. Für Rom iſt Korngold wohl erledigt — das heißt, man wird dort nur die wenigen glücklichen Werke ſeiner ſchwächlichen Muſe bieten können. Dieſer wird wohl mit der Zeit das Schickſal von Korngolds Muſik über- haupt ſein. — Die Münchener Kammerſpiele haben mit der Beſetzung der Rolle des Louis Ferdinand im gleichnamigen Drama von Unruh durch Karl Ludwig Di_hla. a. G. der Dichtung einen ausge- zeichneten Dienſt erwieſen. Herr Diehl hält ſein ſtarkes Temperament in ſtraffen Zügeln und brachte in die Aufführung die dem erſten Abend fehlende dramatiſche Belebung durch feine Ab- tönung der durchaus nicht ſo ganz auf Siedehitze geſtellten Rolle. Dadurch erſchien auch der ſpä- tere Uebergang natürlicher, und der Bruch, der durch die Dichtung geht, überbrückt. Weiter er- freulich war, daß auch die meiſten der übrigen Darſteller ſeit der Erſtaufführung gewonnen ha- ben, ſo Herr Riewe als Rieſel und die Damen Molten (Königin) und Jacobſon (Pauline). Glücklich war auch die Umbeſetzung des Staats- kanzlers, den nun Herr Horwitz diskret ſpielt. Mancherlei Kleinigkeiten dagegen ſcheinen etwas vernachläſſigt. E. I. Ein Konzert auf 13 000 Kilometer. Als ein neuer Triumph der drahtloſen Telephonie wird die Tatſache bezeichnet, daß ein Konzert, das von Pittsburg in den Vereinigten Staaten drahtlos nach London übermittelt wurde, zu gleicher Zeit auch von Mithörern zu Middleburg in Kapland genoſſer werden konnte. Das in Amerika veran- ſtaltete Konzert konnte über eine Strecke von mehr als 18 000 Kilometer gehört werden. Dies iſt mehr als ein Drittel des Erdumfangs am Aequator. In dem ſehr reichhaltigen Januarheft der „Literatur“ (Herausgeber: Ernſt Heilborn, Ver- lag: Deutſche Verlags-Anſtalt Stuttgart-Berlin) gewährt ein ruſſiſcher Mitarbeiter, Wladimir Aſtrow, Einblick in die neueſten literariſchen Vorgänge des bolſchewiſtiſchen Rußland, von denen bislang nur überaus ſpärliche Kunde zu uns gedrungen iſt. Er charakteriſiert den tiefgreifen- den Auffaſſungsunterſchied eines Trotzki, dem alle Religion nur äußerliches Schaugepränge be- deutet und der uns eben auf einen literariſchen Zukunftsſtaat zu vertröſten weiß, und eines Tſchitſcherin, dem doch eine mehr ſeeliſche Erkenntnis ſich aufdrängt, um alsdann aus der neueſten Dichtung ſelbſt ein Bild zu gewinnen. Er ſchreibt: „Der erfolgreichſte Lyriker im bolſche- wiſtiſchen Rußland iſt der ‚Futuriſt’ Maja- kowſki. Seine Art wird von einem begeiſterten Kritiker wie folgt charakteriſiert: ‚Der Poet be- ginnt in der Poeſie ſo zu ſprechen, wie er und alle anderen es im täglichen Leben zu tun ge- wohnt ſind; endlich findet der Dichter eine ge- meinſame Sprache mit ſeinen Mitmenſchen, ohne ſie dabei aus der Wirklichkeit in ein Bereich un- tätiger, emotionaler Beſchaulichkeit zu entführen, ſondern, im Gegenteil, mittätig in ihr ſoziales Tun eingreifend. Bis in ihre Formen wird die Poeſie ſozial-utilitär.’ In ähnlicher Weiſe wollen auch die anderen Literaturgruppen (Serapions- brüder, Imaginiſten) Sprachrohre der neuen Zeit ſein; ſie ahmen ihre raſtloſe Dynamik nach, ihre Ueberſtürzung, die Auflöſung aller gewohnten Syntheſen, die die Wirklichkeit in einen phantaſti- ſchen Traum verwandeln, die Vergötterung der Maſſe und der Maſchine. Das ‚realiſtiſche’ Prin- zip wird auf die Spitze getrieben in der bevor- zugten Ausmalung der roheſten, äußerlichſten, entſeelten Wirklichkeit. Und man muß ſchon tief in dieſer Wirklichkeit befangen ſein, um noch an ihrem getreuen Spiegelbild Gefallen zu finden.“ Kleine Nachrichten. Regensburg. Hier wird demnächſt mit der Er- richtung einer Dombauhütte begonnen, in der alle Arbeiten zur Iſtandſetzung des Re- gensburger Dom&ſr; zur Ausführung kom- men ſollen. Graphik-Auktion. Das Antiquariat Paul Graupe, Berlin, verſchickt ſeinen Katalog zur 29. Auktion „Graphik und Handzeichnungen des 19. und 20. Jahrhunderts“ (darunter eine umfaſſende Sammlung von Probe- und Zuſtandsdrucken von Corinth, Liebermann, Meid, Oppler und Sle- vogt). Verſteigerung am 25. und 26. Januar. Donnerstag, 17. Januar, Odeon (7½ Uhr): 4. Konzert der Konzertgeſellſchaft für Chorgeſang unter Leitung von Dr. Hans Rohr. Das Programm ſtellt eine Heitere Soiree in Alt-Wien dar und enthält heitere Chöre, Ge- ſänge, Orcheſterwerke, Kammermuſiken des Wiener Rokoko und Biedermeier von Dittersdorf bis Schubert. Mitwirkende: Adele Kern (Koloraturſopran der Staatsoper), Irma Donle-Gorter (Mezzo- ſopran), Karl Seydel (Tenor der Staatsoper), Wil- helm Bauer (Bariton-Augsburg), Jani Szanto (Violine), das Münchener Streichquartett, Chorgruppen der Konzertgeſellſchaft für Chorgeſang und ein Kammerorcheſter. Ein Vorabend findet am Mittwoch, 16. Jan. im Odeon (7½ Uhr) ſtatt. Karten bei Bauer und Hieber. Freitag, 18. Januar, im Odeon (7½ Uhr): Lieder- und Arien-Abend Lauritz Melchior (Tenor) und Maria Delbran (Sopran). Programm: Lieder von Järnefelt, Sibelius, Heiſe, Grieg, Sjöberg, Hermann, Trunk, Strauß. Arien von Mozart, Puccini und Leoncavallo. Am Klavier: Richard Trunk. Karten bei Bauer und Hieber. Heute Samstag, 12. Januar, veranſtaltet die Münchener Jugendbühne Guſt. Rud. Sellners im Steinickeſaal, Adalbert- ſtraße 15, einen Hofmannsthal-Abend. Zur Aufführung gelangen: Prolog zu Antigone, Tod des Tizian, Kaiſer und Here. Tor und Tod. Die Abendkaſſe iſt ab 6.30 Uhr geöffnet. Beginn 7.30 Uhr, Ende gegen 10 Uhr. Der Reinerlös wird dem Roten Kreuz für das Tagesheim der Notleidenden zugeführt. Heute, Samstag, den 12. Januar: Ton- halle: Zweites Promenade-Konzert mit Tanz. Odeon (8 Uhr): Münchener Volksbuhne, Soliſten-Konzert.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-12-19T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 12. Januar 1924, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine11_1924/3>, abgerufen am 24.11.2024.