Allgemeine Zeitung, Nr. 102, 12. April 1849.[Spaltenumbruch]
Veranlassung gibt. Hier fehlen Handpferde, dort ist ein Packpferd nicht Der Feldmarschall, der auf größern Märschen in seinem Wagen fährt, Was nun die Quartiere anbelangt, so waren dieselben nicht immer Paris. Paris, 5 April. Es bilden sich gegenwärtig zwei Associationen, [Spaltenumbruch]
Veranlaſſung gibt. Hier fehlen Handpferde, dort iſt ein Packpferd nicht Der Feldmarſchall, der auf größern Märſchen in ſeinem Wagen fährt, Was nun die Quartiere anbelangt, ſo waren dieſelben nicht immer Paris. ㇲ Paris, 5 April. Es bilden ſich gegenwärtig zwei Aſſociationen, <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0013" n="1569"/><cb/> Veranlaſſung gibt. Hier fehlen Handpferde, dort iſt ein Packpferd nicht<lb/> aufzufinden, wahrſcheinlich zurückgeblieben, Beamte forſchen nach ihrem<lb/> Kanzleiwagen, Equipagen haben ſich verirrt und kommen die Nacht gewiß<lb/> nicht mehr zum Vorſchein, Hunde ſpringen von den Packwagen und ſuchen<lb/> ihre Herren, Pferde ſtampfen und ſchlagen, und glücklich iſt der welcher<lb/> ſein Quartierbillet hat, wenn ihm nicht unter der Zeit die Ordonnanz mit<lb/> dem Mantelſack davon, das heißt in deſſen Quartier das man nicht auf-<lb/> zufinden weiß, geritten iſt. Hiezu kommen immer neue Truppencolonnen<lb/> die ſich heranwälzen, Artillerie, Infanterie, Cavallerie marſchirt mit klin-<lb/> gendem Spiel hindurch, den ſchon vorhandenen Lärm bedeutend vergrößernd.</p><lb/> <p>Der Feldmarſchall, der auf größern Märſchen in ſeinem Wagen fährt,<lb/> einem kleinen Coupée mit vier Pferden beſpannt, hat zwei große Fourgons<lb/> bei ſich, auf welchen ſich das Service und Tafelgeräthe befindet das er für<lb/> ſich und ſein Gefolge braucht; auf Märſchen und im Feld nämlich ſind<lb/> ſämmtliche Officiere und Beamte die ſich in ſeiner Nähe befinden beſtändig<lb/> zur Tafel eingeladen. In dem Hofe des Hauſes wo der Feldmarſchall<lb/> wohnt, wird — wenn es die Zeit erlaubt — nun emfig abgepackt, Küche-<lb/> batterien, Teller und Beſtecke kommen zum Vorſchein, und der Koch des<lb/> alten Herrn, dem man die Gerechtigkeit widerfahren laſſen muß daß er ſein<lb/> Uebermögliches gethan uns im Feld gute Mahlzeiten zu verſchaffen, ſucht<lb/> Fleiſch und Gemüſe, was er eben findet, und beginnt ſeine Arbeit. Die<lb/> Tafel wird in irgendeinem großen Zimmer oder in Ermangelung des-<lb/> ſelben im Hofe aufgeſchlagen, der alte Herr ſetzt ſich in die Mitte der<lb/> langen Seite, um ihn her die Erzherzoge, Feldmarſchall-Lieutenants und<lb/> dann alles übrige wie es gerade Platz findet, doch wird nicht darauf ge-<lb/> ſehen daß ſich alles nach der Rangliſte zuſammenfindet — der Feld-<lb/> marſchall ſitzt neben dem Hauptmann, der General neben dem Lieutenant,<lb/> und ein Band der Fröhlichkeit und guten Laune umſchlingt alle. Dieſe<lb/> Mahlzeiten ſind einfach: eine Reisſuppe, Rindfleiſch, Gemüſe mit Bei-<lb/> lage, Braten und Salat, dazu guter rother Wein den man überall hier<lb/> findet und in reichlichen Quantitäten. Ich muß ſagen ich werde mich nur<lb/> mit großer Freude dieſer Mittagstiſche erinnern, an die Heiterkeit die hier<lb/> herrſchte, an den liebenswürdigen Ton und zugleich die Ungebundenheit<lb/> mit welcher bei denſelben die Unterhaltung geführt wurde, und — nicht<lb/> zu vergeſſen — an die gereimten Trinkſprüche unſers vortrefflichen General-<lb/> intendanten des Grafen Bachta, ſo am Namenstag des Feldmarſchalls,<lb/> dem Joſephstag — es war in St. Angelo — und ich bedaure nur den<lb/> launigen Toaſt, der den Marſchall und die ganze Geſellſchaft zu großer<lb/> Heiterkeit hinriß, nicht aufgeſchrieben zu haben.</p><lb/> <p>Was nun die Quartiere anbelangt, ſo waren dieſelben nicht immer<lb/> ſo gut wie in St. Angelo. Am 19 Abends erreichten wir Torre bianco,<lb/> einen einzelſtehenden Maierhof wo das Hauptquartier hineinverlegt wurde,<lb/> Pferde und Wagen wurden unter den Portici untergebracht die den Hof<lb/> umgaben, ein paar Zimmer für den Feldmarſchall und einige andere Herren<lb/> fanden ſich glücklicherweiſe vor, und für alles übrige wurde der große<lb/> Salon geöffnet. Dieſer große Salon war zu ebner Erde und hätte auch<lb/> Hausflur genannt werden können. Hier wurde ſehr friſches Stroh auf-<lb/> geſchüttet und das Schlafgemach war fertig. An Speiſen war außer<lb/> einigem Brod und Wein nichts vorhanden, weßhalb eine große Salami-<lb/> wurſt, die ich in Mailand erkauft hatte und jetzt zum Vorſchein brachte, mit<lb/> großem Jubel empfangen und gemeinſchaftlich verzehrt wurde, gute Laune<lb/> brachten die meiſten mit, und ſo hielten wir ein vortreffliches Nachteſſen.<lb/> Ueberhaupt gehörte dieſe abendliche geſellige Unterhaltung mit zu den<lb/> Glanzpunkten unſeres Feldlebens. Es entwickelten ſich hier namentlich<lb/> unter den Ordonnanzofficieren erſtaunliche Talente, und wenn ſämmtliche<lb/> Lieder — und deren gab es keine kleine Zahl — abgeſungen waren, ſo<lb/> wurde Abgang und Ankunft großer Eiſenbahnzüge täuſchend nachgeahmt,<lb/> große Feuerwerke executirt und reizende Idyllen mit obligater Thier-<lb/> ſtimmenbegleitung hervorgezaubert. Ich kann nicht umhin hier unſers<lb/> Freundes des Oberlieutenants Heizinger zu gedenken, der — die Seele<lb/> dieſer Abendunterhaltungen — in dieſem Augenblick mit ſeinem Regiment<lb/> Liechtenſtein-Cheveauleger nach Ungarn marſchirt. Mögen ihm dieſe<lb/> Zeilen, wo ſie ihn finden, einen herzlichen Gruß von mir wie von allen<lb/> ſeinen Cameraden ſagen. Wie aber ſo im Scherz das ganze Haupt-<lb/> quartier des Feldmarſchalls Radetzky mit einem feſten innigen Band um-<lb/> ſchlungen wird, ſo auch im Ernſt des Lebens. Es iſt wie eine einzige<lb/> große Familie, ein geliebter Vater an der Spitze, und feſt durchdrungen<lb/> von einer einzigen Idee, verfolgend den Willen des Führers zum Ruhm<lb/> des Vaterlandes; es iſt ein feſter Körper, durchdrungen von dem Geiſte<lb/> des Feldmarſchalls, und in denſelben eingehend ein Wort, ein Wille, alles<lb/> kräftig und energiſch vorwärtsſtrebend, und darum auch wohl die glänzen-<lb/> den Reſultate. Und ſo wie alle ihren Führer lieben, ſo ſind ſie auch<lb/> freundlich geſinnt unter ſich. Es gibt wohl wenige Armeen wo dieſes<lb/> ſchöne cameradſchaftliche Verhältniß herrſcht wie hier in der öſter-<lb/> reichiſchen, und wo Rang und Stand ſo wenig Unterſchied macht. Nur<lb/><cb/> im Dienſt gilt die Charge, außerdienſtlich aber unterhält ſich der Marſchall<lb/> gern mit dem Lieutenant. Ich kann nicht umhin hier in gerührtem Danke<lb/> der ehrenvollen und freundlichen Aufnahme zu gedenken die mir von allen,<lb/> ohne Ausnahme von allen zu Theil wurde, wofür ich um ſo dankbarer<lb/> bin, als ich mich aus früherm Leben her erinnere daß dergleichen Artig-<lb/> keiten und Zuvorkommenheiten nicht überall zu Hauſe find. Wie oft<lb/> gaben mir bei wichtigen Veranlaſſungen Officiere aller Grade, Generale<lb/> und Feldmarſchälle einen guten Platz, und zogen ſich zurück um mich das<lb/> Intereſſante ſehen zu laſſen! In dieſer Beziehung will ich von dem Feld-<lb/> marſchall Radetzky gar nicht reden, denn ſeine Güte und Freundlichkeit iſt<lb/> zu bekannt und von einem ſo hochbejahrten und ſo hochgeſtellten Manne<lb/> wahrhaft rührend.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Paris.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="4"><lb/> <dateline>ㇲ <hi rendition="#b">Paris,</hi> 5 April.</dateline><lb/> <p>Es bilden ſich gegenwärtig zwei Aſſociationen,<lb/> deren Zweck iſt der Ueberſchwemmung von zerſtörenden Theorien die auf<lb/> tauſend verſchiedene Arten unter das Volk geworfen werden, durch Ver-<lb/> breitung geſünderer Schriften entgegenzuwirken. Die eine geht von<lb/> dem Ausſchuß des Poitiersvereins aus, und die andere von der Redaction<lb/> des (carliſtiſchen) Blattes L’opinion publique. Sie werden viel zu thun<lb/> haben, denn wir ſind wieder mit Journalen überſchwemmt welche die<lb/> ſchlimmſten Monate des letzten Jahres zurückrufen, wo der Père Duchène<lb/> und ſeine ekelhafte und zahlreiche Sippſchaft die Juniustage vorbereiteten.<lb/> Eine große Anzahl derſelben erſcheint in monatlichen halben Bogen, weil<lb/> ſie keine Caution leiſten können; ſie ſcheinen keine regelmäßige Abnahme<lb/> zu haben, und oft gar nicht einmal ein Bureau dafür, ſondern werden in<lb/> einer gemeinſchaftlichen Bude in der Straße Verdelet verkauft, wo man<lb/> alle rothen und ſocialiſtiſchen Zeitungen, Broſchüren, Lieder ꝛc. beiſam-<lb/> men findet, und von wo ſie an die Gläubigen in der Provinz verſchickt<lb/> werden. Für den Verkauf in Paris iſt durch die zahlloſen Verkäufer an<lb/> den Straßenecken und in wandernden Buden geſorgt. Ich habe vor eini-<lb/> gen Tagen vor dem Thor der Tuilerien an einer dieſer Buden eine Hand-<lb/> voll der neueſten Blätter dieſer Art gekauft; es gibt ihrer viele mehr, aber<lb/> ich will die Titel meiner Ausbeute hier beiſetzen, weil ſie einen guten Begriff<lb/> von der Art von Litteratur gibt die man hier verbreitet. Journal des<lb/> Sansculottes, le Chriſt républicain-démocrate-ſocialiſte, la Montagne,<lb/> la Commune de Paris (dieſe war früher unter der Redaction von Sobrier<lb/> ein Schrecken für die Pariſer geweſen, hatte nach ſeiner Verhaftung auf-<lb/> gehört und iſt jetzt wieder erſtanden), le Républicain rouge, la Langue de<lb/> Vipère, le Révolutionnaire, le Communiſte, la Verité ſans chemiſe, la<lb/> Chandelle démocratique et ſocialiſte, la Commune ſociale, l’opinion des<lb/> femmes, le Travail affranchi. Die meiſten dieſer Blätter gehören eigent-<lb/> lich der rothen Republik an, aber faſt alle haben einen Anſtrich von So-<lb/> cialismus angenommen, der es ſchwer macht dieſe beiden, urſprünglich<lb/> ſehr ſcharf getheilten Parteien zu unterſcheiden. Die rothe Republik als<lb/> politiſche Partei iſt ſo ziemlich zu Ende, ſie hat durch ihre Unfähigkeit<lb/> und ihren gänzlichen Mangel an Ideen ſich ſchnell überlebt. Ihre einzige<lb/> Idee beſtand in dem allgemeinen Wahlrecht; dieß haben ſie erlangt, und<lb/> dann iſt ihr Reich zu Ende gegangen, denn der allgemeine Krieg, das<lb/> Papiergeld und die Zerſtörung der Verwaltung durch Commiſſäre ſind<lb/> keine Ideen, und eine Partei welche ſich keinen Zweck vorſetzt, kann nicht<lb/> beſtehen. Daher verdecken ihre Journale ihre eigene Leerheit durch An-<lb/> nahme einiger ſocialiſtiſchen Formeln, aus denen ſie aber, wie es mit<lb/> etwas Angelerntem und Nachgeahmtem geht, nichts zu machen wiſſen.<lb/> Sie erſetzen dann den Mangel an Kenntniß und Plan reichlich durch De-<lb/> clamationen, Drohungen gegen die Geſellſchaft die ihnen nicht Wort ge-<lb/> halten habe, und liefern den Socialiſten, deren eigentliche Rolle iſt<lb/> durch Ueberredung und Aſſociation zu wirken, ein immer bereites Heer<lb/> für Barricaden. Alle dieſe Journale wenden ſich an die Leidenſchaften<lb/> einer verarmten Menge, der ſie eine unmögliche Zukunft verſprechen, und<lb/> ihre Predigten finden natürlich bei den Unwiſſenden und von Noth Ge-<lb/> drückten ein williges Ohr. Ich bin begierig zu ſehen wie ſich die beiden<lb/> Vereine benehmen werden um den verderblichen Lehren entgegenzuarbeiten.<lb/> Die Akademie der moraliſchen Wiſſenſchaften hatte es auf Aufforderung<lb/> von Cavaignac übernommen, und hat nach und nach etwa zwanzig kleine<lb/> Bücher zu dieſem Zweck herausgegeben, die aber, wie vorauszuſehen war,<lb/> ihren eigentlichen Zweck ziemlich verfehlt haben. Einige haben zwar<lb/> mehrere Auflagen erlebt, aber ſie ſind von den mittleren Claſſen gekauft<lb/> worden und gar nicht in die unteren eingedrungen, für die ſie der Styl,<lb/> die Methode, der Inhalt und der Preis gleich wenig anziehend machten;<lb/> dennoch möchte ich ſie nicht für ſo ganz unnütz halten als man hier geneigt<lb/> iſt zu thun; denn wenn ſie gleich von den Leſern der unterſten Claſſe ſocia-<lb/> liſtiſcher Blätter nicht geleſen wurden, ſo ſind ſie doch der Claſſe aus der<lb/> die Verfaſſer dieſer Blätter, die Chefs der Clubs und die Demagogen ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1569/0013]
Veranlaſſung gibt. Hier fehlen Handpferde, dort iſt ein Packpferd nicht
aufzufinden, wahrſcheinlich zurückgeblieben, Beamte forſchen nach ihrem
Kanzleiwagen, Equipagen haben ſich verirrt und kommen die Nacht gewiß
nicht mehr zum Vorſchein, Hunde ſpringen von den Packwagen und ſuchen
ihre Herren, Pferde ſtampfen und ſchlagen, und glücklich iſt der welcher
ſein Quartierbillet hat, wenn ihm nicht unter der Zeit die Ordonnanz mit
dem Mantelſack davon, das heißt in deſſen Quartier das man nicht auf-
zufinden weiß, geritten iſt. Hiezu kommen immer neue Truppencolonnen
die ſich heranwälzen, Artillerie, Infanterie, Cavallerie marſchirt mit klin-
gendem Spiel hindurch, den ſchon vorhandenen Lärm bedeutend vergrößernd.
Der Feldmarſchall, der auf größern Märſchen in ſeinem Wagen fährt,
einem kleinen Coupée mit vier Pferden beſpannt, hat zwei große Fourgons
bei ſich, auf welchen ſich das Service und Tafelgeräthe befindet das er für
ſich und ſein Gefolge braucht; auf Märſchen und im Feld nämlich ſind
ſämmtliche Officiere und Beamte die ſich in ſeiner Nähe befinden beſtändig
zur Tafel eingeladen. In dem Hofe des Hauſes wo der Feldmarſchall
wohnt, wird — wenn es die Zeit erlaubt — nun emfig abgepackt, Küche-
batterien, Teller und Beſtecke kommen zum Vorſchein, und der Koch des
alten Herrn, dem man die Gerechtigkeit widerfahren laſſen muß daß er ſein
Uebermögliches gethan uns im Feld gute Mahlzeiten zu verſchaffen, ſucht
Fleiſch und Gemüſe, was er eben findet, und beginnt ſeine Arbeit. Die
Tafel wird in irgendeinem großen Zimmer oder in Ermangelung des-
ſelben im Hofe aufgeſchlagen, der alte Herr ſetzt ſich in die Mitte der
langen Seite, um ihn her die Erzherzoge, Feldmarſchall-Lieutenants und
dann alles übrige wie es gerade Platz findet, doch wird nicht darauf ge-
ſehen daß ſich alles nach der Rangliſte zuſammenfindet — der Feld-
marſchall ſitzt neben dem Hauptmann, der General neben dem Lieutenant,
und ein Band der Fröhlichkeit und guten Laune umſchlingt alle. Dieſe
Mahlzeiten ſind einfach: eine Reisſuppe, Rindfleiſch, Gemüſe mit Bei-
lage, Braten und Salat, dazu guter rother Wein den man überall hier
findet und in reichlichen Quantitäten. Ich muß ſagen ich werde mich nur
mit großer Freude dieſer Mittagstiſche erinnern, an die Heiterkeit die hier
herrſchte, an den liebenswürdigen Ton und zugleich die Ungebundenheit
mit welcher bei denſelben die Unterhaltung geführt wurde, und — nicht
zu vergeſſen — an die gereimten Trinkſprüche unſers vortrefflichen General-
intendanten des Grafen Bachta, ſo am Namenstag des Feldmarſchalls,
dem Joſephstag — es war in St. Angelo — und ich bedaure nur den
launigen Toaſt, der den Marſchall und die ganze Geſellſchaft zu großer
Heiterkeit hinriß, nicht aufgeſchrieben zu haben.
Was nun die Quartiere anbelangt, ſo waren dieſelben nicht immer
ſo gut wie in St. Angelo. Am 19 Abends erreichten wir Torre bianco,
einen einzelſtehenden Maierhof wo das Hauptquartier hineinverlegt wurde,
Pferde und Wagen wurden unter den Portici untergebracht die den Hof
umgaben, ein paar Zimmer für den Feldmarſchall und einige andere Herren
fanden ſich glücklicherweiſe vor, und für alles übrige wurde der große
Salon geöffnet. Dieſer große Salon war zu ebner Erde und hätte auch
Hausflur genannt werden können. Hier wurde ſehr friſches Stroh auf-
geſchüttet und das Schlafgemach war fertig. An Speiſen war außer
einigem Brod und Wein nichts vorhanden, weßhalb eine große Salami-
wurſt, die ich in Mailand erkauft hatte und jetzt zum Vorſchein brachte, mit
großem Jubel empfangen und gemeinſchaftlich verzehrt wurde, gute Laune
brachten die meiſten mit, und ſo hielten wir ein vortreffliches Nachteſſen.
Ueberhaupt gehörte dieſe abendliche geſellige Unterhaltung mit zu den
Glanzpunkten unſeres Feldlebens. Es entwickelten ſich hier namentlich
unter den Ordonnanzofficieren erſtaunliche Talente, und wenn ſämmtliche
Lieder — und deren gab es keine kleine Zahl — abgeſungen waren, ſo
wurde Abgang und Ankunft großer Eiſenbahnzüge täuſchend nachgeahmt,
große Feuerwerke executirt und reizende Idyllen mit obligater Thier-
ſtimmenbegleitung hervorgezaubert. Ich kann nicht umhin hier unſers
Freundes des Oberlieutenants Heizinger zu gedenken, der — die Seele
dieſer Abendunterhaltungen — in dieſem Augenblick mit ſeinem Regiment
Liechtenſtein-Cheveauleger nach Ungarn marſchirt. Mögen ihm dieſe
Zeilen, wo ſie ihn finden, einen herzlichen Gruß von mir wie von allen
ſeinen Cameraden ſagen. Wie aber ſo im Scherz das ganze Haupt-
quartier des Feldmarſchalls Radetzky mit einem feſten innigen Band um-
ſchlungen wird, ſo auch im Ernſt des Lebens. Es iſt wie eine einzige
große Familie, ein geliebter Vater an der Spitze, und feſt durchdrungen
von einer einzigen Idee, verfolgend den Willen des Führers zum Ruhm
des Vaterlandes; es iſt ein feſter Körper, durchdrungen von dem Geiſte
des Feldmarſchalls, und in denſelben eingehend ein Wort, ein Wille, alles
kräftig und energiſch vorwärtsſtrebend, und darum auch wohl die glänzen-
den Reſultate. Und ſo wie alle ihren Führer lieben, ſo ſind ſie auch
freundlich geſinnt unter ſich. Es gibt wohl wenige Armeen wo dieſes
ſchöne cameradſchaftliche Verhältniß herrſcht wie hier in der öſter-
reichiſchen, und wo Rang und Stand ſo wenig Unterſchied macht. Nur
im Dienſt gilt die Charge, außerdienſtlich aber unterhält ſich der Marſchall
gern mit dem Lieutenant. Ich kann nicht umhin hier in gerührtem Danke
der ehrenvollen und freundlichen Aufnahme zu gedenken die mir von allen,
ohne Ausnahme von allen zu Theil wurde, wofür ich um ſo dankbarer
bin, als ich mich aus früherm Leben her erinnere daß dergleichen Artig-
keiten und Zuvorkommenheiten nicht überall zu Hauſe find. Wie oft
gaben mir bei wichtigen Veranlaſſungen Officiere aller Grade, Generale
und Feldmarſchälle einen guten Platz, und zogen ſich zurück um mich das
Intereſſante ſehen zu laſſen! In dieſer Beziehung will ich von dem Feld-
marſchall Radetzky gar nicht reden, denn ſeine Güte und Freundlichkeit iſt
zu bekannt und von einem ſo hochbejahrten und ſo hochgeſtellten Manne
wahrhaft rührend.
Paris.
ㇲ Paris, 5 April.
Es bilden ſich gegenwärtig zwei Aſſociationen,
deren Zweck iſt der Ueberſchwemmung von zerſtörenden Theorien die auf
tauſend verſchiedene Arten unter das Volk geworfen werden, durch Ver-
breitung geſünderer Schriften entgegenzuwirken. Die eine geht von
dem Ausſchuß des Poitiersvereins aus, und die andere von der Redaction
des (carliſtiſchen) Blattes L’opinion publique. Sie werden viel zu thun
haben, denn wir ſind wieder mit Journalen überſchwemmt welche die
ſchlimmſten Monate des letzten Jahres zurückrufen, wo der Père Duchène
und ſeine ekelhafte und zahlreiche Sippſchaft die Juniustage vorbereiteten.
Eine große Anzahl derſelben erſcheint in monatlichen halben Bogen, weil
ſie keine Caution leiſten können; ſie ſcheinen keine regelmäßige Abnahme
zu haben, und oft gar nicht einmal ein Bureau dafür, ſondern werden in
einer gemeinſchaftlichen Bude in der Straße Verdelet verkauft, wo man
alle rothen und ſocialiſtiſchen Zeitungen, Broſchüren, Lieder ꝛc. beiſam-
men findet, und von wo ſie an die Gläubigen in der Provinz verſchickt
werden. Für den Verkauf in Paris iſt durch die zahlloſen Verkäufer an
den Straßenecken und in wandernden Buden geſorgt. Ich habe vor eini-
gen Tagen vor dem Thor der Tuilerien an einer dieſer Buden eine Hand-
voll der neueſten Blätter dieſer Art gekauft; es gibt ihrer viele mehr, aber
ich will die Titel meiner Ausbeute hier beiſetzen, weil ſie einen guten Begriff
von der Art von Litteratur gibt die man hier verbreitet. Journal des
Sansculottes, le Chriſt républicain-démocrate-ſocialiſte, la Montagne,
la Commune de Paris (dieſe war früher unter der Redaction von Sobrier
ein Schrecken für die Pariſer geweſen, hatte nach ſeiner Verhaftung auf-
gehört und iſt jetzt wieder erſtanden), le Républicain rouge, la Langue de
Vipère, le Révolutionnaire, le Communiſte, la Verité ſans chemiſe, la
Chandelle démocratique et ſocialiſte, la Commune ſociale, l’opinion des
femmes, le Travail affranchi. Die meiſten dieſer Blätter gehören eigent-
lich der rothen Republik an, aber faſt alle haben einen Anſtrich von So-
cialismus angenommen, der es ſchwer macht dieſe beiden, urſprünglich
ſehr ſcharf getheilten Parteien zu unterſcheiden. Die rothe Republik als
politiſche Partei iſt ſo ziemlich zu Ende, ſie hat durch ihre Unfähigkeit
und ihren gänzlichen Mangel an Ideen ſich ſchnell überlebt. Ihre einzige
Idee beſtand in dem allgemeinen Wahlrecht; dieß haben ſie erlangt, und
dann iſt ihr Reich zu Ende gegangen, denn der allgemeine Krieg, das
Papiergeld und die Zerſtörung der Verwaltung durch Commiſſäre ſind
keine Ideen, und eine Partei welche ſich keinen Zweck vorſetzt, kann nicht
beſtehen. Daher verdecken ihre Journale ihre eigene Leerheit durch An-
nahme einiger ſocialiſtiſchen Formeln, aus denen ſie aber, wie es mit
etwas Angelerntem und Nachgeahmtem geht, nichts zu machen wiſſen.
Sie erſetzen dann den Mangel an Kenntniß und Plan reichlich durch De-
clamationen, Drohungen gegen die Geſellſchaft die ihnen nicht Wort ge-
halten habe, und liefern den Socialiſten, deren eigentliche Rolle iſt
durch Ueberredung und Aſſociation zu wirken, ein immer bereites Heer
für Barricaden. Alle dieſe Journale wenden ſich an die Leidenſchaften
einer verarmten Menge, der ſie eine unmögliche Zukunft verſprechen, und
ihre Predigten finden natürlich bei den Unwiſſenden und von Noth Ge-
drückten ein williges Ohr. Ich bin begierig zu ſehen wie ſich die beiden
Vereine benehmen werden um den verderblichen Lehren entgegenzuarbeiten.
Die Akademie der moraliſchen Wiſſenſchaften hatte es auf Aufforderung
von Cavaignac übernommen, und hat nach und nach etwa zwanzig kleine
Bücher zu dieſem Zweck herausgegeben, die aber, wie vorauszuſehen war,
ihren eigentlichen Zweck ziemlich verfehlt haben. Einige haben zwar
mehrere Auflagen erlebt, aber ſie ſind von den mittleren Claſſen gekauft
worden und gar nicht in die unteren eingedrungen, für die ſie der Styl,
die Methode, der Inhalt und der Preis gleich wenig anziehend machten;
dennoch möchte ich ſie nicht für ſo ganz unnütz halten als man hier geneigt
iſt zu thun; denn wenn ſie gleich von den Leſern der unterſten Claſſe ſocia-
liſtiſcher Blätter nicht geleſen wurden, ſo ſind ſie doch der Claſſe aus der
die Verfaſſer dieſer Blätter, die Chefs der Clubs und die Demagogen ge-
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(2022-09-09T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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