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Allgemeine Zeitung, Nr. 9, 9. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] oberung entreißt, so ist es mindestens unser Fehler wenn wir ein Gebiet unfrucht-
bar lassen aus dem wir ein Königreich jenseits des Mittelmeers machen können."
Zum Schluß tröstet Hr. de Mazade Frankreich damit: "daß, wenn es in seinem
Glück Neider gehabt, es in seinem Unglück keine Feinde mehr habe." Mit Aus-
nahme Deutschlands "haben alle anderen Völker das größte Interesse Frankreich
aus seinen Ruinen auferstehen, seinen Platz in der Welt wieder einnehmen zu
sehen, dieß ist eine der glücklichen Bedingungen des beginnenden Jahres."

Die erste Nummer des neuen "Memorial Diplomatique" ist heut erschienen.
Es debütirt mit einem in sehr düsteren Farben gehaltenen Leitartikel, welcher
Preußen und Deutschland die gewissermaßen von einer höheren Macht auferlegte
Mission zuweist Frankreich endgültig zu zertrümmern, und schließlich behauptet:
"daß die furchtbare Dreieinigkeit von Berlin, der Fürst Bismarck, der Feldmar-
schall Moltke und der General Werder," dieses Ziel keinen Moment aus den Augen
verliere.

In einem längeren Artikel über die fremden Cabinete und Frankreich setzt
das "Memorial" auseinander daß die Mächte in den Orleans keine Bürgschaft für
die Errichtung einer geachteten, dauerhaften und soliden Monarchie zu erblicken
vermögen. Ohne legitimes Anrecht auf die Krone könnten sie nur durch einen
Staatsstreich oder durch Volkswahl zur Regierung gelangen, und im einen wie im
anderen Fall würden sie nur die Könige einer Partei oder einer Classe sein, wie
es ihr Vater gewesen. Dagegen kargten die fremden Cabinete nicht mit einem
aufrichtigen Tribut von Lobeserhebungen und Beifall für die weise, gemäßigte
und versöhnliche Haltung des Präsidenten der Republik; aber sie beurtheilen mit
großer Strenge die Nationalversammlung, welche ihnen unfähig scheint etwas
reifes hervorzubringen, die Frankreich theilt durch ihren eigenen Zwiespalt und in
der beständigen Siedhitze ihrer Debatten sich selbst zerfleischt. Die Fachleute im
Auslande zweifelten stark daran daß die Reorganisirung der französischen Armee
sich so schnell und unter so günstigen Verhältnissen vollziehen lasse wie dieß wün-
schenswerth sei. Ihnen zufolge hätte dieser Reorganisation eine strenge moralische
Reinigung vorhergehen müssen, und zwar mittelst eines Kriegsgerichts, wie dieß in
Preußen nach dem Frieden von Tilsit geschehen. Man weiß daß dieses Gericht alle
Generale und Officiere denen es an Tapferkeit, Entschlossenheit, Befähigung und
Thatkraft vor dem Feinde gefehlt hatte, richtete, verurtheilte, verhaftete, degradirte
und unerbittlich cassirte. In Frankreich habe man den entgegengesetzten Weg ein-
geschlagen, und die Untersuchungs-Commission vermöge das Kriegsgericht nicht zu
ersetzen.

Aus den Entrefilets des "Memorial" greifen wir das folgende heraus:
"Wir vernehmen daß der Herzog von Montpensier im Laufe des Monats Januar
in Paris eintreffen wird, um den Berathungen beizuwohnen welche unter den
Auspicien der Königin Christine und der Königin Isabella mit Rücksicht auf die
Ereignisse eröffnet werden sollen die in Spanien vor sich gehen könnten. Eine der
wichtigsten Fragen die bei dieser Gelegenheit behandelt werden dürften, ist diejenige
der Vormundschaft des Infanten Don Alphonso. Zwei Bewerber machen ihre
Ausprüche auf diesen Ehrenposten geltend. Zunächst der König Don Franz von
Assisis, der als Vater seine Rechte auf die Vormundschaft geltend macht; dann aber
auch der Herzog von Montpensier, der, wie man sagt, sich völlig mit der Königin
Isabella ausgesöhnt habe und sich um die Vormundschaft bewerbe, um vorkommen-
den Falles als Regent fungiren zu können. Nach einem sehr beglaubigten Gerücht
wäre die Königin-Mutter den Wünschen des Herzogs von Montpensier nicht feind-
lich gesinnt. Wir brauchen nicht hinzuzufügen daß die Regierung des Königs
Amadeo ob dieser Vorbereitungen der alten monarchischen Parteien sehr besorgt
ist, da die Ränke der spanischen Demagogen denselben indirect zu Hülfe kommen."

Aus Bourges wird gemeldet daß einer Mittheilung des Präsidenten der
Republik an den Maire der Stadt zufolge die früher in Metz befindliche Artillerie-
und Genieschule nach Bourges verlegt werden soll, das Centralarsenal wird in der
Nähe der Gießerei errichtet, die Akademie wird Bourges zurückgegeben, ferner er-
hält diese Stadt eine Succursale der Bank von Frankreich. Hienach darf Bourges
mit dem Beginn des Jahres zufrieden sein.



Dupanloup, der Papst, Falloux, der Marquis de Meaux,
Schwiegersohn und Nachfolger Montalemberts, geben Gastrollen im Schloß-
theater und in der Hofcapelle von Versailles. Der Papst und Antonelli leiten nicht
bloß die Marionetten, sie bilden auch die Claque. Bravo, bravissimi, da capo!
wird aus dem verödeten Vatican in die Versailler Grüfte der französischen Mon-
archie telegraphirt. Alle Schullehrer müssen Ligorianer sein, und alle Ligorianer
müssen Schulmeister werden. Die ultramontane Junkerreaction sowohl durch die
Kirche als auch in der Heeresorganisation; Frankreich von Sedan bis 1814 und
1815 zurückgeworfen, jedoch ohne Kraft und Mittel die Bourbonen abermals zu
enterben, ohne in einer letzten Revolution sich zu erschöpfen. Darum handelt es sich
gegenwärtig in Versailles. Joinville, Aumale und der Graf von Paris haben den
Jesuiten Grafen Falloux bevollmächtigt mit den Legitimisten der Rechten die Fu-
sion mit den Orleanisten und den Orleans dahin zu unterhandeln: daß Heinrich V
zu Gunsten des vorher zu adoptirenden Grafen von Paris abdankt, und die mit
der Kirche verbündeten monarchischen Parteien und Interessen die reine Monarchie
unter dem König Louis Philipp I herstellen, da der Großvater Louis Philipp, als
Usurpator aus der Julirevolution, aus der Geschichte gleichsam auszustreichen
wäre. Graf Falloux setzte den Legitimisten die Vortheile aus einander welche der
Faubourg Saint Germain und überhaupt der alte Adel aus jener Combination
und Restauration schöpfen würden, für deren Zustandekommen er die kräftigste
Mitwirkung aller kirchlichen Einflüsse, Bischof Dupanloup an der Spitze, zusichern
konnte. Das Geschäft erschien den Legitimisten allerdings anstößig. Sie fangen
jedoch zu begreifen an daß sie Heinrich V nicht zu erwarten und von ihm nichts zu
hoffen haben, während die Restauration der reinen Monarchie mit den Orleans
minder unmöglich erscheint, und ihnen die Stellungen wieder verschaffen würden
welche sie seit 1830 zurücksehnen. Die von Falloux zu unterhandelnde Verkoppelung
kann also allerdings noch zu Stande kommen, zunächst in der Unterrichtsfrage, et-
was später bei dem ersten Anlaß Thiers und seine Regierung zu stürzen, und durch
Hervorrufung des Bürgerkrieges das Heer zu einem parlamentarischen Staats-
streich jener Mehrheit zu gewinnen. Thiers ist wohl nicht der Mann dieses Ereig-
niß mit Nesignation abzuwarten. Seine ergebensten und persönlichen Anhänger
bilden das linke Centrum, aus den sogenannten Vernunftrepublicanern bestehend,
welche die Nepublik aus patriotischer Ueberzeugung, sie allein vermöge Frank-
reich zu retten, gründen wollen. Das linke Centrum entgegnete sosort durch eine
Generalversammlung auf die Unterhandlungen des Grafen Falloux. Es wurde
mit Einstimmigkeit die Gefahr im Verzug und die Nothwendigkeit anerkannt dem
[Spaltenumbruch] Bürgerkrieg und einem Staatsstreich, von Falloux, Dupanloup und Aumale unter-
nommen, durch die endgültige Einsetzung der Republik zuvorzukommen. Dupan-
loup an der Spitze des Ausschusses für das Unterrichtsgesetz und Falloux als Unter-
händler der Orleans haben das Gleichgewicht zwischen den Parteien, mithin das
Provisorium und die Experimental-Republik künftighin unmöglich gemacht; es
kommt zum Brechen. Wie, wann, wo? Die Fragen drängen sich auf wie in den
letzten Wochen vor dem 2 December. Wenn jedoch Frankreich nach dem 2 Decem-
ber und nach Sedan die Wahl hat zwischen Thiers und Gambetta einerseits,
Falloux, Dupanloup und Aumale andererseits, so ist es kaum denkbar daß die näch-
stens unvermeidlichen Ereignisse abermals einen ähnlichen Verlauf nehmen werden.

Spanien.

Wenige Tage nach der Eidesleistung des Mini-
steriums Sagasta-Topete begannen die Zeitungen eine Ministerkrisis als unmittel-
bar bevorstehend zu verkünden. Den Anlaß dazu gab die Ernennung eines neuen
General-Capitäns für Cuba. Topete hat den General Jose de la Concha für diesen
wichtigen Posten bestimmt, und Sagasta ist nicht einverstanden mit der Wahl.
Concha hat schon früher dasselbe Amt bekleidet; auch war er Präsident des letzten
Ministeriums unter der Königin Isabella. Die Entscheidung ist aufgeschoben, und
ebenso die über Wiedereröffnung der Cortes. (S. Neueste Posten. D. N.) Sagasta
sucht Zeit zu gewinnen, als dächte er wie Hr. Mickleby: "Something will turn
up."
Mittlerweile ist es eine Hauptbeschäftigung der Zeitungen aller Farben ihn
auf das heftigste anzugreifen. Die "Epoca" meint daß man dem Ministerium
über sein Unterfangen "eigene Politik zu machen" nie etwas treffenderes gesagt
habe als folgende Worte der "Politica:" "Was würde aus dem Ministerium Sagasta
werden wenn Hr. Topete sich jetzt zurückzöge? Wie würde dieses Ministerium die
Cortes eröffnen können, wenn die conservativen Fractionen sich weigerten es ferner
zu stützen, was sie sicher thun würden wenn der Minister für die Colonien aus dem
Cabinet schiede?" Eigenthümlicherweise werden die Bestrebungen Sagasta's am
heftigsten von dem "Debate" bekämpft, dessen Eigenthümer Topete ist. Er be-
schuldigt den Ministerpräsidenten die radicale Partei ins republicanische Lager stoßen
zu wollen, um die Führerschaft der freisinnigsten monarchischen Partei zu gewinnen. --
Es ist ein Jahr verflossen seit König Amadeo seinen Einzug hielt. Seine erbittert-
sten Gegner wissen ihm nichts vorzuwerfen als daß er leeres Ceremoniell verschmäht,
gern Turnübungen obliegt, gelegentlich einmal unvermuthet ins Meer springt oder
vor Tagesanbruch allein auf die Jagd geht, was im vergangenen Sommer einen
hohen Palastbeamten in San Ildefonso veranlaßte nach allen Richtungen hin zu
telegraphiren um Erkundigungen über Se. Majestät einzuziehen. Am Neujahrs-
tage brachten Deputationen von beiden Häufern des Congresses dem König die
Glückwünsche der Cortes dar. Der Präsident des Senats schloß seine Ansprache
mit den Worten: "Um so edle Bestrebungen zu fördern, vertraut das spanische
Volk auf die göttliche Vorsehung und auf den Geradsinn, auf die männliche Würde
eines Monarchen, der, seine bei der feierlichsten Gelegenheit ausgesprochenen Vor-
sätze verwirklichend, selbst die Eingenommensten zwingt zu bekennen daß seine Seele
sich über den Kampf der Parteien zu erheben weiß, und keinen höhern Wunsch hegt
als die Eintracht und die Wohlfahrt der Spanier." In diesem einen Jahre hat
der König viermal sein Ministerium wechseln müssen, und innerhalb 14 Tagen
wird er wahrscheinlich das fünfte berufen -- ob ein unionistisches oder ein
radicales, das wird die Haltung der Cortes bestimmen. Mehr als ein Drittel
der Einnahmen geht dem Staate verloren durch den verderblichen Einfluß
den diese Unsicherheit der politischen Zustände auf die Verwaltung ausübt
Das Comite der Cortes welches über die Lage der arbeitenden Classen zu
berichten hat, empfängt ausführliche Berichte von Fabricanten, die zum
Theil glauben die Arbeiter durch Verbesserung ihrer Lage gänzlich dem Einfluß der
internationalen Arbeiterverbindung entzogen zu haben. Duro u. Comp., Besitzer
von Hochöfen und Eisengießereien in Asturien, theilen mit daß sie alle Arbeiten
in ihrer Fabrik auf Accord mit den Werkmeistern ausführen lassen. Diesen wird
ein gewisser Lohn verbürgt; stellt sich am Ende des Jahres heraus daß sie Einbuße
erlitten haben, so trägt der Fabricant den Verlust; die Werkmeister sind dagegen
verpflichtet die Hälfte des Gewinnes mit sämmtlichen Arbeitern zu theilen. Diesen
sind 83 Wohnungen für 10 Sgr. monatlicher Miethe überlassen, deren Ertrag nebst
715 Thlrn. jährlichen Zuschusses von den Besitzern auf Schulen verwendet wird.
Die Fabrik besteht seit 10 Jahren; von den Werkmeistern, die jetzt täglich 11/2 bis
2 Thlr. Pr. verdienen, ist mancher ganz unwissend eingetreten. Unter 930 Arbei-
tern sind 587 die lesen und schreiben können. Obgleich die meisten Arbeiter für
ihre Ersparnisse Ländereien erwerben, haben einige mehr als 2000 Thlr. in der
Sparcasse. Uebrigens wird es den großen Fabricanten in Spanien leicht gemacht
für ihre Arbeiter zu sorgen, denn bei den sehr hohen Schutzzöllen können sie sich in
kurzer Zeit auf Kosten des Publicums bereichern; unliebsame Concurrenten pflegen
sie durch zeitweilige Herabsetzung ihrer Preise vom Markte zu verscheuchen. Der
übermäßige Schutzzoll erklärt auch die gewaltige Ausdehnung des Schmuggelhan-
dels, dessen Interessen oft von großem Einfluß sind auf politische Ereignisse, na-
mentlich in Andalusien. So waren sie ein wichtiges Moment in den blutigen
Aufständen Malaga's.

Italien.


Die Neujahrsbetrachtungen der italienischen Blätter
sind durchgängig in einem Tone gemüthlichen Behagens und froher Zuversicht ge-
halten. Man freut sich des Errungenen und vertraut daß man es festhalten werde.
Ueber die Mittel und Wege denen das Errungene verdankt wird philosophirt man
nicht, vielleicht weil man fühlt daß, wenn man mehr philosophirt hätte, man we-
niger errungen haben würde. Nur der Philosoph # unter den italienischen
Publicisten, Ruggiero Bonghi, der, seitdem er Professor der antiken Geschichte an
der Universität Rom geworden ist, zu der nach wie vor von ihm geführten Di-
rection der Mailänder "Perseveranza" auch noch die Direction eines neuen in
Neapel erscheinenden Blattes, der "Unita Nazionale," übernommen hat -- nur
Bonghi mag sich nicht begnügen das trockne Brod der bloßen Thatsache zu kauen,
sondern durchknetet es mit dem edlen Safte der Idee. In jedem der beiden von
ihm gelebteten Blätter findet sich eine Neujahrserörterung aus seiner nicht nur den
Raum zwjschen Mailand und Neapel, sondern das ganze Doppelreich der Aus-

[Spaltenumbruch] oberung entreißt, ſo iſt es mindeſtens unſer Fehler wenn wir ein Gebiet unfrucht-
bar laſſen aus dem wir ein Königreich jenſeits des Mittelmeers machen können.“
Zum Schluß tröſtet Hr. de Mazade Frankreich damit: „daß, wenn es in ſeinem
Glück Neider gehabt, es in ſeinem Unglück keine Feinde mehr habe.“ Mit Aus-
nahme Deutſchlands „haben alle anderen Völker das größte Intereſſe Frankreich
aus ſeinen Ruinen auferſtehen, ſeinen Platz in der Welt wieder einnehmen zu
ſehen, dieß iſt eine der glücklichen Bedingungen des beginnenden Jahres.“

Die erſte Nummer des neuen „Mémorial Diplomatique“ iſt heut erſchienen.
Es debütirt mit einem in ſehr düſteren Farben gehaltenen Leitartikel, welcher
Preußen und Deutſchland die gewiſſermaßen von einer höheren Macht auferlegte
Miſſion zuweist Frankreich endgültig zu zertrümmern, und ſchließlich behauptet:
„daß die furchtbare Dreieinigkeit von Berlin, der Fürſt Bismarck, der Feldmar-
ſchall Moltke und der General Werder,“ dieſes Ziel keinen Moment aus den Augen
verliere.

In einem längeren Artikel über die fremden Cabinete und Frankreich ſetzt
das „Mémorial“ auseinander daß die Mächte in den Orleans keine Bürgſchaft für
die Errichtung einer geachteten, dauerhaften und ſoliden Monarchie zu erblicken
vermögen. Ohne legitimes Anrecht auf die Krone könnten ſie nur durch einen
Staatsſtreich oder durch Volkswahl zur Regierung gelangen, und im einen wie im
anderen Fall würden ſie nur die Könige einer Partei oder einer Claſſe ſein, wie
es ihr Vater geweſen. Dagegen kargten die fremden Cabinete nicht mit einem
aufrichtigen Tribut von Lobeserhebungen und Beifall für die weiſe, gemäßigte
und verſöhnliche Haltung des Präſidenten der Republik; aber ſie beurtheilen mit
großer Strenge die Nationalverſammlung, welche ihnen unfähig ſcheint etwas
reifes hervorzubringen, die Frankreich theilt durch ihren eigenen Zwieſpalt und in
der beſtändigen Siedhitze ihrer Debatten ſich ſelbſt zerfleiſcht. Die Fachleute im
Auslande zweifelten ſtark daran daß die Reorganiſirung der franzöſiſchen Armee
ſich ſo ſchnell und unter ſo günſtigen Verhältniſſen vollziehen laſſe wie dieß wün-
ſchenswerth ſei. Ihnen zufolge hätte dieſer Reorganiſation eine ſtrenge moraliſche
Reinigung vorhergehen müſſen, und zwar mittelſt eines Kriegsgerichts, wie dieß in
Preußen nach dem Frieden von Tilſit geſchehen. Man weiß daß dieſes Gericht alle
Generale und Officiere denen es an Tapferkeit, Entſchloſſenheit, Befähigung und
Thatkraft vor dem Feinde gefehlt hatte, richtete, verurtheilte, verhaftete, degradirte
und unerbittlich caſſirte. In Frankreich habe man den entgegengeſetzten Weg ein-
geſchlagen, und die Unterſuchungs-Commiſſion vermöge das Kriegsgericht nicht zu
erſetzen.

Aus den Entrefilets des „Mémorial“ greifen wir das folgende heraus:
„Wir vernehmen daß der Herzog von Montpenſier im Laufe des Monats Januar
in Paris eintreffen wird, um den Berathungen beizuwohnen welche unter den
Auſpicien der Königin Chriſtine und der Königin Iſabella mit Rückſicht auf die
Ereigniſſe eröffnet werden ſollen die in Spanien vor ſich gehen könnten. Eine der
wichtigſten Fragen die bei dieſer Gelegenheit behandelt werden dürften, iſt diejenige
der Vormundſchaft des Infanten Don Alphonſo. Zwei Bewerber machen ihre
Auſprüche auf dieſen Ehrenpoſten geltend. Zunächſt der König Don Franz von
Aſſiſis, der als Vater ſeine Rechte auf die Vormundſchaft geltend macht; dann aber
auch der Herzog von Montpenſier, der, wie man ſagt, ſich völlig mit der Königin
Iſabella ausgeſöhnt habe und ſich um die Vormundſchaft bewerbe, um vorkommen-
den Falles als Regent fungiren zu können. Nach einem ſehr beglaubigten Gerücht
wäre die Königin-Mutter den Wünſchen des Herzogs von Montpenſier nicht feind-
lich geſinnt. Wir brauchen nicht hinzuzufügen daß die Regierung des Königs
Amadeo ob dieſer Vorbereitungen der alten monarchiſchen Parteien ſehr beſorgt
iſt, da die Ränke der ſpaniſchen Demagogen denſelben indirect zu Hülfe kommen.“

Aus Bourges wird gemeldet daß einer Mittheilung des Präſidenten der
Republik an den Maire der Stadt zufolge die früher in Metz befindliche Artillerie-
und Genieſchule nach Bourges verlegt werden ſoll, das Centralarſenal wird in der
Nähe der Gießerei errichtet, die Akademie wird Bourges zurückgegeben, ferner er-
hält dieſe Stadt eine Succurſale der Bank von Frankreich. Hienach darf Bourges
mit dem Beginn des Jahres zufrieden ſein.



Dupanloup, der Papſt, Falloux, der Marquis de Meaux,
Schwiegerſohn und Nachfolger Montalemberts, geben Gaſtrollen im Schloß-
theater und in der Hofcapelle von Verſailles. Der Papſt und Antonelli leiten nicht
bloß die Marionetten, ſie bilden auch die Claque. Bravo, braviſſimi, da capo!
wird aus dem verödeten Vatican in die Verſailler Grüfte der franzöſiſchen Mon-
archie telegraphirt. Alle Schullehrer müſſen Ligorianer ſein, und alle Ligorianer
müſſen Schulmeiſter werden. Die ultramontane Junkerreaction ſowohl durch die
Kirche als auch in der Heeresorganiſation; Frankreich von Sedan bis 1814 und
1815 zurückgeworfen, jedoch ohne Kraft und Mittel die Bourbonen abermals zu
enterben, ohne in einer letzten Revolution ſich zu erſchöpfen. Darum handelt es ſich
gegenwärtig in Verſailles. Joinville, Aumale und der Graf von Paris haben den
Jeſuiten Grafen Falloux bevollmächtigt mit den Legitimiſten der Rechten die Fu-
ſion mit den Orleaniſten und den Orleans dahin zu unterhandeln: daß Heinrich V
zu Gunſten des vorher zu adoptirenden Grafen von Paris abdankt, und die mit
der Kirche verbündeten monarchiſchen Parteien und Intereſſen die reine Monarchie
unter dem König Louis Philipp I herſtellen, da der Großvater Louis Philipp, als
Uſurpator aus der Julirevolution, aus der Geſchichte gleichſam auszuſtreichen
wäre. Graf Falloux ſetzte den Legitimiſten die Vortheile aus einander welche der
Faubourg Saint Germain und überhaupt der alte Adel aus jener Combination
und Reſtauration ſchöpfen würden, für deren Zuſtandekommen er die kräftigſte
Mitwirkung aller kirchlichen Einflüſſe, Biſchof Dupanloup an der Spitze, zuſichern
konnte. Das Geſchäft erſchien den Legitimiſten allerdings anſtößig. Sie fangen
jedoch zu begreifen an daß ſie Heinrich V nicht zu erwarten und von ihm nichts zu
hoffen haben, während die Reſtauration der reinen Monarchie mit den Orleans
minder unmöglich erſcheint, und ihnen die Stellungen wieder verſchaffen würden
welche ſie ſeit 1830 zurückſehnen. Die von Falloux zu unterhandelnde Verkoppelung
kann alſo allerdings noch zu Stande kommen, zunächſt in der Unterrichtsfrage, et-
was ſpäter bei dem erſten Anlaß Thiers und ſeine Regierung zu ſtürzen, und durch
Hervorrufung des Bürgerkrieges das Heer zu einem parlamentariſchen Staats-
ſtreich jener Mehrheit zu gewinnen. Thiers iſt wohl nicht der Mann dieſes Ereig-
niß mit Neſignation abzuwarten. Seine ergebenſten und perſönlichen Anhänger
bilden das linke Centrum, aus den ſogenannten Vernunftrepublicanern beſtehend,
welche die Nepublik aus patriotiſcher Ueberzeugung, ſie allein vermöge Frank-
reich zu retten, gründen wollen. Das linke Centrum entgegnete ſoſort durch eine
Generalverſammlung auf die Unterhandlungen des Grafen Falloux. Es wurde
mit Einſtimmigkeit die Gefahr im Verzug und die Nothwendigkeit anerkannt dem
[Spaltenumbruch] Bürgerkrieg und einem Staatsſtreich, von Falloux, Dupanloup und Aumale unter-
nommen, durch die endgültige Einſetzung der Republik zuvorzukommen. Dupan-
loup an der Spitze des Ausſchuſſes für das Unterrichtsgeſetz und Falloux als Unter-
händler der Orleans haben das Gleichgewicht zwiſchen den Parteien, mithin das
Proviſorium und die Experimental-Republik künftighin unmöglich gemacht; es
kommt zum Brechen. Wie, wann, wo? Die Fragen drängen ſich auf wie in den
letzten Wochen vor dem 2 December. Wenn jedoch Frankreich nach dem 2 Decem-
ber und nach Sedan die Wahl hat zwiſchen Thiers und Gambetta einerſeits,
Falloux, Dupanloup und Aumale andererſeits, ſo iſt es kaum denkbar daß die näch-
ſtens unvermeidlichen Ereigniſſe abermals einen ähnlichen Verlauf nehmen werden.

Spanien.

Wenige Tage nach der Eidesleiſtung des Mini-
ſteriums Sagaſta-Topete begannen die Zeitungen eine Miniſterkriſis als unmittel-
bar bevorſtehend zu verkünden. Den Anlaß dazu gab die Ernennung eines neuen
General-Capitäns für Cuba. Topete hat den General Joſé de la Concha für dieſen
wichtigen Poſten beſtimmt, und Sagaſta iſt nicht einverſtanden mit der Wahl.
Concha hat ſchon früher dasſelbe Amt bekleidet; auch war er Präſident des letzten
Miniſteriums unter der Königin Iſabella. Die Entſcheidung iſt aufgeſchoben, und
ebenſo die über Wiedereröffnung der Cortes. (S. Neueſte Poſten. D. N.) Sagaſta
ſucht Zeit zu gewinnen, als dächte er wie Hr. Mickleby: „Something will turn
up.“
Mittlerweile iſt es eine Hauptbeſchäftigung der Zeitungen aller Farben ihn
auf das heftigſte anzugreifen. Die „Epoca“ meint daß man dem Miniſterium
über ſein Unterfangen „eigene Politik zu machen“ nie etwas treffenderes geſagt
habe als folgende Worte der „Politica:“ „Was würde aus dem Miniſterium Sagaſta
werden wenn Hr. Topete ſich jetzt zurückzöge? Wie würde dieſes Miniſterium die
Cortes eröffnen können, wenn die conſervativen Fractionen ſich weigerten es ferner
zu ſtützen, was ſie ſicher thun würden wenn der Miniſter für die Colonien aus dem
Cabinet ſchiede?“ Eigenthümlicherweiſe werden die Beſtrebungen Sagaſta’s am
heftigſten von dem „Debate“ bekämpft, deſſen Eigenthümer Topete iſt. Er be-
ſchuldigt den Miniſterpräſidenten die radicale Partei ins republicaniſche Lager ſtoßen
zu wollen, um die Führerſchaft der freiſinnigſten monarchiſchen Partei zu gewinnen. —
Es iſt ein Jahr verfloſſen ſeit König Amadeo ſeinen Einzug hielt. Seine erbittert-
ſten Gegner wiſſen ihm nichts vorzuwerfen als daß er leeres Ceremoniell verſchmäht,
gern Turnübungen obliegt, gelegentlich einmal unvermuthet ins Meer ſpringt oder
vor Tagesanbruch allein auf die Jagd geht, was im vergangenen Sommer einen
hohen Palaſtbeamten in San Ildefonſo veranlaßte nach allen Richtungen hin zu
telegraphiren um Erkundigungen über Se. Majeſtät einzuziehen. Am Neujahrs-
tage brachten Deputationen von beiden Häufern des Congreſſes dem König die
Glückwünſche der Cortes dar. Der Präſident des Senats ſchloß ſeine Anſprache
mit den Worten: „Um ſo edle Beſtrebungen zu fördern, vertraut das ſpaniſche
Volk auf die göttliche Vorſehung und auf den Geradſinn, auf die männliche Würde
eines Monarchen, der, ſeine bei der feierlichſten Gelegenheit ausgeſprochenen Vor-
ſätze verwirklichend, ſelbſt die Eingenommenſten zwingt zu bekennen daß ſeine Seele
ſich über den Kampf der Parteien zu erheben weiß, und keinen höhern Wunſch hegt
als die Eintracht und die Wohlfahrt der Spanier.“ In dieſem einen Jahre hat
der König viermal ſein Miniſterium wechſeln müſſen, und innerhalb 14 Tagen
wird er wahrſcheinlich das fünfte berufen — ob ein unioniſtiſches oder ein
radicales, das wird die Haltung der Cortes beſtimmen. Mehr als ein Drittel
der Einnahmen geht dem Staate verloren durch den verderblichen Einfluß
den dieſe Unſicherheit der politiſchen Zuſtände auf die Verwaltung ausübt
Das Comité der Cortes welches über die Lage der arbeitenden Claſſen zu
berichten hat, empfängt ausführliche Berichte von Fabricanten, die zum
Theil glauben die Arbeiter durch Verbeſſerung ihrer Lage gänzlich dem Einfluß der
internationalen Arbeiterverbindung entzogen zu haben. Duro u. Comp., Beſitzer
von Hochöfen und Eiſengießereien in Aſturien, theilen mit daß ſie alle Arbeiten
in ihrer Fabrik auf Accord mit den Werkmeiſtern ausführen laſſen. Dieſen wird
ein gewiſſer Lohn verbürgt; ſtellt ſich am Ende des Jahres heraus daß ſie Einbuße
erlitten haben, ſo trägt der Fabricant den Verluſt; die Werkmeiſter ſind dagegen
verpflichtet die Hälfte des Gewinnes mit ſämmtlichen Arbeitern zu theilen. Dieſen
ſind 83 Wohnungen für 10 Sgr. monatlicher Miethe überlaſſen, deren Ertrag nebſt
715 Thlrn. jährlichen Zuſchuſſes von den Beſitzern auf Schulen verwendet wird.
Die Fabrik beſteht ſeit 10 Jahren; von den Werkmeiſtern, die jetzt täglich 1½ bis
2 Thlr. Pr. verdienen, iſt mancher ganz unwiſſend eingetreten. Unter 930 Arbei-
tern ſind 587 die leſen und ſchreiben können. Obgleich die meiſten Arbeiter für
ihre Erſparniſſe Ländereien erwerben, haben einige mehr als 2000 Thlr. in der
Sparcaſſe. Uebrigens wird es den großen Fabricanten in Spanien leicht gemacht
für ihre Arbeiter zu ſorgen, denn bei den ſehr hohen Schutzzöllen können ſie ſich in
kurzer Zeit auf Koſten des Publicums bereichern; unliebſame Concurrenten pflegen
ſie durch zeitweilige Herabſetzung ihrer Preiſe vom Markte zu verſcheuchen. Der
übermäßige Schutzzoll erklärt auch die gewaltige Ausdehnung des Schmuggelhan-
dels, deſſen Intereſſen oft von großem Einfluß ſind auf politiſche Ereigniſſe, na-
mentlich in Andaluſien. So waren ſie ein wichtiges Moment in den blutigen
Aufſtänden Malaga’s.

Italien.


Die Neujahrsbetrachtungen der italieniſchen Blätter
ſind durchgängig in einem Tone gemüthlichen Behagens und froher Zuverſicht ge-
halten. Man freut ſich des Errungenen und vertraut daß man es feſthalten werde.
Ueber die Mittel und Wege denen das Errungene verdankt wird philoſophirt man
nicht, vielleicht weil man fühlt daß, wenn man mehr philoſophirt hätte, man we-
niger errungen haben würde. Nur der Philoſoph # unter den italieniſchen
Publiciſten, Ruggiero Bonghi, der, ſeitdem er Profeſſor der antiken Geſchichte an
der Univerſität Rom geworden iſt, zu der nach wie vor von ihm geführten Di-
rection der Mailänder „Perſeveranza“ auch noch die Direction eines neuen in
Neapel erſcheinenden Blattes, der „Unità Nazionale,“ übernommen hat — nur
Bonghi mag ſich nicht begnügen das trockne Brod der bloßen Thatſache zu kauen,
ſondern durchknetet es mit dem edlen Safte der Idee. In jedem der beiden von
ihm gelebteten Blätter findet ſich eine Neujahrserörterung aus ſeiner nicht nur den
Raum zwjſchen Mailand und Neapel, ſondern das ganze Doppelreich der Aus-

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Schwieger&#x017F;ohn und Nachfolger Montalemberts, geben Ga&#x017F;trollen im Schloß-<lb/>
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1815 zurückgeworfen, jedoch ohne Kraft und Mittel die Bourbonen abermals zu<lb/>
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Je&#x017F;uiten Grafen Falloux bevollmächtigt mit den Legitimi&#x017F;ten der Rechten die Fu-<lb/>
&#x017F;ion mit den Orleani&#x017F;ten und den Orleans dahin zu unterhandeln: daß Heinrich <hi rendition="#aq">V</hi><lb/>
zu Gun&#x017F;ten des vorher zu adoptirenden Grafen von Paris abdankt, und die mit<lb/>
der Kirche verbündeten monarchi&#x017F;chen Parteien und Intere&#x017F;&#x017F;en die reine Monarchie<lb/>
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U&#x017F;urpator aus der Julirevolution, aus der Ge&#x017F;chichte gleich&#x017F;am auszu&#x017F;treichen<lb/>
wäre. Graf Falloux &#x017F;etzte den Legitimi&#x017F;ten die Vortheile aus einander welche der<lb/>
Faubourg Saint Germain und überhaupt der alte Adel aus jener Combination<lb/>
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Mitwirkung aller kirchlichen Einflü&#x017F;&#x017F;e, Bi&#x017F;chof Dupanloup an der Spitze, zu&#x017F;ichern<lb/>
konnte. Das Ge&#x017F;chäft er&#x017F;chien den Legitimi&#x017F;ten allerdings an&#x017F;tößig. Sie fangen<lb/>
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Hervorrufung des Bürgerkrieges das Heer zu einem parlamentari&#x017F;chen Staats-<lb/>
&#x017F;treich jener Mehrheit zu gewinnen. Thiers i&#x017F;t wohl nicht der Mann die&#x017F;es Ereig-<lb/>
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Generalver&#x017F;ammlung auf die Unterhandlungen des Grafen Falloux. Es wurde<lb/>
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Concha hat &#x017F;chon früher das&#x017F;elbe Amt bekleidet; auch war er Prä&#x017F;ident des letzten<lb/>
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telegraphiren um Erkundigungen über Se. Maje&#x017F;tät einzuziehen. Am Neujahrs-<lb/>
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Glückwün&#x017F;che der Cortes dar. Der Prä&#x017F;ident des Senats &#x017F;chloß &#x017F;eine An&#x017F;prache<lb/>
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Sparca&#x017F;&#x017F;e. Uebrigens wird es den großen Fabricanten in Spanien leicht gemacht<lb/>
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&#x017F;ie durch zeitweilige Herab&#x017F;etzung ihrer Prei&#x017F;e vom Markte zu ver&#x017F;cheuchen. Der<lb/>
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            <p>Die Neujahrsbetrachtungen der italieni&#x017F;chen Blätter<lb/>
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[118/0006] oberung entreißt, ſo iſt es mindeſtens unſer Fehler wenn wir ein Gebiet unfrucht- bar laſſen aus dem wir ein Königreich jenſeits des Mittelmeers machen können.“ Zum Schluß tröſtet Hr. de Mazade Frankreich damit: „daß, wenn es in ſeinem Glück Neider gehabt, es in ſeinem Unglück keine Feinde mehr habe.“ Mit Aus- nahme Deutſchlands „haben alle anderen Völker das größte Intereſſe Frankreich aus ſeinen Ruinen auferſtehen, ſeinen Platz in der Welt wieder einnehmen zu ſehen, dieß iſt eine der glücklichen Bedingungen des beginnenden Jahres.“ Die erſte Nummer des neuen „Mémorial Diplomatique“ iſt heut erſchienen. Es debütirt mit einem in ſehr düſteren Farben gehaltenen Leitartikel, welcher Preußen und Deutſchland die gewiſſermaßen von einer höheren Macht auferlegte Miſſion zuweist Frankreich endgültig zu zertrümmern, und ſchließlich behauptet: „daß die furchtbare Dreieinigkeit von Berlin, der Fürſt Bismarck, der Feldmar- ſchall Moltke und der General Werder,“ dieſes Ziel keinen Moment aus den Augen verliere. In einem längeren Artikel über die fremden Cabinete und Frankreich ſetzt das „Mémorial“ auseinander daß die Mächte in den Orleans keine Bürgſchaft für die Errichtung einer geachteten, dauerhaften und ſoliden Monarchie zu erblicken vermögen. Ohne legitimes Anrecht auf die Krone könnten ſie nur durch einen Staatsſtreich oder durch Volkswahl zur Regierung gelangen, und im einen wie im anderen Fall würden ſie nur die Könige einer Partei oder einer Claſſe ſein, wie es ihr Vater geweſen. Dagegen kargten die fremden Cabinete nicht mit einem aufrichtigen Tribut von Lobeserhebungen und Beifall für die weiſe, gemäßigte und verſöhnliche Haltung des Präſidenten der Republik; aber ſie beurtheilen mit großer Strenge die Nationalverſammlung, welche ihnen unfähig ſcheint etwas reifes hervorzubringen, die Frankreich theilt durch ihren eigenen Zwieſpalt und in der beſtändigen Siedhitze ihrer Debatten ſich ſelbſt zerfleiſcht. Die Fachleute im Auslande zweifelten ſtark daran daß die Reorganiſirung der franzöſiſchen Armee ſich ſo ſchnell und unter ſo günſtigen Verhältniſſen vollziehen laſſe wie dieß wün- ſchenswerth ſei. Ihnen zufolge hätte dieſer Reorganiſation eine ſtrenge moraliſche Reinigung vorhergehen müſſen, und zwar mittelſt eines Kriegsgerichts, wie dieß in Preußen nach dem Frieden von Tilſit geſchehen. Man weiß daß dieſes Gericht alle Generale und Officiere denen es an Tapferkeit, Entſchloſſenheit, Befähigung und Thatkraft vor dem Feinde gefehlt hatte, richtete, verurtheilte, verhaftete, degradirte und unerbittlich caſſirte. In Frankreich habe man den entgegengeſetzten Weg ein- geſchlagen, und die Unterſuchungs-Commiſſion vermöge das Kriegsgericht nicht zu erſetzen. Aus den Entrefilets des „Mémorial“ greifen wir das folgende heraus: „Wir vernehmen daß der Herzog von Montpenſier im Laufe des Monats Januar in Paris eintreffen wird, um den Berathungen beizuwohnen welche unter den Auſpicien der Königin Chriſtine und der Königin Iſabella mit Rückſicht auf die Ereigniſſe eröffnet werden ſollen die in Spanien vor ſich gehen könnten. Eine der wichtigſten Fragen die bei dieſer Gelegenheit behandelt werden dürften, iſt diejenige der Vormundſchaft des Infanten Don Alphonſo. Zwei Bewerber machen ihre Auſprüche auf dieſen Ehrenpoſten geltend. Zunächſt der König Don Franz von Aſſiſis, der als Vater ſeine Rechte auf die Vormundſchaft geltend macht; dann aber auch der Herzog von Montpenſier, der, wie man ſagt, ſich völlig mit der Königin Iſabella ausgeſöhnt habe und ſich um die Vormundſchaft bewerbe, um vorkommen- den Falles als Regent fungiren zu können. Nach einem ſehr beglaubigten Gerücht wäre die Königin-Mutter den Wünſchen des Herzogs von Montpenſier nicht feind- lich geſinnt. Wir brauchen nicht hinzuzufügen daß die Regierung des Königs Amadeo ob dieſer Vorbereitungen der alten monarchiſchen Parteien ſehr beſorgt iſt, da die Ränke der ſpaniſchen Demagogen denſelben indirect zu Hülfe kommen.“ Aus Bourges wird gemeldet daß einer Mittheilung des Präſidenten der Republik an den Maire der Stadt zufolge die früher in Metz befindliche Artillerie- und Genieſchule nach Bourges verlegt werden ſoll, das Centralarſenal wird in der Nähe der Gießerei errichtet, die Akademie wird Bourges zurückgegeben, ferner er- hält dieſe Stadt eine Succurſale der Bank von Frankreich. Hienach darf Bourges mit dem Beginn des Jahres zufrieden ſein. • Paris, 6 Jan. Dupanloup, der Papſt, Falloux, der Marquis de Meaux, Schwiegerſohn und Nachfolger Montalemberts, geben Gaſtrollen im Schloß- theater und in der Hofcapelle von Verſailles. Der Papſt und Antonelli leiten nicht bloß die Marionetten, ſie bilden auch die Claque. Bravo, braviſſimi, da capo! wird aus dem verödeten Vatican in die Verſailler Grüfte der franzöſiſchen Mon- archie telegraphirt. Alle Schullehrer müſſen Ligorianer ſein, und alle Ligorianer müſſen Schulmeiſter werden. Die ultramontane Junkerreaction ſowohl durch die Kirche als auch in der Heeresorganiſation; Frankreich von Sedan bis 1814 und 1815 zurückgeworfen, jedoch ohne Kraft und Mittel die Bourbonen abermals zu enterben, ohne in einer letzten Revolution ſich zu erſchöpfen. Darum handelt es ſich gegenwärtig in Verſailles. Joinville, Aumale und der Graf von Paris haben den Jeſuiten Grafen Falloux bevollmächtigt mit den Legitimiſten der Rechten die Fu- ſion mit den Orleaniſten und den Orleans dahin zu unterhandeln: daß Heinrich V zu Gunſten des vorher zu adoptirenden Grafen von Paris abdankt, und die mit der Kirche verbündeten monarchiſchen Parteien und Intereſſen die reine Monarchie unter dem König Louis Philipp I herſtellen, da der Großvater Louis Philipp, als Uſurpator aus der Julirevolution, aus der Geſchichte gleichſam auszuſtreichen wäre. Graf Falloux ſetzte den Legitimiſten die Vortheile aus einander welche der Faubourg Saint Germain und überhaupt der alte Adel aus jener Combination und Reſtauration ſchöpfen würden, für deren Zuſtandekommen er die kräftigſte Mitwirkung aller kirchlichen Einflüſſe, Biſchof Dupanloup an der Spitze, zuſichern konnte. Das Geſchäft erſchien den Legitimiſten allerdings anſtößig. Sie fangen jedoch zu begreifen an daß ſie Heinrich V nicht zu erwarten und von ihm nichts zu hoffen haben, während die Reſtauration der reinen Monarchie mit den Orleans minder unmöglich erſcheint, und ihnen die Stellungen wieder verſchaffen würden welche ſie ſeit 1830 zurückſehnen. Die von Falloux zu unterhandelnde Verkoppelung kann alſo allerdings noch zu Stande kommen, zunächſt in der Unterrichtsfrage, et- was ſpäter bei dem erſten Anlaß Thiers und ſeine Regierung zu ſtürzen, und durch Hervorrufung des Bürgerkrieges das Heer zu einem parlamentariſchen Staats- ſtreich jener Mehrheit zu gewinnen. Thiers iſt wohl nicht der Mann dieſes Ereig- niß mit Neſignation abzuwarten. Seine ergebenſten und perſönlichen Anhänger bilden das linke Centrum, aus den ſogenannten Vernunftrepublicanern beſtehend, welche die Nepublik aus patriotiſcher Ueberzeugung, ſie allein vermöge Frank- reich zu retten, gründen wollen. Das linke Centrum entgegnete ſoſort durch eine Generalverſammlung auf die Unterhandlungen des Grafen Falloux. Es wurde mit Einſtimmigkeit die Gefahr im Verzug und die Nothwendigkeit anerkannt dem Bürgerkrieg und einem Staatsſtreich, von Falloux, Dupanloup und Aumale unter- nommen, durch die endgültige Einſetzung der Republik zuvorzukommen. Dupan- loup an der Spitze des Ausſchuſſes für das Unterrichtsgeſetz und Falloux als Unter- händler der Orleans haben das Gleichgewicht zwiſchen den Parteien, mithin das Proviſorium und die Experimental-Republik künftighin unmöglich gemacht; es kommt zum Brechen. Wie, wann, wo? Die Fragen drängen ſich auf wie in den letzten Wochen vor dem 2 December. Wenn jedoch Frankreich nach dem 2 Decem- ber und nach Sedan die Wahl hat zwiſchen Thiers und Gambetta einerſeits, Falloux, Dupanloup und Aumale andererſeits, ſo iſt es kaum denkbar daß die näch- ſtens unvermeidlichen Ereigniſſe abermals einen ähnlichen Verlauf nehmen werden. Spanien. &29C9 Madrid, 3 Jan. Wenige Tage nach der Eidesleiſtung des Mini- ſteriums Sagaſta-Topete begannen die Zeitungen eine Miniſterkriſis als unmittel- bar bevorſtehend zu verkünden. Den Anlaß dazu gab die Ernennung eines neuen General-Capitäns für Cuba. Topete hat den General Joſé de la Concha für dieſen wichtigen Poſten beſtimmt, und Sagaſta iſt nicht einverſtanden mit der Wahl. Concha hat ſchon früher dasſelbe Amt bekleidet; auch war er Präſident des letzten Miniſteriums unter der Königin Iſabella. Die Entſcheidung iſt aufgeſchoben, und ebenſo die über Wiedereröffnung der Cortes. (S. Neueſte Poſten. D. N.) Sagaſta ſucht Zeit zu gewinnen, als dächte er wie Hr. Mickleby: „Something will turn up.“ Mittlerweile iſt es eine Hauptbeſchäftigung der Zeitungen aller Farben ihn auf das heftigſte anzugreifen. Die „Epoca“ meint daß man dem Miniſterium über ſein Unterfangen „eigene Politik zu machen“ nie etwas treffenderes geſagt habe als folgende Worte der „Politica:“ „Was würde aus dem Miniſterium Sagaſta werden wenn Hr. Topete ſich jetzt zurückzöge? Wie würde dieſes Miniſterium die Cortes eröffnen können, wenn die conſervativen Fractionen ſich weigerten es ferner zu ſtützen, was ſie ſicher thun würden wenn der Miniſter für die Colonien aus dem Cabinet ſchiede?“ Eigenthümlicherweiſe werden die Beſtrebungen Sagaſta’s am heftigſten von dem „Debate“ bekämpft, deſſen Eigenthümer Topete iſt. Er be- ſchuldigt den Miniſterpräſidenten die radicale Partei ins republicaniſche Lager ſtoßen zu wollen, um die Führerſchaft der freiſinnigſten monarchiſchen Partei zu gewinnen. — Es iſt ein Jahr verfloſſen ſeit König Amadeo ſeinen Einzug hielt. Seine erbittert- ſten Gegner wiſſen ihm nichts vorzuwerfen als daß er leeres Ceremoniell verſchmäht, gern Turnübungen obliegt, gelegentlich einmal unvermuthet ins Meer ſpringt oder vor Tagesanbruch allein auf die Jagd geht, was im vergangenen Sommer einen hohen Palaſtbeamten in San Ildefonſo veranlaßte nach allen Richtungen hin zu telegraphiren um Erkundigungen über Se. Majeſtät einzuziehen. Am Neujahrs- tage brachten Deputationen von beiden Häufern des Congreſſes dem König die Glückwünſche der Cortes dar. Der Präſident des Senats ſchloß ſeine Anſprache mit den Worten: „Um ſo edle Beſtrebungen zu fördern, vertraut das ſpaniſche Volk auf die göttliche Vorſehung und auf den Geradſinn, auf die männliche Würde eines Monarchen, der, ſeine bei der feierlichſten Gelegenheit ausgeſprochenen Vor- ſätze verwirklichend, ſelbſt die Eingenommenſten zwingt zu bekennen daß ſeine Seele ſich über den Kampf der Parteien zu erheben weiß, und keinen höhern Wunſch hegt als die Eintracht und die Wohlfahrt der Spanier.“ In dieſem einen Jahre hat der König viermal ſein Miniſterium wechſeln müſſen, und innerhalb 14 Tagen wird er wahrſcheinlich das fünfte berufen — ob ein unioniſtiſches oder ein radicales, das wird die Haltung der Cortes beſtimmen. Mehr als ein Drittel der Einnahmen geht dem Staate verloren durch den verderblichen Einfluß den dieſe Unſicherheit der politiſchen Zuſtände auf die Verwaltung ausübt Das Comité der Cortes welches über die Lage der arbeitenden Claſſen zu berichten hat, empfängt ausführliche Berichte von Fabricanten, die zum Theil glauben die Arbeiter durch Verbeſſerung ihrer Lage gänzlich dem Einfluß der internationalen Arbeiterverbindung entzogen zu haben. Duro u. Comp., Beſitzer von Hochöfen und Eiſengießereien in Aſturien, theilen mit daß ſie alle Arbeiten in ihrer Fabrik auf Accord mit den Werkmeiſtern ausführen laſſen. Dieſen wird ein gewiſſer Lohn verbürgt; ſtellt ſich am Ende des Jahres heraus daß ſie Einbuße erlitten haben, ſo trägt der Fabricant den Verluſt; die Werkmeiſter ſind dagegen verpflichtet die Hälfte des Gewinnes mit ſämmtlichen Arbeitern zu theilen. Dieſen ſind 83 Wohnungen für 10 Sgr. monatlicher Miethe überlaſſen, deren Ertrag nebſt 715 Thlrn. jährlichen Zuſchuſſes von den Beſitzern auf Schulen verwendet wird. Die Fabrik beſteht ſeit 10 Jahren; von den Werkmeiſtern, die jetzt täglich 1½ bis 2 Thlr. Pr. verdienen, iſt mancher ganz unwiſſend eingetreten. Unter 930 Arbei- tern ſind 587 die leſen und ſchreiben können. Obgleich die meiſten Arbeiter für ihre Erſparniſſe Ländereien erwerben, haben einige mehr als 2000 Thlr. in der Sparcaſſe. Uebrigens wird es den großen Fabricanten in Spanien leicht gemacht für ihre Arbeiter zu ſorgen, denn bei den ſehr hohen Schutzzöllen können ſie ſich in kurzer Zeit auf Koſten des Publicums bereichern; unliebſame Concurrenten pflegen ſie durch zeitweilige Herabſetzung ihrer Preiſe vom Markte zu verſcheuchen. Der übermäßige Schutzzoll erklärt auch die gewaltige Ausdehnung des Schmuggelhan- dels, deſſen Intereſſen oft von großem Einfluß ſind auf politiſche Ereigniſſe, na- mentlich in Andaluſien. So waren ſie ein wichtiges Moment in den blutigen Aufſtänden Malaga’s. Italien. &#xfffc; Nom, 3 Jan. Die Neujahrsbetrachtungen der italieniſchen Blätter ſind durchgängig in einem Tone gemüthlichen Behagens und froher Zuverſicht ge- halten. Man freut ſich des Errungenen und vertraut daß man es feſthalten werde. Ueber die Mittel und Wege denen das Errungene verdankt wird philoſophirt man nicht, vielleicht weil man fühlt daß, wenn man mehr philoſophirt hätte, man we- niger errungen haben würde. Nur der Philoſoph # unter den italieniſchen Publiciſten, Ruggiero Bonghi, der, ſeitdem er Profeſſor der antiken Geſchichte an der Univerſität Rom geworden iſt, zu der nach wie vor von ihm geführten Di- rection der Mailänder „Perſeveranza“ auch noch die Direction eines neuen in Neapel erſcheinenden Blattes, der „Unità Nazionale,“ übernommen hat — nur Bonghi mag ſich nicht begnügen das trockne Brod der bloßen Thatſache zu kauen, ſondern durchknetet es mit dem edlen Safte der Idee. In jedem der beiden von ihm gelebteten Blätter findet ſich eine Neujahrserörterung aus ſeiner nicht nur den Raum zwjſchen Mailand und Neapel, ſondern das ganze Doppelreich der Aus-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-02-11T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 9, 9. Januar 1872, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine09_1872/6>, abgerufen am 24.11.2024.