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Allgemeine Zeitung, Nr. 6, vom 7. Januar 1924.

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Montag, den 7. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 6.
Bayern.
Zur Lage.

Die bayerische Regierung wird im Land-
tag mit ihrem Gesetzentwurf zur Ab-
änderung des Landeswahlge-
setzes
allem Anscheine nach keine Freude
erleben. Die neue Stimmkreisein-
teilung
wird nämlich in den Reihen der
Landtagsmehrheit als eine Benach-
teiligung des flachen Landes
und
Bevorzugung der Städte be-
trachtet.

Der "Bayerische Kurier" sagt: In einer
ganzen Reihe von Fällen seien die alt-
hergebrachten Zusammenhänge von Be-
zirken einfach auseinandergerissen. Auch
die "Münchener Zeitung" kündigt an, die
Regierung werde im Verfassungsausschuß
mit ihrer Vorlage blaue Wunder erleben.

Auch sonst wird es in den nächsten Wochen
nicht ohne schwere politische
Kämpfe
abgehen. Die Beschlüsse der
Bayerischen Volkspartei in bezug auf
Einberufung eines verfassung-
gebenden Landtags
erregen in
allen anderen Parteien lebhafte Be-
denken.
Vor allem aber erfährt das
Vorgehen in parteipolitisch nicht gebun-
denen Kreisen ernste Kritik. Man be-
fürchtet dort von innerpolitischen Kämpfen
ungünstige Wirkungen auf die außen-
politische Lage
des Reiches.

Diese Befürchtungen sind gewiß nicht
ungerechtfertigt. Die gesamte Verant-
wortung
für die politische Entwicklung
der letzten Wochen in Bayern fällt auf die
Bayerische Volkspartei, die
wieder einmal glaubt einen Versuch machen
zu können, die Alleinherrschaft in
Bayern an sich zu reißen. Ihre vollstän-
dige Isolierung im Landtag -- selbst die
Koalitionsparteien haben sie im Stiche ge-
lassen -- verweist sie auf die Inanspruch-
nahme außerparlamentarischer Mittel, mit
deren Hilfe sie ans Ziel zu kommen glaubt.

Unbegreiflich ist dabei das Verhal-
ten der Staatsregierung.
Sie hat
nach der Ablehnung des Ermächtigungs-
gesetzes es nicht für nötig gehalten, die
allein mögliche Konsequenz der
sofortigen Umbildung
zu ziehen,
obwohl unzweifelhaft feststeht, daß nur
das ungemein ungeschickte Ver-
halten
und der Mangel jeglicher
politischen Linie
seit ihrer Berufung
ihre Niederlage vom 19. Dezember herbei-
geführt hat.

Das Gleiche gilt bezüglich der Ver-
minderung der Zahl der Mini-
sterien,
die bekanntlich gemäß Landtags-
beschluß sofort von 8 auf 5 herabzu-
setzen ist. Nun sind seit dem 20. Dezember
mehr als 14 Tage verflossen, die 8 Mi-
nisterien bestehen ruhig weiter

und es liegt keinerlei Verlautbarung vor,
daß sich daran in der nächsten Zeit etwas
ändern wird. Es erhebt sich die Frage, ob
Landtagsbeschlüsse nur dann
[Spaltenumbruch] Geltung haben
und zur Durchführung
zu bringen sind, wenn die Bayerische
Volkspartei sie billigt.

Landtag und Denkschrift.

Die bayerische Verfassungsdenkschrift ist
dem Landtag weder vor ihrer Veröffentli-
chung zur Kenntnis gebracht worden, noch
ihm bis jetzt amtlich zugegangen. Da die
Uebergabe der Denkschrift an die Reichs-
regierung sie zur Grundlage einer förmli-
chen diplomatischen Aktion beim
Reiche
gemacht hat, wird sie wohl auch im
Landtag zur Sprache kommen müssen. Wie
wir hören, besteht in parlamentarischen
Kreisen die Absicht, in nächster Zeit eine Be-
sprechung des Programms der bayerischen
Regierung im Plenum des Landtags herbei-
zuführen.

Deutsche Demokratische Partei und
Deutsche Volkspartei.

Wir erhalten von gut unterrichteter Seite fol-
gende Mitteilung:

In der "München-Augsburger Abendztg."
werden abermals die Gerüchte als "grund-
los" erklärt, daß zwischen Deutscher Volks-
partei und Deutscher Demokratischer Par-
tei in Bayern Verhandlungen über eine
Verschmelzung oder einen sonstigen
organisatorischen Zusammenschluß
stattgefunden hätten. Einem "Uebertritt"
einzelner Herren der Deutschdemokratischen
Partei in die Deutsche Volkspartei stehe
aber "nach Prüfung der näheren Umstände"
nichts im Wege. Was sollen diese Andeu-
tungen? Ein solcher "Uebertritt" ist in aller
Form abgelehnt worden. Er kommt nicht in
Frage. Gewiß, offizielle Verhandlungen
zwischen den beiderseitigen Organisa-
tionen
haben nicht stattgefunden. Als
solche können mehrfache, zwar ausgiebige.
aber immerhin unverbindliche Besprechun-
gen zwischen einer Anzahl prominenter Per-
sönlichkeiten von hüben und drüben, aus
Bayern und darüber hinaus, aller-
dings nicht gelten. Doch bleibt die auf bei-
den Seiten als erfreulich empfundene Tat-
sache, daß sich hierbei eine, man kann wohl
sagen restlose Uebereinstimmung der
Auffassungen herausgestellt hat über die un
Vordergrund stehenden Grundfragen und
Probleme bayerischer und deutscher Politik
und Staatsführung. Namentlich ergaben
sich auch keinerlei Einwände gegen die
Politik, welche von der deutschdemokrati-
schen Landtagsfraktion seit Jahr und Tag
getrieben worden ist. In solch sachlicher
Hinsicht gäbe es also kaum unübersteigliche
Hindernisse für diese oder jene Entwicklung.
Im übrigen werden die kommenden Dinge
in Bayern, deren Verlauf angesichts des
überaus schwerwiegenden Vorstoßes der
Bayerischen Volkspartei sich ahnen läßt, er-
weisen, ob das heute auf verschiedene Par-
teien verteilte national und freiheitlich ge-
sinnte Bürgertum (Bürgertum im weitesten
Sinne dieses Wortes gemeint) imstande ist.
sich über engende Parteischranken hinaus
auf seine gemeinsamen Ideale und Ziele zu
besinnen und sich zu entschlossener Tat zu-
sammenzuraffen.

[Spaltenumbruch]
Die parteipolitische Zersplitterung.

In einer Uebersicht über die parteipolitische
Zersplitterung stellt die "Bayer. Staatszeitung"
fest, daß bei den kommenden Wahlen mit nicht
weniger als 11 bürgerlichen Parteigruppen zu
rechnen ist, die neben Sozialdemokraten und Kom-
munisten auf dem Plan erscheinen werden:
Bayerische Volkspartei, Deutschnationale Mittel-
partei, Deutsche Demokratische Partei, Deutsche
Volkspartei, Bayerischer Bauernbund, Christlich-
Soziale Partei (Bayerisches Zentrum), National-
liberale Partei, Königspartei, Mittelstandspartei,
Völkischer Rechtsblock und schließlich eine
"Vaterlandspartei", bestehend aus
den Vaterländischen Verbänden.
Es
scheint, als ob auch diese reichhaltige Liste noch
nicht vollständig sei, denn unseres Wissens wer-
den auch die Nationalsozialisten mit
eigenen Kandidaten hervortreten. Ob die Vater-
ländischen Verbände, die doch sehr verschiedenartig
sind und in ihren Interessen vielfach auseinander-
gehen, auf einem Wahlvorschlag untergebracht
werden können, erscheint noch nicht sicher.

Bemerkenswert ist übrigens, daß diese Ver-
bände als förmliche politische Partei sich für die
Wahl vorbereiten. Ist dem wirklich so, dann er-
halten jene recht, die sagen, schließlich werde es
sich bei so manchen dieser Gebilde darum han-
deln, unter einem überparteilichen Mantel partei-
politische Wahlzwecke für diese oder jene Persön-
lichkeiten zu erfüllen.

Eine gut verwaltete Gemeinde.

In einem Jahresrückblick, den Ober-
bürgermeister
Dr. Luppe von Nürnberg
vor einigen Tagen in der Polizeisenatssitzung gab,
führte er aus: Das vergangene Jahr gehörte mit
zu den schwierigsten, die das deutsche Volk durch-
zumachen gehabt hatte. Die Stadt Nürnberg
habe vielleicht mehr als andere Städte die Ent-
wicklung der Dinge vorausgesehen

und sich längst schon darauf eingestellt. Wenn wir
aus dem Elend herauskommen wollen, ist es not-
wendig, daß wir allen Streit im Innern
endlich zurückstellen
und uns auf die
Aufgaben, die uns einigen,
besinnen.
Die Beamtenschaft habe auch volles Verständnis
gezeigt für die Notwendigkeit des Abbaues in der
Verwaltung. Der Stadt Nürnberg war es ge-
lungen, ihre Finanzen in einem Maße
in Ordnung zu bringen,
wie es nur we-
nigen anderen Städten gelang. Die Stadt habe
nicht eingestimmt in die Klage von der Notlage
der Gemeinden, sondern sei von der Ueberzeu-
gung ausgegangen, daß die Selbsthilfe
das Beste sei.
Schon sei darauf hingewiesen
worden, daß die Finanzhoheit der
Städte
wieder kommen müsse. Diese bestehe
hauptsächlich in der eigenen Ver-
ankwortung,
welche Voraussetzung sei für
die nötige Bewegungsfreiheit. Diese habe man
leider in den letzten Jahren stark vermissen müs-
sen. Es sei zu wünschen, daß sie in der Zukunft
mehr gegeben sei als bisher. -- Oberbürger-
meister Dr. Luppe hat sich also durch die vielen
und häßlichen Angriffe auf seine Person nicht
von der klaren Linie ruhiger Aufbauarbeit ab-
bringen lassen. Viele seiner Kritiker könnten von
ihm lernen. D. Schrifil.

Neues aus aller Welt.
Die neuen Paßbestimmungen für den Verkehr
mit dem besetzten Gebiet.

C. H. Die Richtlinien für den Verkehr zwischen
dem besetzten und unbesetzten Gebiet gibt eine
neue Verordnung der Rheinlandkom-
mission
vom 21. Dezember v. J., nach welcher
alle über 16 Jahre alten Personen, gleich welcher
Nationalität sie angehören, die ihren gewöhnlichen
Wohnsitz im besetzten Gebiet haben und im Be-
sitze einer mit Photographie versehenen, durch die
zuständigen deutschen Behörden ausgestellten In-
dentitätskarte -- nicht identisch mit dem deutschen
Reisepaß -- sind, zwischen dem besetzten Gebiet
und dem nicht besetzten Deutschland frei verkehren
[Spaltenumbruch] dürfen. Dagegen sind für die Bewohner des
unbesetzten Deutschland,
die nach den
besetzten Gebieten reisen oder dort ihren Wohnsitz
nehmen wollen, immer noch besondere Aus-
weise
nötig. Diese Ausweise werden durch die
Oberdelegierten der Rheinlandkom-
mission,
die für die Pfalz durch den Ober-
delegierten in Speyer ausgestellt. Wer Be-
kannte oder Verwandte in der Pfalz hat, wird
am zweckmäßigsten diesen die nötigen Unterlagen
für die Paßgesuche übermitteln und ihnen auch
die Erledigung übertragen.

Vereisung.

Die Schiffahrt wird infolge der bei
Ebbe und Flut sich zusammenschiebenden Eis-
massen immer mehr erschwert. Die nach Ham-
burg bestimmten Schiffe brauchen oft 8--9 Stu-
den und müssen oft die Hilfe anderer Schiffe in
Anspruch nehmen, um den Hafen zu erreichen.
Eisbrecher sind dauernd in Tätigkeit. Das Eis
hat stellenweise eine Stärke von 2--3 Fuß.


Die langanhaltende Frostperiode hat
die Vereisung auf der Ostsee sehr weit
vorschreiten lassen. Der Verkehr ist nur mit star-
ken Dampfern möglich, die Häfen können nur mit
Hilfe von Eisbrechern angefahren werden. Auch
in den skandinavischen Gewässern ist die
Schiffahrt sehr erschwert. Bei Helsingfors ist die
Schiffahrt durch Treibeis behindert. Die Schiff-
fahrt in den norwegischen Gewässern ist geschlos-
sen. Die Einfahrt nach Stockholm wird durch Eis-
brecher ermöglicht.


(Papstspende.) Der Papst hat durch
Vermittlung der Gemahlin des deutschen Bot-
schafters beim Vatikan der "Mütterhilfe"
in Berlin
eine Spende von 10 000 Lire zu-
gehen lassen.


Admiral Valois ist im 83. Le-
bensjahr gestorben. Der Verstorbene war der
älteste Admiral der deutschen Flotte.



[irrelevantes Material]


von Bild zu Bild. Das Tempo war temperiert:
ohne Wildheit, ohne Feuer, ohne die Ueberstür-
zung, die vor dem Nebeneinander bestürzt machen
müßte. Es blieb beim Versuch und kam darum
nicht zu dem starken Theatererfolg, den das
Stück verdient hätte, weil es ihn in sich trägt,
wie die Henne das Ei. Gackern genügt nicht.

Ein paar Leistungen immerhin: Georg Marle
als Pfandverleiher von leiser, zitternder Mensch-
lichkeit, Herr Leibelt als Schieber, obwohl, wie
immer, zu dick und deutlich in den Mitteln, von
saftigster Drastik. Diese beiden trugen das Stück
durch die Trägheit der Regie. Ausgezeichnet war
auch Herr Horwitz als Polizeikommissar, eine gute
Figur Frl. Costa als Filmdiva. Man könnte noch
einige in dieser Reihe nennen. Aber sonst, aber
sonst? Ein Frl. Horst spielte das Mädchen Luise
so blaß, wie keine Luise sein darf, Frl. Nebill
die Tochter des Pfandverleihers ganz sudermän-
nisch, Herr Donath eine Type aus der Schieber-
welt wie einen diskreten Friseur. Und so weiter!
Aber so darf es eben in den Kammerspielen nicht
weitergehen.

Konzert und Tanz und Vier.

Diese Mischung ist gute, alte Münchener Tra-
dition, wenn sie auch nicht jedermanns Sache ist.
Man erprobte sie aufs neue in dem sogenannten
Promenadekonzert in der Tonhalle, das von der
Konzertdirektion Bauer ins Leben gerufen wurde.
Die Veranstaltung scheint wohl dem Bedürfnis
der Veranstalter wie dem des Publikums nach-
zukommen, denn es war so voll, daß außer dem
bekannten Apfel auch die Beine der Tanzenden
nicht zu Boden kommen konnten. Man machte
nur klassische Tanzmusik und es wurde darauf
gesehen, daß die Paare sich nur im altväterlichen
Rhythmus bewegten, denn Tango, Foxtrott und
anderer welscher Tanztand waren verpönt. Manch
junges Ding tat sich dabei schwer, den altgermani-
schen Polka Mazurka zu tanzen, denn ach, sie
[Spaltenumbruch] kannte nur die Tänze ihrer Jugend, den One-
step und den Shimmy, und war nicht historisch
vorgebildet. Da war sogar einer, der sagte, daß
Walzer ein französischer Tanz sei, und obwohl
man ihn einen vaterlandslosen Gesellen nannte,
der keine Gesinnung in den Beinen habe und sein
eigenes Nest beschmutze, sagte er noch, daß der
Walzer jetzt der beliebteste Modetanz in Paris sei,
und da wußte das blonde Mädchen mit dem strah-
lenden Hakenkreuzblick nicht, ob sie nach dieser
Annexion noch Walzer tanzen dürfe.

Aber den meisten waren die tanzpolitischen Er-
wägungen ganz gleichgültig, und wenn auch viele
lieber einen Jaz getanzt hätten, so war man doch
froh, daß man überhaupt tanzen durfte, und biß
in die saure Polka. Störend wurde nur empfun-
den, daß ab und zu Musikstücke, zu denen man
nicht tanzen durfte, gespielt wurden. Aber das
mußte halt sein, weil es doch eben ein Prome-
nadenkonzert war.

Vom Staatstheater.

Die Stadt München übernimmt, wie wir bereits
gemeldet haben, ein Viertel des Staatstheater-
defizits. Dies ist eine sehr einschneidende Aende-
rung der Münchener Theaterführung und hoffent-
lich keine zweischneidige. Zweischneidig nämlich
kann sie werden, wenn das Recht der Stadt, in
Verwaltungsangelegenheiten des Theaters
gehört zu werden, auf die mit der Verwaltung
untrennbar zusammenhängende künstlerische Füh-
rung der Theatergeschäfte ausgedehnt wird. Schon
bisher hatte es manchmal den Anschein, als ob
der Generalintendant sich ministeriell gebundener
und verantwortlicher gefühlt hätte, als es für
seine künstlerische Entschlußfreudigkeit gut war.
Wenn nun zur ministeriellen Kontrolle auch noch
die stadträtliche hinzukäme, dies wäre ein Zu-
stand, aufs innigste zu verwünschen! Unser
Staatstheater darf keine politische oder bureau-
kratische Richtung haben, sondern nur eine künst-
lerische, die einzubalten und auszubauen Gott
[Spaltenumbruch] lediglich dem Intendanten das Amt und den Ver-
stand gegeben hat. Möge also auch er allein und
ausschließlich von dem Recht, das ihm dadurch ver-
liehen ist, Gebrauch machen!

Bei der Erörterung der damit zusammenhän-
genden Fragen ist es unmöglich. Kunst und Poli-
tik zu trennen. Die herrschende politische Richtung
in der Regierung ist eine andere als im Stadt-
haus und des ferneren sind beiden Richtungen,
mehr oder minder deutlich, wenn auch uneinge-
standen, in den beiden Besucherorganisationen,
der Volksbühne und der Theatergemeinde, vertre-
ten. Wehe, wenn nun erst vollends beide Ein-
flüsse losgelassen, wachsend ohne Widerstand, der
Theaterleitung über den Kopf kämen. Die Ver-
wirrung im dramaturgischen und Repertoire-
Kämmerlein müßte heillos werden.

Darum ist mit der Uebernahme eines wesent-
lichen Teiles des Defizits auf die Stadt ein will-
kommener Anlaß gegeben zu fordern, daß der
Generalintendanz als der künstlerischen Treu-
händerin beider Finanzoberhoheiten, der staat-
lichen und der städtischen, die restlose Freiheit in
ihren künstlerischen Entschlüssen wiedergegeben
wird. Das Theater soll wieder, wie einst im Mai,
politisch neutraler Boden werden, und es sollen
auf ihm nicht Forderungen und Meinungen er-
wachsen dürfen, die von politischen Strömungen
gedüngt und bedingt sind.

München ist Gott sei Dank wieder in den aller-
ersten Anfängen eines Weges, eine Stadt mit
gastlicher Atmosphäre zu werden. Der geistige
Ausdruck dieses ihres Wesens das sie einst groß
gemacht hat, ist die Kunst und vor allem das
Theater. Hier kann zuerst wieder der freie Atem
fühlbar werden. Voraussetzung dazu ist die Un-
beengtheit und natürlich auch der Mut der
Theaterleitung, an Dichtung aufzuführen, was
durch künstlerische Kraft Anwartschaft darauf hat,
und nicht bloß das, was politisch genehm und pas-
send erscheint. Also: Hie Staat und hie Stadt
und inmitten beider die freie Kunst der Bühne!

Kleine Nachrichten.
Todesfälle.
Wilhelm Steinhausen +.

Wie uns aus Frank-
furt a. M. berichtet wird, ist dort im Alter von
78 Jahren der bekannte Maler Wilh. Stein-
hausen,
der Senior der Frankfurter Künstler-
schaft, gestorben.


(Tod eines bekannten
Virtuosen.
) Der bekannte und in Wien außer-
ordentlich beliebte Klaviervirtuos, Alfred Grün-
feld,
der auch wiederholt in München gastierte,
ein Bruder des preußischen Hofcellisten Heinrich
Grünfeld, ist heute im Alter von 73 Jahren ge-
storben.


Der durch seine Forschun-
gen bekannte Professor der Physiologie, Ham-
burger,
ist gestorben.

Verwechselung.

In verschiedenen auswärtigen
Blättern steht die Nachricht, daß Paul Renoir in
Paris im Alter von 78 Jahren gestorben sei.
Hierzu sei bemerkt, daß Renoir längst tot ist.
Vermutlich liegt eine Verwechselung mit dem
französischen Graphiker Renouard vor.


Gemeinverständliche Einzelvorträge der Univer-
sität.
Mittwoch, den 9. Januar, abends 8 Uhr
spricht im Auditorium Maximum Professor Dr.
Rabe über Markentwertung und Privatrecht.


Mittwoch. 9. und Donnerstag, 10. Januar,
abends 71/2 Uhr. un Hotel "Bayer. Hof" zwei
heitere Abende
von Prof. Marcell Salzer.
Auslese heiterster Meisterschöpfungen und Neues.
(Einziges Auftreten in diesem Winter).

Karten in der Musikalienhandlung [Otto] Bauer,
Maximilianstraße 5. Tel. 20509.

Montag, den 7. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 6.
Bayern.
Zur Lage.

Die bayeriſche Regierung wird im Land-
tag mit ihrem Geſetzentwurf zur Ab-
änderung des Landeswahlge-
ſetzes
allem Anſcheine nach keine Freude
erleben. Die neue Stimmkreisein-
teilung
wird nämlich in den Reihen der
Landtagsmehrheit als eine Benach-
teiligung des flachen Landes
und
Bevorzugung der Städte be-
trachtet.

Der „Bayeriſche Kurier“ ſagt: In einer
ganzen Reihe von Fällen ſeien die alt-
hergebrachten Zuſammenhänge von Be-
zirken einfach auseinandergeriſſen. Auch
die „Münchener Zeitung“ kündigt an, die
Regierung werde im Verfaſſungsausſchuß
mit ihrer Vorlage blaue Wunder erleben.

Auch ſonſt wird es in den nächſten Wochen
nicht ohne ſchwere politiſche
Kämpfe
abgehen. Die Beſchlüſſe der
Bayeriſchen Volkspartei in bezug auf
Einberufung eines verfaſſung-
gebenden Landtags
erregen in
allen anderen Parteien lebhafte Be-
denken.
Vor allem aber erfährt das
Vorgehen in parteipolitiſch nicht gebun-
denen Kreiſen ernſte Kritik. Man be-
fürchtet dort von innerpolitiſchen Kämpfen
ungünſtige Wirkungen auf die außen-
politiſche Lage
des Reiches.

Dieſe Befürchtungen ſind gewiß nicht
ungerechtfertigt. Die geſamte Verant-
wortung
für die politiſche Entwicklung
der letzten Wochen in Bayern fällt auf die
Bayeriſche Volkspartei, die
wieder einmal glaubt einen Verſuch machen
zu können, die Alleinherrſchaft in
Bayern an ſich zu reißen. Ihre vollſtän-
dige Iſolierung im Landtag — ſelbſt die
Koalitionsparteien haben ſie im Stiche ge-
laſſen — verweiſt ſie auf die Inanſpruch-
nahme außerparlamentariſcher Mittel, mit
deren Hilfe ſie ans Ziel zu kommen glaubt.

Unbegreiflich iſt dabei das Verhal-
ten der Staatsregierung.
Sie hat
nach der Ablehnung des Ermächtigungs-
geſetzes es nicht für nötig gehalten, die
allein mögliche Konſequenz der
ſofortigen Umbildung
zu ziehen,
obwohl unzweifelhaft feſtſteht, daß nur
das ungemein ungeſchickte Ver-
halten
und der Mangel jeglicher
politiſchen Linie
ſeit ihrer Berufung
ihre Niederlage vom 19. Dezember herbei-
geführt hat.

Das Gleiche gilt bezüglich der Ver-
minderung der Zahl der Mini-
ſterien,
die bekanntlich gemäß Landtags-
beſchluß ſofort von 8 auf 5 herabzu-
ſetzen iſt. Nun ſind ſeit dem 20. Dezember
mehr als 14 Tage verfloſſen, die 8 Mi-
niſterien beſtehen ruhig weiter

und es liegt keinerlei Verlautbarung vor,
daß ſich daran in der nächſten Zeit etwas
ändern wird. Es erhebt ſich die Frage, ob
Landtagsbeſchlüſſe nur dann
[Spaltenumbruch] Geltung haben
und zur Durchführung
zu bringen ſind, wenn die Bayeriſche
Volkspartei ſie billigt.

Landtag und Denkſchrift.

Die bayeriſche Verfaſſungsdenkſchrift iſt
dem Landtag weder vor ihrer Veröffentli-
chung zur Kenntnis gebracht worden, noch
ihm bis jetzt amtlich zugegangen. Da die
Uebergabe der Denkſchrift an die Reichs-
regierung ſie zur Grundlage einer förmli-
chen diplomatiſchen Aktion beim
Reiche
gemacht hat, wird ſie wohl auch im
Landtag zur Sprache kommen müſſen. Wie
wir hören, beſteht in parlamentariſchen
Kreiſen die Abſicht, in nächſter Zeit eine Be-
ſprechung des Programms der bayeriſchen
Regierung im Plenum des Landtags herbei-
zuführen.

Deutſche Demokratiſche Partei und
Deutſche Volkspartei.

Wir erhalten von gut unterrichteter Seite fol-
gende Mitteilung:

In der „München-Augsburger Abendztg.“
werden abermals die Gerüchte als „grund-
los“ erklärt, daß zwiſchen Deutſcher Volks-
partei und Deutſcher Demokratiſcher Par-
tei in Bayern Verhandlungen über eine
Verſchmelzung oder einen ſonſtigen
organiſatoriſchen Zuſammenſchluß
ſtattgefunden hätten. Einem „Uebertritt“
einzelner Herren der Deutſchdemokratiſchen
Partei in die Deutſche Volkspartei ſtehe
aber „nach Prüfung der näheren Umſtände“
nichts im Wege. Was ſollen dieſe Andeu-
tungen? Ein ſolcher „Uebertritt“ iſt in aller
Form abgelehnt worden. Er kommt nicht in
Frage. Gewiß, offizielle Verhandlungen
zwiſchen den beiderſeitigen Organiſa-
tionen
haben nicht ſtattgefunden. Als
ſolche können mehrfache, zwar ausgiebige.
aber immerhin unverbindliche Beſprechun-
gen zwiſchen einer Anzahl prominenter Per-
ſönlichkeiten von hüben und drüben, aus
Bayern und darüber hinaus, aller-
dings nicht gelten. Doch bleibt die auf bei-
den Seiten als erfreulich empfundene Tat-
ſache, daß ſich hierbei eine, man kann wohl
ſagen reſtloſe Uebereinſtimmung der
Auffaſſungen herausgeſtellt hat über die un
Vordergrund ſtehenden Grundfragen und
Probleme bayeriſcher und deutſcher Politik
und Staatsführung. Namentlich ergaben
ſich auch keinerlei Einwände gegen die
Politik, welche von der deutſchdemokrati-
ſchen Landtagsfraktion ſeit Jahr und Tag
getrieben worden iſt. In ſolch ſachlicher
Hinſicht gäbe es alſo kaum unüberſteigliche
Hinderniſſe für dieſe oder jene Entwicklung.
Im übrigen werden die kommenden Dinge
in Bayern, deren Verlauf angeſichts des
überaus ſchwerwiegenden Vorſtoßes der
Bayeriſchen Volkspartei ſich ahnen läßt, er-
weiſen, ob das heute auf verſchiedene Par-
teien verteilte national und freiheitlich ge-
ſinnte Bürgertum (Bürgertum im weiteſten
Sinne dieſes Wortes gemeint) imſtande iſt.
ſich über engende Parteiſchranken hinaus
auf ſeine gemeinſamen Ideale und Ziele zu
beſinnen und ſich zu entſchloſſener Tat zu-
ſammenzuraffen.

[Spaltenumbruch]
Die parteipolitiſche Zerſplitterung.

In einer Ueberſicht über die parteipolitiſche
Zerſplitterung ſtellt die „Bayer. Staatszeitung“
feſt, daß bei den kommenden Wahlen mit nicht
weniger als 11 bürgerlichen Parteigruppen zu
rechnen iſt, die neben Sozialdemokraten und Kom-
muniſten auf dem Plan erſcheinen werden:
Bayeriſche Volkspartei, Deutſchnationale Mittel-
partei, Deutſche Demokratiſche Partei, Deutſche
Volkspartei, Bayeriſcher Bauernbund, Chriſtlich-
Soziale Partei (Bayeriſches Zentrum), National-
liberale Partei, Königspartei, Mittelſtandspartei,
Völkiſcher Rechtsblock und ſchließlich eine
„Vaterlandspartei“, beſtehend aus
den Vaterländiſchen Verbänden.
Es
ſcheint, als ob auch dieſe reichhaltige Liſte noch
nicht vollſtändig ſei, denn unſeres Wiſſens wer-
den auch die Nationalſozialiſten mit
eigenen Kandidaten hervortreten. Ob die Vater-
ländiſchen Verbände, die doch ſehr verſchiedenartig
ſind und in ihren Intereſſen vielfach auseinander-
gehen, auf einem Wahlvorſchlag untergebracht
werden können, erſcheint noch nicht ſicher.

Bemerkenswert iſt übrigens, daß dieſe Ver-
bände als förmliche politiſche Partei ſich für die
Wahl vorbereiten. Iſt dem wirklich ſo, dann er-
halten jene recht, die ſagen, ſchließlich werde es
ſich bei ſo manchen dieſer Gebilde darum han-
deln, unter einem überparteilichen Mantel partei-
politiſche Wahlzwecke für dieſe oder jene Perſön-
lichkeiten zu erfüllen.

Eine gut verwaltete Gemeinde.

In einem Jahresrückblick, den Ober-
bürgermeiſter
Dr. Luppe von Nürnberg
vor einigen Tagen in der Polizeiſenatsſitzung gab,
führte er aus: Das vergangene Jahr gehörte mit
zu den ſchwierigſten, die das deutſche Volk durch-
zumachen gehabt hatte. Die Stadt Nürnberg
habe vielleicht mehr als andere Städte die Ent-
wicklung der Dinge vorausgeſehen

und ſich längſt ſchon darauf eingeſtellt. Wenn wir
aus dem Elend herauskommen wollen, iſt es not-
wendig, daß wir allen Streit im Innern
endlich zurückſtellen
und uns auf die
Aufgaben, die uns einigen,
beſinnen.
Die Beamtenſchaft habe auch volles Verſtändnis
gezeigt für die Notwendigkeit des Abbaues in der
Verwaltung. Der Stadt Nürnberg war es ge-
lungen, ihre Finanzen in einem Maße
in Ordnung zu bringen,
wie es nur we-
nigen anderen Städten gelang. Die Stadt habe
nicht eingeſtimmt in die Klage von der Notlage
der Gemeinden, ſondern ſei von der Ueberzeu-
gung ausgegangen, daß die Selbſthilfe
das Beſte ſei.
Schon ſei darauf hingewieſen
worden, daß die Finanzhoheit der
Städte
wieder kommen müſſe. Dieſe beſtehe
hauptſächlich in der eigenen Ver-
ankwortung,
welche Vorausſetzung ſei für
die nötige Bewegungsfreiheit. Dieſe habe man
leider in den letzten Jahren ſtark vermiſſen müſ-
ſen. Es ſei zu wünſchen, daß ſie in der Zukunft
mehr gegeben ſei als bisher. — Oberbürger-
meiſter Dr. Luppe hat ſich alſo durch die vielen
und häßlichen Angriffe auf ſeine Perſon nicht
von der klaren Linie ruhiger Aufbauarbeit ab-
bringen laſſen. Viele ſeiner Kritiker könnten von
ihm lernen. D. Schrifil.

Neues aus aller Welt.
Die neuen Paßbeſtimmungen für den Verkehr
mit dem beſetzten Gebiet.

C. H. Die Richtlinien für den Verkehr zwiſchen
dem beſetzten und unbeſetzten Gebiet gibt eine
neue Verordnung der Rheinlandkom-
miſſion
vom 21. Dezember v. J., nach welcher
alle über 16 Jahre alten Perſonen, gleich welcher
Nationalität ſie angehören, die ihren gewöhnlichen
Wohnſitz im beſetzten Gebiet haben und im Be-
ſitze einer mit Photographie verſehenen, durch die
zuſtändigen deutſchen Behörden ausgeſtellten In-
dentitätskarte — nicht identiſch mit dem deutſchen
Reiſepaß — ſind, zwiſchen dem beſetzten Gebiet
und dem nicht beſetzten Deutſchland frei verkehren
[Spaltenumbruch] dürfen. Dagegen ſind für die Bewohner des
unbeſetzten Deutſchland,
die nach den
beſetzten Gebieten reiſen oder dort ihren Wohnſitz
nehmen wollen, immer noch beſondere Aus-
weiſe
nötig. Dieſe Ausweiſe werden durch die
Oberdelegierten der Rheinlandkom-
miſſion,
die für die Pfalz durch den Ober-
delegierten in Speyer ausgeſtellt. Wer Be-
kannte oder Verwandte in der Pfalz hat, wird
am zweckmäßigſten dieſen die nötigen Unterlagen
für die Paßgeſuche übermitteln und ihnen auch
die Erledigung übertragen.

Vereiſung.

Die Schiffahrt wird infolge der bei
Ebbe und Flut ſich zuſammenſchiebenden Eis-
maſſen immer mehr erſchwert. Die nach Ham-
burg beſtimmten Schiffe brauchen oft 8—9 Stu-
den und müſſen oft die Hilfe anderer Schiffe in
Anſpruch nehmen, um den Hafen zu erreichen.
Eisbrecher ſind dauernd in Tätigkeit. Das Eis
hat ſtellenweiſe eine Stärke von 2—3 Fuß.


Die langanhaltende Froſtperiode hat
die Vereiſung auf der Oſtſee ſehr weit
vorſchreiten laſſen. Der Verkehr iſt nur mit ſtar-
ken Dampfern möglich, die Häfen können nur mit
Hilfe von Eisbrechern angefahren werden. Auch
in den ſkandinaviſchen Gewäſſern iſt die
Schiffahrt ſehr erſchwert. Bei Helſingfors iſt die
Schiffahrt durch Treibeis behindert. Die Schiff-
fahrt in den norwegiſchen Gewäſſern iſt geſchloſ-
ſen. Die Einfahrt nach Stockholm wird durch Eis-
brecher ermöglicht.


(Papſtſpende.) Der Papſt hat durch
Vermittlung der Gemahlin des deutſchen Bot-
ſchafters beim Vatikan der „Mütterhilfe“
in Berlin
eine Spende von 10 000 Lire zu-
gehen laſſen.


Admiral Valois iſt im 83. Le-
bensjahr geſtorben. Der Verſtorbene war der
älteſte Admiral der deutſchen Flotte.



[irrelevantes Material]


von Bild zu Bild. Das Tempo war temperiert:
ohne Wildheit, ohne Feuer, ohne die Ueberſtür-
zung, die vor dem Nebeneinander beſtürzt machen
müßte. Es blieb beim Verſuch und kam darum
nicht zu dem ſtarken Theatererfolg, den das
Stück verdient hätte, weil es ihn in ſich trägt,
wie die Henne das Ei. Gackern genügt nicht.

Ein paar Leiſtungen immerhin: Georg Marlé
als Pfandverleiher von leiſer, zitternder Menſch-
lichkeit, Herr Leibelt als Schieber, obwohl, wie
immer, zu dick und deutlich in den Mitteln, von
ſaftigſter Draſtik. Dieſe beiden trugen das Stück
durch die Trägheit der Regie. Ausgezeichnet war
auch Herr Horwitz als Polizeikommiſſar, eine gute
Figur Frl. Coſta als Filmdiva. Man könnte noch
einige in dieſer Reihe nennen. Aber ſonſt, aber
ſonſt? Ein Frl. Horſt ſpielte das Mädchen Luiſe
ſo blaß, wie keine Luiſe ſein darf, Frl. Nebill
die Tochter des Pfandverleihers ganz ſudermän-
niſch, Herr Donath eine Type aus der Schieber-
welt wie einen diskreten Friſeur. Und ſo weiter!
Aber ſo darf es eben in den Kammerſpielen nicht
weitergehen.

Konzert und Tanz und Vier.

Dieſe Miſchung iſt gute, alte Münchener Tra-
dition, wenn ſie auch nicht jedermanns Sache iſt.
Man erprobte ſie aufs neue in dem ſogenannten
Promenadekonzert in der Tonhalle, das von der
Konzertdirektion Bauer ins Leben gerufen wurde.
Die Veranſtaltung ſcheint wohl dem Bedürfnis
der Veranſtalter wie dem des Publikums nach-
zukommen, denn es war ſo voll, daß außer dem
bekannten Apfel auch die Beine der Tanzenden
nicht zu Boden kommen konnten. Man machte
nur klaſſiſche Tanzmuſik und es wurde darauf
geſehen, daß die Paare ſich nur im altväterlichen
Rhythmus bewegten, denn Tango, Foxtrott und
anderer welſcher Tanztand waren verpönt. Manch
junges Ding tat ſich dabei ſchwer, den altgermani-
ſchen Polka Mazurka zu tanzen, denn ach, ſie
[Spaltenumbruch] kannte nur die Tänze ihrer Jugend, den One-
ſtep und den Shimmy, und war nicht hiſtoriſch
vorgebildet. Da war ſogar einer, der ſagte, daß
Walzer ein franzöſiſcher Tanz ſei, und obwohl
man ihn einen vaterlandsloſen Geſellen nannte,
der keine Geſinnung in den Beinen habe und ſein
eigenes Neſt beſchmutze, ſagte er noch, daß der
Walzer jetzt der beliebteſte Modetanz in Paris ſei,
und da wußte das blonde Mädchen mit dem ſtrah-
lenden Hakenkreuzblick nicht, ob ſie nach dieſer
Annexion noch Walzer tanzen dürfe.

Aber den meiſten waren die tanzpolitiſchen Er-
wägungen ganz gleichgültig, und wenn auch viele
lieber einen Jaz getanzt hätten, ſo war man doch
froh, daß man überhaupt tanzen durfte, und biß
in die ſaure Polka. Störend wurde nur empfun-
den, daß ab und zu Muſikſtücke, zu denen man
nicht tanzen durfte, geſpielt wurden. Aber das
mußte halt ſein, weil es doch eben ein Prome-
nadenkonzert war.

Vom Staatstheater.

Die Stadt München übernimmt, wie wir bereits
gemeldet haben, ein Viertel des Staatstheater-
defizits. Dies iſt eine ſehr einſchneidende Aende-
rung der Münchener Theaterführung und hoffent-
lich keine zweiſchneidige. Zweiſchneidig nämlich
kann ſie werden, wenn das Recht der Stadt, in
Verwaltungsangelegenheiten des Theaters
gehört zu werden, auf die mit der Verwaltung
untrennbar zuſammenhängende künſtleriſche Füh-
rung der Theatergeſchäfte ausgedehnt wird. Schon
bisher hatte es manchmal den Anſchein, als ob
der Generalintendant ſich miniſteriell gebundener
und verantwortlicher gefühlt hätte, als es für
ſeine künſtleriſche Entſchlußfreudigkeit gut war.
Wenn nun zur miniſteriellen Kontrolle auch noch
die ſtadträtliche hinzukäme, dies wäre ein Zu-
ſtand, aufs innigſte zu verwünſchen! Unſer
Staatstheater darf keine politiſche oder bureau-
kratiſche Richtung haben, ſondern nur eine künſt-
leriſche, die einzubalten und auszubauen Gott
[Spaltenumbruch] lediglich dem Intendanten das Amt und den Ver-
ſtand gegeben hat. Möge alſo auch er allein und
ausſchließlich von dem Recht, das ihm dadurch ver-
liehen iſt, Gebrauch machen!

Bei der Erörterung der damit zuſammenhän-
genden Fragen iſt es unmöglich. Kunſt und Poli-
tik zu trennen. Die herrſchende politiſche Richtung
in der Regierung iſt eine andere als im Stadt-
haus und des ferneren ſind beiden Richtungen,
mehr oder minder deutlich, wenn auch uneinge-
ſtanden, in den beiden Beſucherorganiſationen,
der Volksbühne und der Theatergemeinde, vertre-
ten. Wehe, wenn nun erſt vollends beide Ein-
flüſſe losgelaſſen, wachſend ohne Widerſtand, der
Theaterleitung über den Kopf kämen. Die Ver-
wirrung im dramaturgiſchen und Repertoire-
Kämmerlein müßte heillos werden.

Darum iſt mit der Uebernahme eines weſent-
lichen Teiles des Defizits auf die Stadt ein will-
kommener Anlaß gegeben zu fordern, daß der
Generalintendanz als der künſtleriſchen Treu-
händerin beider Finanzoberhoheiten, der ſtaat-
lichen und der ſtädtiſchen, die reſtloſe Freiheit in
ihren künſtleriſchen Entſchlüſſen wiedergegeben
wird. Das Theater ſoll wieder, wie einſt im Mai,
politiſch neutraler Boden werden, und es ſollen
auf ihm nicht Forderungen und Meinungen er-
wachſen dürfen, die von politiſchen Strömungen
gedüngt und bedingt ſind.

München iſt Gott ſei Dank wieder in den aller-
erſten Anfängen eines Weges, eine Stadt mit
gaſtlicher Atmoſphäre zu werden. Der geiſtige
Ausdruck dieſes ihres Weſens das ſie einſt groß
gemacht hat, iſt die Kunſt und vor allem das
Theater. Hier kann zuerſt wieder der freie Atem
fühlbar werden. Vorausſetzung dazu iſt die Un-
beengtheit und natürlich auch der Mut der
Theaterleitung, an Dichtung aufzuführen, was
durch künſtleriſche Kraft Anwartſchaft darauf hat,
und nicht bloß das, was politiſch genehm und paſ-
ſend erſcheint. Alſo: Hie Staat und hie Stadt
und inmitten beider die freie Kunſt der Bühne!

Kleine Nachrichten.
Todesfälle.
Wilhelm Steinhauſen †.

Wie uns aus Frank-
furt a. M. berichtet wird, iſt dort im Alter von
78 Jahren der bekannte Maler Wilh. Stein-
hauſen,
der Senior der Frankfurter Künſtler-
ſchaft, geſtorben.


(Tod eines bekannten
Virtuoſen.
) Der bekannte und in Wien außer-
ordentlich beliebte Klaviervirtuos, Alfred Grün-
feld,
der auch wiederholt in München gaſtierte,
ein Bruder des preußiſchen Hofcelliſten Heinrich
Grünfeld, iſt heute im Alter von 73 Jahren ge-
ſtorben.


Der durch ſeine Forſchun-
gen bekannte Profeſſor der Phyſiologie, Ham-
burger,
iſt geſtorben.

Verwechſelung.

In verſchiedenen auswärtigen
Blättern ſteht die Nachricht, daß Paul Renoir in
Paris im Alter von 78 Jahren geſtorben ſei.
Hierzu ſei bemerkt, daß Renoir längſt tot iſt.
Vermutlich liegt eine Verwechſelung mit dem
franzöſiſchen Graphiker Renouard vor.


Gemeinverſtändliche Einzelvorträge der Univer-
ſität.
Mittwoch, den 9. Januar, abends 8 Uhr
ſpricht im Auditorium Maximum Profeſſor Dr.
Rabe über Markentwertung und Privatrecht.


Mittwoch. 9. und Donnerstag, 10. Januar,
abends 7½ Uhr. un Hotel „Bayer. Hof“ zwei
heitere Abende
von Prof. Marcell Salzer.
Ausleſe heiterſter Meiſterſchöpfungen und Neues.
(Einziges Auftreten in dieſem Winter).

Karten in der Muſikalienhandlung [Otto] Bauer,
Maximilianſtraße 5. Tel. 20509.

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[3/0003] Montag, den 7. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 6. Bayern. Zur Lage. Die bayeriſche Regierung wird im Land- tag mit ihrem Geſetzentwurf zur Ab- änderung des Landeswahlge- ſetzes allem Anſcheine nach keine Freude erleben. Die neue Stimmkreisein- teilung wird nämlich in den Reihen der Landtagsmehrheit als eine Benach- teiligung des flachen Landes und Bevorzugung der Städte be- trachtet. Der „Bayeriſche Kurier“ ſagt: In einer ganzen Reihe von Fällen ſeien die alt- hergebrachten Zuſammenhänge von Be- zirken einfach auseinandergeriſſen. Auch die „Münchener Zeitung“ kündigt an, die Regierung werde im Verfaſſungsausſchuß mit ihrer Vorlage blaue Wunder erleben. Auch ſonſt wird es in den nächſten Wochen nicht ohne ſchwere politiſche Kämpfe abgehen. Die Beſchlüſſe der Bayeriſchen Volkspartei in bezug auf Einberufung eines verfaſſung- gebenden Landtags erregen in allen anderen Parteien lebhafte Be- denken. Vor allem aber erfährt das Vorgehen in parteipolitiſch nicht gebun- denen Kreiſen ernſte Kritik. Man be- fürchtet dort von innerpolitiſchen Kämpfen ungünſtige Wirkungen auf die außen- politiſche Lage des Reiches. Dieſe Befürchtungen ſind gewiß nicht ungerechtfertigt. Die geſamte Verant- wortung für die politiſche Entwicklung der letzten Wochen in Bayern fällt auf die Bayeriſche Volkspartei, die wieder einmal glaubt einen Verſuch machen zu können, die Alleinherrſchaft in Bayern an ſich zu reißen. Ihre vollſtän- dige Iſolierung im Landtag — ſelbſt die Koalitionsparteien haben ſie im Stiche ge- laſſen — verweiſt ſie auf die Inanſpruch- nahme außerparlamentariſcher Mittel, mit deren Hilfe ſie ans Ziel zu kommen glaubt. Unbegreiflich iſt dabei das Verhal- ten der Staatsregierung. Sie hat nach der Ablehnung des Ermächtigungs- geſetzes es nicht für nötig gehalten, die allein mögliche Konſequenz der ſofortigen Umbildung zu ziehen, obwohl unzweifelhaft feſtſteht, daß nur das ungemein ungeſchickte Ver- halten und der Mangel jeglicher politiſchen Linie ſeit ihrer Berufung ihre Niederlage vom 19. Dezember herbei- geführt hat. Das Gleiche gilt bezüglich der Ver- minderung der Zahl der Mini- ſterien, die bekanntlich gemäß Landtags- beſchluß ſofort von 8 auf 5 herabzu- ſetzen iſt. Nun ſind ſeit dem 20. Dezember mehr als 14 Tage verfloſſen, die 8 Mi- niſterien beſtehen ruhig weiter und es liegt keinerlei Verlautbarung vor, daß ſich daran in der nächſten Zeit etwas ändern wird. Es erhebt ſich die Frage, ob Landtagsbeſchlüſſe nur dann Geltung haben und zur Durchführung zu bringen ſind, wenn die Bayeriſche Volkspartei ſie billigt. Landtag und Denkſchrift. Die bayeriſche Verfaſſungsdenkſchrift iſt dem Landtag weder vor ihrer Veröffentli- chung zur Kenntnis gebracht worden, noch ihm bis jetzt amtlich zugegangen. Da die Uebergabe der Denkſchrift an die Reichs- regierung ſie zur Grundlage einer förmli- chen diplomatiſchen Aktion beim Reiche gemacht hat, wird ſie wohl auch im Landtag zur Sprache kommen müſſen. Wie wir hören, beſteht in parlamentariſchen Kreiſen die Abſicht, in nächſter Zeit eine Be- ſprechung des Programms der bayeriſchen Regierung im Plenum des Landtags herbei- zuführen. Deutſche Demokratiſche Partei und Deutſche Volkspartei. Wir erhalten von gut unterrichteter Seite fol- gende Mitteilung: In der „München-Augsburger Abendztg.“ werden abermals die Gerüchte als „grund- los“ erklärt, daß zwiſchen Deutſcher Volks- partei und Deutſcher Demokratiſcher Par- tei in Bayern Verhandlungen über eine Verſchmelzung oder einen ſonſtigen organiſatoriſchen Zuſammenſchluß ſtattgefunden hätten. Einem „Uebertritt“ einzelner Herren der Deutſchdemokratiſchen Partei in die Deutſche Volkspartei ſtehe aber „nach Prüfung der näheren Umſtände“ nichts im Wege. Was ſollen dieſe Andeu- tungen? Ein ſolcher „Uebertritt“ iſt in aller Form abgelehnt worden. Er kommt nicht in Frage. Gewiß, offizielle Verhandlungen zwiſchen den beiderſeitigen Organiſa- tionen haben nicht ſtattgefunden. Als ſolche können mehrfache, zwar ausgiebige. aber immerhin unverbindliche Beſprechun- gen zwiſchen einer Anzahl prominenter Per- ſönlichkeiten von hüben und drüben, aus Bayern und darüber hinaus, aller- dings nicht gelten. Doch bleibt die auf bei- den Seiten als erfreulich empfundene Tat- ſache, daß ſich hierbei eine, man kann wohl ſagen reſtloſe Uebereinſtimmung der Auffaſſungen herausgeſtellt hat über die un Vordergrund ſtehenden Grundfragen und Probleme bayeriſcher und deutſcher Politik und Staatsführung. Namentlich ergaben ſich auch keinerlei Einwände gegen die Politik, welche von der deutſchdemokrati- ſchen Landtagsfraktion ſeit Jahr und Tag getrieben worden iſt. In ſolch ſachlicher Hinſicht gäbe es alſo kaum unüberſteigliche Hinderniſſe für dieſe oder jene Entwicklung. Im übrigen werden die kommenden Dinge in Bayern, deren Verlauf angeſichts des überaus ſchwerwiegenden Vorſtoßes der Bayeriſchen Volkspartei ſich ahnen läßt, er- weiſen, ob das heute auf verſchiedene Par- teien verteilte national und freiheitlich ge- ſinnte Bürgertum (Bürgertum im weiteſten Sinne dieſes Wortes gemeint) imſtande iſt. ſich über engende Parteiſchranken hinaus auf ſeine gemeinſamen Ideale und Ziele zu beſinnen und ſich zu entſchloſſener Tat zu- ſammenzuraffen. Die parteipolitiſche Zerſplitterung. In einer Ueberſicht über die parteipolitiſche Zerſplitterung ſtellt die „Bayer. Staatszeitung“ feſt, daß bei den kommenden Wahlen mit nicht weniger als 11 bürgerlichen Parteigruppen zu rechnen iſt, die neben Sozialdemokraten und Kom- muniſten auf dem Plan erſcheinen werden: Bayeriſche Volkspartei, Deutſchnationale Mittel- partei, Deutſche Demokratiſche Partei, Deutſche Volkspartei, Bayeriſcher Bauernbund, Chriſtlich- Soziale Partei (Bayeriſches Zentrum), National- liberale Partei, Königspartei, Mittelſtandspartei, Völkiſcher Rechtsblock und ſchließlich eine „Vaterlandspartei“, beſtehend aus den Vaterländiſchen Verbänden. Es ſcheint, als ob auch dieſe reichhaltige Liſte noch nicht vollſtändig ſei, denn unſeres Wiſſens wer- den auch die Nationalſozialiſten mit eigenen Kandidaten hervortreten. Ob die Vater- ländiſchen Verbände, die doch ſehr verſchiedenartig ſind und in ihren Intereſſen vielfach auseinander- gehen, auf einem Wahlvorſchlag untergebracht werden können, erſcheint noch nicht ſicher. Bemerkenswert iſt übrigens, daß dieſe Ver- bände als förmliche politiſche Partei ſich für die Wahl vorbereiten. Iſt dem wirklich ſo, dann er- halten jene recht, die ſagen, ſchließlich werde es ſich bei ſo manchen dieſer Gebilde darum han- deln, unter einem überparteilichen Mantel partei- politiſche Wahlzwecke für dieſe oder jene Perſön- lichkeiten zu erfüllen. Eine gut verwaltete Gemeinde. In einem Jahresrückblick, den Ober- bürgermeiſter Dr. Luppe von Nürnberg vor einigen Tagen in der Polizeiſenatsſitzung gab, führte er aus: Das vergangene Jahr gehörte mit zu den ſchwierigſten, die das deutſche Volk durch- zumachen gehabt hatte. Die Stadt Nürnberg habe vielleicht mehr als andere Städte die Ent- wicklung der Dinge vorausgeſehen und ſich längſt ſchon darauf eingeſtellt. Wenn wir aus dem Elend herauskommen wollen, iſt es not- wendig, daß wir allen Streit im Innern endlich zurückſtellen und uns auf die Aufgaben, die uns einigen, beſinnen. Die Beamtenſchaft habe auch volles Verſtändnis gezeigt für die Notwendigkeit des Abbaues in der Verwaltung. Der Stadt Nürnberg war es ge- lungen, ihre Finanzen in einem Maße in Ordnung zu bringen, wie es nur we- nigen anderen Städten gelang. Die Stadt habe nicht eingeſtimmt in die Klage von der Notlage der Gemeinden, ſondern ſei von der Ueberzeu- gung ausgegangen, daß die Selbſthilfe das Beſte ſei. Schon ſei darauf hingewieſen worden, daß die Finanzhoheit der Städte wieder kommen müſſe. Dieſe beſtehe hauptſächlich in der eigenen Ver- ankwortung, welche Vorausſetzung ſei für die nötige Bewegungsfreiheit. Dieſe habe man leider in den letzten Jahren ſtark vermiſſen müſ- ſen. Es ſei zu wünſchen, daß ſie in der Zukunft mehr gegeben ſei als bisher. — Oberbürger- meiſter Dr. Luppe hat ſich alſo durch die vielen und häßlichen Angriffe auf ſeine Perſon nicht von der klaren Linie ruhiger Aufbauarbeit ab- bringen laſſen. Viele ſeiner Kritiker könnten von ihm lernen. D. Schrifil. Neues aus aller Welt. Die neuen Paßbeſtimmungen für den Verkehr mit dem beſetzten Gebiet. C. H. Die Richtlinien für den Verkehr zwiſchen dem beſetzten und unbeſetzten Gebiet gibt eine neue Verordnung der Rheinlandkom- miſſion vom 21. Dezember v. J., nach welcher alle über 16 Jahre alten Perſonen, gleich welcher Nationalität ſie angehören, die ihren gewöhnlichen Wohnſitz im beſetzten Gebiet haben und im Be- ſitze einer mit Photographie verſehenen, durch die zuſtändigen deutſchen Behörden ausgeſtellten In- dentitätskarte — nicht identiſch mit dem deutſchen Reiſepaß — ſind, zwiſchen dem beſetzten Gebiet und dem nicht beſetzten Deutſchland frei verkehren dürfen. Dagegen ſind für die Bewohner des unbeſetzten Deutſchland, die nach den beſetzten Gebieten reiſen oder dort ihren Wohnſitz nehmen wollen, immer noch beſondere Aus- weiſe nötig. Dieſe Ausweiſe werden durch die Oberdelegierten der Rheinlandkom- miſſion, die für die Pfalz durch den Ober- delegierten in Speyer ausgeſtellt. Wer Be- kannte oder Verwandte in der Pfalz hat, wird am zweckmäßigſten dieſen die nötigen Unterlagen für die Paßgeſuche übermitteln und ihnen auch die Erledigung übertragen. Vereiſung. Hamburg. Die Schiffahrt wird infolge der bei Ebbe und Flut ſich zuſammenſchiebenden Eis- maſſen immer mehr erſchwert. Die nach Ham- burg beſtimmten Schiffe brauchen oft 8—9 Stu- den und müſſen oft die Hilfe anderer Schiffe in Anſpruch nehmen, um den Hafen zu erreichen. Eisbrecher ſind dauernd in Tätigkeit. Das Eis hat ſtellenweiſe eine Stärke von 2—3 Fuß. Stettin. Die langanhaltende Froſtperiode hat die Vereiſung auf der Oſtſee ſehr weit vorſchreiten laſſen. Der Verkehr iſt nur mit ſtar- ken Dampfern möglich, die Häfen können nur mit Hilfe von Eisbrechern angefahren werden. Auch in den ſkandinaviſchen Gewäſſern iſt die Schiffahrt ſehr erſchwert. Bei Helſingfors iſt die Schiffahrt durch Treibeis behindert. Die Schiff- fahrt in den norwegiſchen Gewäſſern iſt geſchloſ- ſen. Die Einfahrt nach Stockholm wird durch Eis- brecher ermöglicht. Berlin. (Papſtſpende.) Der Papſt hat durch Vermittlung der Gemahlin des deutſchen Bot- ſchafters beim Vatikan der „Mütterhilfe“ in Berlin eine Spende von 10 000 Lire zu- gehen laſſen. Königsberg. Admiral Valois iſt im 83. Le- bensjahr geſtorben. Der Verſtorbene war der älteſte Admiral der deutſchen Flotte. _ von Bild zu Bild. Das Tempo war temperiert: ohne Wildheit, ohne Feuer, ohne die Ueberſtür- zung, die vor dem Nebeneinander beſtürzt machen müßte. Es blieb beim Verſuch und kam darum nicht zu dem ſtarken Theatererfolg, den das Stück verdient hätte, weil es ihn in ſich trägt, wie die Henne das Ei. Gackern genügt nicht. Ein paar Leiſtungen immerhin: Georg Marlé als Pfandverleiher von leiſer, zitternder Menſch- lichkeit, Herr Leibelt als Schieber, obwohl, wie immer, zu dick und deutlich in den Mitteln, von ſaftigſter Draſtik. Dieſe beiden trugen das Stück durch die Trägheit der Regie. Ausgezeichnet war auch Herr Horwitz als Polizeikommiſſar, eine gute Figur Frl. Coſta als Filmdiva. Man könnte noch einige in dieſer Reihe nennen. Aber ſonſt, aber ſonſt? Ein Frl. Horſt ſpielte das Mädchen Luiſe ſo blaß, wie keine Luiſe ſein darf, Frl. Nebill die Tochter des Pfandverleihers ganz ſudermän- niſch, Herr Donath eine Type aus der Schieber- welt wie einen diskreten Friſeur. Und ſo weiter! Aber ſo darf es eben in den Kammerſpielen nicht weitergehen. Hermann Sinsheimer. Konzert und Tanz und Vier. Dieſe Miſchung iſt gute, alte Münchener Tra- dition, wenn ſie auch nicht jedermanns Sache iſt. Man erprobte ſie aufs neue in dem ſogenannten Promenadekonzert in der Tonhalle, das von der Konzertdirektion Bauer ins Leben gerufen wurde. Die Veranſtaltung ſcheint wohl dem Bedürfnis der Veranſtalter wie dem des Publikums nach- zukommen, denn es war ſo voll, daß außer dem bekannten Apfel auch die Beine der Tanzenden nicht zu Boden kommen konnten. Man machte nur klaſſiſche Tanzmuſik und es wurde darauf geſehen, daß die Paare ſich nur im altväterlichen Rhythmus bewegten, denn Tango, Foxtrott und anderer welſcher Tanztand waren verpönt. Manch junges Ding tat ſich dabei ſchwer, den altgermani- ſchen Polka Mazurka zu tanzen, denn ach, ſie kannte nur die Tänze ihrer Jugend, den One- ſtep und den Shimmy, und war nicht hiſtoriſch vorgebildet. Da war ſogar einer, der ſagte, daß Walzer ein franzöſiſcher Tanz ſei, und obwohl man ihn einen vaterlandsloſen Geſellen nannte, der keine Geſinnung in den Beinen habe und ſein eigenes Neſt beſchmutze, ſagte er noch, daß der Walzer jetzt der beliebteſte Modetanz in Paris ſei, und da wußte das blonde Mädchen mit dem ſtrah- lenden Hakenkreuzblick nicht, ob ſie nach dieſer Annexion noch Walzer tanzen dürfe. Aber den meiſten waren die tanzpolitiſchen Er- wägungen ganz gleichgültig, und wenn auch viele lieber einen Jaz getanzt hätten, ſo war man doch froh, daß man überhaupt tanzen durfte, und biß in die ſaure Polka. Störend wurde nur empfun- den, daß ab und zu Muſikſtücke, zu denen man nicht tanzen durfte, geſpielt wurden. Aber das mußte halt ſein, weil es doch eben ein Prome- nadenkonzert war. Peeter Pius. Vom Staatstheater. Die Stadt München übernimmt, wie wir bereits gemeldet haben, ein Viertel des Staatstheater- defizits. Dies iſt eine ſehr einſchneidende Aende- rung der Münchener Theaterführung und hoffent- lich keine zweiſchneidige. Zweiſchneidig nämlich kann ſie werden, wenn das Recht der Stadt, in Verwaltungsangelegenheiten des Theaters gehört zu werden, auf die mit der Verwaltung untrennbar zuſammenhängende künſtleriſche Füh- rung der Theatergeſchäfte ausgedehnt wird. Schon bisher hatte es manchmal den Anſchein, als ob der Generalintendant ſich miniſteriell gebundener und verantwortlicher gefühlt hätte, als es für ſeine künſtleriſche Entſchlußfreudigkeit gut war. Wenn nun zur miniſteriellen Kontrolle auch noch die ſtadträtliche hinzukäme, dies wäre ein Zu- ſtand, aufs innigſte zu verwünſchen! Unſer Staatstheater darf keine politiſche oder bureau- kratiſche Richtung haben, ſondern nur eine künſt- leriſche, die einzubalten und auszubauen Gott lediglich dem Intendanten das Amt und den Ver- ſtand gegeben hat. Möge alſo auch er allein und ausſchließlich von dem Recht, das ihm dadurch ver- liehen iſt, Gebrauch machen! Bei der Erörterung der damit zuſammenhän- genden Fragen iſt es unmöglich. Kunſt und Poli- tik zu trennen. Die herrſchende politiſche Richtung in der Regierung iſt eine andere als im Stadt- haus und des ferneren ſind beiden Richtungen, mehr oder minder deutlich, wenn auch uneinge- ſtanden, in den beiden Beſucherorganiſationen, der Volksbühne und der Theatergemeinde, vertre- ten. Wehe, wenn nun erſt vollends beide Ein- flüſſe losgelaſſen, wachſend ohne Widerſtand, der Theaterleitung über den Kopf kämen. Die Ver- wirrung im dramaturgiſchen und Repertoire- Kämmerlein müßte heillos werden. Darum iſt mit der Uebernahme eines weſent- lichen Teiles des Defizits auf die Stadt ein will- kommener Anlaß gegeben zu fordern, daß der Generalintendanz als der künſtleriſchen Treu- händerin beider Finanzoberhoheiten, der ſtaat- lichen und der ſtädtiſchen, die reſtloſe Freiheit in ihren künſtleriſchen Entſchlüſſen wiedergegeben wird. Das Theater ſoll wieder, wie einſt im Mai, politiſch neutraler Boden werden, und es ſollen auf ihm nicht Forderungen und Meinungen er- wachſen dürfen, die von politiſchen Strömungen gedüngt und bedingt ſind. München iſt Gott ſei Dank wieder in den aller- erſten Anfängen eines Weges, eine Stadt mit gaſtlicher Atmoſphäre zu werden. Der geiſtige Ausdruck dieſes ihres Weſens das ſie einſt groß gemacht hat, iſt die Kunſt und vor allem das Theater. Hier kann zuerſt wieder der freie Atem fühlbar werden. Vorausſetzung dazu iſt die Un- beengtheit und natürlich auch der Mut der Theaterleitung, an Dichtung aufzuführen, was durch künſtleriſche Kraft Anwartſchaft darauf hat, und nicht bloß das, was politiſch genehm und paſ- ſend erſcheint. Alſo: Hie Staat und hie Stadt und inmitten beider die freie Kunſt der Bühne! Kleine Nachrichten. Todesfälle. Wilhelm Steinhauſen †. Wie uns aus Frank- furt a. M. berichtet wird, iſt dort im Alter von 78 Jahren der bekannte Maler Wilh. Stein- hauſen, der Senior der Frankfurter Künſtler- ſchaft, geſtorben. Wien, 5. Jan. (Tod eines bekannten Virtuoſen.) Der bekannte und in Wien außer- ordentlich beliebte Klaviervirtuos, Alfred Grün- feld, der auch wiederholt in München gaſtierte, ein Bruder des preußiſchen Hofcelliſten Heinrich Grünfeld, iſt heute im Alter von 73 Jahren ge- ſtorben. Gröningen, 5. Jan. Der durch ſeine Forſchun- gen bekannte Profeſſor der Phyſiologie, Ham- burger, iſt geſtorben. Verwechſelung. In verſchiedenen auswärtigen Blättern ſteht die Nachricht, daß Paul Renoir in Paris im Alter von 78 Jahren geſtorben ſei. Hierzu ſei bemerkt, daß Renoir längſt tot iſt. Vermutlich liegt eine Verwechſelung mit dem franzöſiſchen Graphiker Renouard vor. Gemeinverſtändliche Einzelvorträge der Univer- ſität. Mittwoch, den 9. Januar, abends 8 Uhr ſpricht im Auditorium Maximum Profeſſor Dr. Rabe über Markentwertung und Privatrecht. Mittwoch. 9. und Donnerstag, 10. Januar, abends 7½ Uhr. un Hotel „Bayer. Hof“ zwei heitere Abende von Prof. Marcell Salzer. Ausleſe heiterſter Meiſterſchöpfungen und Neues. (Einziges Auftreten in dieſem Winter). Karten in der Muſikalienhandlung Otto Bauer, Maximilianſtraße 5. Tel. 20509.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 6, vom 7. Januar 1924, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine06_1924/3>, abgerufen am 10.06.2024.