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Allgemeine Zeitung, Nr. 5, 5. Januar 1830.

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5 Januar.
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nro. 5. 1830.


[Spaltenumbruch]
Der Wollhandel.

Unter den natürlichen Produkten der Länder von Europa nimmt
seit längerer Zeit die Wolle eine der ersten Stellen ein. Da
nun bei der Masse ihrer Erzeugung ihr Verbrauch nicht alle-
mal stieg, so suchte man für den Ueberfluß Wege nach andern
Ländern. Es bildete sich mit Einem Worte Handel mit dersel-
ben. Eine Hauptrolle hat in diesem von jeher England gespielt.
Denn fast ein Jahrtausend rükwärts finden wir schon Wollhandel
in diesem Lande. Nur bestand er damals aktiv, statt daß er
jezt passiv geworden ist. Erst im Anfange des achtzehnten Jahr-
hunderts schwang sich der leztere über den ersteren empor. Da
nun die Wollproduktion fast immer im Steigen geblieben war:
so ist dis ein sprechender Beweis von der fortwährenden Zunahme
der Wollenmanufakturen in England. Sobald als nun die frü-
her so bedeutende Wollausfuhr aus diesem Reiche nach den Nie-
derlauden beschränkt ward, mußten diese sich anderwärts zu ver-
sorgen suchen. Sie wandten sich zunächst nach Spanien, das in
seiner Wollerzeugung zurükgeblieben war, so lange es für deren
Ueberfluß keinen Ausweg sah. Dis war auch die Ursache, daß es
auf die Verbesserung der Qualität der Wolle nicht gesehen hatte,
und lange Zeit von England darin übertroffen ward. So wie
aber Spanien dieselbe leicht und mit Gewinn absezen konnte, so
arbeitete es auch auf Vermehrung und Verbesserung des Produkts
hin. Fast zwei Jahrhunderte rivalisirte es hierin mit England, und
nur als endlich dieses kaum mehr den eigenen, ins Ungeheure zuge-
nommenen, Bedarf zu deken im Stande war, trat ersteres mit
entschiedener Uebermacht im Wollhandel nach Außen auf. Wollte
man fragen, von wo an sich die anerkannt höhere Qualität der
spanischen Wolle vor der englischen datirt, so würde sich dieser Mo-
ment gerade in der überaus starken Zunahme der Fabrikation in
England finden. Dis war im sechszehnten Jahrhundert. So pa-
radox dis auch dem Kurzsichtigen scheinen dürfte, so hat die Sache
dennoch ihren ganz natürlichen Grund im Gange der Dinge. Der
vermehrte Verbrauch des rohen Erzeugnisses steigert dessen Preis
und reizt zu stärkerer Erzeugung. Diese aber schlägt allemal,
wenn sie zu schnell vorgenommen wird, zum Nachtheile der guten
Qualität des Produkts aus. Jn England stieg in der Mitte des
sechszehnten Jahrhunderts der Stein Wolle von 1 Schilling 6 bis
8 Pence auf 3 bis 4 Schilling, also weit über das Doppelte. Wenn
nun die andern landwirthschaftlichen Erzeugnisse dieses Steigen
nicht theilten, so lag es in der Natur der Sache, daß man die
Schafzucht vor allem Uebrigen begünstigte, und ganz besonders auf
Vermehrung der Menge der Wolle hinarheitete, wobei man denn
die Güte nicht in gleichem Maaße berüksichtigte. Wir haben in neue-
rer Zeit ähnliche Erscheinungen in andern europäischen Ländern gesehn.
Folgorecht geschlossen hätten bei der verminderten Güte des Urprodukts
auch die Fabrikate sich verschlechtern müssen. Wenn dis auch der Fall ist,
so geht dis nur allmählich, und sie behaupten dennoch eine Zeitlang
ihren Markt. Dazu kommt denn auch, daß bei der Vermehrung
der Manufakturen die Rivalität Jeden zur Hervorbringung einer
guten und gefälligen Waare zwingt, was dann die eingetretene ge-
ringere Güte des natürlichen Produkts eine Zeitlang weniger her-
vortreten läßt. Sobald dis aber zum Schaden der Fabrikation
in dem geringen Absaze bemerkbar wird, dann sucht sich der Fa-
brikant ein besseres Urprodukt, und geht darnach, wenn er es im
[Spaltenumbruch] Inlande nicht findet, ins Ausland. Ungern ließen sich die Nie-
derländer von dem englischen Wollmarkte, der sie so viele Jahr-
hunderte versorgt hatte, verdrängen, und nur die Schwierigkeit,
welche ihnen durch die strengen Ausfuhrverbote von Seite der
englischen Regierung in den Weg gelegt ward, konnte sie bestim-
men, sich nach andern Ländern umzusehen. Spanien war damals
fast das einzige, das ihren Bedürfnissen entsprochen konnte. Fan-
den sie auch nicht gleich eine Waare, wie sie dieselbe so lange aus
England bezogen hatten, so gab sich dis bald. Spanien von sei-
nem Klima und seinen herrlichen Triften begünstigt, durfte nur
wissen, was für ein Produkt man suchte, um allen Forderungen
in Kurzem zu genügen. Die Landesregierung sah die Sache aus
dem rechten Gesichtspunkte an, und es währte nicht lange, so
konnten sich die Schäze, welche dis Land durch seine erzeugte
Wolle bezog, fast an die Seite derer stellen, die ihm aus den
Gold- und Silberminen von Peru und Mexico zuströmten. Und
das Gute hatten jene vor diesen voraus, daß sie den Fleiß des Vol-
kes wekten, während diese es in Trägheit und ins Verderben stürzten.
England, das von jeher Alles was in der Handelswelt vorging, mit
scharfen und neidischen Augen beobachtete, ward nicht sobald gewahr,
daß die Niederlande, anstatt durch den Ausschluß vom englischen Woll-
markte in der Güte ihrer Manufakte zu verlieren, sich in derselben
noch höher schwangen, als es auch der Quelle dieses Gewinnes
nachging, und aufing Wolle aus Spanien zu beziehen. Ohnehin
konnte das Land, troz der ins Ungeheure vermehrten Erzeugung
der rohen Wolle, nicht mehr die Bedürfnisse der Wollenmanu-
fakturen gänzlich befriedigen. Sobald nun England mit den
Niederlanden in Konkurrenz trat, stieg wie natütlich der Preis
der spanischen Wolle, besonders da auch Frankreich an diesem
Handel Theil nahm. Jezt mußte auch dem Kontiuente der Ge-
danke und der Wunsch erwachen, eine Wolle, ähnlich der spani-
schen, zu erzeugen. Durch Einführung von Schafen aus jenem
Lande war die Sache leicht. Frankreich hatte dazu als Nachbar
die stärkste Einladung, die es auch benuzte. Aber sonderbar ge-
nug, hat es nie dahin gelangen können, Wolle zu seinem hin-
länglichen Bedarfe zu erzeugen. Ja selbst in der Güte hat es
nie sich ausgezeichnet, so daß es noch jezt große Summen auszu-
geben hat, um diese Lüke auszugleichen. Die Ursachen hievon
sind so tief in den ganzen Betrieb des Landbaues in diesem
Reiche verwebt, daß es uns zu weit führen würde, sie hier aus-
einander zu sezen. So wie nun drei so viel bedürfende Konkur-
renten auf dem spanischen Wollmarkte erschienen, konnten sie
zulezt nicht mehr alle befriedigt werden. Seit läugerer Zeit schon
hatten zwar die Niederlande auch in Deutschland Wolle aufge-
sucht, und wie natürlich der bessern Quantität den Borzug in
Nachfrage und Preis gegeben. Der deutsche Landwirth hat von
jeher, seinem Nationalcharakter getreu, mit Ruhe den Ereignissen
zugesehen, aber nie die Hände in den Schooß gelegt, wenn er
sah, daß auf einem andern als dem bisher betretenen Wege
größerer Gewinn zu machen war. Aufmerksam geworden durch
die Wollkäufer, strebte er darnach das Produkt zu veredeln. Die
Regierungen boten zum Theil die Hände, und es wurden in der
Mitte des achtzehnten Jahrhunderts große Anstrengungen zur
Einführung der spanischen Merinos in Deutschland gemacht. Der
Erfolg schwankte anfangs, wie es wohl bei keinem ungewöhnlichen

5 Januar.
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nro. 5. 1830.


[Spaltenumbruch]
Der Wollhandel.

Unter den natürlichen Produkten der Länder von Europa nimmt
ſeit längerer Zeit die Wolle eine der erſten Stellen ein. Da
nun bei der Maſſe ihrer Erzeugung ihr Verbrauch nicht alle-
mal ſtieg, ſo ſuchte man für den Ueberfluß Wege nach andern
Ländern. Es bildete ſich mit Einem Worte Handel mit derſel-
ben. Eine Hauptrolle hat in dieſem von jeher England geſpielt.
Denn faſt ein Jahrtauſend rükwärts finden wir ſchon Wollhandel
in dieſem Lande. Nur beſtand er damals aktiv, ſtatt daß er
jezt paſſiv geworden iſt. Erſt im Anfange des achtzehnten Jahr-
hunderts ſchwang ſich der leztere über den erſteren empor. Da
nun die Wollproduktion faſt immer im Steigen geblieben war:
ſo iſt dis ein ſprechender Beweis von der fortwährenden Zunahme
der Wollenmanufakturen in England. Sobald als nun die frü-
her ſo bedeutende Wollausfuhr aus dieſem Reiche nach den Nie-
derlauden beſchränkt ward, mußten dieſe ſich anderwärts zu ver-
ſorgen ſuchen. Sie wandten ſich zunächſt nach Spanien, das in
ſeiner Wollerzeugung zurükgeblieben war, ſo lange es für deren
Ueberfluß keinen Ausweg ſah. Dis war auch die Urſache, daß es
auf die Verbeſſerung der Qualität der Wolle nicht geſehen hatte,
und lange Zeit von England darin übertroffen ward. So wie
aber Spanien dieſelbe leicht und mit Gewinn abſezen konnte, ſo
arbeitete es auch auf Vermehrung und Verbeſſerung des Produkts
hin. Faſt zwei Jahrhunderte rivaliſirte es hierin mit England, und
nur als endlich dieſes kaum mehr den eigenen, ins Ungeheure zuge-
nommenen, Bedarf zu deken im Stande war, trat erſteres mit
entſchiedener Uebermacht im Wollhandel nach Außen auf. Wollte
man fragen, von wo an ſich die anerkannt höhere Qualität der
ſpaniſchen Wolle vor der engliſchen datirt, ſo würde ſich dieſer Mo-
ment gerade in der überaus ſtarken Zunahme der Fabrikation in
England finden. Dis war im ſechszehnten Jahrhundert. So pa-
radox dis auch dem Kurzſichtigen ſcheinen dürfte, ſo hat die Sache
dennoch ihren ganz natürlichen Grund im Gange der Dinge. Der
vermehrte Verbrauch des rohen Erzeugniſſes ſteigert deſſen Preis
und reizt zu ſtärkerer Erzeugung. Dieſe aber ſchlägt allemal,
wenn ſie zu ſchnell vorgenommen wird, zum Nachtheile der guten
Qualität des Produkts aus. Jn England ſtieg in der Mitte des
ſechszehnten Jahrhunderts der Stein Wolle von 1 Schilling 6 bis
8 Pence auf 3 bis 4 Schilling, alſo weit über das Doppelte. Wenn
nun die andern landwirthſchaftlichen Erzeugniſſe dieſes Steigen
nicht theilten, ſo lag es in der Natur der Sache, daß man die
Schafzucht vor allem Uebrigen begünſtigte, und ganz beſonders auf
Vermehrung der Menge der Wolle hinarheitete, wobei man denn
die Güte nicht in gleichem Maaße berükſichtigte. Wir haben in neue-
rer Zeit ähnliche Erſcheinungen in andern europäiſchen Ländern geſehn.
Folgorecht geſchloſſen hätten bei der verminderten Güte des Urprodukts
auch die Fabrikate ſich verſchlechtern müſſen. Wenn dis auch der Fall iſt,
ſo geht dis nur allmählich, und ſie behaupten dennoch eine Zeitlang
ihren Markt. Dazu kommt denn auch, daß bei der Vermehrung
der Manufakturen die Rivalität Jeden zur Hervorbringung einer
guten und gefälligen Waare zwingt, was dann die eingetretene ge-
ringere Güte des natürlichen Produkts eine Zeitlang weniger her-
vortreten läßt. Sobald dis aber zum Schaden der Fabrikation
in dem geringen Abſaze bemerkbar wird, dann ſucht ſich der Fa-
brikant ein beſſeres Urprodukt, und geht darnach, wenn er es im
[Spaltenumbruch] Inlande nicht findet, ins Ausland. Ungern ließen ſich die Nie-
derländer von dem engliſchen Wollmarkte, der ſie ſo viele Jahr-
hunderte verſorgt hatte, verdrängen, und nur die Schwierigkeit,
welche ihnen durch die ſtrengen Ausfuhrverbote von Seite der
engliſchen Regierung in den Weg gelegt ward, konnte ſie beſtim-
men, ſich nach andern Ländern umzuſehen. Spanien war damals
faſt das einzige, das ihren Bedürfniſſen entſprochen konnte. Fan-
den ſie auch nicht gleich eine Waare, wie ſie dieſelbe ſo lange aus
England bezogen hatten, ſo gab ſich dis bald. Spanien von ſei-
nem Klima und ſeinen herrlichen Triften begünſtigt, durfte nur
wiſſen, was für ein Produkt man ſuchte, um allen Forderungen
in Kurzem zu genügen. Die Landesregierung ſah die Sache aus
dem rechten Geſichtspunkte an, und es währte nicht lange, ſo
konnten ſich die Schäze, welche dis Land durch ſeine erzeugte
Wolle bezog, faſt an die Seite derer ſtellen, die ihm aus den
Gold- und Silberminen von Peru und Mexico zuſtrömten. Und
das Gute hatten jene vor dieſen voraus, daß ſie den Fleiß des Vol-
kes wekten, während dieſe es in Trägheit und ins Verderben ſtürzten.
England, das von jeher Alles was in der Handelswelt vorging, mit
ſcharfen und neidiſchen Augen beobachtete, ward nicht ſobald gewahr,
daß die Niederlande, anſtatt durch den Ausſchluß vom engliſchen Woll-
markte in der Güte ihrer Manufakte zu verlieren, ſich in derſelben
noch höher ſchwangen, als es auch der Quelle dieſes Gewinnes
nachging, und aufing Wolle aus Spanien zu beziehen. Ohnehin
konnte das Land, troz der ins Ungeheure vermehrten Erzeugung
der rohen Wolle, nicht mehr die Bedürfniſſe der Wollenmanu-
fakturen gänzlich befriedigen. Sobald nun England mit den
Niederlanden in Konkurrenz trat, ſtieg wie natütlich der Preis
der ſpaniſchen Wolle, beſonders da auch Frankreich an dieſem
Handel Theil nahm. Jezt mußte auch dem Kontiuente der Ge-
danke und der Wunſch erwachen, eine Wolle, ähnlich der ſpani-
ſchen, zu erzeugen. Durch Einführung von Schafen aus jenem
Lande war die Sache leicht. Frankreich hatte dazu als Nachbar
die ſtärkſte Einladung, die es auch benuzte. Aber ſonderbar ge-
nug, hat es nie dahin gelangen können, Wolle zu ſeinem hin-
länglichen Bedarfe zu erzeugen. Ja ſelbſt in der Güte hat es
nie ſich ausgezeichnet, ſo daß es noch jezt große Summen auszu-
geben hat, um dieſe Lüke auszugleichen. Die Urſachen hievon
ſind ſo tief in den ganzen Betrieb des Landbaues in dieſem
Reiche verwebt, daß es uns zu weit führen würde, ſie hier aus-
einander zu ſezen. So wie nun drei ſo viel bedürfende Konkur-
renten auf dem ſpaniſchen Wollmarkte erſchienen, konnten ſie
zulezt nicht mehr alle befriedigt werden. Seit läugerer Zeit ſchon
hatten zwar die Niederlande auch in Deutſchland Wolle aufge-
ſucht, und wie natürlich der beſſern Quantität den Borzug in
Nachfrage und Preis gegeben. Der deutſche Landwirth hat von
jeher, ſeinem Nationalcharakter getreu, mit Ruhe den Ereigniſſen
zugeſehen, aber nie die Hände in den Schooß gelegt, wenn er
ſah, daß auf einem andern als dem bisher betretenen Wege
größerer Gewinn zu machen war. Aufmerkſam geworden durch
die Wollkäufer, ſtrebte er darnach das Produkt zu veredeln. Die
Regierungen boten zum Theil die Hände, und es wurden in der
Mitte des achtzehnten Jahrhunderts große Anſtrengungen zur
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[0005] 5 Januar. Beilage zur Allgemeinen Zeitung. Nro. 5. 1830. Der Wollhandel. Unter den natürlichen Produkten der Länder von Europa nimmt ſeit längerer Zeit die Wolle eine der erſten Stellen ein. Da nun bei der Maſſe ihrer Erzeugung ihr Verbrauch nicht alle- mal ſtieg, ſo ſuchte man für den Ueberfluß Wege nach andern Ländern. Es bildete ſich mit Einem Worte Handel mit derſel- ben. Eine Hauptrolle hat in dieſem von jeher England geſpielt. Denn faſt ein Jahrtauſend rükwärts finden wir ſchon Wollhandel in dieſem Lande. Nur beſtand er damals aktiv, ſtatt daß er jezt paſſiv geworden iſt. Erſt im Anfange des achtzehnten Jahr- hunderts ſchwang ſich der leztere über den erſteren empor. Da nun die Wollproduktion faſt immer im Steigen geblieben war: ſo iſt dis ein ſprechender Beweis von der fortwährenden Zunahme der Wollenmanufakturen in England. Sobald als nun die frü- her ſo bedeutende Wollausfuhr aus dieſem Reiche nach den Nie- derlauden beſchränkt ward, mußten dieſe ſich anderwärts zu ver- ſorgen ſuchen. Sie wandten ſich zunächſt nach Spanien, das in ſeiner Wollerzeugung zurükgeblieben war, ſo lange es für deren Ueberfluß keinen Ausweg ſah. Dis war auch die Urſache, daß es auf die Verbeſſerung der Qualität der Wolle nicht geſehen hatte, und lange Zeit von England darin übertroffen ward. So wie aber Spanien dieſelbe leicht und mit Gewinn abſezen konnte, ſo arbeitete es auch auf Vermehrung und Verbeſſerung des Produkts hin. Faſt zwei Jahrhunderte rivaliſirte es hierin mit England, und nur als endlich dieſes kaum mehr den eigenen, ins Ungeheure zuge- nommenen, Bedarf zu deken im Stande war, trat erſteres mit entſchiedener Uebermacht im Wollhandel nach Außen auf. Wollte man fragen, von wo an ſich die anerkannt höhere Qualität der ſpaniſchen Wolle vor der engliſchen datirt, ſo würde ſich dieſer Mo- ment gerade in der überaus ſtarken Zunahme der Fabrikation in England finden. Dis war im ſechszehnten Jahrhundert. So pa- radox dis auch dem Kurzſichtigen ſcheinen dürfte, ſo hat die Sache dennoch ihren ganz natürlichen Grund im Gange der Dinge. Der vermehrte Verbrauch des rohen Erzeugniſſes ſteigert deſſen Preis und reizt zu ſtärkerer Erzeugung. Dieſe aber ſchlägt allemal, wenn ſie zu ſchnell vorgenommen wird, zum Nachtheile der guten Qualität des Produkts aus. Jn England ſtieg in der Mitte des ſechszehnten Jahrhunderts der Stein Wolle von 1 Schilling 6 bis 8 Pence auf 3 bis 4 Schilling, alſo weit über das Doppelte. Wenn nun die andern landwirthſchaftlichen Erzeugniſſe dieſes Steigen nicht theilten, ſo lag es in der Natur der Sache, daß man die Schafzucht vor allem Uebrigen begünſtigte, und ganz beſonders auf Vermehrung der Menge der Wolle hinarheitete, wobei man denn die Güte nicht in gleichem Maaße berükſichtigte. Wir haben in neue- rer Zeit ähnliche Erſcheinungen in andern europäiſchen Ländern geſehn. Folgorecht geſchloſſen hätten bei der verminderten Güte des Urprodukts auch die Fabrikate ſich verſchlechtern müſſen. Wenn dis auch der Fall iſt, ſo geht dis nur allmählich, und ſie behaupten dennoch eine Zeitlang ihren Markt. Dazu kommt denn auch, daß bei der Vermehrung der Manufakturen die Rivalität Jeden zur Hervorbringung einer guten und gefälligen Waare zwingt, was dann die eingetretene ge- ringere Güte des natürlichen Produkts eine Zeitlang weniger her- vortreten läßt. Sobald dis aber zum Schaden der Fabrikation in dem geringen Abſaze bemerkbar wird, dann ſucht ſich der Fa- brikant ein beſſeres Urprodukt, und geht darnach, wenn er es im Inlande nicht findet, ins Ausland. Ungern ließen ſich die Nie- derländer von dem engliſchen Wollmarkte, der ſie ſo viele Jahr- hunderte verſorgt hatte, verdrängen, und nur die Schwierigkeit, welche ihnen durch die ſtrengen Ausfuhrverbote von Seite der engliſchen Regierung in den Weg gelegt ward, konnte ſie beſtim- men, ſich nach andern Ländern umzuſehen. Spanien war damals faſt das einzige, das ihren Bedürfniſſen entſprochen konnte. Fan- den ſie auch nicht gleich eine Waare, wie ſie dieſelbe ſo lange aus England bezogen hatten, ſo gab ſich dis bald. Spanien von ſei- nem Klima und ſeinen herrlichen Triften begünſtigt, durfte nur wiſſen, was für ein Produkt man ſuchte, um allen Forderungen in Kurzem zu genügen. Die Landesregierung ſah die Sache aus dem rechten Geſichtspunkte an, und es währte nicht lange, ſo konnten ſich die Schäze, welche dis Land durch ſeine erzeugte Wolle bezog, faſt an die Seite derer ſtellen, die ihm aus den Gold- und Silberminen von Peru und Mexico zuſtrömten. Und das Gute hatten jene vor dieſen voraus, daß ſie den Fleiß des Vol- kes wekten, während dieſe es in Trägheit und ins Verderben ſtürzten. England, das von jeher Alles was in der Handelswelt vorging, mit ſcharfen und neidiſchen Augen beobachtete, ward nicht ſobald gewahr, daß die Niederlande, anſtatt durch den Ausſchluß vom engliſchen Woll- markte in der Güte ihrer Manufakte zu verlieren, ſich in derſelben noch höher ſchwangen, als es auch der Quelle dieſes Gewinnes nachging, und aufing Wolle aus Spanien zu beziehen. Ohnehin konnte das Land, troz der ins Ungeheure vermehrten Erzeugung der rohen Wolle, nicht mehr die Bedürfniſſe der Wollenmanu- fakturen gänzlich befriedigen. Sobald nun England mit den Niederlanden in Konkurrenz trat, ſtieg wie natütlich der Preis der ſpaniſchen Wolle, beſonders da auch Frankreich an dieſem Handel Theil nahm. Jezt mußte auch dem Kontiuente der Ge- danke und der Wunſch erwachen, eine Wolle, ähnlich der ſpani- ſchen, zu erzeugen. Durch Einführung von Schafen aus jenem Lande war die Sache leicht. Frankreich hatte dazu als Nachbar die ſtärkſte Einladung, die es auch benuzte. Aber ſonderbar ge- nug, hat es nie dahin gelangen können, Wolle zu ſeinem hin- länglichen Bedarfe zu erzeugen. Ja ſelbſt in der Güte hat es nie ſich ausgezeichnet, ſo daß es noch jezt große Summen auszu- geben hat, um dieſe Lüke auszugleichen. Die Urſachen hievon ſind ſo tief in den ganzen Betrieb des Landbaues in dieſem Reiche verwebt, daß es uns zu weit führen würde, ſie hier aus- einander zu ſezen. So wie nun drei ſo viel bedürfende Konkur- renten auf dem ſpaniſchen Wollmarkte erſchienen, konnten ſie zulezt nicht mehr alle befriedigt werden. Seit läugerer Zeit ſchon hatten zwar die Niederlande auch in Deutſchland Wolle aufge- ſucht, und wie natürlich der beſſern Quantität den Borzug in Nachfrage und Preis gegeben. Der deutſche Landwirth hat von jeher, ſeinem Nationalcharakter getreu, mit Ruhe den Ereigniſſen zugeſehen, aber nie die Hände in den Schooß gelegt, wenn er ſah, daß auf einem andern als dem bisher betretenen Wege größerer Gewinn zu machen war. Aufmerkſam geworden durch die Wollkäufer, ſtrebte er darnach das Produkt zu veredeln. Die Regierungen boten zum Theil die Hände, und es wurden in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts große Anſtrengungen zur Einführung der ſpaniſchen Merinos in Deutſchland gemacht. Der Erfolg ſchwankte anfangs, wie es wohl bei keinem ungewöhnlichen

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 5, 5. Januar 1830, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine05_1830/5>, abgerufen am 24.11.2024.