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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

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tragen, ihr Gegenwärtigen, als euer eignes Gesicht
ist! Wer könnte euch -- erkennen!

Vollgeschrieben mit den Zeichen der Vergangen¬
heit, und auch diese Zeichen überpinselt mit neuen
Zeichen: also habt ihr euch gut versteckt vor allen
Zeichendeutern!

Und wenn man auch Nierenprüfer ist: wer glaubt
wohl noch, dass ihr Nieren habt! Aus Farben scheint
ihr gebacken und aus geleimten Zetteln.

Alle Zeiten und Völker blicken bunt aus euren
Schleiern; alle Sitten und Glauben reden bunt aus
euren Gebärden.

Wer von euch Schleier und Überwürfe und Farben
und Gebärden abzöge: gerade genug würde er übrig
behalten, um die Vögel damit zu erschrecken.

Wahrlich, ich selber bin der erschreckte Vogel,
der euch einmal nackt sah und ohne Farbe; und ich
flog davon, als das Gerippe mir Liebe zuwinkte.

Lieber wollte ich doch noch Tagelöhner sein in
der Unterwelt und bei den Schatten des Ehemals! --
feister und voller als ihr sind ja noch die Unter¬
weltlichen!

Diess, ja diess ist Bitterniss meinen Gedärmen,
dass ich euch weder nackt, noch bekleidet aushalte,
ihr Gegenwärtigen!

Alles Unheimliche der Zukunft, und was je ver¬
flogenen Vögeln Schauder machte, ist wahrlich heim¬
licher noch und traulicher als eure "Wirklichkeit".

Denn so sprecht ihr: "Wirkliche sind wir ganz,
und ohne Glauben und Aberglauben": also brüstet ihr
euch -- ach, auch noch ohne Brüste!

tragen, ihr Gegenwärtigen, als euer eignes Gesicht
ist! Wer könnte euch — erkennen!

Vollgeschrieben mit den Zeichen der Vergangen¬
heit, und auch diese Zeichen überpinselt mit neuen
Zeichen: also habt ihr euch gut versteckt vor allen
Zeichendeutern!

Und wenn man auch Nierenprüfer ist: wer glaubt
wohl noch, dass ihr Nieren habt! Aus Farben scheint
ihr gebacken und aus geleimten Zetteln.

Alle Zeiten und Völker blicken bunt aus euren
Schleiern; alle Sitten und Glauben reden bunt aus
euren Gebärden.

Wer von euch Schleier und Überwürfe und Farben
und Gebärden abzöge: gerade genug würde er übrig
behalten, um die Vögel damit zu erschrecken.

Wahrlich, ich selber bin der erschreckte Vogel,
der euch einmal nackt sah und ohne Farbe; und ich
flog davon, als das Gerippe mir Liebe zuwinkte.

Lieber wollte ich doch noch Tagelöhner sein in
der Unterwelt und bei den Schatten des Ehemals! —
feister und voller als ihr sind ja noch die Unter¬
weltlichen!

Diess, ja diess ist Bitterniss meinen Gedärmen,
dass ich euch weder nackt, noch bekleidet aushalte,
ihr Gegenwärtigen!

Alles Unheimliche der Zukunft, und was je ver¬
flogenen Vögeln Schauder machte, ist wahrlich heim¬
licher noch und traulicher als eure „Wirklichkeit“.

Denn so sprecht ihr: „Wirkliche sind wir ganz,
und ohne Glauben und Aberglauben“: also brüstet ihr
euch — ach, auch noch ohne Brüste!

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[57/0067] tragen, ihr Gegenwärtigen, als euer eignes Gesicht ist! Wer könnte euch — erkennen! Vollgeschrieben mit den Zeichen der Vergangen¬ heit, und auch diese Zeichen überpinselt mit neuen Zeichen: also habt ihr euch gut versteckt vor allen Zeichendeutern! Und wenn man auch Nierenprüfer ist: wer glaubt wohl noch, dass ihr Nieren habt! Aus Farben scheint ihr gebacken und aus geleimten Zetteln. Alle Zeiten und Völker blicken bunt aus euren Schleiern; alle Sitten und Glauben reden bunt aus euren Gebärden. Wer von euch Schleier und Überwürfe und Farben und Gebärden abzöge: gerade genug würde er übrig behalten, um die Vögel damit zu erschrecken. Wahrlich, ich selber bin der erschreckte Vogel, der euch einmal nackt sah und ohne Farbe; und ich flog davon, als das Gerippe mir Liebe zuwinkte. Lieber wollte ich doch noch Tagelöhner sein in der Unterwelt und bei den Schatten des Ehemals! — feister und voller als ihr sind ja noch die Unter¬ weltlichen! Diess, ja diess ist Bitterniss meinen Gedärmen, dass ich euch weder nackt, noch bekleidet aushalte, ihr Gegenwärtigen! Alles Unheimliche der Zukunft, und was je ver¬ flogenen Vögeln Schauder machte, ist wahrlich heim¬ licher noch und traulicher als eure „Wirklichkeit“. Denn so sprecht ihr: „Wirkliche sind wir ganz, und ohne Glauben und Aberglauben“: also brüstet ihr euch — ach, auch noch ohne Brüste!

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/67>, abgerufen am 25.11.2024.