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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

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Wahrlich, nicht als Schaffende, Zeugende, Werde¬
lustige liebt ihr die Erde!

Wo ist Unschuld? Wo der Wille zur Zeugung
ist. Und wer über sich hinaus schaffen will, der hat
mir den reinsten Willen.

Wo ist Schönheit? Wo ich mit allem Willen
wollen muss; wo ich lieben und untergehn will,
dass ein Bild nicht nur Bild bleibe.

Lieben und Untergehn: das reimt sich seit Ewig¬
keiten. Wille zur Liebe: das ist, willig auch sein zum
Tode. Also rede ich zu euch Feiglingen!

Aber nun will euer entmanntes Schielen "Beschau¬
lichkeit" heissen! Und was mit feigen Augen sich
tasten lässt, soll "schön" getauft werden! Oh, ihr
Beschmutzer edler Namen!

Aber das soll euer Fluch sein, ihr Unbefleckten,
ihr Rein-Erkennenden, dass ihr nie gebären werdet:
und wenn ihr auch breit und trächtig am Horizonte liegt!

Wahrlich, ihr nehmt den Mund voll mit edlen
Worten: und wir sollen glauben, dass euch das Herz
übergehe, ihr Lügenbolde?

Aber meine Worte sind geringe, verachtete,
krumme Worte: gerne nehme ich auf, was bei eurer
Mahlzeit unter den Tisch fällt.

Immer noch kann ich mit ihnen -- Heuchlern die
Wahrheit sagen! Ja, meine Gräten, Muscheln und
Stachelblätter sollen -- Heuchlern die Nasen kitzeln!

Schlechte Luft ist immer um euch und eure Mahl¬
zeiten: eure lüsternen Gedanken, eure Lügen und Heim¬
lichkeiten sind ja in der Luft!

Wahrlich, nicht als Schaffende, Zeugende, Werde¬
lustige liebt ihr die Erde!

Wo ist Unschuld? Wo der Wille zur Zeugung
ist. Und wer über sich hinaus schaffen will, der hat
mir den reinsten Willen.

Wo ist Schönheit? Wo ich mit allem Willen
wollen muss; wo ich lieben und untergehn will,
dass ein Bild nicht nur Bild bleibe.

Lieben und Untergehn: das reimt sich seit Ewig¬
keiten. Wille zur Liebe: das ist, willig auch sein zum
Tode. Also rede ich zu euch Feiglingen!

Aber nun will euer entmanntes Schielen „Beschau¬
lichkeit“ heissen! Und was mit feigen Augen sich
tasten lässt, soll „schön“ getauft werden! Oh, ihr
Beschmutzer edler Namen!

Aber das soll euer Fluch sein, ihr Unbefleckten,
ihr Rein-Erkennenden, dass ihr nie gebären werdet:
und wenn ihr auch breit und trächtig am Horizonte liegt!

Wahrlich, ihr nehmt den Mund voll mit edlen
Worten: und wir sollen glauben, dass euch das Herz
übergehe, ihr Lügenbolde?

Aber meine Worte sind geringe, verachtete,
krumme Worte: gerne nehme ich auf, was bei eurer
Mahlzeit unter den Tisch fällt.

Immer noch kann ich mit ihnen — Heuchlern die
Wahrheit sagen! Ja, meine Gräten, Muscheln und
Stachelblätter sollen — Heuchlern die Nasen kitzeln!

Schlechte Luft ist immer um euch und eure Mahl¬
zeiten: eure lüsternen Gedanken, eure Lügen und Heim¬
lichkeiten sind ja in der Luft!

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[62/0072] Wahrlich, nicht als Schaffende, Zeugende, Werde¬ lustige liebt ihr die Erde! Wo ist Unschuld? Wo der Wille zur Zeugung ist. Und wer über sich hinaus schaffen will, der hat mir den reinsten Willen. Wo ist Schönheit? Wo ich mit allem Willen wollen muss; wo ich lieben und untergehn will, dass ein Bild nicht nur Bild bleibe. Lieben und Untergehn: das reimt sich seit Ewig¬ keiten. Wille zur Liebe: das ist, willig auch sein zum Tode. Also rede ich zu euch Feiglingen! Aber nun will euer entmanntes Schielen „Beschau¬ lichkeit“ heissen! Und was mit feigen Augen sich tasten lässt, soll „schön“ getauft werden! Oh, ihr Beschmutzer edler Namen! Aber das soll euer Fluch sein, ihr Unbefleckten, ihr Rein-Erkennenden, dass ihr nie gebären werdet: und wenn ihr auch breit und trächtig am Horizonte liegt! Wahrlich, ihr nehmt den Mund voll mit edlen Worten: und wir sollen glauben, dass euch das Herz übergehe, ihr Lügenbolde? Aber meine Worte sind geringe, verachtete, krumme Worte: gerne nehme ich auf, was bei eurer Mahlzeit unter den Tisch fällt. Immer noch kann ich mit ihnen — Heuchlern die Wahrheit sagen! Ja, meine Gräten, Muscheln und Stachelblätter sollen — Heuchlern die Nasen kitzeln! Schlechte Luft ist immer um euch und eure Mahl¬ zeiten: eure lüsternen Gedanken, eure Lügen und Heim¬ lichkeiten sind ja in der Luft!

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/72>, abgerufen am 29.11.2024.