Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Höheres als alle Versöhnung muss der Wille
wollen, welcher der Wille zur Macht ist --: doch wie
geschieht ihm das? Wer lehrte ihn auch noch das
Zurückwollen?"

-- Aber an dieser Stelle seiner Rede geschah es,
dass Zarathustra plötzlich innehielt und ganz einem
Solchen gleich sah, der auf das Äusserste erschrickt.
Mit erschrecktem Auge blickte er auf seine Jünger;
sein Auge durchbohrte wie mit Pfeilen ihre Gedanken
und Hintergedanken. Aber nach einer kleinen Weile
lachte er schon wieder und sagte begütigt:

"Es ist schwer, mit Menschen zu leben, weil
Schweigen so schwer ist. Sonderlich für einen Ge¬
schwätzigen." --

Also sprach Zarathustra. Der Bucklichte aber
hatte dem Gespräche zugehört und sein Gesicht dabei
bedeckt; als er aber Zarathustra lachen hörte, blickte
er neugierig auf und sagte langsam:

"Aber warum redet Zarathustra anders zu uns als
zu seinen Jüngern?"

Zarathustra antwortete: "Was ist da zum Ver¬
wundern! Mit Bucklichten darf man schon bucklicht
reden!"

"Gut, sagte der Bucklichte; und mit Schülern
darf man schon aus der Schule schwätzen.

Aber warum redet Zarathustra anders zu seinen
Schülern -- als zu sich selber?" --


Höheres als alle Versöhnung muss der Wille
wollen, welcher der Wille zur Macht ist —: doch wie
geschieht ihm das? Wer lehrte ihn auch noch das
Zurückwollen?“

— Aber an dieser Stelle seiner Rede geschah es,
dass Zarathustra plötzlich innehielt und ganz einem
Solchen gleich sah, der auf das Äusserste erschrickt.
Mit erschrecktem Auge blickte er auf seine Jünger;
sein Auge durchbohrte wie mit Pfeilen ihre Gedanken
und Hintergedanken. Aber nach einer kleinen Weile
lachte er schon wieder und sagte begütigt:

„Es ist schwer, mit Menschen zu leben, weil
Schweigen so schwer ist. Sonderlich für einen Ge¬
schwätzigen.“ —

Also sprach Zarathustra. Der Bucklichte aber
hatte dem Gespräche zugehört und sein Gesicht dabei
bedeckt; als er aber Zarathustra lachen hörte, blickte
er neugierig auf und sagte langsam:

„Aber warum redet Zarathustra anders zu uns als
zu seinen Jüngern?“

Zarathustra antwortete: „Was ist da zum Ver¬
wundern! Mit Bucklichten darf man schon bucklicht
reden!“

„Gut, sagte der Bucklichte; und mit Schülern
darf man schon aus der Schule schwätzen.

Aber warum redet Zarathustra anders zu seinen
Schülern — als zu sich selber?“ —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0101" n="91"/>
        <p>Höheres als alle Versöhnung muss der Wille<lb/>
wollen, welcher der Wille zur Macht ist &#x2014;: doch wie<lb/>
geschieht ihm das? Wer lehrte ihn auch noch das<lb/>
Zurückwollen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; Aber an dieser Stelle seiner Rede geschah es,<lb/>
dass Zarathustra plötzlich innehielt und ganz einem<lb/>
Solchen gleich sah, der auf das Äusserste erschrickt.<lb/>
Mit erschrecktem Auge blickte er auf seine Jünger;<lb/>
sein Auge durchbohrte wie mit Pfeilen ihre Gedanken<lb/>
und Hintergedanken. Aber nach einer kleinen Weile<lb/>
lachte er schon wieder und sagte begütigt:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es ist schwer, mit Menschen zu leben, weil<lb/>
Schweigen so schwer ist. Sonderlich für einen Ge¬<lb/>
schwätzigen.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Also sprach Zarathustra. Der Bucklichte aber<lb/>
hatte dem Gespräche zugehört und sein Gesicht dabei<lb/>
bedeckt; als er aber Zarathustra lachen hörte, blickte<lb/>
er neugierig auf und sagte langsam:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber warum redet Zarathustra anders zu uns als<lb/>
zu seinen Jüngern?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Zarathustra antwortete: &#x201E;Was ist da zum Ver¬<lb/>
wundern! Mit Bucklichten darf man schon bucklicht<lb/>
reden!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gut, sagte der Bucklichte; und mit Schülern<lb/>
darf man schon aus der Schule schwätzen.</p><lb/>
        <p>Aber warum redet Zarathustra anders zu seinen<lb/>
Schülern &#x2014; als zu sich selber?&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0101] Höheres als alle Versöhnung muss der Wille wollen, welcher der Wille zur Macht ist —: doch wie geschieht ihm das? Wer lehrte ihn auch noch das Zurückwollen?“ — Aber an dieser Stelle seiner Rede geschah es, dass Zarathustra plötzlich innehielt und ganz einem Solchen gleich sah, der auf das Äusserste erschrickt. Mit erschrecktem Auge blickte er auf seine Jünger; sein Auge durchbohrte wie mit Pfeilen ihre Gedanken und Hintergedanken. Aber nach einer kleinen Weile lachte er schon wieder und sagte begütigt: „Es ist schwer, mit Menschen zu leben, weil Schweigen so schwer ist. Sonderlich für einen Ge¬ schwätzigen.“ — Also sprach Zarathustra. Der Bucklichte aber hatte dem Gespräche zugehört und sein Gesicht dabei bedeckt; als er aber Zarathustra lachen hörte, blickte er neugierig auf und sagte langsam: „Aber warum redet Zarathustra anders zu uns als zu seinen Jüngern?“ Zarathustra antwortete: „Was ist da zum Ver¬ wundern! Mit Bucklichten darf man schon bucklicht reden!“ „Gut, sagte der Bucklichte; und mit Schülern darf man schon aus der Schule schwätzen. Aber warum redet Zarathustra anders zu seinen Schülern — als zu sich selber?“ —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/101
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/101>, abgerufen am 26.11.2024.