Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883."Aller Werth ward schon geschaffen, und aller Meine Brüder, wozu bedarf es des Löwen im Neue Werthe schaffen -- das vermag auch der Freiheit sich schaffen und ein heiliges Nein auch Recht sich nehmen zu neuen Werthen -- das ist Als sein Heiligstes liebte er einst das "Du-sollst": Aber sagt, meine Brüder, was vermag noch das Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neu¬ Ja, zum Spiele des Schaffens, meine Brüder, be¬ „Aller Werth ward schon geschaffen, und aller Meine Brüder, wozu bedarf es des Löwen im Neue Werthe schaffen — das vermag auch der Freiheit sich schaffen und ein heiliges Nein auch Recht sich nehmen zu neuen Werthen — das ist Als sein Heiligstes liebte er einst das „Du-sollst“: Aber sagt, meine Brüder, was vermag noch das Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neu¬ Ja, zum Spiele des Schaffens, meine Brüder, be¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0037" n="31"/> <p>„Aller Werth ward schon geschaffen, und aller<lb/> geschaffene Werth — das bin ich. Wahrlich, es<lb/> soll kein „Ich will“ mehr geben!“ Also spricht der<lb/> Drache.</p><lb/> <p>Meine Brüder, wozu bedarf es des Löwen im<lb/> Geiste? Was genügt nicht das lastbare Thier, das<lb/> entsagt und ehrfürchtig ist?</p><lb/> <p>Neue Werthe schaffen — das vermag auch der<lb/> Löwe noch nicht: aber Freiheit sich schaffen zu neuem<lb/> Schaffen — das vermag die Macht des Löwen.</p><lb/> <p>Freiheit sich schaffen und ein heiliges Nein auch<lb/> vor der Pflicht: dazu, meine Brüder, bedarf es des<lb/> Löwen.</p><lb/> <p>Recht sich nehmen zu neuen Werthen — das ist<lb/> das furchtbarste Nehmen für einen tragsamen und<lb/> ehrfürchtigen Geist. Wahrlich, ein Rauben ist es ihm<lb/> und eines raubenden Thieres Sache.</p><lb/> <p>Als sein Heiligstes liebte er einst das „Du-sollst“:<lb/> nun muss er Wahn und Willkür auch noch im Heilig¬<lb/> sten finden, dass er sich Freiheit raube von seiner<lb/> Liebe: des Löwen bedarf es zu diesem Raube.</p><lb/> <p>Aber sagt, meine Brüder, was vermag noch das<lb/> Kind, das auch der Löwe nicht vermochte? Was<lb/> muss der raubende Löwe auch noch zum Kinde<lb/> werden?</p><lb/> <p>Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neu¬<lb/> beginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine<lb/> erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen.</p><lb/> <p>Ja, zum Spiele des Schaffens, meine Brüder, be¬<lb/> darf es eines heiligen Ja-sagens: <hi rendition="#g">seinen</hi> Willen will<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [31/0037]
„Aller Werth ward schon geschaffen, und aller
geschaffene Werth — das bin ich. Wahrlich, es
soll kein „Ich will“ mehr geben!“ Also spricht der
Drache.
Meine Brüder, wozu bedarf es des Löwen im
Geiste? Was genügt nicht das lastbare Thier, das
entsagt und ehrfürchtig ist?
Neue Werthe schaffen — das vermag auch der
Löwe noch nicht: aber Freiheit sich schaffen zu neuem
Schaffen — das vermag die Macht des Löwen.
Freiheit sich schaffen und ein heiliges Nein auch
vor der Pflicht: dazu, meine Brüder, bedarf es des
Löwen.
Recht sich nehmen zu neuen Werthen — das ist
das furchtbarste Nehmen für einen tragsamen und
ehrfürchtigen Geist. Wahrlich, ein Rauben ist es ihm
und eines raubenden Thieres Sache.
Als sein Heiligstes liebte er einst das „Du-sollst“:
nun muss er Wahn und Willkür auch noch im Heilig¬
sten finden, dass er sich Freiheit raube von seiner
Liebe: des Löwen bedarf es zu diesem Raube.
Aber sagt, meine Brüder, was vermag noch das
Kind, das auch der Löwe nicht vermochte? Was
muss der raubende Löwe auch noch zum Kinde
werden?
Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neu¬
beginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine
erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen.
Ja, zum Spiele des Schaffens, meine Brüder, be¬
darf es eines heiligen Ja-sagens: seinen Willen will
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Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/37>, abgerufen am 05.07.2024. |