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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.

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Oder ist es das: krank sein und die Tröster heim¬
schicken und mit Tauben Freundschaft schliessen, die
niemals hören, was du willst?

Oder ist es das: in schmutziges Wasser steigen,
wenn es das Wasser der Wahrheit ist, und kalte Frösche
und heisse Kröten nicht von sich weisen?

Oder ist es das: Die lieben, die uns verachten, und
dem Gespenste die Hand reichen, wenn es uns fürchten
machen will?

Alles diess Schwerste nimmt der tragsame Geist
auf sich: dem Kameele gleich, das beladen in die
Wüste eilt, also eilt er in seine Wüste.

Aber in der einsamsten Wüste geschieht die
zweite Verwandlung: zum Löwen wird hier der Geist,
Freiheit will er sich erbeuten und Herr sein in seiner
eignen Wüste.

Seinen letzten Herrn sucht er sich hier: feind will
er ihm werden und seinem letzten Gotte, um Sieg will
er mit dem grossen Drachen ringen.

Welches ist der grosse Drache, den der Geist
nicht mehr Herr und Gott heissen mag? "Du-sollst"
heisst der grosse Drache. Aber der Geist des Löwen
sagt "ich will".

"Du-sollst" liegt ihm am Wege, goldfunkelnd,
ein Schuppenthier, und auf jeder Schuppe glänzt golden
"Du sollst!"

Tausendjährige Werthe glänzen an diesen Schup¬
pen, und also spricht der mächtigste aller Drachen:
"aller Werth der Dinge -- der glänzt an mir."

Oder ist es das: krank sein und die Tröster heim¬
schicken und mit Tauben Freundschaft schliessen, die
niemals hören, was du willst?

Oder ist es das: in schmutziges Wasser steigen,
wenn es das Wasser der Wahrheit ist, und kalte Frösche
und heisse Kröten nicht von sich weisen?

Oder ist es das: Die lieben, die uns verachten, und
dem Gespenste die Hand reichen, wenn es uns fürchten
machen will?

Alles diess Schwerste nimmt der tragsame Geist
auf sich: dem Kameele gleich, das beladen in die
Wüste eilt, also eilt er in seine Wüste.

Aber in der einsamsten Wüste geschieht die
zweite Verwandlung: zum Löwen wird hier der Geist,
Freiheit will er sich erbeuten und Herr sein in seiner
eignen Wüste.

Seinen letzten Herrn sucht er sich hier: feind will
er ihm werden und seinem letzten Gotte, um Sieg will
er mit dem grossen Drachen ringen.

Welches ist der grosse Drache, den der Geist
nicht mehr Herr und Gott heissen mag? „Du-sollst“
heisst der grosse Drache. Aber der Geist des Löwen
sagt „ich will“.

„Du-sollst“ liegt ihm am Wege, goldfunkelnd,
ein Schuppenthier, und auf jeder Schuppe glänzt golden
„Du sollst!“

Tausendjährige Werthe glänzen an diesen Schup¬
pen, und also spricht der mächtigste aller Drachen:
„aller Werth der Dinge — der glänzt an mir.“

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[30/0036] Oder ist es das: krank sein und die Tröster heim¬ schicken und mit Tauben Freundschaft schliessen, die niemals hören, was du willst? Oder ist es das: in schmutziges Wasser steigen, wenn es das Wasser der Wahrheit ist, und kalte Frösche und heisse Kröten nicht von sich weisen? Oder ist es das: Die lieben, die uns verachten, und dem Gespenste die Hand reichen, wenn es uns fürchten machen will? Alles diess Schwerste nimmt der tragsame Geist auf sich: dem Kameele gleich, das beladen in die Wüste eilt, also eilt er in seine Wüste. Aber in der einsamsten Wüste geschieht die zweite Verwandlung: zum Löwen wird hier der Geist, Freiheit will er sich erbeuten und Herr sein in seiner eignen Wüste. Seinen letzten Herrn sucht er sich hier: feind will er ihm werden und seinem letzten Gotte, um Sieg will er mit dem grossen Drachen ringen. Welches ist der grosse Drache, den der Geist nicht mehr Herr und Gott heissen mag? „Du-sollst“ heisst der grosse Drache. Aber der Geist des Löwen sagt „ich will“. „Du-sollst“ liegt ihm am Wege, goldfunkelnd, ein Schuppenthier, und auf jeder Schuppe glänzt golden „Du sollst!“ Tausendjährige Werthe glänzen an diesen Schup¬ pen, und also spricht der mächtigste aller Drachen: „aller Werth der Dinge — der glänzt an mir.“

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/36>, abgerufen am 22.11.2024.