es hassen dich hier zu Viele. Es hassen dich die Guten und Gerechten und sie nennen dich ihren Feind und Verächter; es hassen dich die Gläubigen des rechten Glaubens, und sie nennen dich die Gefahr der Menge. Dein Glück war es, dass man über dich lachte: und wahrlich, du redetest gleich einem Possen¬ reisser. Dein Glück war es, dass du dich dem todten Hunde geselltest; als du dich so erniedrigtest, hast du dich selber für heute errettet. Geh aber fort aus dieser Stadt -- oder morgen springe ich über dich hinweg, ein Lebendiger über einen Todten." Und als er diess gesagt hatte, verschwand der Mensch; Zarathustra aber gieng weiter durch die dunklen Gassen.
Am Thore der Stadt begegneten ihm die Todten¬ gräber: sie leuchteten ihm mit der Fackel in's Gesicht, erkannten Zarathustra und spotteten sehr über ihn. "Zarathustra trägt den todten Hund davon: brav, dass Zarathustra zum Todtengräber wurde! Denn unsere Hände sind zu reinlich für diesen Braten. Will Zara¬ thustra wohl dem Teufel seinen Bissen stehlen? Nun wohlan! Und gut Glück zur Mahlzeit! Wenn nur nicht der Teufel ein besserer Dieb ist, als Zarathu¬ stra! -- er stiehlt sie Beide, er frisst sie Beide!" Und sie lachten mit einander und steckten die Köpfe zusammen.
Zarathustra sagte dazu kein Wort und gieng seines Weges. Als er zwei Stunden gegangen war, an Wäldern und Sümpfen vorbei, da hatte er zu viel das hungrige Geheul der Wölfe gehört, und ihm selber
es hassen dich hier zu Viele. Es hassen dich die Guten und Gerechten und sie nennen dich ihren Feind und Verächter; es hassen dich die Gläubigen des rechten Glaubens, und sie nennen dich die Gefahr der Menge. Dein Glück war es, dass man über dich lachte: und wahrlich, du redetest gleich einem Possen¬ reisser. Dein Glück war es, dass du dich dem todten Hunde geselltest; als du dich so erniedrigtest, hast du dich selber für heute errettet. Geh aber fort aus dieser Stadt — oder morgen springe ich über dich hinweg, ein Lebendiger über einen Todten.“ Und als er diess gesagt hatte, verschwand der Mensch; Zarathustra aber gieng weiter durch die dunklen Gassen.
Am Thore der Stadt begegneten ihm die Todten¬ gräber: sie leuchteten ihm mit der Fackel in's Gesicht, erkannten Zarathustra und spotteten sehr über ihn. „Zarathustra trägt den todten Hund davon: brav, dass Zarathustra zum Todtengräber wurde! Denn unsere Hände sind zu reinlich für diesen Braten. Will Zara¬ thustra wohl dem Teufel seinen Bissen stehlen? Nun wohlan! Und gut Glück zur Mahlzeit! Wenn nur nicht der Teufel ein besserer Dieb ist, als Zarathu¬ stra! — er stiehlt sie Beide, er frisst sie Beide!“ Und sie lachten mit einander und steckten die Köpfe zusammen.
Zarathustra sagte dazu kein Wort und gieng seines Weges. Als er zwei Stunden gegangen war, an Wäldern und Sümpfen vorbei, da hatte er zu viel das hungrige Geheul der Wölfe gehört, und ihm selber
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0027"n="21"/>
es hassen dich hier zu Viele. Es hassen dich die<lb/>
Guten und Gerechten und sie nennen dich ihren Feind<lb/>
und Verächter; es hassen dich die Gläubigen des<lb/>
rechten Glaubens, und sie nennen dich die Gefahr<lb/>
der Menge. Dein Glück war es, dass man über dich<lb/>
lachte: und wahrlich, du redetest gleich einem Possen¬<lb/>
reisser. Dein Glück war es, dass du dich dem todten<lb/>
Hunde geselltest; als du dich so erniedrigtest, hast<lb/>
du dich selber für heute errettet. Geh aber fort<lb/>
aus dieser Stadt — oder morgen springe ich über<lb/>
dich hinweg, ein Lebendiger über einen Todten.“ Und<lb/>
als er diess gesagt hatte, verschwand der Mensch;<lb/>
Zarathustra aber gieng weiter durch die dunklen<lb/>
Gassen.</p><lb/><p>Am Thore der Stadt begegneten ihm die Todten¬<lb/>
gräber: sie leuchteten ihm mit der Fackel in's Gesicht,<lb/>
erkannten Zarathustra und spotteten sehr über ihn.<lb/>„Zarathustra trägt den todten Hund davon: brav, dass<lb/>
Zarathustra zum Todtengräber wurde! Denn unsere<lb/>
Hände sind zu reinlich für diesen Braten. Will Zara¬<lb/>
thustra wohl dem Teufel seinen Bissen stehlen? Nun<lb/>
wohlan! Und gut Glück zur Mahlzeit! Wenn nur<lb/>
nicht der Teufel ein besserer Dieb ist, als Zarathu¬<lb/>
stra! — er stiehlt sie Beide, er frisst sie Beide!“<lb/>
Und sie lachten mit einander und steckten die Köpfe<lb/>
zusammen.</p><lb/><p>Zarathustra sagte dazu kein Wort und gieng seines<lb/>
Weges. Als er zwei Stunden gegangen war, an<lb/>
Wäldern und Sümpfen vorbei, da hatte er zu viel das<lb/>
hungrige Geheul der Wölfe gehört, und ihm selber<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[21/0027]
es hassen dich hier zu Viele. Es hassen dich die
Guten und Gerechten und sie nennen dich ihren Feind
und Verächter; es hassen dich die Gläubigen des
rechten Glaubens, und sie nennen dich die Gefahr
der Menge. Dein Glück war es, dass man über dich
lachte: und wahrlich, du redetest gleich einem Possen¬
reisser. Dein Glück war es, dass du dich dem todten
Hunde geselltest; als du dich so erniedrigtest, hast
du dich selber für heute errettet. Geh aber fort
aus dieser Stadt — oder morgen springe ich über
dich hinweg, ein Lebendiger über einen Todten.“ Und
als er diess gesagt hatte, verschwand der Mensch;
Zarathustra aber gieng weiter durch die dunklen
Gassen.
Am Thore der Stadt begegneten ihm die Todten¬
gräber: sie leuchteten ihm mit der Fackel in's Gesicht,
erkannten Zarathustra und spotteten sehr über ihn.
„Zarathustra trägt den todten Hund davon: brav, dass
Zarathustra zum Todtengräber wurde! Denn unsere
Hände sind zu reinlich für diesen Braten. Will Zara¬
thustra wohl dem Teufel seinen Bissen stehlen? Nun
wohlan! Und gut Glück zur Mahlzeit! Wenn nur
nicht der Teufel ein besserer Dieb ist, als Zarathu¬
stra! — er stiehlt sie Beide, er frisst sie Beide!“
Und sie lachten mit einander und steckten die Köpfe
zusammen.
Zarathustra sagte dazu kein Wort und gieng seines
Weges. Als er zwei Stunden gegangen war, an
Wäldern und Sümpfen vorbei, da hatte er zu viel das
hungrige Geheul der Wölfe gehört, und ihm selber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/27>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.