Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.Geist. Und Einige sind greis in der Jugend: aber Manchem missräth das Leben: ein Giftwurm frisst Mancher wird nie süss, er fault im Sommer schon. Viel zu Viele leben und viel zu lange hängen sie Möchten Prediger kommen des schnellen Todes! Ach, ihr predigt Geduld mit dem Irdischen? Dieses Wahrlich, zu früh starb jener Hebräer, den die Noch kannte er nur Thränen und die Schwermuth Wäre er doch in der Wüste geblieben und ferne Glaubt es mir, meine Brüder! Er starb zu früh; Geist. Und Einige sind greis in der Jugend: aber Manchem missräth das Leben: ein Giftwurm frisst Mancher wird nie süss, er fault im Sommer schon. Viel zu Viele leben und viel zu lange hängen sie Möchten Prediger kommen des schnellen Todes! Ach, ihr predigt Geduld mit dem Irdischen? Dieses Wahrlich, zu früh starb jener Hebräer, den die Noch kannte er nur Thränen und die Schwermuth Wäre er doch in der Wüste geblieben und ferne Glaubt es mir, meine Brüder! Er starb zu früh; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0110" n="104"/> Geist. Und Einige sind greis in der Jugend: aber<lb/> spät jung erhält lang jung.</p><lb/> <p>Manchem missräth das Leben: ein Giftwurm frisst<lb/> sich ihm an's Herz. So möge er zusehn, dass ihm<lb/> das Sterben um so mehr gerathe.</p><lb/> <p>Mancher wird nie süss, er fault im Sommer schon.<lb/> Feigheit ist es, die ihn an seinem Aste festhält.</p><lb/> <p>Viel zu Viele leben und viel zu lange hängen sie<lb/> an ihren Ästen. Möchte ein Sturm kommen, der all<lb/> diess Faule und Wurmfressne vom Baume schüttelt!</p><lb/> <p>Möchten Prediger kommen des <hi rendition="#g">schnellen</hi> Todes!<lb/> Das wären mir die rechten Stürme und Schüttler an<lb/> Lebensbäumen! Aber ich höre nur den langsamen<lb/> Tod predigen und Geduld mit allem „Irdischen“.</p><lb/> <p>Ach, ihr predigt Geduld mit dem Irdischen? Dieses<lb/> Irdische ist es, das zu viel Geduld mit euch hat, ihr<lb/> Lästermäuler!</p><lb/> <p>Wahrlich, zu früh starb jener Hebräer, den die<lb/> Prediger des langsamen Todes ehren: und Vielen ward<lb/> es seitdem zum Verhängniss, dass er zu früh starb.</p><lb/> <p>Noch kannte er nur Thränen und die Schwermuth<lb/> des Hebräers, sammt dem Hasse der Guten und Ge¬<lb/> rechten, — der Hebräer Jesus: da überfiel ihn die<lb/> Sehnsucht zum Tode.</p><lb/> <p>Wäre er doch in der Wüste geblieben und ferne<lb/> von den Guten und Gerechten! Vielleicht hätte er<lb/> leben gelernt und die Erde lieben gelernt — und das<lb/> Lachen dazu!</p><lb/> <p>Glaubt es mir, meine Brüder! Er starb zu früh;<lb/> er selber hätte seine Lehre widerrufen, wäre er bis<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0110]
Geist. Und Einige sind greis in der Jugend: aber
spät jung erhält lang jung.
Manchem missräth das Leben: ein Giftwurm frisst
sich ihm an's Herz. So möge er zusehn, dass ihm
das Sterben um so mehr gerathe.
Mancher wird nie süss, er fault im Sommer schon.
Feigheit ist es, die ihn an seinem Aste festhält.
Viel zu Viele leben und viel zu lange hängen sie
an ihren Ästen. Möchte ein Sturm kommen, der all
diess Faule und Wurmfressne vom Baume schüttelt!
Möchten Prediger kommen des schnellen Todes!
Das wären mir die rechten Stürme und Schüttler an
Lebensbäumen! Aber ich höre nur den langsamen
Tod predigen und Geduld mit allem „Irdischen“.
Ach, ihr predigt Geduld mit dem Irdischen? Dieses
Irdische ist es, das zu viel Geduld mit euch hat, ihr
Lästermäuler!
Wahrlich, zu früh starb jener Hebräer, den die
Prediger des langsamen Todes ehren: und Vielen ward
es seitdem zum Verhängniss, dass er zu früh starb.
Noch kannte er nur Thränen und die Schwermuth
des Hebräers, sammt dem Hasse der Guten und Ge¬
rechten, — der Hebräer Jesus: da überfiel ihn die
Sehnsucht zum Tode.
Wäre er doch in der Wüste geblieben und ferne
von den Guten und Gerechten! Vielleicht hätte er
leben gelernt und die Erde lieben gelernt — und das
Lachen dazu!
Glaubt es mir, meine Brüder! Er starb zu früh;
er selber hätte seine Lehre widerrufen, wäre er bis
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