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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Zweiter Abschnitt.
pinismus haltet: würdet ihr denn sonst so ganz mit
Absicht eure Kinder selbst verderben? Aber eben darum
halte ich nur für um so dringender, euch auf das, was
ihr mit euern Kindern treibet oder treiben lasset, auf-
merksam zu machen, und euch wohlmeinend nachdrück-
lich zu warnen.

Philanthropinismus ist es, wenn ihr unter-
lasset, früh schon in dem Herzen eurer Kinder den
Glauben, diese zarte Pflanze, die der Menschheit Keim
enthält, zu nähren und zu pflegen, den Glauben an
das Unsichtbare, Göttliche, an die Ideen, an das,
was allein den Menschen groß und hoch macht und
ehrwürdig, was realer ist und wahrer und beständiger,
als alles, was man mit den Händen greift; wenn ihr
diesen Glauben, der, in des Geistes tiefstem Inneren
gegründet, für den Menschen das Sigel der Vernunft
und ihre Offenbarung und, wie die Vernunft selbst,
in ihm unvertilgbar ist, nicht achtet in dem Kinde;
wenn ihr diesem Glauben, der nur durch Glauben
kömmt und nur im Glauben seine Nahrung findet, mit
Unglauben nur begegnet; wenn ihr aus kindischer Ge-
spensterfurcht vermeidet, euern Kindern Gott, den Un-
sichtbaren, nur zu nennen, damit sie daran ja nicht
etwa lernen möchten, an Geister, Hexen, wohl gar an den
Teufel selbst zu glauben; wenn ihr meinet, den früh
erstickten und erstorbnen Keim des Glaubens späterhin,
wenn erst der Lehrling zum Verstand gekommen, durch
eure Katechismusformeln, oder gar durch eure trocke-
nen Begriffe und Beweise von dem Daseyn Gottes und

Zweiter Abſchnitt.
pinismus haltet: wuͤrdet ihr denn ſonſt ſo ganz mit
Abſicht eure Kinder ſelbſt verderben? Aber eben darum
halte ich nur fuͤr um ſo dringender, euch auf das, was
ihr mit euern Kindern treibet oder treiben laſſet, auf-
merkſam zu machen, und euch wohlmeinend nachdruͤck-
lich zu warnen.

Philanthropinismus iſt es, wenn ihr unter-
laſſet, fruͤh ſchon in dem Herzen eurer Kinder den
Glauben, dieſe zarte Pflanze, die der Menſchheit Keim
enthaͤlt, zu naͤhren und zu pflegen, den Glauben an
das Unſichtbare, Goͤttliche, an die Ideen, an das,
was allein den Menſchen groß und hoch macht und
ehrwuͤrdig, was realer iſt und wahrer und beſtaͤndiger,
als alles, was man mit den Haͤnden greift; wenn ihr
dieſen Glauben, der, in des Geiſtes tiefſtem Inneren
gegruͤndet, fuͤr den Menſchen das Sigel der Vernunft
und ihre Offenbarung und, wie die Vernunft ſelbſt,
in ihm unvertilgbar iſt, nicht achtet in dem Kinde;
wenn ihr dieſem Glauben, der nur durch Glauben
koͤmmt und nur im Glauben ſeine Nahrung findet, mit
Unglauben nur begegnet; wenn ihr aus kindiſcher Ge-
ſpenſterfurcht vermeidet, euern Kindern Gott, den Un-
ſichtbaren, nur zu nennen, damit ſie daran ja nicht
etwa lernen moͤchten, an Geiſter, Hexen, wohl gar an den
Teufel ſelbſt zu glauben; wenn ihr meinet, den fruͤh
erſtickten und erſtorbnen Keim des Glaubens ſpaͤterhin,
wenn erſt der Lehrling zum Verſtand gekommen, durch
eure Katechismusformeln, oder gar durch eure trocke-
nen Begriffe und Beweiſe von dem Daſeyn Gottes und

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[52/0064] Zweiter Abſchnitt. pinismus haltet: wuͤrdet ihr denn ſonſt ſo ganz mit Abſicht eure Kinder ſelbſt verderben? Aber eben darum halte ich nur fuͤr um ſo dringender, euch auf das, was ihr mit euern Kindern treibet oder treiben laſſet, auf- merkſam zu machen, und euch wohlmeinend nachdruͤck- lich zu warnen. Philanthropinismus iſt es, wenn ihr unter- laſſet, fruͤh ſchon in dem Herzen eurer Kinder den Glauben, dieſe zarte Pflanze, die der Menſchheit Keim enthaͤlt, zu naͤhren und zu pflegen, den Glauben an das Unſichtbare, Goͤttliche, an die Ideen, an das, was allein den Menſchen groß und hoch macht und ehrwuͤrdig, was realer iſt und wahrer und beſtaͤndiger, als alles, was man mit den Haͤnden greift; wenn ihr dieſen Glauben, der, in des Geiſtes tiefſtem Inneren gegruͤndet, fuͤr den Menſchen das Sigel der Vernunft und ihre Offenbarung und, wie die Vernunft ſelbſt, in ihm unvertilgbar iſt, nicht achtet in dem Kinde; wenn ihr dieſem Glauben, der nur durch Glauben koͤmmt und nur im Glauben ſeine Nahrung findet, mit Unglauben nur begegnet; wenn ihr aus kindiſcher Ge- ſpenſterfurcht vermeidet, euern Kindern Gott, den Un- ſichtbaren, nur zu nennen, damit ſie daran ja nicht etwa lernen moͤchten, an Geiſter, Hexen, wohl gar an den Teufel ſelbſt zu glauben; wenn ihr meinet, den fruͤh erſtickten und erſtorbnen Keim des Glaubens ſpaͤterhin, wenn erſt der Lehrling zum Verſtand gekommen, durch eure Katechismusformeln, oder gar durch eure trocke- nen Begriffe und Beweiſe von dem Daſeyn Gottes und

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/64>, abgerufen am 24.11.2024.