richtsanstalten fühlbar gemacht, zugleich aber auch die nöthige Umwandlung der Schulen und Gymnasien durch das Beispiel seiner eignen Organisationen näher gelegt und als ausführbar gezeigt, und für die Reform selbst die doppelte Warnung gegeben hat, die Mißgriffe und Ausartungen der alten Methode nicht zu über- sehen, und die gegründeten Forderungen der neuen Theorie nicht zu verkennen.
Fragt man übrigens, was denn der Philanthro- pinismus in seiner allerneuesten Gestalt Eigenthümli- ches habe, so findet man, außer der charakteristischen Aneignung eines problematischen Satzes, von welchem weiter unten noch die Rede seyn wird, kaum etwas anderes, als die Kühnheit, die Extreme einer strengen Folgerung aus dem Princip nicht zu scheuen, welche sich da insbesondre äußerte, wo es darauf ankam, für die erweiterten Lehranstalten den Umfang der Lehrge- genstände zu bestimmen. In allem andern zeigt sich nur eine größere Ausdehnung der früheren Ansichten und Behauptungen. So ist in Absicht des Verhält- nisses zwischen Sprach- und Sach-Studium der erste rohe Gegensatz, der beide als contradictorie opposita betrachtet, nur dahin erweitert worden, daß jenes so- genannte Sach-Studium (worunter sie streng genom- men nur die Bekanntschaft mit dem Gewerb-Material verstehen) nicht bloß dem künftigen Handwerksmann, sondern selbst dem Gelehrten unentbehrlich sey, um ihn von der Einseitigkeit des sogenannten Sprach-Stu- diums abzubringen. In Absicht des Sprach-Studiums
Erſter Abſchnitt.
richtsanſtalten fuͤhlbar gemacht, zugleich aber auch die noͤthige Umwandlung der Schulen und Gymnaſien durch das Beiſpiel ſeiner eignen Organiſationen naͤher gelegt und als ausfuͤhrbar gezeigt, und fuͤr die Reform ſelbſt die doppelte Warnung gegeben hat, die Mißgriffe und Ausartungen der alten Methode nicht zu uͤber- ſehen, und die gegruͤndeten Forderungen der neuen Theorie nicht zu verkennen.
Fragt man uͤbrigens, was denn der Philanthro- pinismus in ſeiner allerneueſten Geſtalt Eigenthuͤmli- ches habe, ſo findet man, außer der charakteriſtiſchen Aneignung eines problematiſchen Satzes, von welchem weiter unten noch die Rede ſeyn wird, kaum etwas anderes, als die Kuͤhnheit, die Extreme einer ſtrengen Folgerung aus dem Princip nicht zu ſcheuen, welche ſich da insbeſondre aͤußerte, wo es darauf ankam, fuͤr die erweiterten Lehranſtalten den Umfang der Lehrge- genſtaͤnde zu beſtimmen. In allem andern zeigt ſich nur eine groͤßere Ausdehnung der fruͤheren Anſichten und Behauptungen. So iſt in Abſicht des Verhaͤlt- niſſes zwiſchen Sprach- und Sach-Studium der erſte rohe Gegenſatz, der beide als contradictorie opposita betrachtet, nur dahin erweitert worden, daß jenes ſo- genannte Sach-Studium (worunter ſie ſtreng genom- men nur die Bekanntſchaft mit dem Gewerb-Material verſtehen) nicht bloß dem kuͤnftigen Handwerksmann, ſondern ſelbſt dem Gelehrten unentbehrlich ſey, um ihn von der Einſeitigkeit des ſogenannten Sprach-Stu- diums abzubringen. In Abſicht des Sprach-Studiums
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Erſter Abſchnitt.
richtsanſtalten fuͤhlbar gemacht, zugleich aber auch die
noͤthige Umwandlung der Schulen und Gymnaſien
durch das Beiſpiel ſeiner eignen Organiſationen naͤher
gelegt und als ausfuͤhrbar gezeigt, und fuͤr die Reform
ſelbſt die doppelte Warnung gegeben hat, die Mißgriffe
und Ausartungen der alten Methode nicht zu uͤber-
ſehen, und die gegruͤndeten Forderungen der neuen
Theorie nicht zu verkennen.
Fragt man uͤbrigens, was denn der Philanthro-
pinismus in ſeiner allerneueſten Geſtalt Eigenthuͤmli-
ches habe, ſo findet man, außer der charakteriſtiſchen
Aneignung eines problematiſchen Satzes, von welchem
weiter unten noch die Rede ſeyn wird, kaum etwas
anderes, als die Kuͤhnheit, die Extreme einer ſtrengen
Folgerung aus dem Princip nicht zu ſcheuen, welche
ſich da insbeſondre aͤußerte, wo es darauf ankam, fuͤr
die erweiterten Lehranſtalten den Umfang der Lehrge-
genſtaͤnde zu beſtimmen. In allem andern zeigt ſich
nur eine groͤßere Ausdehnung der fruͤheren Anſichten
und Behauptungen. So iſt in Abſicht des Verhaͤlt-
niſſes zwiſchen Sprach- und Sach-Studium der erſte
rohe Gegenſatz, der beide als contradictorie opposita
betrachtet, nur dahin erweitert worden, daß jenes ſo-
genannte Sach-Studium (worunter ſie ſtreng genom-
men nur die Bekanntſchaft mit dem Gewerb-Material
verſtehen) nicht bloß dem kuͤnftigen Handwerksmann,
ſondern ſelbſt dem Gelehrten unentbehrlich ſey, um ihn
von der Einſeitigkeit des ſogenannten Sprach-Stu-
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/38>, abgerufen am 16.02.2025.
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