Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.Von d. Grunds. d. Erziehungsunterr. im Allgem. Sylben und Worte: beide Motive für Auge und Ohrso in einander verschmolzen, wie nur Musik und Mi- mik sie verschmelzen können; indem sie die Zeichnung des Wortes für das Auge mit der Zeichnung des Rhyth- mus für das Ohr verbindet, den lustig in Zweigen bewegten Vogel z. B. zugleich in der Lieblichkeit seiner Töne nachahmt, oder das Stampfen des Rosses im Klang der Worte ertönen läßt. Und von dem Studium dieser Kunst, in welcher Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem. Sylben und Worte: beide Motive fuͤr Auge und Ohrſo in einander verſchmolzen, wie nur Muſik und Mi- mik ſie verſchmelzen koͤnnen; indem ſie die Zeichnung des Wortes fuͤr das Auge mit der Zeichnung des Rhyth- mus fuͤr das Ohr verbindet, den luſtig in Zweigen bewegten Vogel z. B. zugleich in der Lieblichkeit ſeiner Toͤne nachahmt, oder das Stampfen des Roſſes im Klang der Worte ertoͤnen laͤßt. Und von dem Studium dieſer Kunſt, in welcher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0235" n="223"/><fw place="top" type="header">Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.</fw><lb/> Sylben und Worte: beide Motive fuͤr Auge und Ohr<lb/> ſo in einander verſchmolzen, wie nur Muſik und Mi-<lb/> mik ſie verſchmelzen koͤnnen; indem ſie die Zeichnung<lb/> des Wortes fuͤr das Auge mit der Zeichnung des Rhyth-<lb/> mus fuͤr das Ohr verbindet, den luſtig in Zweigen<lb/> bewegten Vogel z. B. zugleich in der Lieblichkeit ſeiner<lb/> Toͤne nachahmt, oder das Stampfen des Roſſes im<lb/> Klang der Worte ertoͤnen laͤßt.</p><lb/> <p>Und von dem Studium dieſer Kunſt, in welcher<lb/> als Naturkunſt (ſofern ſie nicht durch Reflexion von<lb/> gegebenen Vorbildern abſtrahirt und darnach gelernt<lb/> war) die Alten Meiſter ſind, will man mit der Ver-<lb/> achtung ſprechen, als toͤdte es im <hi rendition="#g">Worte</hi> den <hi rendition="#g">Geiſt</hi>.<lb/> Freilich, wem es uͤberhaupt gleich gilt, wie er ſich<lb/> ausdruͤcke, wem von dem Geiſt, der in der Rede ſelbſt<lb/> erſcheint, nichts geoffenbart, wem der Nerv jenes in-<lb/> nern Auges und Ohres, womit die Schilderei des<lb/> Wortes erfaßt ſeyn will, erſtorben oder abgeſtochen iſt,<lb/> dem kann die Kunſt ſelbſt nichts gelten, dem muß das<lb/> Studium derſelben leer und zwecklos duͤnken, der wird<lb/> auch das hier Geſagte — <hi rendition="#g">Boͤhmiſch</hi> finden. Doch<lb/> wird es Wenigen ſo ganz an Sinn fuͤr die Kunſt der<lb/> Sprache fehlen, daß ihnen nicht wenigſtens in groben<lb/> Zuͤgen etwas davon einleuchtend gemacht werden koͤnnte.<lb/> Die von ihnen es wagen, das Sprachſtudium zu hoͤh-<lb/> nen, mag man nur daran erinnern, wie oft ſie das,<lb/> was ſie gedacht haben, auf eine Weiſe <hi rendition="#g">ſagen</hi>, in<lb/> welcher Niemand ihr Gedachtes recht erkennen kann,<lb/> und wo ſie nicht ſelten ſich ſelber nachhelfend erklaͤren<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [223/0235]
Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
Sylben und Worte: beide Motive fuͤr Auge und Ohr
ſo in einander verſchmolzen, wie nur Muſik und Mi-
mik ſie verſchmelzen koͤnnen; indem ſie die Zeichnung
des Wortes fuͤr das Auge mit der Zeichnung des Rhyth-
mus fuͤr das Ohr verbindet, den luſtig in Zweigen
bewegten Vogel z. B. zugleich in der Lieblichkeit ſeiner
Toͤne nachahmt, oder das Stampfen des Roſſes im
Klang der Worte ertoͤnen laͤßt.
Und von dem Studium dieſer Kunſt, in welcher
als Naturkunſt (ſofern ſie nicht durch Reflexion von
gegebenen Vorbildern abſtrahirt und darnach gelernt
war) die Alten Meiſter ſind, will man mit der Ver-
achtung ſprechen, als toͤdte es im Worte den Geiſt.
Freilich, wem es uͤberhaupt gleich gilt, wie er ſich
ausdruͤcke, wem von dem Geiſt, der in der Rede ſelbſt
erſcheint, nichts geoffenbart, wem der Nerv jenes in-
nern Auges und Ohres, womit die Schilderei des
Wortes erfaßt ſeyn will, erſtorben oder abgeſtochen iſt,
dem kann die Kunſt ſelbſt nichts gelten, dem muß das
Studium derſelben leer und zwecklos duͤnken, der wird
auch das hier Geſagte — Boͤhmiſch finden. Doch
wird es Wenigen ſo ganz an Sinn fuͤr die Kunſt der
Sprache fehlen, daß ihnen nicht wenigſtens in groben
Zuͤgen etwas davon einleuchtend gemacht werden koͤnnte.
Die von ihnen es wagen, das Sprachſtudium zu hoͤh-
nen, mag man nur daran erinnern, wie oft ſie das,
was ſie gedacht haben, auf eine Weiſe ſagen, in
welcher Niemand ihr Gedachtes recht erkennen kann,
und wo ſie nicht ſelten ſich ſelber nachhelfend erklaͤren
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |