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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Von d. Grunds. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
alten Sprachen aus dem Grunde als entbehrlich ver-
urtheilt, weil man die Sache selbst, den Innhalt, aus
Uebersetzungen eben so gut kennen zu lernen im Stande
sey. Allein, ich habe bereits erklärt, daß ich es über-
haupt für eine unzulängliche Vertheidigung des Stu-
diums der alten Sprachen halte, wenn man es bloß
als das Mittel vorstellt, zu einer nothdürftigen Bekannt-
schaft mit dem Innhalt derselben zu gelangen; und
obgleich jene oben entwickelte Forderung, die Kenntniß
der gesammten früheren Cultur der Vorzeit in keinem
civilisirten Staate untergehen zu lassen, ein Grund für
das Studium der alten Sprachen ist, der -- insbeson-
dre, wenn er als Angelegenheit nicht sowohl des Indi-
viduums als vielmehr des Staates und des kosmopo-
litischen Interesse's im Ganzen der Menschheit betrachtet
wird -- ein unverkennbar schweres Gewicht hat: so
will ich ihn doch hier nicht einmal in Anschlag brin-
gen, sondern die Forderung, das Studium der
Sprachen
zu einem wesentlichen Mittel der
freien Bildung
zu machen, lediglich auf den Werth
des Sprachstudiums an und für sich selbst gründen.

Ist nicht die Sprache das unmittelbarste Medium,
in welchem der Geist seine herrlichsten Schöpfungen
darstellt? Und wer will zum Genuß der Blüthen der
höchsten Cultur eines Volkes gelangen, ohne dessen
Sprache zu verstehen, in deren fast nie durch eine
Nachahmung zu erreichenden Eigenthümlichkeit jene
Blüthen sich gestaltet haben? Philologie ist freilich
nur Liebe zum Wort -- und mit dieser philologi-

Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
alten Sprachen aus dem Grunde als entbehrlich ver-
urtheilt, weil man die Sache ſelbſt, den Innhalt, aus
Ueberſetzungen eben ſo gut kennen zu lernen im Stande
ſey. Allein, ich habe bereits erklaͤrt, daß ich es uͤber-
haupt fuͤr eine unzulaͤngliche Vertheidigung des Stu-
diums der alten Sprachen halte, wenn man es bloß
als das Mittel vorſtellt, zu einer nothduͤrftigen Bekannt-
ſchaft mit dem Innhalt derſelben zu gelangen; und
obgleich jene oben entwickelte Forderung, die Kenntniß
der geſammten fruͤheren Cultur der Vorzeit in keinem
civiliſirten Staate untergehen zu laſſen, ein Grund fuͤr
das Studium der alten Sprachen iſt, der — insbeſon-
dre, wenn er als Angelegenheit nicht ſowohl des Indi-
viduums als vielmehr des Staates und des kosmopo-
litiſchen Intereſſe’s im Ganzen der Menſchheit betrachtet
wird — ein unverkennbar ſchweres Gewicht hat: ſo
will ich ihn doch hier nicht einmal in Anſchlag brin-
gen, ſondern die Forderung, das Studium der
Sprachen
zu einem weſentlichen Mittel der
freien Bildung
zu machen, lediglich auf den Werth
des Sprachſtudiums an und fuͤr ſich ſelbſt gruͤnden.

Iſt nicht die Sprache das unmittelbarſte Medium,
in welchem der Geiſt ſeine herrlichſten Schoͤpfungen
darſtellt? Und wer will zum Genuß der Bluͤthen der
hoͤchſten Cultur eines Volkes gelangen, ohne deſſen
Sprache zu verſtehen, in deren faſt nie durch eine
Nachahmung zu erreichenden Eigenthuͤmlichkeit jene
Bluͤthen ſich geſtaltet haben? Philologie iſt freilich
nur Liebe zum Wort — und mit dieſer philologi-

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[221/0233] Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem. alten Sprachen aus dem Grunde als entbehrlich ver- urtheilt, weil man die Sache ſelbſt, den Innhalt, aus Ueberſetzungen eben ſo gut kennen zu lernen im Stande ſey. Allein, ich habe bereits erklaͤrt, daß ich es uͤber- haupt fuͤr eine unzulaͤngliche Vertheidigung des Stu- diums der alten Sprachen halte, wenn man es bloß als das Mittel vorſtellt, zu einer nothduͤrftigen Bekannt- ſchaft mit dem Innhalt derſelben zu gelangen; und obgleich jene oben entwickelte Forderung, die Kenntniß der geſammten fruͤheren Cultur der Vorzeit in keinem civiliſirten Staate untergehen zu laſſen, ein Grund fuͤr das Studium der alten Sprachen iſt, der — insbeſon- dre, wenn er als Angelegenheit nicht ſowohl des Indi- viduums als vielmehr des Staates und des kosmopo- litiſchen Intereſſe’s im Ganzen der Menſchheit betrachtet wird — ein unverkennbar ſchweres Gewicht hat: ſo will ich ihn doch hier nicht einmal in Anſchlag brin- gen, ſondern die Forderung, das Studium der Sprachen zu einem weſentlichen Mittel der freien Bildung zu machen, lediglich auf den Werth des Sprachſtudiums an und fuͤr ſich ſelbſt gruͤnden. Iſt nicht die Sprache das unmittelbarſte Medium, in welchem der Geiſt ſeine herrlichſten Schoͤpfungen darſtellt? Und wer will zum Genuß der Bluͤthen der hoͤchſten Cultur eines Volkes gelangen, ohne deſſen Sprache zu verſtehen, in deren faſt nie durch eine Nachahmung zu erreichenden Eigenthuͤmlichkeit jene Bluͤthen ſich geſtaltet haben? Philologie iſt freilich nur Liebe zum Wort — und mit dieſer philologi-

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/233>, abgerufen am 27.11.2024.