verschlingen will und, um nur mit der Weisheit des Tages gleiche Linie zu halten, verschlingen muß.
In diesem Schwindel fordern wir nun freilich unvermeidlich auch schon im Erziehungsunterricht ei- ne Menge von Kenntnissen. Wer Alles lernen soll, muß wohl unstreitig früh anfangen Viel zu ler- nen. Soll der Lehrling auch nur in den Stand kommen, nach der Schule das souveräne Bildungsmit- tel der Journal- und Zeitungen- Leserei mit Nutzen zu gebrauchen, so muß er ja doch schon in dem Reich- thum von Ideen, die darinn vorkommen, einigerma- ßen orientirt seyn; und umgekehrt: der Vorrath von Kenntnissen, die der Lehrling in der Schule einsam- melt, kann um so ausgebreiteter seyn, da das Approfondiren derselben in der Schule nicht mehr so nöthig ist, nachdem eben durch jenes souveräne Mittel für die Fortbildung der in der Schule nur zu eröffnenden Kenntnisse hinreichend gesorgt ist.
Könnten wir uns doch von diesem Schwindel einen Augenblick erholen, um klar zu sehen, wohin wir uns mit unsrer ganzen Cultur verirrt haben! Es ist offenbar, daß wir den Cirkel von der Seite des Er- ziehungsunterrichts allein weder theoretisch noch praktisch lösen können; wir müssen der andern Wechselwirkung zugleich begegnen. So lange jene Ansicht die herr- schende bleibt, der Wisserei für Cultur gilt; so lange muß nicht nur im Allgemeinen die Tendenz nach Wisserei ebenfalls herrschend bleiben, sondern eben
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Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
verſchlingen will und, um nur mit der Weisheit des Tages gleiche Linie zu halten, verſchlingen muß.
In dieſem Schwindel fordern wir nun freilich unvermeidlich auch ſchon im Erziehungsunterricht ei- ne Menge von Kenntniſſen. Wer Alles lernen ſoll, muß wohl unſtreitig fruͤh anfangen Viel zu ler- nen. Soll der Lehrling auch nur in den Stand kommen, nach der Schule das ſouveraͤne Bildungsmit- tel der Journal- und Zeitungen- Leſerei mit Nutzen zu gebrauchen, ſo muß er ja doch ſchon in dem Reich- thum von Ideen, die darinn vorkommen, einigerma- ßen orientirt ſeyn; und umgekehrt: der Vorrath von Kenntniſſen, die der Lehrling in der Schule einſam- melt, kann um ſo ausgebreiteter ſeyn, da das Approfondiren derſelben in der Schule nicht mehr ſo noͤthig iſt, nachdem eben durch jenes ſouveraͤne Mittel fuͤr die Fortbildung der in der Schule nur zu eroͤffnenden Kenntniſſe hinreichend geſorgt iſt.
Koͤnnten wir uns doch von dieſem Schwindel einen Augenblick erholen, um klar zu ſehen, wohin wir uns mit unſrer ganzen Cultur verirrt haben! Es iſt offenbar, daß wir den Cirkel von der Seite des Er- ziehungsunterrichts allein weder theoretiſch noch praktiſch loͤſen koͤnnen; wir muͤſſen der andern Wechſelwirkung zugleich begegnen. So lange jene Anſicht die herr- ſchende bleibt, der Wiſſerei fuͤr Cultur gilt; ſo lange muß nicht nur im Allgemeinen die Tendenz nach Wiſſerei ebenfalls herrſchend bleiben, ſondern eben
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Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
verſchlingen will und, um nur mit der Weisheit des
Tages gleiche Linie zu halten, verſchlingen muß.
In dieſem Schwindel fordern wir nun freilich
unvermeidlich auch ſchon im Erziehungsunterricht ei-
ne Menge von Kenntniſſen. Wer Alles lernen ſoll,
muß wohl unſtreitig fruͤh anfangen Viel zu ler-
nen. Soll der Lehrling auch nur in den Stand
kommen, nach der Schule das ſouveraͤne Bildungsmit-
tel der Journal- und Zeitungen- Leſerei mit Nutzen
zu gebrauchen, ſo muß er ja doch ſchon in dem Reich-
thum von Ideen, die darinn vorkommen, einigerma-
ßen orientirt ſeyn; und umgekehrt: der Vorrath von
Kenntniſſen, die der Lehrling in der Schule einſam-
melt, kann um ſo ausgebreiteter ſeyn, da das
Approfondiren derſelben in der Schule nicht mehr
ſo noͤthig iſt, nachdem eben durch jenes ſouveraͤne
Mittel fuͤr die Fortbildung der in der Schule nur zu
eroͤffnenden Kenntniſſe hinreichend geſorgt iſt.
Koͤnnten wir uns doch von dieſem Schwindel
einen Augenblick erholen, um klar zu ſehen, wohin wir
uns mit unſrer ganzen Cultur verirrt haben! Es iſt
offenbar, daß wir den Cirkel von der Seite des Er-
ziehungsunterrichts allein weder theoretiſch noch praktiſch
loͤſen koͤnnen; wir muͤſſen der andern Wechſelwirkung
zugleich begegnen. So lange jene Anſicht die herr-
ſchende bleibt, der Wiſſerei fuͤr Cultur gilt; ſo
lange muß nicht nur im Allgemeinen die Tendenz nach
Wiſſerei ebenfalls herrſchend bleiben, ſondern eben
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/157>, abgerufen am 17.07.2024.
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