Auch das spricht sehr für die Wichtigkeit eines Jahres, daß das künftige in vielen Absichten höchst verschieden von dem gegenwärtigen seyn könne; daß es höchst ungewiß ist, ob wir dann das werden ausrichten und thun können, was wir itzt zu thun vermögend sind. Noch haben wir alle unsre Kräfte des Leibes und der Seele. Noch können wir, von ihnen unterstützt, auch schwerere Tugend üben, und große Hindernisse überwinden. Wie leicht kann dies anders werden! Und wie bald! So viel Vor- theile unsers Umgangs, so viel Gelegenheiten Gu- tes zu wirken, so viel Aufmunterungen, so viel Hülfsmittel, so viel Beyspiele -- wie bald können sie uns verlassen, sich vielleicht gerade in das Ge- gentheil verwandeln! O daß wir nur den gegenwär- tigen Augenblick für unser halten, und keine Rech- nung auf etwas machen möchten, was wir noch nicht haben!
Jn dem Sinn laßt uns auch dies Jahr an- treten und vollenden! Die Empfindung seiner Wich- tigkeit müsse uns zu dem würdigsten und besten Ge- brauch desselben antreiben. Dann wird es gewiß frrchtbar an weisen und frommen Gedanken, an belehrenden und bessernden Reden, an guten und edlen Thaten seyn; wird uns alle in der Erkennt-
niß
Auch das ſpricht ſehr für die Wichtigkeit eines Jahres, daß das künftige in vielen Abſichten höchſt verſchieden von dem gegenwärtigen ſeyn könne; daß es höchſt ungewiß iſt, ob wir dann das werden ausrichten und thun können, was wir itzt zu thun vermögend ſind. Noch haben wir alle unſre Kräfte des Leibes und der Seele. Noch können wir, von ihnen unterſtützt, auch ſchwerere Tugend üben, und große Hinderniſſe überwinden. Wie leicht kann dies anders werden! Und wie bald! So viel Vor- theile unſers Umgangs, ſo viel Gelegenheiten Gu- tes zu wirken, ſo viel Aufmunterungen, ſo viel Hülfsmittel, ſo viel Beyſpiele — wie bald können ſie uns verlaſſen, ſich vielleicht gerade in das Ge- gentheil verwandeln! O daß wir nur den gegenwär- tigen Augenblick für unſer halten, und keine Rech- nung auf etwas machen möchten, was wir noch nicht haben!
Jn dem Sinn laßt uns auch dies Jahr an- treten und vollenden! Die Empfindung ſeiner Wich- tigkeit müſſe uns zu dem würdigſten und beſten Ge- brauch deſſelben antreiben. Dann wird es gewiß frrchtbar an weiſen und frommen Gedanken, an belehrenden und beſſernden Reden, an guten und edlen Thaten ſeyn; wird uns alle in der Erkennt-
niß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0088"n="72[84]"/><p>Auch das ſpricht ſehr für die Wichtigkeit eines<lb/>
Jahres, daß das künftige in vielen Abſichten höchſt<lb/>
verſchieden von dem gegenwärtigen ſeyn könne;<lb/>
daß es höchſt ungewiß iſt, ob wir dann das werden<lb/>
ausrichten und thun können, was wir itzt zu thun<lb/>
vermögend ſind. Noch haben wir alle unſre Kräfte<lb/>
des Leibes und der Seele. Noch können wir, von<lb/>
ihnen unterſtützt, auch ſchwerere Tugend üben, und<lb/>
große Hinderniſſe überwinden. Wie leicht kann<lb/>
dies anders werden! Und wie bald! So viel Vor-<lb/>
theile unſers Umgangs, ſo viel Gelegenheiten Gu-<lb/>
tes zu wirken, ſo viel Aufmunterungen, ſo viel<lb/>
Hülfsmittel, ſo viel Beyſpiele — wie bald können<lb/>ſie uns verlaſſen, ſich vielleicht gerade in das Ge-<lb/>
gentheil verwandeln! O daß wir nur den gegenwär-<lb/>
tigen Augenblick für <hirendition="#fr">unſer</hi> halten, und keine Rech-<lb/>
nung auf etwas machen möchten, was wir noch<lb/>
nicht haben!</p><lb/><p>Jn <hirendition="#fr">dem</hi> Sinn laßt uns auch dies Jahr an-<lb/>
treten und vollenden! Die Empfindung ſeiner Wich-<lb/>
tigkeit müſſe uns zu dem würdigſten und beſten Ge-<lb/>
brauch deſſelben antreiben. Dann wird es gewiß<lb/>
frrchtbar an weiſen und frommen Gedanken, an<lb/>
belehrenden und beſſernden Reden, an guten und<lb/>
edlen Thaten ſeyn; wird uns alle in der Erkennt-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">niß</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[72[84]/0088]
Auch das ſpricht ſehr für die Wichtigkeit eines
Jahres, daß das künftige in vielen Abſichten höchſt
verſchieden von dem gegenwärtigen ſeyn könne;
daß es höchſt ungewiß iſt, ob wir dann das werden
ausrichten und thun können, was wir itzt zu thun
vermögend ſind. Noch haben wir alle unſre Kräfte
des Leibes und der Seele. Noch können wir, von
ihnen unterſtützt, auch ſchwerere Tugend üben, und
große Hinderniſſe überwinden. Wie leicht kann
dies anders werden! Und wie bald! So viel Vor-
theile unſers Umgangs, ſo viel Gelegenheiten Gu-
tes zu wirken, ſo viel Aufmunterungen, ſo viel
Hülfsmittel, ſo viel Beyſpiele — wie bald können
ſie uns verlaſſen, ſich vielleicht gerade in das Ge-
gentheil verwandeln! O daß wir nur den gegenwär-
tigen Augenblick für unſer halten, und keine Rech-
nung auf etwas machen möchten, was wir noch
nicht haben!
Jn dem Sinn laßt uns auch dies Jahr an-
treten und vollenden! Die Empfindung ſeiner Wich-
tigkeit müſſe uns zu dem würdigſten und beſten Ge-
brauch deſſelben antreiben. Dann wird es gewiß
frrchtbar an weiſen und frommen Gedanken, an
belehrenden und beſſernden Reden, an guten und
edlen Thaten ſeyn; wird uns alle in der Erkennt-
niß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 72[84]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/88>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.