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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.

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Auch das spricht sehr für die Wichtigkeit eines
Jahres, daß das künftige in vielen Absichten höchst
verschieden von dem gegenwärtigen seyn könne;
daß es höchst ungewiß ist, ob wir dann das werden
ausrichten und thun können, was wir itzt zu thun
vermögend sind. Noch haben wir alle unsre Kräfte
des Leibes und der Seele. Noch können wir, von
ihnen unterstützt, auch schwerere Tugend üben, und
große Hindernisse überwinden. Wie leicht kann
dies anders werden! Und wie bald! So viel Vor-
theile unsers Umgangs, so viel Gelegenheiten Gu-
tes zu wirken, so viel Aufmunterungen, so viel
Hülfsmittel, so viel Beyspiele -- wie bald können
sie uns verlassen, sich vielleicht gerade in das Ge-
gentheil verwandeln! O daß wir nur den gegenwär-
tigen Augenblick für unser halten, und keine Rech-
nung auf etwas machen möchten, was wir noch
nicht haben!

Jn dem Sinn laßt uns auch dies Jahr an-
treten und vollenden! Die Empfindung seiner Wich-
tigkeit müsse uns zu dem würdigsten und besten Ge-
brauch desselben antreiben. Dann wird es gewiß
frrchtbar an weisen und frommen Gedanken, an
belehrenden und bessernden Reden, an guten und
edlen Thaten seyn; wird uns alle in der Erkennt-

niß

Auch das ſpricht ſehr für die Wichtigkeit eines
Jahres, daß das künftige in vielen Abſichten höchſt
verſchieden von dem gegenwärtigen ſeyn könne;
daß es höchſt ungewiß iſt, ob wir dann das werden
ausrichten und thun können, was wir itzt zu thun
vermögend ſind. Noch haben wir alle unſre Kräfte
des Leibes und der Seele. Noch können wir, von
ihnen unterſtützt, auch ſchwerere Tugend üben, und
große Hinderniſſe überwinden. Wie leicht kann
dies anders werden! Und wie bald! So viel Vor-
theile unſers Umgangs, ſo viel Gelegenheiten Gu-
tes zu wirken, ſo viel Aufmunterungen, ſo viel
Hülfsmittel, ſo viel Beyſpiele — wie bald können
ſie uns verlaſſen, ſich vielleicht gerade in das Ge-
gentheil verwandeln! O daß wir nur den gegenwär-
tigen Augenblick für unſer halten, und keine Rech-
nung auf etwas machen möchten, was wir noch
nicht haben!

Jn dem Sinn laßt uns auch dies Jahr an-
treten und vollenden! Die Empfindung ſeiner Wich-
tigkeit müſſe uns zu dem würdigſten und beſten Ge-
brauch deſſelben antreiben. Dann wird es gewiß
frrchtbar an weiſen und frommen Gedanken, an
belehrenden und beſſernden Reden, an guten und
edlen Thaten ſeyn; wird uns alle in der Erkennt-

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[72[84]/0088] Auch das ſpricht ſehr für die Wichtigkeit eines Jahres, daß das künftige in vielen Abſichten höchſt verſchieden von dem gegenwärtigen ſeyn könne; daß es höchſt ungewiß iſt, ob wir dann das werden ausrichten und thun können, was wir itzt zu thun vermögend ſind. Noch haben wir alle unſre Kräfte des Leibes und der Seele. Noch können wir, von ihnen unterſtützt, auch ſchwerere Tugend üben, und große Hinderniſſe überwinden. Wie leicht kann dies anders werden! Und wie bald! So viel Vor- theile unſers Umgangs, ſo viel Gelegenheiten Gu- tes zu wirken, ſo viel Aufmunterungen, ſo viel Hülfsmittel, ſo viel Beyſpiele — wie bald können ſie uns verlaſſen, ſich vielleicht gerade in das Ge- gentheil verwandeln! O daß wir nur den gegenwär- tigen Augenblick für unſer halten, und keine Rech- nung auf etwas machen möchten, was wir noch nicht haben! Jn dem Sinn laßt uns auch dies Jahr an- treten und vollenden! Die Empfindung ſeiner Wich- tigkeit müſſe uns zu dem würdigſten und beſten Ge- brauch deſſelben antreiben. Dann wird es gewiß frrchtbar an weiſen und frommen Gedanken, an belehrenden und beſſernden Reden, an guten und edlen Thaten ſeyn; wird uns alle in der Erkennt- niß

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Zitationshilfe: Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 72[84]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/88>, abgerufen am 18.06.2024.