rechnet sichs wohl gar zur Schande, von wichtigen, ernsthaften und ehrwürdigen Dingen zu reden; geht höchstens darauf aus, sich und andern die Zeit, (diese kostbare, diese unwiderbringliche Zeit) zu ver- treiben; wagt es wohl gar, über die ehrwürdigsten und heiligsten Wahrheiten zu spotten, mit der Sün- de und dem Laster zu scherzen; seinen Bruder zu verleumden, und seinem Witz und seiner Geschwä- tzigkeit Ehre und guten Namen von Menschen auf- zuopfern, die ihn vielleicht nie beleidigt haben. -- Welche ungleiche Folgen lassen sich von einer so un- gleichen Aufführung erwarten! Wo jener spricht, da wird Segen und Gutes von seinen Lippen flies- sen! Wo dieser redet, da wird vielleicht, wenn sein Mund schon lange verstummt ist, noch der Saame des Bösen aufgehn und wuchern, das seine Worte ausgestreut haben!
Was sollen wir erst von den Thaten sagen? Es geht doch kein Tag hin, wo wir nicht entweder Gutes oder Böses thun! Wir sind täglich entwe- der fleißig oder nachläßig, gewissenhaft oder nicht gewissenhaft in unsern Berufsgeschäften; genießen die Wohlthaten Gottes mit Dankbarkeit oder mit Unempfindlichkeit; sind sanftmüthig oder mürrisch und rachsüchtig; stolz oder demüthig; zufrieden mit
Gottes
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rechnet ſichs wohl gar zur Schande, von wichtigen, ernſthaften und ehrwürdigen Dingen zu reden; geht höchſtens darauf aus, ſich und andern die Zeit, (dieſe koſtbare, dieſe unwiderbringliche Zeit) zu ver- treiben; wagt es wohl gar, über die ehrwürdigſten und heiligſten Wahrheiten zu ſpotten, mit der Sün- de und dem Laſter zu ſcherzen; ſeinen Bruder zu verleumden, und ſeinem Witz und ſeiner Geſchwä- tzigkeit Ehre und guten Namen von Menſchen auf- zuopfern, die ihn vielleicht nie beleidigt haben. — Welche ungleiche Folgen laſſen ſich von einer ſo un- gleichen Aufführung erwarten! Wo jener ſpricht, da wird Segen und Gutes von ſeinen Lippen flieſ- ſen! Wo dieſer redet, da wird vielleicht, wenn ſein Mund ſchon lange verſtummt iſt, noch der Saame des Böſen aufgehn und wuchern, das ſeine Worte ausgeſtreut haben!
Was ſollen wir erſt von den Thaten ſagen? Es geht doch kein Tag hin, wo wir nicht entweder Gutes oder Böſes thun! Wir ſind täglich entwe- der fleißig oder nachläßig, gewiſſenhaft oder nicht gewiſſenhaft in unſern Berufsgeſchäften; genießen die Wohlthaten Gottes mit Dankbarkeit oder mit Unempfindlichkeit; ſind ſanftmüthig oder mürriſch und rachſüchtig; ſtolz oder demüthig; zufrieden mit
Gottes
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[69[81]/0085]
rechnet ſichs wohl gar zur Schande, von wichtigen,
ernſthaften und ehrwürdigen Dingen zu reden; geht
höchſtens darauf aus, ſich und andern die Zeit,
(dieſe koſtbare, dieſe unwiderbringliche Zeit) zu ver-
treiben; wagt es wohl gar, über die ehrwürdigſten
und heiligſten Wahrheiten zu ſpotten, mit der Sün-
de und dem Laſter zu ſcherzen; ſeinen Bruder zu
verleumden, und ſeinem Witz und ſeiner Geſchwä-
tzigkeit Ehre und guten Namen von Menſchen auf-
zuopfern, die ihn vielleicht nie beleidigt haben. —
Welche ungleiche Folgen laſſen ſich von einer ſo un-
gleichen Aufführung erwarten! Wo jener ſpricht,
da wird Segen und Gutes von ſeinen Lippen flieſ-
ſen! Wo dieſer redet, da wird vielleicht, wenn ſein
Mund ſchon lange verſtummt iſt, noch der Saame
des Böſen aufgehn und wuchern, das ſeine Worte
ausgeſtreut haben!
Was ſollen wir erſt von den Thaten ſagen?
Es geht doch kein Tag hin, wo wir nicht entweder
Gutes oder Böſes thun! Wir ſind täglich entwe-
der fleißig oder nachläßig, gewiſſenhaft oder nicht
gewiſſenhaft in unſern Berufsgeſchäften; genießen
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 69[81]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/85>, abgerufen am 18.06.2024.
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