Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.de, was wir am meisten und häufigsten denken; Und dies sind noch immer nur Gedanken! Wie zerstö- E 2
de, was wir am meiſten und häufigſten denken; Und dies ſind noch immer nur Gedanken! Wie zerſtö- E 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0083" n="67[79]"/> de, was wir am meiſten und häufigſten denken;<lb/> ein ganzes Jahr wohl mit Vorſatz ſeine Seele von<lb/> allem, was ſie beſſer machen würde, abziehn, und<lb/> auf Nichtswürdigk iten hinlenken, jede Ruhe und<lb/> Stille ſcheuen, in der der arme verwahrloſte Geiſt<lb/> ſich etwa zu den beſſern Quellen, wie mans nennt,<lb/><hi rendition="#fr">verirren</hi> könnte, — o Gott! wie weit muß das in<lb/> einem <hi rendition="#fr">Jahre</hi> dieſen zu ganz etwas anderm beſtimm-<lb/> ten Geiſt zurück bringen! Wie viel Nahrung müſſen<lb/> dadurch alle böſe Neigungen bekommen! Wie un-<lb/> geſchickt muß er zum Widerſtande gegen die Verſu-<lb/> chungen und Reizungen zur Sünde werden! Wie<lb/> viel der böſen Gedanken müſſen ſich in böſe Thaten<lb/> verwandeln! Wie viel Keime von künftigen unrich-<lb/> tigen Urtheilen, böſen Lüſten und Handlungen wer-<lb/> den nicht dadurch in ſeine Seele gelegt, die ſich zu<lb/> ſeiner Zeit entwickeln, im Verborgnen heranwachſen,<lb/> und zuletzt Früchte des Verderbens tragen!</p><lb/> <p>Und dies ſind noch immer nur <hi rendition="#fr">Gedanken!</hi> Wie<lb/> oft verwandeln ſich dieſe in <hi rendition="#fr">Worte!</hi> Was läßt ſich<lb/><hi rendition="#fr">in einem</hi> Jahre — wie viel Gutes, wie viel Böſes<lb/> reden! Und wenn von einem guten oder böſen<lb/> Wort oft ſchon ſo unendlich viel abhängen, jenes<lb/> die größeſten Unordnungen veranlaſſen, dieſes ſie<lb/> in Ordnung bringen; jenes Tugend und Wahrheit<lb/> <fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><fw place="bottom" type="catch">zerſtö-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [67[79]/0083]
de, was wir am meiſten und häufigſten denken;
ein ganzes Jahr wohl mit Vorſatz ſeine Seele von
allem, was ſie beſſer machen würde, abziehn, und
auf Nichtswürdigk iten hinlenken, jede Ruhe und
Stille ſcheuen, in der der arme verwahrloſte Geiſt
ſich etwa zu den beſſern Quellen, wie mans nennt,
verirren könnte, — o Gott! wie weit muß das in
einem Jahre dieſen zu ganz etwas anderm beſtimm-
ten Geiſt zurück bringen! Wie viel Nahrung müſſen
dadurch alle böſe Neigungen bekommen! Wie un-
geſchickt muß er zum Widerſtande gegen die Verſu-
chungen und Reizungen zur Sünde werden! Wie
viel der böſen Gedanken müſſen ſich in böſe Thaten
verwandeln! Wie viel Keime von künftigen unrich-
tigen Urtheilen, böſen Lüſten und Handlungen wer-
den nicht dadurch in ſeine Seele gelegt, die ſich zu
ſeiner Zeit entwickeln, im Verborgnen heranwachſen,
und zuletzt Früchte des Verderbens tragen!
Und dies ſind noch immer nur Gedanken! Wie
oft verwandeln ſich dieſe in Worte! Was läßt ſich
in einem Jahre — wie viel Gutes, wie viel Böſes
reden! Und wenn von einem guten oder böſen
Wort oft ſchon ſo unendlich viel abhängen, jenes
die größeſten Unordnungen veranlaſſen, dieſes ſie
in Ordnung bringen; jenes Tugend und Wahrheit
zerſtö-
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