den er thut, jedes Wort, das er spricht, immer nur für sie gethan und gesprochen ist -- wer könnte noch zweifeln, ob Gott auch bereit sey, diesem Geschlecht wohlzuwollen? Wer muß nicht, voll des lebendigsten und frohesien Glaubens, mit dem Apostel ausrufen; Er, der seines Geliebten nicht verschont, sondern, obgleich seine Allwissenheit alle Leiden vorhersah, die seiner in der Welt warteten, ihn dennoch in diese Welt gesandt und dem Tode dahin gegeben hat; -- sollte er uns mit ihm nicht alle seine Gnade schen- ken? Und ist denn Gott für uns, wer kann wider uns seyn? Wenn wir mit ihm versöhnt sind, wenn sich ängstliche Furcht vor ihm in herzliches Zutrauen zu seiner schonenden Erbarmung verwandeln darf, was kann uns zu unsrer Gemüthsruhe und Freudig- keit fehlen?
Und so ist gewiß nicht jede lebhafte Vorstellung des leidenden und sterbenden Erlösers Schwärme- rey. Es giebt Stunden, wo unsrer Seele sehr bange um ihr Schicksal, und der Gedanke, wie sie mit Gott stehe, höchst beunruhigend werden kann; Stunden, wo wir nicht mehr Stärke genug haben, wenn wir auch sonst dazu fähig gewesen wären, aus dem Zusammenhange und der Verbindung vieler Wahrheiten auch die, deren wir gerade dann
zu
den er thut, jedes Wort, das er ſpricht, immer nur für ſie gethan und geſprochen iſt — wer könnte noch zweifeln, ob Gott auch bereit ſey, dieſem Geſchlecht wohlzuwollen? Wer muß nicht, voll des lebendigſten und froheſien Glaubens, mit dem Apoſtel ausrufen; Er, der ſeines Geliebten nicht verſchont, ſondern, obgleich ſeine Allwiſſenheit alle Leiden vorherſah, die ſeiner in der Welt warteten, ihn dennoch in dieſe Welt geſandt und dem Tode dahin gegeben hat; — ſollte er uns mit ihm nicht alle ſeine Gnade ſchen- ken? Und iſt denn Gott für uns, wer kann wider uns ſeyn? Wenn wir mit ihm verſöhnt ſind, wenn ſich ängſtliche Furcht vor ihm in herzliches Zutrauen zu ſeiner ſchonenden Erbarmung verwandeln darf, was kann uns zu unſrer Gemüthsruhe und Freudig- keit fehlen?
Und ſo iſt gewiß nicht jede lebhafte Vorſtellung des leidenden und ſterbenden Erlöſers Schwärme- rey. Es giebt Stunden, wo unſrer Seele ſehr bange um ihr Schickſal, und der Gedanke, wie ſie mit Gott ſtehe, höchſt beunruhigend werden kann; Stunden, wo wir nicht mehr Stärke genug haben, wenn wir auch ſonſt dazu fähig geweſen wären, aus dem Zuſammenhange und der Verbindung vieler Wahrheiten auch die, deren wir gerade dann
zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0159"n="143[155]"/>
den er thut, jedes Wort, das er ſpricht, immer nur<lb/>
für ſie gethan und geſprochen iſt — wer könnte noch<lb/>
zweifeln, ob Gott auch bereit ſey, dieſem Geſchlecht<lb/>
wohlzuwollen? Wer muß nicht, voll des lebendigſten<lb/>
und froheſien Glaubens, mit dem Apoſtel ausrufen;<lb/>
Er, der ſeines Geliebten nicht verſchont, ſondern,<lb/>
obgleich ſeine Allwiſſenheit alle Leiden vorherſah, die<lb/>ſeiner in der Welt warteten, ihn dennoch in dieſe<lb/>
Welt geſandt und dem Tode dahin gegeben hat; —<lb/>ſollte er uns mit ihm nicht alle ſeine Gnade ſchen-<lb/>
ken? Und iſt denn Gott für uns, wer kann wider<lb/>
uns ſeyn? Wenn wir mit ihm verſöhnt ſind, wenn<lb/>ſich ängſtliche Furcht vor ihm in herzliches Zutrauen<lb/>
zu ſeiner ſchonenden Erbarmung verwandeln darf,<lb/>
was kann uns zu unſrer Gemüthsruhe und Freudig-<lb/>
keit fehlen?</p><lb/><p>Und ſo iſt gewiß nicht jede lebhafte Vorſtellung<lb/>
des leidenden und ſterbenden Erlöſers Schwärme-<lb/>
rey. Es giebt Stunden, wo unſrer Seele ſehr<lb/>
bange um ihr Schickſal, und der Gedanke, wie ſie<lb/>
mit Gott ſtehe, höchſt beunruhigend werden kann;<lb/>
Stunden, wo wir nicht mehr Stärke genug haben,<lb/>
wenn wir auch ſonſt dazu fähig geweſen wären,<lb/>
aus dem Zuſammenhange und der Verbindung<lb/>
vieler Wahrheiten auch die, deren wir gerade dann<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zu</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[143[155]/0159]
den er thut, jedes Wort, das er ſpricht, immer nur
für ſie gethan und geſprochen iſt — wer könnte noch
zweifeln, ob Gott auch bereit ſey, dieſem Geſchlecht
wohlzuwollen? Wer muß nicht, voll des lebendigſten
und froheſien Glaubens, mit dem Apoſtel ausrufen;
Er, der ſeines Geliebten nicht verſchont, ſondern,
obgleich ſeine Allwiſſenheit alle Leiden vorherſah, die
ſeiner in der Welt warteten, ihn dennoch in dieſe
Welt geſandt und dem Tode dahin gegeben hat; —
ſollte er uns mit ihm nicht alle ſeine Gnade ſchen-
ken? Und iſt denn Gott für uns, wer kann wider
uns ſeyn? Wenn wir mit ihm verſöhnt ſind, wenn
ſich ängſtliche Furcht vor ihm in herzliches Zutrauen
zu ſeiner ſchonenden Erbarmung verwandeln darf,
was kann uns zu unſrer Gemüthsruhe und Freudig-
keit fehlen?
Und ſo iſt gewiß nicht jede lebhafte Vorſtellung
des leidenden und ſterbenden Erlöſers Schwärme-
rey. Es giebt Stunden, wo unſrer Seele ſehr
bange um ihr Schickſal, und der Gedanke, wie ſie
mit Gott ſtehe, höchſt beunruhigend werden kann;
Stunden, wo wir nicht mehr Stärke genug haben,
wenn wir auch ſonſt dazu fähig geweſen wären,
aus dem Zuſammenhange und der Verbindung
vieler Wahrheiten auch die, deren wir gerade dann
zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 143[155]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/159>, abgerufen am 26.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.