Die allervortrefflichsten Wahrheiten unsrer Reli- gion haben, in dem Auge selbst sehr unpar- theyischer Menschen, viel von ihrem Werth verlie- ren müssen, weil man zu Zeiten gerade die aller- kleinste, unerweislichste, und man möchte fast sa- gen unwürdigste Vorstellung von ihnen für die ein- zige wahre ausgegeben hat. Wir wollen nicht in Abrede seyn, daß selbst diese, so fern immer etwas Wahres in ihr übrig war, ihr Gutes gewirkt ha- ben kann. Aber eine gleiche Würkung sollten wir doch durch solche Einseitigkeit weder bey andern, noch bey uns ferner verhindern. Es haben viele sehr fromme und einsichtsvolle Menschen geglaubt, daß die Leiden unsers Herrn, im eigentlichen Ver- stande, den gegen uns zornigen Gott ausgesöhnt und allein dahin gebracht hätten, uns wohl zu wollen. Es haben andre dieß mit der aus lauter Liebe schon vorher beschlossenen und geschehenen Sendung Jesu so wenig, als mit den allerhöchsten,
so
Hoher Werth der Verſöhnung mit Gott durch Jeſum.
Die allervortrefflichſten Wahrheiten unſrer Reli- gion haben, in dem Auge ſelbſt ſehr unpar- theyiſcher Menſchen, viel von ihrem Werth verlie- ren müſſen, weil man zu Zeiten gerade die aller- kleinſte, unerweislichſte, und man möchte faſt ſa- gen unwürdigſte Vorſtellung von ihnen für die ein- zige wahre ausgegeben hat. Wir wollen nicht in Abrede ſeyn, daß ſelbſt dieſe, ſo fern immer etwas Wahres in ihr übrig war, ihr Gutes gewirkt ha- ben kann. Aber eine gleiche Würkung ſollten wir doch durch ſolche Einſeitigkeit weder bey andern, noch bey uns ferner verhindern. Es haben viele ſehr fromme und einſichtsvolle Menſchen geglaubt, daß die Leiden unſers Herrn, im eigentlichen Ver- ſtande, den gegen uns zornigen Gott ausgeſöhnt und allein dahin gebracht hätten, uns wohl zu wollen. Es haben andre dieß mit der aus lauter Liebe ſchon vorher beſchloſſenen und geſchehenen Sendung Jeſu ſo wenig, als mit den allerhöchſten,
ſo
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[138[150]/0154]
Hoher Werth
der Verſöhnung mit Gott
durch Jeſum.
Die allervortrefflichſten Wahrheiten unſrer Reli-
gion haben, in dem Auge ſelbſt ſehr unpar-
theyiſcher Menſchen, viel von ihrem Werth verlie-
ren müſſen, weil man zu Zeiten gerade die aller-
kleinſte, unerweislichſte, und man möchte faſt ſa-
gen unwürdigſte Vorſtellung von ihnen für die ein-
zige wahre ausgegeben hat. Wir wollen nicht in
Abrede ſeyn, daß ſelbſt dieſe, ſo fern immer etwas
Wahres in ihr übrig war, ihr Gutes gewirkt ha-
ben kann. Aber eine gleiche Würkung ſollten wir
doch durch ſolche Einſeitigkeit weder bey andern,
noch bey uns ferner verhindern. Es haben viele
ſehr fromme und einſichtsvolle Menſchen geglaubt,
daß die Leiden unſers Herrn, im eigentlichen Ver-
ſtande, den gegen uns zornigen Gott ausgeſöhnt
und allein dahin gebracht hätten, uns wohl zu
wollen. Es haben andre dieß mit der aus lauter
Liebe ſchon vorher beſchloſſenen und geſchehenen
Sendung Jeſu ſo wenig, als mit den allerhöchſten,
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 138[150]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/154>, abgerufen am 26.06.2024.
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