Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

von allerley Art der Gesellschaft, in der er lebt,
dient, -- wird das künftige Geschlecht von Men-
schen ausrufen oder stiller empfinden: Selig der
Leib, der ihn trug, und die Brüste, die ihn
säugten!
-- Auch über manche gute Tochter, die
in dem stillen häuslichen Leben das ward, was dies
Geschlecht seyn soll, die mehr durch wahre als
schimmernde Verdienste sich eine Stelle unter den
Edlern erwarb, deren Schmuck nicht ist auswendig,
sondern sanfter und stiller Geist, Liebe, Treue,
sorgsame Erfüllung der Gatten- und Mutterpflich-
ten -- wird mancher Mund und manches Herz einst
ausrufen: Selig der Leib, der sie trug, selig
die Brüste, die sie säugten!
Das sind die Aus-
sichten guter Eltern! Wie erquickend und wie groß!

Doch wird von dem Verdienst, der Welt solche
Kinder gegeben zu haben, überaus wenig auf Eltern
zurükfallen, wenn sie nichts für sie thaten, als was
gewißermaßen auch das Thier für seine Jungen
thut; und, was noch mehr ist, selbst die Hoffnung,
in diesem Fall von der Nachwelt noch gesegnet zu
werden, würde sehr mißlich seyn, wenn sie sich auf
jene leichtern Sorgen einschränkten. Fast alles
hängt doch davon ab, welches die Eindrücke sind,
die das junge Herz, weich wie Wachs, biegsam in

alle

von allerley Art der Geſellſchaft, in der er lebt,
dient, — wird das künftige Geſchlecht von Men-
ſchen ausrufen oder ſtiller empfinden: Selig der
Leib, der ihn trug, und die Brüſte, die ihn
ſäugten!
— Auch über manche gute Tochter, die
in dem ſtillen häuslichen Leben das ward, was dies
Geſchlecht ſeyn ſoll, die mehr durch wahre als
ſchimmernde Verdienſte ſich eine Stelle unter den
Edlern erwarb, deren Schmuck nicht iſt auswendig,
ſondern ſanfter und ſtiller Geiſt, Liebe, Treue,
ſorgſame Erfüllung der Gatten- und Mutterpflich-
ten — wird mancher Mund und manches Herz einſt
ausrufen: Selig der Leib, der ſie trug, ſelig
die Brüſte, die ſie ſäugten!
Das ſind die Aus-
ſichten guter Eltern! Wie erquickend und wie groß!

Doch wird von dem Verdienſt, der Welt ſolche
Kinder gegeben zu haben, überaus wenig auf Eltern
zurükfallen, wenn ſie nichts für ſie thaten, als was
gewißermaßen auch das Thier für ſeine Jungen
thut; und, was noch mehr iſt, ſelbſt die Hoffnung,
in dieſem Fall von der Nachwelt noch geſegnet zu
werden, würde ſehr mißlich ſeyn, wenn ſie ſich auf
jene leichtern Sorgen einſchränkten. Faſt alles
hängt doch davon ab, welches die Eindrücke ſind,
die das junge Herz, weich wie Wachs, biegſam in

alle
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0123" n="107[119]"/>
von allerley Art der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, in der er lebt,<lb/>
dient, &#x2014; wird das künftige Ge&#x017F;chlecht von Men-<lb/>
&#x017F;chen ausrufen oder &#x017F;tiller empfinden: <hi rendition="#fr">Selig der<lb/>
Leib, der ihn trug, und die Brü&#x017F;te, die ihn<lb/>
&#x017F;äugten!</hi> &#x2014; Auch über manche gute Tochter, die<lb/>
in dem &#x017F;tillen häuslichen Leben das ward, was dies<lb/>
Ge&#x017F;chlecht &#x017F;eyn &#x017F;oll, die mehr durch wahre als<lb/>
&#x017F;chimmernde Verdien&#x017F;te &#x017F;ich eine Stelle unter den<lb/>
Edlern erwarb, deren Schmuck nicht i&#x017F;t auswendig,<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;anfter und &#x017F;tiller Gei&#x017F;t, Liebe, Treue,<lb/>
&#x017F;org&#x017F;ame Erfüllung der Gatten- und Mutterpflich-<lb/>
ten &#x2014; wird mancher Mund und manches Herz ein&#x017F;t<lb/>
ausrufen: <hi rendition="#fr">Selig der Leib, der &#x017F;ie trug, &#x017F;elig<lb/>
die Brü&#x017F;te, die &#x017F;ie &#x017F;äugten!</hi> Das &#x017F;ind die Aus-<lb/>
&#x017F;ichten guter Eltern! Wie erquickend und wie groß!</p><lb/>
          <p>Doch wird von dem Verdien&#x017F;t, der Welt &#x017F;olche<lb/>
Kinder gegeben zu haben, überaus wenig auf Eltern<lb/>
zurükfallen, wenn &#x017F;ie nichts für &#x017F;ie thaten, als was<lb/>
gewißermaßen auch das Thier für &#x017F;eine Jungen<lb/>
thut; und, was noch mehr i&#x017F;t, &#x017F;elb&#x017F;t die Hoffnung,<lb/>
in die&#x017F;em Fall von der Nachwelt noch ge&#x017F;egnet zu<lb/>
werden, würde &#x017F;ehr mißlich &#x017F;eyn, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich auf<lb/>
jene leichtern Sorgen ein&#x017F;chränkten. Fa&#x017F;t alles<lb/>
hängt doch davon ab, welches die Eindrücke &#x017F;ind,<lb/>
die das junge Herz, weich wie Wachs, bieg&#x017F;am in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">alle</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107[119]/0123] von allerley Art der Geſellſchaft, in der er lebt, dient, — wird das künftige Geſchlecht von Men- ſchen ausrufen oder ſtiller empfinden: Selig der Leib, der ihn trug, und die Brüſte, die ihn ſäugten! — Auch über manche gute Tochter, die in dem ſtillen häuslichen Leben das ward, was dies Geſchlecht ſeyn ſoll, die mehr durch wahre als ſchimmernde Verdienſte ſich eine Stelle unter den Edlern erwarb, deren Schmuck nicht iſt auswendig, ſondern ſanfter und ſtiller Geiſt, Liebe, Treue, ſorgſame Erfüllung der Gatten- und Mutterpflich- ten — wird mancher Mund und manches Herz einſt ausrufen: Selig der Leib, der ſie trug, ſelig die Brüſte, die ſie ſäugten! Das ſind die Aus- ſichten guter Eltern! Wie erquickend und wie groß! Doch wird von dem Verdienſt, der Welt ſolche Kinder gegeben zu haben, überaus wenig auf Eltern zurükfallen, wenn ſie nichts für ſie thaten, als was gewißermaßen auch das Thier für ſeine Jungen thut; und, was noch mehr iſt, ſelbſt die Hoffnung, in dieſem Fall von der Nachwelt noch geſegnet zu werden, würde ſehr mißlich ſeyn, wenn ſie ſich auf jene leichtern Sorgen einſchränkten. Faſt alles hängt doch davon ab, welches die Eindrücke ſind, die das junge Herz, weich wie Wachs, biegſam in alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/123
Zitationshilfe: Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 107[119]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/123>, abgerufen am 28.09.2024.