sollen. Wohl uns, wenn gute Eltern und weise Erzieher die Stelle dieser Führerin vertreten ha- ben, bis sie selbst sich uns anbieten konnte; und wehe allen, die in diesen Jahren aus Verwahr- losung, oder durch die Umstände, um das un- schätzbare Gut einer frühen Bildung gebracht wur- den! Aber doch vermag auch diese uns nicht um- zuschaffen. Wir bleiben Menschen; die Feinde un- srer Ruhe, die wir in unserm Körper herumtragen, schlägt nicht ein, schlagen zehn Sieger nicht nie- der. Sie können in diesem Leben geschwächt, ein- geschränkt, aber schwerlich ganz überwunden wer- den. Und gesetzt auch, daß ein Theil von ihnen so weit besiegt würde, uns nicht mehr durch Be- trug und täuschende List dahin zu bringen, uns in unser Verderben zu stürzen, so bleibt doch ein an- drer Theil noch übrig, der uns immer im Wege steht, wenn wir weiter auf dem Wege zur Voll- kommenheit kommen, und größere Fortschritte im Guten thun wollen.
Wie oft reißt uns unser Temperament hin, und wir sind wohl gar geneigt, Fehler, die wir aus der Quelle herleiten können, für keine Fehler zu halten! "Wir sind nun einmal so" -- die gewöhnliche und so wenig sagende Entschuldigung bey Handlungen,
die
ſollen. Wohl uns, wenn gute Eltern und weiſe Erzieher die Stelle dieſer Führerin vertreten ha- ben, bis ſie ſelbſt ſich uns anbieten konnte; und wehe allen, die in dieſen Jahren aus Verwahr- loſung, oder durch die Umſtände, um das un- ſchätzbare Gut einer frühen Bildung gebracht wur- den! Aber doch vermag auch dieſe uns nicht um- zuſchaffen. Wir bleiben Menſchen; die Feinde un- ſrer Ruhe, die wir in unſerm Körper herumtragen, ſchlägt nicht ein, ſchlagen zehn Sieger nicht nie- der. Sie können in dieſem Leben geſchwächt, ein- geſchränkt, aber ſchwerlich ganz überwunden wer- den. Und geſetzt auch, daß ein Theil von ihnen ſo weit beſiegt würde, uns nicht mehr durch Be- trug und täuſchende Liſt dahin zu bringen, uns in unſer Verderben zu ſtürzen, ſo bleibt doch ein an- drer Theil noch übrig, der uns immer im Wege ſteht, wenn wir weiter auf dem Wege zur Voll- kommenheit kommen, und größere Fortſchritte im Guten thun wollen.
Wie oft reißt uns unſer Temperament hin, und wir ſind wohl gar geneigt, Fehler, die wir aus der Quelle herleiten können, für keine Fehler zu halten! „Wir ſind nun einmal ſo“ — die gewöhnliche und ſo wenig ſagende Entſchuldigung bey Handlungen,
die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0100"n="84[96]"/>ſollen. Wohl uns, wenn gute Eltern und weiſe<lb/>
Erzieher die Stelle dieſer <hirendition="#fr">Führerin</hi> vertreten ha-<lb/>
ben, bis ſie ſelbſt ſich uns anbieten konnte; und<lb/>
wehe allen, die in dieſen Jahren aus Verwahr-<lb/>
loſung, oder durch die Umſtände, um das un-<lb/>ſchätzbare Gut einer frühen Bildung gebracht wur-<lb/>
den! Aber doch vermag auch dieſe uns nicht um-<lb/>
zuſchaffen. Wir bleiben Menſchen; die Feinde un-<lb/>ſrer Ruhe, die wir in unſerm Körper herumtragen,<lb/>ſchlägt nicht ein, ſchlagen zehn Sieger nicht nie-<lb/>
der. Sie können in dieſem Leben geſchwächt, ein-<lb/>
geſchränkt, aber ſchwerlich ganz überwunden wer-<lb/>
den. Und geſetzt auch, daß ein Theil von ihnen<lb/>ſo weit beſiegt würde, uns nicht mehr durch Be-<lb/>
trug und täuſchende Liſt dahin zu bringen, uns in<lb/>
unſer Verderben zu ſtürzen, ſo bleibt doch ein an-<lb/>
drer Theil noch übrig, der uns immer im Wege<lb/>ſteht, wenn wir weiter auf dem Wege zur Voll-<lb/>
kommenheit kommen, und größere Fortſchritte im<lb/>
Guten thun wollen.</p><lb/><p>Wie oft reißt uns unſer Temperament hin, und<lb/>
wir ſind wohl gar geneigt, Fehler, die wir aus der<lb/>
Quelle herleiten können, für keine Fehler zu halten!<lb/>„Wir ſind nun einmal ſo“— die gewöhnliche und<lb/>ſo wenig ſagende Entſchuldigung bey Handlungen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[84[96]/0100]
ſollen. Wohl uns, wenn gute Eltern und weiſe
Erzieher die Stelle dieſer Führerin vertreten ha-
ben, bis ſie ſelbſt ſich uns anbieten konnte; und
wehe allen, die in dieſen Jahren aus Verwahr-
loſung, oder durch die Umſtände, um das un-
ſchätzbare Gut einer frühen Bildung gebracht wur-
den! Aber doch vermag auch dieſe uns nicht um-
zuſchaffen. Wir bleiben Menſchen; die Feinde un-
ſrer Ruhe, die wir in unſerm Körper herumtragen,
ſchlägt nicht ein, ſchlagen zehn Sieger nicht nie-
der. Sie können in dieſem Leben geſchwächt, ein-
geſchränkt, aber ſchwerlich ganz überwunden wer-
den. Und geſetzt auch, daß ein Theil von ihnen
ſo weit beſiegt würde, uns nicht mehr durch Be-
trug und täuſchende Liſt dahin zu bringen, uns in
unſer Verderben zu ſtürzen, ſo bleibt doch ein an-
drer Theil noch übrig, der uns immer im Wege
ſteht, wenn wir weiter auf dem Wege zur Voll-
kommenheit kommen, und größere Fortſchritte im
Guten thun wollen.
Wie oft reißt uns unſer Temperament hin, und
wir ſind wohl gar geneigt, Fehler, die wir aus der
Quelle herleiten können, für keine Fehler zu halten!
„Wir ſind nun einmal ſo“ — die gewöhnliche und
ſo wenig ſagende Entſchuldigung bey Handlungen,
die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 84[96]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/100>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.