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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Volkstribun während der Dauer seines Amts angenom-
men ward, und der Beweis welcher dem Volk genügte,
waren nicht weniger außerordentliche Umstände als daß
Marcellus die alten Befugnisse seiner Würde wieder gel-
tend machte.

Die Verletzung der Keuschheit freygebohrner Bürge-
rinnen 80) ward an ihnen selbst und an ihren Verführern
als Staatsverbrechen geahndet. An den Weibern selbst
mit schweren Geldstrafen: an den schuldigen Männern
vielleicht härter. Gegen diese 81) und gegen jene 82)
brachten die curulischen Aedilen die Anklage vor das
Volksgericht. Eben so gegen Wucherer 83).

Ich habe die Vermuthung geäußert daß die Quästo-
ren des Schatzes ursprünglich die fremdartigen Geschäfte
der Criminalinquisition und des Schatzmeisteramts ver-
einigten, und daher die sonderbare Verwirrung in der
Geschichte ihres Amts entstanden sey 84). Sie wird nicht
widerlegt dadurch daß bey dem Prozeß des M. Manlius
Duumvirn der Perduellion erwähnt werden, denn diese
wurden als außerordentliche Magistratur noch in Cäsars

Knaben, welcher den Greuel nicht aussprechen konnte, ver-
urtheilt.
80) Die Sitten der Freygelassenen überließ das Gesetz ihnen
selbst: und die Vermuthung war so sehr, wenigstens gegen
die Zeit ihres Sklavenstands, daß daher wohl die Ehe mit
einer Freygelassenen eines Freygebohrenen bürgerliche Ehre
verletzte: vielleicht ihn ehrlos machte.
81) Livius VIII. c. 22.
82) Derselbe X. c. 31.
83) Derselbe VII. c. 28. X. c. 23. XXXV. c. 41.
84) Oben Th. II. S. 113. 114. 165.

Volkstribun waͤhrend der Dauer ſeines Amts angenom-
men ward, und der Beweis welcher dem Volk genuͤgte,
waren nicht weniger außerordentliche Umſtaͤnde als daß
Marcellus die alten Befugniſſe ſeiner Wuͤrde wieder gel-
tend machte.

Die Verletzung der Keuſchheit freygebohrner Buͤrge-
rinnen 80) ward an ihnen ſelbſt und an ihren Verfuͤhrern
als Staatsverbrechen geahndet. An den Weibern ſelbſt
mit ſchweren Geldſtrafen: an den ſchuldigen Maͤnnern
vielleicht haͤrter. Gegen dieſe 81) und gegen jene 82)
brachten die curuliſchen Aedilen die Anklage vor das
Volksgericht. Eben ſo gegen Wucherer 83).

Ich habe die Vermuthung geaͤußert daß die Quaͤſto-
ren des Schatzes urſpruͤnglich die fremdartigen Geſchaͤfte
der Criminalinquiſition und des Schatzmeiſteramts ver-
einigten, und daher die ſonderbare Verwirrung in der
Geſchichte ihres Amts entſtanden ſey 84). Sie wird nicht
widerlegt dadurch daß bey dem Prozeß des M. Manlius
Duumvirn der Perduellion erwaͤhnt werden, denn dieſe
wurden als außerordentliche Magiſtratur noch in Caͤſars

Knaben, welcher den Greuel nicht ausſprechen konnte, ver-
urtheilt.
80) Die Sitten der Freygelaſſenen uͤberließ das Geſetz ihnen
ſelbſt: und die Vermuthung war ſo ſehr, wenigſtens gegen
die Zeit ihres Sklavenſtands, daß daher wohl die Ehe mit
einer Freygelaſſenen eines Freygebohrenen buͤrgerliche Ehre
verletzte: vielleicht ihn ehrlos machte.
81) Livius VIII. c. 22.
82) Derſelbe X. c. 31.
83) Derſelbe VII. c. 28. X. c. 23. XXXV. c. 41.
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[420/0436] Volkstribun waͤhrend der Dauer ſeines Amts angenom- men ward, und der Beweis welcher dem Volk genuͤgte, waren nicht weniger außerordentliche Umſtaͤnde als daß Marcellus die alten Befugniſſe ſeiner Wuͤrde wieder gel- tend machte. Die Verletzung der Keuſchheit freygebohrner Buͤrge- rinnen 80) ward an ihnen ſelbſt und an ihren Verfuͤhrern als Staatsverbrechen geahndet. An den Weibern ſelbſt mit ſchweren Geldſtrafen: an den ſchuldigen Maͤnnern vielleicht haͤrter. Gegen dieſe 81) und gegen jene 82) brachten die curuliſchen Aedilen die Anklage vor das Volksgericht. Eben ſo gegen Wucherer 83). Ich habe die Vermuthung geaͤußert daß die Quaͤſto- ren des Schatzes urſpruͤnglich die fremdartigen Geſchaͤfte der Criminalinquiſition und des Schatzmeiſteramts ver- einigten, und daher die ſonderbare Verwirrung in der Geſchichte ihres Amts entſtanden ſey 84). Sie wird nicht widerlegt dadurch daß bey dem Prozeß des M. Manlius Duumvirn der Perduellion erwaͤhnt werden, denn dieſe wurden als außerordentliche Magiſtratur noch in Caͤſars 79) 80) Die Sitten der Freygelaſſenen uͤberließ das Geſetz ihnen ſelbſt: und die Vermuthung war ſo ſehr, wenigſtens gegen die Zeit ihres Sklavenſtands, daß daher wohl die Ehe mit einer Freygelaſſenen eines Freygebohrenen buͤrgerliche Ehre verletzte: vielleicht ihn ehrlos machte. 81) Livius VIII. c. 22. 82) Derſelbe X. c. 31. 83) Derſelbe VII. c. 28. X. c. 23. XXXV. c. 41. 84) Oben Th. II. S. 113. 114. 165. 79) Knaben, welcher den Greuel nicht ausſprechen konnte, ver- urtheilt.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/436>, abgerufen am 22.11.2024.