nach ihnen als einer Würze lüstern war. Aber auch der größte Geist trägt die Form und die Krankheit sei- nes Zeitalters.
Machiavelli 45) glaubte schlechthin daß die Acker- gesetze ein Maaß der Größe des Privatlandeigenthums bestimmten, und dasjenige welches die Reichen mehr besaßen den Armen zutheilten. Er setzt hinzu, es sey für einen jeden Freystaat nothwendig daß er reich sey, seine Bürger aber arm: und es scheine daß die dazu nö- thigen Gesetze in den früheren Zeiten Roms entweder gar nicht oder unvollkommen angeordnet gewesen, oder daß sie allmählich entartet wären. Er sieht ferner in den Ak- kergesetzen zwar die Veranlassung des Untergangs der Re- publik: aber in dem Kampf über sie den Hauptgrund ih- rer so langen Erhaltung.
Montesquieu 46) nimmt die Sage bey Dionysius als historisch an, daß Romulus die römische Landschaft unter die ersten Ansiedler in gleichen kleinen Loosen vertheilt habe. In diese Gleichheit setzt er die Kraft Roms: und die tribunicischen Bewegungen sind, nach seinem Urtheil, wie die Revolutionen des Agis und Kleomenes, ein Ver- such erloschene Gesetze herzustellen, und die Verfassung auf ihre Grundideen zurückzuführen.
Aber der Satz daß alle Ackergesetze nur den Ager pu- blicus, das Gemeinland oder die Domaine, betrafen, ist nicht nur unfruchtbar ohne weitere Entwickelung, son- dern die welche man aus den schon genannten beyden
45) Machiavelli Discorsi I. c. 37.
46) Montesquieu Considerations ch. 3.
nach ihnen als einer Wuͤrze luͤſtern war. Aber auch der groͤßte Geiſt traͤgt die Form und die Krankheit ſei- nes Zeitalters.
Machiavelli 45) glaubte ſchlechthin daß die Acker- geſetze ein Maaß der Groͤße des Privatlandeigenthums beſtimmten, und dasjenige welches die Reichen mehr beſaßen den Armen zutheilten. Er ſetzt hinzu, es ſey fuͤr einen jeden Freyſtaat nothwendig daß er reich ſey, ſeine Buͤrger aber arm: und es ſcheine daß die dazu noͤ- thigen Geſetze in den fruͤheren Zeiten Roms entweder gar nicht oder unvollkommen angeordnet geweſen, oder daß ſie allmaͤhlich entartet waͤren. Er ſieht ferner in den Ak- kergeſetzen zwar die Veranlaſſung des Untergangs der Re- publik: aber in dem Kampf uͤber ſie den Hauptgrund ih- rer ſo langen Erhaltung.
Montesquieu 46) nimmt die Sage bey Dionyſius als hiſtoriſch an, daß Romulus die roͤmiſche Landſchaft unter die erſten Anſiedler in gleichen kleinen Looſen vertheilt habe. In dieſe Gleichheit ſetzt er die Kraft Roms: und die tribuniciſchen Bewegungen ſind, nach ſeinem Urtheil, wie die Revolutionen des Agis und Kleomenes, ein Ver- ſuch erloſchene Geſetze herzuſtellen, und die Verfaſſung auf ihre Grundideen zuruͤckzufuͤhren.
Aber der Satz daß alle Ackergeſetze nur den Ager pu- blicus, das Gemeinland oder die Domaine, betrafen, iſt nicht nur unfruchtbar ohne weitere Entwickelung, ſon- dern die welche man aus den ſchon genannten beyden
45) Machiavelli Discorsi I. c. 37.
46) Montesquieu Considerations ch. 3.
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nach ihnen als einer Wuͤrze luͤſtern war. Aber auch
der groͤßte Geiſt traͤgt die Form und die Krankheit ſei-
nes Zeitalters.
Machiavelli 45) glaubte ſchlechthin daß die Acker-
geſetze ein Maaß der Groͤße des Privatlandeigenthums
beſtimmten, und dasjenige welches die Reichen mehr
beſaßen den Armen zutheilten. Er ſetzt hinzu, es ſey
fuͤr einen jeden Freyſtaat nothwendig daß er reich ſey,
ſeine Buͤrger aber arm: und es ſcheine daß die dazu noͤ-
thigen Geſetze in den fruͤheren Zeiten Roms entweder gar
nicht oder unvollkommen angeordnet geweſen, oder daß
ſie allmaͤhlich entartet waͤren. Er ſieht ferner in den Ak-
kergeſetzen zwar die Veranlaſſung des Untergangs der Re-
publik: aber in dem Kampf uͤber ſie den Hauptgrund ih-
rer ſo langen Erhaltung.
Montesquieu 46) nimmt die Sage bey Dionyſius als
hiſtoriſch an, daß Romulus die roͤmiſche Landſchaft unter
die erſten Anſiedler in gleichen kleinen Looſen vertheilt
habe. In dieſe Gleichheit ſetzt er die Kraft Roms: und
die tribuniciſchen Bewegungen ſind, nach ſeinem Urtheil,
wie die Revolutionen des Agis und Kleomenes, ein Ver-
ſuch erloſchene Geſetze herzuſtellen, und die Verfaſſung auf
ihre Grundideen zuruͤckzufuͤhren.
Aber der Satz daß alle Ackergeſetze nur den Ager pu-
blicus, das Gemeinland oder die Domaine, betrafen, iſt
nicht nur unfruchtbar ohne weitere Entwickelung, ſon-
dern die welche man aus den ſchon genannten beyden
45) Machiavelli Discorsi I. c. 37.
46) Montesquieu Considerations ch. 3.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/366>, abgerufen am 22.11.2024.
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