Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

geschehen 13). Dieses war dann nichts anderes als wenn
ein Parlament oder Stände dem Landesherrn Subsidien
versagt haben.

Das Elend welches aus dem allgemeinen Unglück
und jener höchst ungerechten einseitigen Belastung des ple-
bejischen Standes hervorging, ward durch die Verwir-
rung erhöht welche die Zerstörung der Stadt in die Ver-
waltung gebracht hatte. Es ist schon früher gezeigt wor-
den, daß, eben weil die Gesetze keine Art von Realhypo-
theken kannten, -- diese Schöpfung des attischen Rechts,
wo sie schon so weit als nur in neueren Staaten ausgebil-
det war, -- die persönliche Verschuldung die Last der auf
dem gesammten quiritarischen Eigenthum des Plebejers
haftenden Steuer gar nicht verminderte: und daß von
Lustrum zu Lustrum, ohne alle Rücksicht auf die eingetre-
tenen Veränderungen, wie bey den Indictionen der späte-
ren Kaiser, nach dem Cataster des letzten Census gesteuert
werden mußte. Aber auch dieser war durch die allge-
meine Verwüstung unbrauchbar geworden. Während
funfzehn Jahren nach der Räumung der Stadt ward die
Vermögenssteuer nur nach ungefähren Abschätzungen er-
hoben 14). Zwar ließ sich das Bedürfniß nicht verheh-
len, und endlich wurden zweymal Censoren erwählt, um
eine gerechtere Ordnung herzustellen (375 und 377). Sie
sollten auch den Schuldenzustand der Nation untersuchen,
vermuthlich um, wie es später geschah, eine allgemeine

13) Livius VI. c. 31.
14) Einen andern Sinn kann die Nachricht von dem tributum
temerarium
nicht haben. Festus s. v. tributum.

geſchehen 13). Dieſes war dann nichts anderes als wenn
ein Parlament oder Staͤnde dem Landesherrn Subſidien
verſagt haben.

Das Elend welches aus dem allgemeinen Ungluͤck
und jener hoͤchſt ungerechten einſeitigen Belaſtung des ple-
bejiſchen Standes hervorging, ward durch die Verwir-
rung erhoͤht welche die Zerſtoͤrung der Stadt in die Ver-
waltung gebracht hatte. Es iſt ſchon fruͤher gezeigt wor-
den, daß, eben weil die Geſetze keine Art von Realhypo-
theken kannten, — dieſe Schoͤpfung des attiſchen Rechts,
wo ſie ſchon ſo weit als nur in neueren Staaten ausgebil-
det war, — die perſoͤnliche Verſchuldung die Laſt der auf
dem geſammten quiritariſchen Eigenthum des Plebejers
haftenden Steuer gar nicht verminderte: und daß von
Luſtrum zu Luſtrum, ohne alle Ruͤckſicht auf die eingetre-
tenen Veraͤnderungen, wie bey den Indictionen der ſpaͤte-
ren Kaiſer, nach dem Cataſter des letzten Cenſus geſteuert
werden mußte. Aber auch dieſer war durch die allge-
meine Verwuͤſtung unbrauchbar geworden. Waͤhrend
funfzehn Jahren nach der Raͤumung der Stadt ward die
Vermoͤgensſteuer nur nach ungefaͤhren Abſchaͤtzungen er-
hoben 14). Zwar ließ ſich das Beduͤrfniß nicht verheh-
len, und endlich wurden zweymal Cenſoren erwaͤhlt, um
eine gerechtere Ordnung herzuſtellen (375 und 377). Sie
ſollten auch den Schuldenzuſtand der Nation unterſuchen,
vermuthlich um, wie es ſpaͤter geſchah, eine allgemeine

13) Livius VI. c. 31.
14) Einen andern Sinn kann die Nachricht von dem tributum
temerarium
nicht haben. Feſtus s. v. tributum.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0332" n="316"/>
ge&#x017F;chehen <note place="foot" n="13)">Livius <hi rendition="#aq">VI. c.</hi> 31.</note>. Die&#x017F;es war dann nichts anderes als wenn<lb/>
ein Parlament oder Sta&#x0364;nde dem Landesherrn Sub&#x017F;idien<lb/>
ver&#x017F;agt haben.</p><lb/>
        <p>Das Elend welches aus dem allgemeinen Unglu&#x0364;ck<lb/>
und jener ho&#x0364;ch&#x017F;t ungerechten ein&#x017F;eitigen Bela&#x017F;tung des ple-<lb/>
beji&#x017F;chen Standes hervorging, ward durch die Verwir-<lb/>
rung erho&#x0364;ht welche die Zer&#x017F;to&#x0364;rung der Stadt in die Ver-<lb/>
waltung gebracht hatte. Es i&#x017F;t &#x017F;chon fru&#x0364;her gezeigt wor-<lb/>
den, daß, eben weil die Ge&#x017F;etze keine Art von Realhypo-<lb/>
theken kannten, &#x2014; die&#x017F;e Scho&#x0364;pfung des atti&#x017F;chen Rechts,<lb/>
wo &#x017F;ie &#x017F;chon &#x017F;o weit als nur in neueren Staaten ausgebil-<lb/>
det war, &#x2014; die per&#x017F;o&#x0364;nliche Ver&#x017F;chuldung die La&#x017F;t der auf<lb/>
dem ge&#x017F;ammten quiritari&#x017F;chen Eigenthum des Plebejers<lb/>
haftenden Steuer gar nicht verminderte: und daß von<lb/>
Lu&#x017F;trum zu Lu&#x017F;trum, ohne alle Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf die eingetre-<lb/>
tenen Vera&#x0364;nderungen, wie bey den Indictionen der &#x017F;pa&#x0364;te-<lb/>
ren Kai&#x017F;er, nach dem Cata&#x017F;ter des letzten Cen&#x017F;us ge&#x017F;teuert<lb/>
werden mußte. Aber auch die&#x017F;er war durch die allge-<lb/>
meine Verwu&#x0364;&#x017F;tung unbrauchbar geworden. Wa&#x0364;hrend<lb/>
funfzehn Jahren nach der Ra&#x0364;umung der Stadt ward die<lb/>
Vermo&#x0364;gens&#x017F;teuer nur nach ungefa&#x0364;hren Ab&#x017F;cha&#x0364;tzungen er-<lb/>
hoben <note place="foot" n="14)">Einen andern Sinn kann die Nachricht von dem <hi rendition="#aq">tributum<lb/>
temerarium</hi> nicht haben. Fe&#x017F;tus <hi rendition="#aq">s. v. tributum.</hi></note>. Zwar ließ &#x017F;ich das Bedu&#x0364;rfniß nicht verheh-<lb/>
len, und endlich wurden zweymal Cen&#x017F;oren erwa&#x0364;hlt, um<lb/>
eine gerechtere Ordnung herzu&#x017F;tellen (375 und 377). Sie<lb/>
&#x017F;ollten auch den Schuldenzu&#x017F;tand der Nation unter&#x017F;uchen,<lb/>
vermuthlich um, wie es &#x017F;pa&#x0364;ter ge&#x017F;chah, eine allgemeine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0332] geſchehen 13). Dieſes war dann nichts anderes als wenn ein Parlament oder Staͤnde dem Landesherrn Subſidien verſagt haben. Das Elend welches aus dem allgemeinen Ungluͤck und jener hoͤchſt ungerechten einſeitigen Belaſtung des ple- bejiſchen Standes hervorging, ward durch die Verwir- rung erhoͤht welche die Zerſtoͤrung der Stadt in die Ver- waltung gebracht hatte. Es iſt ſchon fruͤher gezeigt wor- den, daß, eben weil die Geſetze keine Art von Realhypo- theken kannten, — dieſe Schoͤpfung des attiſchen Rechts, wo ſie ſchon ſo weit als nur in neueren Staaten ausgebil- det war, — die perſoͤnliche Verſchuldung die Laſt der auf dem geſammten quiritariſchen Eigenthum des Plebejers haftenden Steuer gar nicht verminderte: und daß von Luſtrum zu Luſtrum, ohne alle Ruͤckſicht auf die eingetre- tenen Veraͤnderungen, wie bey den Indictionen der ſpaͤte- ren Kaiſer, nach dem Cataſter des letzten Cenſus geſteuert werden mußte. Aber auch dieſer war durch die allge- meine Verwuͤſtung unbrauchbar geworden. Waͤhrend funfzehn Jahren nach der Raͤumung der Stadt ward die Vermoͤgensſteuer nur nach ungefaͤhren Abſchaͤtzungen er- hoben 14). Zwar ließ ſich das Beduͤrfniß nicht verheh- len, und endlich wurden zweymal Cenſoren erwaͤhlt, um eine gerechtere Ordnung herzuſtellen (375 und 377). Sie ſollten auch den Schuldenzuſtand der Nation unterſuchen, vermuthlich um, wie es ſpaͤter geſchah, eine allgemeine 13) Livius VI. c. 31. 14) Einen andern Sinn kann die Nachricht von dem tributum temerarium nicht haben. Feſtus s. v. tributum.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/332
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/332>, abgerufen am 22.05.2024.