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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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tion welche Shylock bey einer ähnlichen Rechtsbefugniß
im Wege stand. Dieses scheint ein zwecklos empörendes
Gesetz, da der Tod eines Unglücklichen der Habsucht ge-
nügen konnte, auch ohne Auslassung ihrer Wuth; der
Sinn aber war wohl kein anderer als dieser, daß, wenn
unter mehreren Gläubigern auch nur einer ganz unerbitt-
lich war, dieser das Recht hatte den verurtheilten Schuld-
ner, wenn die übrigen ihn nur zur Knechtschaft verkaufen
wollten, zu verstümmeln, sofern er ihm nur das Leben
nicht nahm: welches dann aber die übrigen dem jetzt
werthlosen Sklaven gewiß nicht erhielten.

Keine Gesetzgebung irgend eines Volks ist empören-
der als diese, sicher ist aber auch jede Deutung falsch die
an ihrer frevelvollen Unmenschlichkeit auch nur das Ge-
ringste mildert. Aber das Interesse des Gläubigers mil-
derte, der seinen Vortheil bey der äußersten Härte weni-
ger als bey glimpflicherem Verfahren fand; und das
Eigenthumsrecht welches dem Verurtheilten blieb, und
ihm einen Stützpunkt gab, durch den er die Unerbittlich-
keit mit Trotz bekämpfen konnte. Er durfte was er be-
saß, wenigstens was er mit heiligem quiritarischem Eigen-
thumsrecht besaß, weggeben: that er es nicht so fiel es
doch seinen Erben heim, der Gläubiger mochte ihn tödten
oder verkaufen. Und hier compensirten sich wohl nach der
Absicht der Gesetzgebung der Vortheil und der Nachtheil
des Schuldherrn gegen menschlichere Verfügungen, wie
sie in Kraft traten als die Fesseln abgeschafft wurden, wo
gewiß gleichzeitig der Zuspruch des Vermögens an den
Gläubiger eingeführt ward. Rom erkannte nur persönli-

tion welche Shylock bey einer aͤhnlichen Rechtsbefugniß
im Wege ſtand. Dieſes ſcheint ein zwecklos empoͤrendes
Geſetz, da der Tod eines Ungluͤcklichen der Habſucht ge-
nuͤgen konnte, auch ohne Auslaſſung ihrer Wuth; der
Sinn aber war wohl kein anderer als dieſer, daß, wenn
unter mehreren Glaͤubigern auch nur einer ganz unerbitt-
lich war, dieſer das Recht hatte den verurtheilten Schuld-
ner, wenn die uͤbrigen ihn nur zur Knechtſchaft verkaufen
wollten, zu verſtuͤmmeln, ſofern er ihm nur das Leben
nicht nahm: welches dann aber die uͤbrigen dem jetzt
werthloſen Sklaven gewiß nicht erhielten.

Keine Geſetzgebung irgend eines Volks iſt empoͤren-
der als dieſe, ſicher iſt aber auch jede Deutung falſch die
an ihrer frevelvollen Unmenſchlichkeit auch nur das Ge-
ringſte mildert. Aber das Intereſſe des Glaͤubigers mil-
derte, der ſeinen Vortheil bey der aͤußerſten Haͤrte weni-
ger als bey glimpflicherem Verfahren fand; und das
Eigenthumsrecht welches dem Verurtheilten blieb, und
ihm einen Stuͤtzpunkt gab, durch den er die Unerbittlich-
keit mit Trotz bekaͤmpfen konnte. Er durfte was er be-
ſaß, wenigſtens was er mit heiligem quiritariſchem Eigen-
thumsrecht beſaß, weggeben: that er es nicht ſo fiel es
doch ſeinen Erben heim, der Glaͤubiger mochte ihn toͤdten
oder verkaufen. Und hier compenſirten ſich wohl nach der
Abſicht der Geſetzgebung der Vortheil und der Nachtheil
des Schuldherrn gegen menſchlichere Verfuͤgungen, wie
ſie in Kraft traten als die Feſſeln abgeſchafft wurden, wo
gewiß gleichzeitig der Zuſpruch des Vermoͤgens an den
Glaͤubiger eingefuͤhrt ward. Rom erkannte nur perſoͤnli-

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[314/0330] tion welche Shylock bey einer aͤhnlichen Rechtsbefugniß im Wege ſtand. Dieſes ſcheint ein zwecklos empoͤrendes Geſetz, da der Tod eines Ungluͤcklichen der Habſucht ge- nuͤgen konnte, auch ohne Auslaſſung ihrer Wuth; der Sinn aber war wohl kein anderer als dieſer, daß, wenn unter mehreren Glaͤubigern auch nur einer ganz unerbitt- lich war, dieſer das Recht hatte den verurtheilten Schuld- ner, wenn die uͤbrigen ihn nur zur Knechtſchaft verkaufen wollten, zu verſtuͤmmeln, ſofern er ihm nur das Leben nicht nahm: welches dann aber die uͤbrigen dem jetzt werthloſen Sklaven gewiß nicht erhielten. Keine Geſetzgebung irgend eines Volks iſt empoͤren- der als dieſe, ſicher iſt aber auch jede Deutung falſch die an ihrer frevelvollen Unmenſchlichkeit auch nur das Ge- ringſte mildert. Aber das Intereſſe des Glaͤubigers mil- derte, der ſeinen Vortheil bey der aͤußerſten Haͤrte weni- ger als bey glimpflicherem Verfahren fand; und das Eigenthumsrecht welches dem Verurtheilten blieb, und ihm einen Stuͤtzpunkt gab, durch den er die Unerbittlich- keit mit Trotz bekaͤmpfen konnte. Er durfte was er be- ſaß, wenigſtens was er mit heiligem quiritariſchem Eigen- thumsrecht beſaß, weggeben: that er es nicht ſo fiel es doch ſeinen Erben heim, der Glaͤubiger mochte ihn toͤdten oder verkaufen. Und hier compenſirten ſich wohl nach der Abſicht der Geſetzgebung der Vortheil und der Nachtheil des Schuldherrn gegen menſchlichere Verfuͤgungen, wie ſie in Kraft traten als die Feſſeln abgeſchafft wurden, wo gewiß gleichzeitig der Zuſpruch des Vermoͤgens an den Glaͤubiger eingefuͤhrt ward. Rom erkannte nur perſoͤnli-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/330>, abgerufen am 22.11.2024.