wandernd, wieder bis in Vorasien gekommen seyn soll- ten. Den ersten freylich weicht jede Schwierigkeit die- ser Art, als ein allerdings sonderbares Factum, vor einer ihnen weit gewisseren Wahrheit, so wie die be- stimmten Wunder, wodurch sie die Umwandlung von Gestalt und Sprache erklären, ihren Glauben weit über die schaale Oberflächlichkeit des deutenden Wahns der zweyten Ansicht erheben; denn gerade dadurch erkennen sie seine Unvernunft. Nach einer andern Ueberzeugung, gegründet auf der Erdoberfläche Vertheilung unter verschiedene Geschlechter des Lebens, als Gott sie für die gegenwärtige Form der Naturentwickelung belebte, waren die Celten ein ursprüngliches außerordentlich gro- ßes Volk des Westens, welches, bey dem Anfang seiner Geschichte, außer fast ganz Gallien, die britannischen In- seln und einen großen Theil von Iberien bewohnte. Im allgemeinen scheint dieses Riesenvolk, wie die Slavonier der späteren Geschichte, eine große innere Gleichförmig- keit gehabt, und kaum in wenige merklich verschiedene Stämme getheilt gewesen zu seyn; wie viele Völker- schaften sie auch enthielt. Doch möchten die Belgen ein solcher Stamm gewesen seyn, wenn man anders mit Recht ihre Sprache in der Kymrischen erkennt, welche von der Galischen mehr als die Litthauische von den Slavischen abweicht, und nicht bloß durch die Beymi- schung deutscher Eroberer geändert seyn kann. Das hohe Alter der celtischen Bevölkerung Britanniens ist klar durch die Einwanderung der Belgen welche die alten Bewohner von der südlichen Küste der Insel verdräng-
wandernd, wieder bis in Voraſien gekommen ſeyn ſoll- ten. Den erſten freylich weicht jede Schwierigkeit die- ſer Art, als ein allerdings ſonderbares Factum, vor einer ihnen weit gewiſſeren Wahrheit, ſo wie die be- ſtimmten Wunder, wodurch ſie die Umwandlung von Geſtalt und Sprache erklaͤren, ihren Glauben weit uͤber die ſchaale Oberflaͤchlichkeit des deutenden Wahns der zweyten Anſicht erheben; denn gerade dadurch erkennen ſie ſeine Unvernunft. Nach einer andern Ueberzeugung, gegruͤndet auf der Erdoberflaͤche Vertheilung unter verſchiedene Geſchlechter des Lebens, als Gott ſie fuͤr die gegenwaͤrtige Form der Naturentwickelung belebte, waren die Celten ein urſpruͤngliches außerordentlich gro- ßes Volk des Weſtens, welches, bey dem Anfang ſeiner Geſchichte, außer faſt ganz Gallien, die britanniſchen In- ſeln und einen großen Theil von Iberien bewohnte. Im allgemeinen ſcheint dieſes Rieſenvolk, wie die Slavonier der ſpaͤteren Geſchichte, eine große innere Gleichfoͤrmig- keit gehabt, und kaum in wenige merklich verſchiedene Staͤmme getheilt geweſen zu ſeyn; wie viele Voͤlker- ſchaften ſie auch enthielt. Doch moͤchten die Belgen ein ſolcher Stamm geweſen ſeyn, wenn man anders mit Recht ihre Sprache in der Kymriſchen erkennt, welche von der Galiſchen mehr als die Litthauiſche von den Slaviſchen abweicht, und nicht bloß durch die Beymi- ſchung deutſcher Eroberer geaͤndert ſeyn kann. Das hohe Alter der celtiſchen Bevoͤlkerung Britanniens iſt klar durch die Einwanderung der Belgen welche die alten Bewohner von der ſuͤdlichen Kuͤſte der Inſel verdraͤng-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0269"n="253"/>
wandernd, wieder bis in Voraſien gekommen ſeyn ſoll-<lb/>
ten. Den erſten freylich weicht jede Schwierigkeit die-<lb/>ſer Art, als ein allerdings ſonderbares Factum, vor<lb/>
einer ihnen weit gewiſſeren Wahrheit, ſo wie die be-<lb/>ſtimmten Wunder, wodurch ſie die Umwandlung von<lb/>
Geſtalt und Sprache erklaͤren, ihren Glauben weit uͤber<lb/>
die ſchaale Oberflaͤchlichkeit des deutenden Wahns der<lb/>
zweyten Anſicht erheben; denn gerade dadurch erkennen<lb/><hirendition="#g">ſie</hi>ſeine Unvernunft. Nach einer andern Ueberzeugung,<lb/>
gegruͤndet auf der Erdoberflaͤche Vertheilung unter<lb/>
verſchiedene Geſchlechter des Lebens, als Gott ſie fuͤr<lb/>
die gegenwaͤrtige Form der Naturentwickelung belebte,<lb/>
waren die Celten ein urſpruͤngliches außerordentlich gro-<lb/>
ßes Volk des Weſtens, welches, bey dem Anfang ſeiner<lb/>
Geſchichte, außer faſt ganz Gallien, die britanniſchen In-<lb/>ſeln und einen großen Theil von Iberien bewohnte. Im<lb/>
allgemeinen ſcheint dieſes Rieſenvolk, wie die Slavonier<lb/>
der ſpaͤteren Geſchichte, eine große innere Gleichfoͤrmig-<lb/>
keit gehabt, und kaum in wenige merklich verſchiedene<lb/>
Staͤmme getheilt geweſen zu ſeyn; wie viele Voͤlker-<lb/>ſchaften ſie auch enthielt. Doch moͤchten die Belgen<lb/>
ein ſolcher Stamm geweſen ſeyn, wenn man anders mit<lb/>
Recht ihre Sprache in der Kymriſchen erkennt, welche<lb/>
von der Galiſchen mehr als die Litthauiſche von den<lb/>
Slaviſchen abweicht, und nicht bloß durch die Beymi-<lb/>ſchung deutſcher Eroberer geaͤndert ſeyn kann. Das hohe<lb/>
Alter der celtiſchen Bevoͤlkerung Britanniens iſt klar<lb/>
durch die Einwanderung der Belgen welche die alten<lb/>
Bewohner von der ſuͤdlichen Kuͤſte der Inſel verdraͤng-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[253/0269]
wandernd, wieder bis in Voraſien gekommen ſeyn ſoll-
ten. Den erſten freylich weicht jede Schwierigkeit die-
ſer Art, als ein allerdings ſonderbares Factum, vor
einer ihnen weit gewiſſeren Wahrheit, ſo wie die be-
ſtimmten Wunder, wodurch ſie die Umwandlung von
Geſtalt und Sprache erklaͤren, ihren Glauben weit uͤber
die ſchaale Oberflaͤchlichkeit des deutenden Wahns der
zweyten Anſicht erheben; denn gerade dadurch erkennen
ſie ſeine Unvernunft. Nach einer andern Ueberzeugung,
gegruͤndet auf der Erdoberflaͤche Vertheilung unter
verſchiedene Geſchlechter des Lebens, als Gott ſie fuͤr
die gegenwaͤrtige Form der Naturentwickelung belebte,
waren die Celten ein urſpruͤngliches außerordentlich gro-
ßes Volk des Weſtens, welches, bey dem Anfang ſeiner
Geſchichte, außer faſt ganz Gallien, die britanniſchen In-
ſeln und einen großen Theil von Iberien bewohnte. Im
allgemeinen ſcheint dieſes Rieſenvolk, wie die Slavonier
der ſpaͤteren Geſchichte, eine große innere Gleichfoͤrmig-
keit gehabt, und kaum in wenige merklich verſchiedene
Staͤmme getheilt geweſen zu ſeyn; wie viele Voͤlker-
ſchaften ſie auch enthielt. Doch moͤchten die Belgen
ein ſolcher Stamm geweſen ſeyn, wenn man anders mit
Recht ihre Sprache in der Kymriſchen erkennt, welche
von der Galiſchen mehr als die Litthauiſche von den
Slaviſchen abweicht, und nicht bloß durch die Beymi-
ſchung deutſcher Eroberer geaͤndert ſeyn kann. Das hohe
Alter der celtiſchen Bevoͤlkerung Britanniens iſt klar
durch die Einwanderung der Belgen welche die alten
Bewohner von der ſuͤdlichen Kuͤſte der Inſel verdraͤng-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/269>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.