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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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ständige Stimmenmehrheit, dann war die Wahl vollen-
det, auch wenn es nur für die Hälfte geschah welche Pa-
triciern zugesichert war. Hatten aber die Plebejer auch
diese Schwierigkeit überwunden, so war den Curien die
Bestätigung nicht als ein leeres Recht gegeben 86). So
erklärt es sich wie manchmal sechs, dann vier, dann drey
Tribunen vorkommen, und wie so selten, obwohl häufiger
als es von Livius anerkannt wird, Plebejer erwählt wur-
den. Jene Vorwürfe der Volkstribunen an ihren Stand
über seine Lauheit für ihre Ehre 87) sind rhetorische Aus-
bildungen, veranlaßt nur dadurch daß die Fasten in jenen
Jahren keine plebejische Nahmen zeigen.

Hütet Euch vor dem Tadel -- sprach C. Gracchus
zu der Volksgemeinde, als der blutige Inquisitor P. Po-
pillius, Jahre lang von den sogenannten Optimaten be-
schützt, endlich vor Gericht stand, -- mit blinder Leiden-
schaft gewünscht zu haben, was Ihr leichtsinnig ent-
schlüpfen ließet da es das Schicksal gewährte 88). Die-
sen Tadel hätte das römische Volk verdient, und nicht das
Lob einer idealischen Mäßigung, wie Livius es ausspricht,
wenn es wahr wäre was er glaubt; daß schon die erste
Wahl freywillig nur auf Patricier gefallen sey. Nicht
verdienstvoll wäre es gewesen, sondern kindisch, die Ruhe
des Staats zu erschüttern nur um einer leeren Eitelkeit
willen, und damit ein Recht eingeräumt werde welches

86) Siehe die schon mehrmals angeführte Stelle, Livius
VI. c. 42.
87) Livius IV. c. 25. 35. 44. 49.
88) Gellius XI. c. 13.

ſtaͤndige Stimmenmehrheit, dann war die Wahl vollen-
det, auch wenn es nur fuͤr die Haͤlfte geſchah welche Pa-
triciern zugeſichert war. Hatten aber die Plebejer auch
dieſe Schwierigkeit uͤberwunden, ſo war den Curien die
Beſtaͤtigung nicht als ein leeres Recht gegeben 86). So
erklaͤrt es ſich wie manchmal ſechs, dann vier, dann drey
Tribunen vorkommen, und wie ſo ſelten, obwohl haͤufiger
als es von Livius anerkannt wird, Plebejer erwaͤhlt wur-
den. Jene Vorwuͤrfe der Volkstribunen an ihren Stand
uͤber ſeine Lauheit fuͤr ihre Ehre 87) ſind rhetoriſche Aus-
bildungen, veranlaßt nur dadurch daß die Faſten in jenen
Jahren keine plebejiſche Nahmen zeigen.

Huͤtet Euch vor dem Tadel — ſprach C. Gracchus
zu der Volksgemeinde, als der blutige Inquiſitor P. Po-
pillius, Jahre lang von den ſogenannten Optimaten be-
ſchuͤtzt, endlich vor Gericht ſtand, — mit blinder Leiden-
ſchaft gewuͤnſcht zu haben, was Ihr leichtſinnig ent-
ſchluͤpfen ließet da es das Schickſal gewaͤhrte 88). Die-
ſen Tadel haͤtte das roͤmiſche Volk verdient, und nicht das
Lob einer idealiſchen Maͤßigung, wie Livius es ausſpricht,
wenn es wahr waͤre was er glaubt; daß ſchon die erſte
Wahl freywillig nur auf Patricier gefallen ſey. Nicht
verdienſtvoll waͤre es geweſen, ſondern kindiſch, die Ruhe
des Staats zu erſchuͤttern nur um einer leeren Eitelkeit
willen, und damit ein Recht eingeraͤumt werde welches

86) Siehe die ſchon mehrmals angefuͤhrte Stelle, Livius
VI. c. 42.
87) Livius IV. c. 25. 35. 44. 49.
88) Gellius XI. c. 13.
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[173/0189] ſtaͤndige Stimmenmehrheit, dann war die Wahl vollen- det, auch wenn es nur fuͤr die Haͤlfte geſchah welche Pa- triciern zugeſichert war. Hatten aber die Plebejer auch dieſe Schwierigkeit uͤberwunden, ſo war den Curien die Beſtaͤtigung nicht als ein leeres Recht gegeben 86). So erklaͤrt es ſich wie manchmal ſechs, dann vier, dann drey Tribunen vorkommen, und wie ſo ſelten, obwohl haͤufiger als es von Livius anerkannt wird, Plebejer erwaͤhlt wur- den. Jene Vorwuͤrfe der Volkstribunen an ihren Stand uͤber ſeine Lauheit fuͤr ihre Ehre 87) ſind rhetoriſche Aus- bildungen, veranlaßt nur dadurch daß die Faſten in jenen Jahren keine plebejiſche Nahmen zeigen. Huͤtet Euch vor dem Tadel — ſprach C. Gracchus zu der Volksgemeinde, als der blutige Inquiſitor P. Po- pillius, Jahre lang von den ſogenannten Optimaten be- ſchuͤtzt, endlich vor Gericht ſtand, — mit blinder Leiden- ſchaft gewuͤnſcht zu haben, was Ihr leichtſinnig ent- ſchluͤpfen ließet da es das Schickſal gewaͤhrte 88). Die- ſen Tadel haͤtte das roͤmiſche Volk verdient, und nicht das Lob einer idealiſchen Maͤßigung, wie Livius es ausſpricht, wenn es wahr waͤre was er glaubt; daß ſchon die erſte Wahl freywillig nur auf Patricier gefallen ſey. Nicht verdienſtvoll waͤre es geweſen, ſondern kindiſch, die Ruhe des Staats zu erſchuͤttern nur um einer leeren Eitelkeit willen, und damit ein Recht eingeraͤumt werde welches 86) Siehe die ſchon mehrmals angefuͤhrte Stelle, Livius VI. c. 42. 87) Livius IV. c. 25. 35. 44. 49. 88) Gellius XI. c. 13.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/189>, abgerufen am 23.11.2024.