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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Dem widerstreitet gar nicht daß sie in dieser Zahl nie
in den Fasten vorkommen: vielmehr, wie die Ernennung
von dreyen auf sechs, so deutet die von vieren auf ein
vollzähliges Collegium von acht Tribunen. Es übte näm-
lich der bey einer Wahl vorsitzende Magistrat, zuverläßig
von jener Zeit her als den Centurien nur über die vom Se-
nat vorgeschlagenen Candidaten zu stimmen erlaubt war,
ein Vorrecht aus für die deren Wahl er nicht gestatten
wollte, keine Stimmen anzunehmen 85). Diese Macht
blieb wenigstens bis in späte Zeiten, als die ursprüngliche
Veranlassung längst in jeder Spur verschwunden war:
und sie ist sicher oft heilsam gewesen, indem sie gefährliche
Menschen von der höchsten Gewalt entfernte welche sich
die Stimmen des Volks verschafft haben würden. Aber
sie bot sich tyrannischem Mißbrauch dar, weil die einzige
mögliche Hemmung, durch persönliche Ahndung einer em-
pfangenen Beleidigung, nach den Sitten des Alterthums
nicht Statt fand.

Kraft dieses Vorrechts konnte der vorsitzende Magi-
strat plebejische Candidaten gänzlich von der Stimmen-
sammlung ausschließen. Erhielten dann von den patri-
cischen, so viele als Stellen zu besetzen waren, eine voll-

rem) inp .... uris (l. inter plures) distributum consulare
imperium, tribunosque militum consulari imperio ap-
pellatos qui seni et saepe octoni crearentur.
85) Rationem eorum non habebat, oder, seit dem licinischen
Gesetz, de plebe consulem non accipiebat. Livius IV. c. 6.
Cicero Brut. c. 14. Siehe von solchem Verfahren eben
diese Stelle Ciceros, und Livius VII. c. 17. 18. u. a. O.

Dem widerſtreitet gar nicht daß ſie in dieſer Zahl nie
in den Faſten vorkommen: vielmehr, wie die Ernennung
von dreyen auf ſechs, ſo deutet die von vieren auf ein
vollzaͤhliges Collegium von acht Tribunen. Es uͤbte naͤm-
lich der bey einer Wahl vorſitzende Magiſtrat, zuverlaͤßig
von jener Zeit her als den Centurien nur uͤber die vom Se-
nat vorgeſchlagenen Candidaten zu ſtimmen erlaubt war,
ein Vorrecht aus fuͤr die deren Wahl er nicht geſtatten
wollte, keine Stimmen anzunehmen 85). Dieſe Macht
blieb wenigſtens bis in ſpaͤte Zeiten, als die urſpruͤngliche
Veranlaſſung laͤngſt in jeder Spur verſchwunden war:
und ſie iſt ſicher oft heilſam geweſen, indem ſie gefaͤhrliche
Menſchen von der hoͤchſten Gewalt entfernte welche ſich
die Stimmen des Volks verſchafft haben wuͤrden. Aber
ſie bot ſich tyranniſchem Mißbrauch dar, weil die einzige
moͤgliche Hemmung, durch perſoͤnliche Ahndung einer em-
pfangenen Beleidigung, nach den Sitten des Alterthums
nicht Statt fand.

Kraft dieſes Vorrechts konnte der vorſitzende Magi-
ſtrat plebejiſche Candidaten gaͤnzlich von der Stimmen-
ſammlung ausſchließen. Erhielten dann von den patri-
ciſchen, ſo viele als Stellen zu beſetzen waren, eine voll-

rem) inp .... uris (l. inter plures) distributum consulare
imperium, tribunosque militum consulari imperio ap-
pellatos qui seni et sæpe octoni crearentur.
85) Rationem eorum non habebat, oder, ſeit dem liciniſchen
Geſetz, de plebe consulem non accipiebat. Livius IV. c. 6.
Cicero Brut. c. 14. Siehe von ſolchem Verfahren eben
dieſe Stelle Ciceros, und Livius VII. c. 17. 18. u. a. O.
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[172/0188] Dem widerſtreitet gar nicht daß ſie in dieſer Zahl nie in den Faſten vorkommen: vielmehr, wie die Ernennung von dreyen auf ſechs, ſo deutet die von vieren auf ein vollzaͤhliges Collegium von acht Tribunen. Es uͤbte naͤm- lich der bey einer Wahl vorſitzende Magiſtrat, zuverlaͤßig von jener Zeit her als den Centurien nur uͤber die vom Se- nat vorgeſchlagenen Candidaten zu ſtimmen erlaubt war, ein Vorrecht aus fuͤr die deren Wahl er nicht geſtatten wollte, keine Stimmen anzunehmen 85). Dieſe Macht blieb wenigſtens bis in ſpaͤte Zeiten, als die urſpruͤngliche Veranlaſſung laͤngſt in jeder Spur verſchwunden war: und ſie iſt ſicher oft heilſam geweſen, indem ſie gefaͤhrliche Menſchen von der hoͤchſten Gewalt entfernte welche ſich die Stimmen des Volks verſchafft haben wuͤrden. Aber ſie bot ſich tyranniſchem Mißbrauch dar, weil die einzige moͤgliche Hemmung, durch perſoͤnliche Ahndung einer em- pfangenen Beleidigung, nach den Sitten des Alterthums nicht Statt fand. Kraft dieſes Vorrechts konnte der vorſitzende Magi- ſtrat plebejiſche Candidaten gaͤnzlich von der Stimmen- ſammlung ausſchließen. Erhielten dann von den patri- ciſchen, ſo viele als Stellen zu beſetzen waren, eine voll- 84) 85) Rationem eorum non habebat, oder, ſeit dem liciniſchen Geſetz, de plebe consulem non accipiebat. Livius IV. c. 6. Cicero Brut. c. 14. Siehe von ſolchem Verfahren eben dieſe Stelle Ciceros, und Livius VII. c. 17. 18. u. a. O. 84) rem) inp .... uris (l. inter plures) distributum consulare imperium, tribunosque militum consulari imperio ap- pellatos qui seni et sæpe octoni crearentur.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/188>, abgerufen am 04.05.2024.