Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

recht, welches einer außer den Gränzen dieses Rechts
geschlossenen Ehe versagt war 73). Es war nicht auf
die Bürger eingeschränkt: es ward durch Verträge auch
mit andern Völkern errichtet 74): schon früher verhei-
ratheten sich römische Patricier mit den Töchtern sam-
nitischer Edeln 75).

Von den Etruskern ist es nicht zu bezweifeln, daß
die römischen Geschlechter, wenn sie auch der Nation
schon fremd geworden waren, durch Verheirathung mit
ihren Lucumonen, in deren Unterricht die Wissenschaft
der Auspicien als aus ihrer Quelle bewahrt ward, diese
Gabe durch Verwirrung des Bluts zu stören nicht vor-
geben konnten. Daß der sabellische Adel ebenfalls eine
Priesterkaste war, folgt daraus daß mit ihm ein Con-
nubium bestehen konnte, welches allerdings noch einen
gesetzlichen Staatsvertrag voraussetzt. Aber die Schei-
dung der Kasten war im Abendlande nicht unverletzlich,

73) Livius IV. c. 3. connubium quod finitimis externisque
dari solet.
74) Festus s. v. Numerius.
75) Ich verdanke Savigny die einleuchtende Bemerkung daß
aus Gewissensehen die, ungeachtet des abmahnenden Ge-
setzes, doch ohne Zweifel geschlossen wurden, die plebeji-
schen Familien patricischer Geschlechter entstanden seyn müs-
sen, indem der Sohn in den Stand der Mutter trat. Hin-
gegen, wenn vor dem Canulejischen Gesetz eine Patricierin
sich einem Plebejer verheirathete, blieb ihr Kind plebejisch,
weil jeder Patricier einem bestimmten Geschlecht seines Stan-
des angehören mußte. Wie noch später das Kind eines Frem-
den und einer Bürgerin fremd war.

recht, welches einer außer den Graͤnzen dieſes Rechts
geſchloſſenen Ehe verſagt war 73). Es war nicht auf
die Buͤrger eingeſchraͤnkt: es ward durch Vertraͤge auch
mit andern Voͤlkern errichtet 74): ſchon fruͤher verhei-
ratheten ſich roͤmiſche Patricier mit den Toͤchtern ſam-
nitiſcher Edeln 75).

Von den Etruskern iſt es nicht zu bezweifeln, daß
die roͤmiſchen Geſchlechter, wenn ſie auch der Nation
ſchon fremd geworden waren, durch Verheirathung mit
ihren Lucumonen, in deren Unterricht die Wiſſenſchaft
der Auſpicien als aus ihrer Quelle bewahrt ward, dieſe
Gabe durch Verwirrung des Bluts zu ſtoͤren nicht vor-
geben konnten. Daß der ſabelliſche Adel ebenfalls eine
Prieſterkaſte war, folgt daraus daß mit ihm ein Con-
nubium beſtehen konnte, welches allerdings noch einen
geſetzlichen Staatsvertrag vorausſetzt. Aber die Schei-
dung der Kaſten war im Abendlande nicht unverletzlich,

73) Livius IV. c. 3. connubium quod finitimis externisque
dari solet.
74) Feſtus s. v. Numerius.
75) Ich verdanke Savigny die einleuchtende Bemerkung daß
aus Gewiſſensehen die, ungeachtet des abmahnenden Ge-
ſetzes, doch ohne Zweifel geſchloſſen wurden, die plebeji-
ſchen Familien patriciſcher Geſchlechter entſtanden ſeyn muͤſ-
ſen, indem der Sohn in den Stand der Mutter trat. Hin-
gegen, wenn vor dem Canulejiſchen Geſetz eine Patricierin
ſich einem Plebejer verheirathete, blieb ihr Kind plebejiſch,
weil jeder Patricier einem beſtimmten Geſchlecht ſeines Stan-
des angehoͤren mußte. Wie noch ſpaͤter das Kind eines Frem-
den und einer Buͤrgerin fremd war.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0183" n="167"/>
recht, welches einer außer den Gra&#x0364;nzen die&#x017F;es Rechts<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Ehe ver&#x017F;agt war <note place="foot" n="73)">Livius <hi rendition="#aq">IV. c. 3. connubium quod finitimis externisque<lb/>
dari solet.</hi></note>. Es war nicht auf<lb/>
die Bu&#x0364;rger einge&#x017F;chra&#x0364;nkt: es ward durch Vertra&#x0364;ge auch<lb/>
mit andern Vo&#x0364;lkern errichtet <note place="foot" n="74)">Fe&#x017F;tus <hi rendition="#aq">s. v. Numerius.</hi></note>: &#x017F;chon fru&#x0364;her verhei-<lb/>
ratheten &#x017F;ich ro&#x0364;mi&#x017F;che Patricier mit den To&#x0364;chtern &#x017F;am-<lb/>
niti&#x017F;cher Edeln <note place="foot" n="75)">Ich verdanke Savigny die einleuchtende Bemerkung daß<lb/>
aus Gewi&#x017F;&#x017F;ensehen die, ungeachtet des abmahnenden Ge-<lb/>
&#x017F;etzes, doch ohne Zweifel ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wurden, die plebeji-<lb/>
&#x017F;chen Familien patrici&#x017F;cher Ge&#x017F;chlechter ent&#x017F;tanden &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, indem der Sohn in den Stand der Mutter trat. Hin-<lb/>
gegen, wenn vor dem Canuleji&#x017F;chen Ge&#x017F;etz eine Patricierin<lb/>
&#x017F;ich einem Plebejer verheirathete, blieb ihr Kind plebeji&#x017F;ch,<lb/>
weil jeder Patricier einem be&#x017F;timmten Ge&#x017F;chlecht &#x017F;eines Stan-<lb/>
des angeho&#x0364;ren mußte. Wie noch &#x017F;pa&#x0364;ter das Kind eines Frem-<lb/>
den und einer Bu&#x0364;rgerin fremd war.</note>.</p><lb/>
        <p>Von den Etruskern i&#x017F;t es nicht zu bezweifeln, daß<lb/>
die ro&#x0364;mi&#x017F;chen Ge&#x017F;chlechter, wenn &#x017F;ie auch der Nation<lb/>
&#x017F;chon fremd geworden waren, durch Verheirathung mit<lb/>
ihren Lucumonen, in deren Unterricht die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
der Au&#x017F;picien als aus ihrer Quelle bewahrt ward, die&#x017F;e<lb/>
Gabe durch Verwirrung des Bluts zu &#x017F;to&#x0364;ren nicht vor-<lb/>
geben konnten. Daß der &#x017F;abelli&#x017F;che Adel ebenfalls eine<lb/>
Prie&#x017F;terka&#x017F;te war, folgt daraus daß mit ihm ein Con-<lb/>
nubium be&#x017F;tehen konnte, welches allerdings noch einen<lb/>
ge&#x017F;etzlichen Staatsvertrag voraus&#x017F;etzt. Aber die Schei-<lb/>
dung der Ka&#x017F;ten war im Abendlande nicht unverletzlich,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0183] recht, welches einer außer den Graͤnzen dieſes Rechts geſchloſſenen Ehe verſagt war 73). Es war nicht auf die Buͤrger eingeſchraͤnkt: es ward durch Vertraͤge auch mit andern Voͤlkern errichtet 74): ſchon fruͤher verhei- ratheten ſich roͤmiſche Patricier mit den Toͤchtern ſam- nitiſcher Edeln 75). Von den Etruskern iſt es nicht zu bezweifeln, daß die roͤmiſchen Geſchlechter, wenn ſie auch der Nation ſchon fremd geworden waren, durch Verheirathung mit ihren Lucumonen, in deren Unterricht die Wiſſenſchaft der Auſpicien als aus ihrer Quelle bewahrt ward, dieſe Gabe durch Verwirrung des Bluts zu ſtoͤren nicht vor- geben konnten. Daß der ſabelliſche Adel ebenfalls eine Prieſterkaſte war, folgt daraus daß mit ihm ein Con- nubium beſtehen konnte, welches allerdings noch einen geſetzlichen Staatsvertrag vorausſetzt. Aber die Schei- dung der Kaſten war im Abendlande nicht unverletzlich, 73) Livius IV. c. 3. connubium quod finitimis externisque dari solet. 74) Feſtus s. v. Numerius. 75) Ich verdanke Savigny die einleuchtende Bemerkung daß aus Gewiſſensehen die, ungeachtet des abmahnenden Ge- ſetzes, doch ohne Zweifel geſchloſſen wurden, die plebeji- ſchen Familien patriciſcher Geſchlechter entſtanden ſeyn muͤſ- ſen, indem der Sohn in den Stand der Mutter trat. Hin- gegen, wenn vor dem Canulejiſchen Geſetz eine Patricierin ſich einem Plebejer verheirathete, blieb ihr Kind plebejiſch, weil jeder Patricier einem beſtimmten Geſchlecht ſeines Stan- des angehoͤren mußte. Wie noch ſpaͤter das Kind eines Frem- den und einer Buͤrgerin fremd war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/183
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/183>, abgerufen am 23.11.2024.