die Schuldigen durch gerichtliche Anklagen zur Strafe zu ziehen. Einstimmig vertraute die Gemeinde die Ent- scheidung den Wünschen und der Weisheit ihrer Freunde.
Auch die Faction der Decemvirn konnte nicht ge- gen den Frieden reden da ihre Achtserklärung nicht ge- fordert ward. Zwar auch diese würde nicht verweigert seyn, denn es ist offenbar daß in den Patriciern ein Gefühl von Ohnmacht erwacht war welches sie nöthigte unbedingt dem Volk zu weichen, und nur zu streben wie sie es besänftigen möchten. Die Decemvirn legten ihr Amt öffentlich nieder, und die Herstellung der ple- bejischen Freyheit ward als die erste Angelegenheit der Republik anerkannt. Die Ausgewanderten rückten be- waffnet in Rom ein: sie besetzten das Capitol 43): und versammelten sich dann, unter den Waffen, auf dem Aventinus zur Wahl ihrer Tribunen unter dem Vorsitz des Oberpontifex.
Ich habe hier Livius Erzählung ergänzt aus dem Bruchstück einer Darstellung dieser Revolution womit Cicero freylich dem Volk zu gefallen suchte, dennoch aber sie nicht ohne Annalen erdichtet haben kann. Bedenk- lich für diese ganze Geschichte ist daß er hier die ersten Abgeordneten des Senats, deren Sendung nach Livius fruchtlos war, als diejenigen nennt welche die Rückkehr der Plebs unterhandelt hätten. Wenn er dennoch L. Valerius Gesandtschaft und seine Verhältnisse zum Volk als historisch anerkannt hätte, so würde er an einem andern Ort nicht hierüber schweigen, und als den Be-
43) Cicero, Fragm. der Corneliana.
die Schuldigen durch gerichtliche Anklagen zur Strafe zu ziehen. Einſtimmig vertraute die Gemeinde die Ent- ſcheidung den Wuͤnſchen und der Weisheit ihrer Freunde.
Auch die Faction der Decemvirn konnte nicht ge- gen den Frieden reden da ihre Achtserklaͤrung nicht ge- fordert ward. Zwar auch dieſe wuͤrde nicht verweigert ſeyn, denn es iſt offenbar daß in den Patriciern ein Gefuͤhl von Ohnmacht erwacht war welches ſie noͤthigte unbedingt dem Volk zu weichen, und nur zu ſtreben wie ſie es beſaͤnftigen moͤchten. Die Decemvirn legten ihr Amt oͤffentlich nieder, und die Herſtellung der ple- bejiſchen Freyheit ward als die erſte Angelegenheit der Republik anerkannt. Die Ausgewanderten ruͤckten be- waffnet in Rom ein: ſie beſetzten das Capitol 43): und verſammelten ſich dann, unter den Waffen, auf dem Aventinus zur Wahl ihrer Tribunen unter dem Vorſitz des Oberpontifex.
Ich habe hier Livius Erzaͤhlung ergaͤnzt aus dem Bruchſtuͤck einer Darſtellung dieſer Revolution womit Cicero freylich dem Volk zu gefallen ſuchte, dennoch aber ſie nicht ohne Annalen erdichtet haben kann. Bedenk- lich fuͤr dieſe ganze Geſchichte iſt daß er hier die erſten Abgeordneten des Senats, deren Sendung nach Livius fruchtlos war, als diejenigen nennt welche die Ruͤckkehr der Plebs unterhandelt haͤtten. Wenn er dennoch L. Valerius Geſandtſchaft und ſeine Verhaͤltniſſe zum Volk als hiſtoriſch anerkannt haͤtte, ſo wuͤrde er an einem andern Ort nicht hieruͤber ſchweigen, und als den Be-
43) Cicero, Fragm. der Corneliana.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0158"n="142"/>
die Schuldigen durch gerichtliche Anklagen zur Strafe<lb/>
zu ziehen. Einſtimmig vertraute die Gemeinde die Ent-<lb/>ſcheidung den Wuͤnſchen und der Weisheit ihrer Freunde.</p><lb/><p>Auch die Faction der Decemvirn konnte nicht ge-<lb/>
gen den Frieden reden da ihre Achtserklaͤrung nicht ge-<lb/>
fordert ward. Zwar auch dieſe wuͤrde nicht verweigert<lb/>ſeyn, denn es iſt offenbar daß in den Patriciern ein<lb/>
Gefuͤhl von Ohnmacht erwacht war welches ſie noͤthigte<lb/>
unbedingt dem Volk zu weichen, und nur zu ſtreben<lb/>
wie ſie es beſaͤnftigen moͤchten. Die Decemvirn legten<lb/>
ihr Amt oͤffentlich nieder, und die Herſtellung der ple-<lb/>
bejiſchen Freyheit ward als die erſte Angelegenheit der<lb/>
Republik anerkannt. Die Ausgewanderten ruͤckten be-<lb/>
waffnet in Rom ein: ſie beſetzten das Capitol <noteplace="foot"n="43)">Cicero, Fragm. der Corneliana.</note>: und<lb/>
verſammelten ſich dann, unter den Waffen, auf dem<lb/>
Aventinus zur Wahl ihrer Tribunen unter dem Vorſitz<lb/>
des Oberpontifex.</p><lb/><p>Ich habe hier Livius Erzaͤhlung ergaͤnzt aus dem<lb/>
Bruchſtuͤck einer Darſtellung dieſer Revolution womit<lb/>
Cicero freylich dem Volk zu gefallen ſuchte, dennoch<lb/>
aber ſie nicht ohne Annalen erdichtet haben kann. Bedenk-<lb/>
lich fuͤr dieſe ganze Geſchichte iſt daß er hier die erſten<lb/>
Abgeordneten des Senats, deren Sendung nach Livius<lb/>
fruchtlos war, als diejenigen nennt welche die Ruͤckkehr<lb/>
der Plebs unterhandelt haͤtten. Wenn er dennoch L.<lb/>
Valerius Geſandtſchaft und ſeine Verhaͤltniſſe zum Volk<lb/>
als hiſtoriſch anerkannt haͤtte, ſo wuͤrde er an einem<lb/>
andern Ort nicht hieruͤber ſchweigen, und als den Be-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[142/0158]
die Schuldigen durch gerichtliche Anklagen zur Strafe
zu ziehen. Einſtimmig vertraute die Gemeinde die Ent-
ſcheidung den Wuͤnſchen und der Weisheit ihrer Freunde.
Auch die Faction der Decemvirn konnte nicht ge-
gen den Frieden reden da ihre Achtserklaͤrung nicht ge-
fordert ward. Zwar auch dieſe wuͤrde nicht verweigert
ſeyn, denn es iſt offenbar daß in den Patriciern ein
Gefuͤhl von Ohnmacht erwacht war welches ſie noͤthigte
unbedingt dem Volk zu weichen, und nur zu ſtreben
wie ſie es beſaͤnftigen moͤchten. Die Decemvirn legten
ihr Amt oͤffentlich nieder, und die Herſtellung der ple-
bejiſchen Freyheit ward als die erſte Angelegenheit der
Republik anerkannt. Die Ausgewanderten ruͤckten be-
waffnet in Rom ein: ſie beſetzten das Capitol 43): und
verſammelten ſich dann, unter den Waffen, auf dem
Aventinus zur Wahl ihrer Tribunen unter dem Vorſitz
des Oberpontifex.
Ich habe hier Livius Erzaͤhlung ergaͤnzt aus dem
Bruchſtuͤck einer Darſtellung dieſer Revolution womit
Cicero freylich dem Volk zu gefallen ſuchte, dennoch
aber ſie nicht ohne Annalen erdichtet haben kann. Bedenk-
lich fuͤr dieſe ganze Geſchichte iſt daß er hier die erſten
Abgeordneten des Senats, deren Sendung nach Livius
fruchtlos war, als diejenigen nennt welche die Ruͤckkehr
der Plebs unterhandelt haͤtten. Wenn er dennoch L.
Valerius Geſandtſchaft und ſeine Verhaͤltniſſe zum Volk
als hiſtoriſch anerkannt haͤtte, ſo wuͤrde er an einem
andern Ort nicht hieruͤber ſchweigen, und als den Be-
43) Cicero, Fragm. der Corneliana.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/158>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.