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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Gewalt: er wende sich an den Richterstuhl des Decem-
virs der auf dem Forum zu Gericht saß. Es war Ap-
pius Claudius selbst, der mit einem einzigen seiner Col-
legen in der Stadt geblieben war. Der angebliche Klä-
ger wiederhohlte das Mährchen, und forderte daß ihm
seine Sklavin zugesprochen werde.

Das Kind einer Sklavin gehörte dem Herrn der
Mutter zu eigen; wo er es fand, wenn es ihm heim-
lich oder unredlich vorenthalten war, konnte er es mit
unverjährtem Recht in Anspruch nehmen. Dadurch ge-
schah es häufig daß der persönliche Stand eines Bür-
gers streitig gemacht ward, oder ein vermeinter Bürger
die Freyheit verlohr. Nur ein Richterspruch konnte die
Frage zwischen dem anmaaßlichen Herrn und dem an-
geblichen Bürger entscheiden: bis dahin blieb dieser im
Besitz seiner persönlichen Rechte; doch, da Gefahr war
daß er, eben wenn die Forderung des Klägers gerecht war,
entfliehen würde, so mußte er Sicherheit stellen vor
dem Gericht erscheinen zu wollen.

Dieses Recht war in den zwölf Tafeln wiederhohlt:
sicher nicht durch sie bestimmt, denn wenn irgend eines
so gehörte dieses zu dem allgemeinen Rechte aller Völ-
ker (dem jus gentium), wie es sich allenthalben ent-
scheiden mußte, da Freyheit neben der Sklaverey am
höchsten gewürdigt wird. Am heiligsten aber mußte es
seyn wenn die Freyheit eines Weibs streitig gemacht
ward, denn eine Sklavin, oder die ihr Schicksal theilte,
war durch nichts gegen die äußerste Mißhandlung ge-
schützt. Aber eben deswegen sprach Appius Claudius

Gewalt: er wende ſich an den Richterſtuhl des Decem-
virs der auf dem Forum zu Gericht ſaß. Es war Ap-
pius Claudius ſelbſt, der mit einem einzigen ſeiner Col-
legen in der Stadt geblieben war. Der angebliche Klaͤ-
ger wiederhohlte das Maͤhrchen, und forderte daß ihm
ſeine Sklavin zugeſprochen werde.

Das Kind einer Sklavin gehoͤrte dem Herrn der
Mutter zu eigen; wo er es fand, wenn es ihm heim-
lich oder unredlich vorenthalten war, konnte er es mit
unverjaͤhrtem Recht in Anſpruch nehmen. Dadurch ge-
ſchah es haͤufig daß der perſoͤnliche Stand eines Buͤr-
gers ſtreitig gemacht ward, oder ein vermeinter Buͤrger
die Freyheit verlohr. Nur ein Richterſpruch konnte die
Frage zwiſchen dem anmaaßlichen Herrn und dem an-
geblichen Buͤrger entſcheiden: bis dahin blieb dieſer im
Beſitz ſeiner perſoͤnlichen Rechte; doch, da Gefahr war
daß er, eben wenn die Forderung des Klaͤgers gerecht war,
entfliehen wuͤrde, ſo mußte er Sicherheit ſtellen vor
dem Gericht erſcheinen zu wollen.

Dieſes Recht war in den zwoͤlf Tafeln wiederhohlt:
ſicher nicht durch ſie beſtimmt, denn wenn irgend eines
ſo gehoͤrte dieſes zu dem allgemeinen Rechte aller Voͤl-
ker (dem jus gentium), wie es ſich allenthalben ent-
ſcheiden mußte, da Freyheit neben der Sklaverey am
hoͤchſten gewuͤrdigt wird. Am heiligſten aber mußte es
ſeyn wenn die Freyheit eines Weibs ſtreitig gemacht
ward, denn eine Sklavin, oder die ihr Schickſal theilte,
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ſchuͤtzt. Aber eben deswegen ſprach Appius Claudius

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[133/0149] Gewalt: er wende ſich an den Richterſtuhl des Decem- virs der auf dem Forum zu Gericht ſaß. Es war Ap- pius Claudius ſelbſt, der mit einem einzigen ſeiner Col- legen in der Stadt geblieben war. Der angebliche Klaͤ- ger wiederhohlte das Maͤhrchen, und forderte daß ihm ſeine Sklavin zugeſprochen werde. Das Kind einer Sklavin gehoͤrte dem Herrn der Mutter zu eigen; wo er es fand, wenn es ihm heim- lich oder unredlich vorenthalten war, konnte er es mit unverjaͤhrtem Recht in Anſpruch nehmen. Dadurch ge- ſchah es haͤufig daß der perſoͤnliche Stand eines Buͤr- gers ſtreitig gemacht ward, oder ein vermeinter Buͤrger die Freyheit verlohr. Nur ein Richterſpruch konnte die Frage zwiſchen dem anmaaßlichen Herrn und dem an- geblichen Buͤrger entſcheiden: bis dahin blieb dieſer im Beſitz ſeiner perſoͤnlichen Rechte; doch, da Gefahr war daß er, eben wenn die Forderung des Klaͤgers gerecht war, entfliehen wuͤrde, ſo mußte er Sicherheit ſtellen vor dem Gericht erſcheinen zu wollen. Dieſes Recht war in den zwoͤlf Tafeln wiederhohlt: ſicher nicht durch ſie beſtimmt, denn wenn irgend eines ſo gehoͤrte dieſes zu dem allgemeinen Rechte aller Voͤl- ker (dem jus gentium), wie es ſich allenthalben ent- ſcheiden mußte, da Freyheit neben der Sklaverey am hoͤchſten gewuͤrdigt wird. Am heiligſten aber mußte es ſeyn wenn die Freyheit eines Weibs ſtreitig gemacht ward, denn eine Sklavin, oder die ihr Schickſal theilte, war durch nichts gegen die aͤußerſte Mißhandlung ge- ſchuͤtzt. Aber eben deswegen ſprach Appius Claudius

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/149>, abgerufen am 25.11.2024.