Römer wagten, schlugen sie an ihrer Gränze, und die römischen Befehlshaber suchten auch hier Sicherheit hinter Verschanzungen rückwärts im römischen Gebiet. Bey diesem Heer befand sich ein alter Krieger dessen Anblick den Decemvirn ihre Niederlage und ihre viel- fache Schuld vorwarf, und dessen unwillige Schmä- hungen ihren Zorn reizen mochten. Unermüdliche Kriegs- lust, selbst unter einer Oberherrschaft wie der verhaß- ten Decemvirn, muß L. Siccius Dentatus, dessen schon einmal gedacht ist, in dieses Heer geführt haben; denn sein Alter und sein beyspielloser Ruhm hätten ihn vom gezwungenen Dienst befreyt. In der ganzen Kriegsge- schichte Roms, in der die Schlachten dieses Zeitraums so unbedeutend erscheinen, ist ihm kein andrer Krieger jemals zu vergleichen gewesen, selbst nicht M. Sergius mit der eisernen Hand 39). L. Siccius hatte in 120 Gefechten gestritten, acht Feinde im Zweykampf erlegt; neun Triumphe begleitet, deren Siege er vor- züglich entschieden hatte: er zählte 45 Narben, keine auf dem Rücken, und an Ehrenzeichen und Belohnun- gen, Pferdegeschirr, Spießen, Halsketten, Armketten, den verschiedenen Kronen welche die Tapferkeit auszeich- neten, und andern Ehrengeschenken, eine fast unermeß-
39) Ueber diesen Helden siehe Plinius VII. c. 29. Sein Zeitalter war der hannibalische Krieg. Er gelangte nicht zum Consulat, und in der Prätur wollten ihn seine Collegen, wegen der Verstümmelungen die er für das Vaterland erlitten, von den Opfern ausschließen: eine merkwürdige Analogie mit dem mosaischen Gesetz.
Zweiter Theil. J
Roͤmer wagten, ſchlugen ſie an ihrer Graͤnze, und die roͤmiſchen Befehlshaber ſuchten auch hier Sicherheit hinter Verſchanzungen ruͤckwaͤrts im roͤmiſchen Gebiet. Bey dieſem Heer befand ſich ein alter Krieger deſſen Anblick den Decemvirn ihre Niederlage und ihre viel- fache Schuld vorwarf, und deſſen unwillige Schmaͤ- hungen ihren Zorn reizen mochten. Unermuͤdliche Kriegs- luſt, ſelbſt unter einer Oberherrſchaft wie der verhaß- ten Decemvirn, muß L. Siccius Dentatus, deſſen ſchon einmal gedacht iſt, in dieſes Heer gefuͤhrt haben; denn ſein Alter und ſein beyſpielloſer Ruhm haͤtten ihn vom gezwungenen Dienſt befreyt. In der ganzen Kriegsge- ſchichte Roms, in der die Schlachten dieſes Zeitraums ſo unbedeutend erſcheinen, iſt ihm kein andrer Krieger jemals zu vergleichen geweſen, ſelbſt nicht M. Sergius mit der eiſernen Hand 39). L. Siccius hatte in 120 Gefechten geſtritten, acht Feinde im Zweykampf erlegt; neun Triumphe begleitet, deren Siege er vor- zuͤglich entſchieden hatte: er zaͤhlte 45 Narben, keine auf dem Ruͤcken, und an Ehrenzeichen und Belohnun- gen, Pferdegeſchirr, Spießen, Halsketten, Armketten, den verſchiedenen Kronen welche die Tapferkeit auszeich- neten, und andern Ehrengeſchenken, eine faſt unermeß-
39) Ueber dieſen Helden ſiehe Plinius VII. c. 29. Sein Zeitalter war der hannibaliſche Krieg. Er gelangte nicht zum Conſulat, und in der Praͤtur wollten ihn ſeine Collegen, wegen der Verſtuͤmmelungen die er fuͤr das Vaterland erlitten, von den Opfern ausſchließen: eine merkwuͤrdige Analogie mit dem moſaiſchen Geſetz.
Zweiter Theil. J
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0145"n="129"/>
Roͤmer wagten, ſchlugen ſie an ihrer Graͤnze, und die<lb/>
roͤmiſchen Befehlshaber ſuchten auch hier Sicherheit<lb/>
hinter Verſchanzungen ruͤckwaͤrts im roͤmiſchen Gebiet.<lb/>
Bey dieſem Heer befand ſich ein alter Krieger deſſen<lb/>
Anblick den Decemvirn ihre Niederlage und ihre viel-<lb/>
fache Schuld vorwarf, und deſſen unwillige Schmaͤ-<lb/>
hungen ihren Zorn reizen mochten. Unermuͤdliche Kriegs-<lb/>
luſt, ſelbſt unter einer Oberherrſchaft wie der verhaß-<lb/>
ten Decemvirn, muß L. Siccius Dentatus, deſſen ſchon<lb/>
einmal gedacht iſt, in dieſes Heer gefuͤhrt haben; denn<lb/>ſein Alter und ſein beyſpielloſer Ruhm haͤtten ihn vom<lb/>
gezwungenen Dienſt befreyt. In der ganzen Kriegsge-<lb/>ſchichte Roms, in der die Schlachten dieſes Zeitraums<lb/>ſo unbedeutend erſcheinen, iſt ihm kein andrer Krieger<lb/>
jemals zu vergleichen geweſen, ſelbſt nicht M. Sergius<lb/>
mit der eiſernen Hand <noteplace="foot"n="39)">Ueber dieſen Helden ſiehe Plinius <hirendition="#aq">VII. c.</hi> 29. Sein<lb/>
Zeitalter war der hannibaliſche Krieg. Er gelangte nicht<lb/>
zum Conſulat, und in der Praͤtur wollten ihn ſeine<lb/>
Collegen, wegen der Verſtuͤmmelungen die er fuͤr das<lb/>
Vaterland erlitten, von den Opfern ausſchließen: eine<lb/>
merkwuͤrdige Analogie mit dem moſaiſchen Geſetz.</note>. L. Siccius hatte in<lb/>
120 Gefechten geſtritten, acht Feinde im Zweykampf<lb/>
erlegt; neun Triumphe begleitet, deren Siege er vor-<lb/>
zuͤglich entſchieden hatte: er zaͤhlte 45 Narben, keine<lb/>
auf dem Ruͤcken, und an Ehrenzeichen und Belohnun-<lb/>
gen, Pferdegeſchirr, Spießen, Halsketten, Armketten,<lb/>
den verſchiedenen Kronen welche die Tapferkeit auszeich-<lb/>
neten, und andern Ehrengeſchenken, eine faſt unermeß-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Zweiter Theil. J</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[129/0145]
Roͤmer wagten, ſchlugen ſie an ihrer Graͤnze, und die
roͤmiſchen Befehlshaber ſuchten auch hier Sicherheit
hinter Verſchanzungen ruͤckwaͤrts im roͤmiſchen Gebiet.
Bey dieſem Heer befand ſich ein alter Krieger deſſen
Anblick den Decemvirn ihre Niederlage und ihre viel-
fache Schuld vorwarf, und deſſen unwillige Schmaͤ-
hungen ihren Zorn reizen mochten. Unermuͤdliche Kriegs-
luſt, ſelbſt unter einer Oberherrſchaft wie der verhaß-
ten Decemvirn, muß L. Siccius Dentatus, deſſen ſchon
einmal gedacht iſt, in dieſes Heer gefuͤhrt haben; denn
ſein Alter und ſein beyſpielloſer Ruhm haͤtten ihn vom
gezwungenen Dienſt befreyt. In der ganzen Kriegsge-
ſchichte Roms, in der die Schlachten dieſes Zeitraums
ſo unbedeutend erſcheinen, iſt ihm kein andrer Krieger
jemals zu vergleichen geweſen, ſelbſt nicht M. Sergius
mit der eiſernen Hand 39). L. Siccius hatte in
120 Gefechten geſtritten, acht Feinde im Zweykampf
erlegt; neun Triumphe begleitet, deren Siege er vor-
zuͤglich entſchieden hatte: er zaͤhlte 45 Narben, keine
auf dem Ruͤcken, und an Ehrenzeichen und Belohnun-
gen, Pferdegeſchirr, Spießen, Halsketten, Armketten,
den verſchiedenen Kronen welche die Tapferkeit auszeich-
neten, und andern Ehrengeſchenken, eine faſt unermeß-
39) Ueber dieſen Helden ſiehe Plinius VII. c. 29. Sein
Zeitalter war der hannibaliſche Krieg. Er gelangte nicht
zum Conſulat, und in der Praͤtur wollten ihn ſeine
Collegen, wegen der Verſtuͤmmelungen die er fuͤr das
Vaterland erlitten, von den Opfern ausſchließen: eine
merkwuͤrdige Analogie mit dem moſaiſchen Geſetz.
Zweiter Theil. J
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/145>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.