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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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würde, das feindliche Heer mit einer verschanzten Linie
zu umringen. Als es hell ward, zog sich der Consul in
das Lager zurück, und die Aequer sahen sich ringsum von
einer Linie eingeschlossen, welche sie zu durchbrechen nicht
vermochten. Ermüdung von ununterbrochnen Gefechten,
und Hunger zwangen sie um ihr Leben zu bitten. Es ward
ihnen befohlen alle Waffen niederzulegen, und im Unter-
kleide ganz wehrlos unter dem Joch abzuziehen; eine De-
müthigung, die dem Sieger den Genuß gewährte die Zahl
der Entlassenen zu erfahren, und den Vortheil, sich von
ihrer völligen Entwaffnung zu überzeugen, und den lan-
gen wehrlosen Zug zu zerstreuen. Um diesen schweren
Preis erkaufte Gracchus Clölius das Leben und die Frey-
heit der Soldaten: er selbst und seine Obersten mußten
sich den Römern überliefern, die sie in Ketten zum Tri-
umphe und zum Tode nach der Stadt führten. Die
Stadt Corbio mußte als Lösegeld für das Leben der Ent-
lassenen geräumt werden. Am Triumphe des Dictators
und an der Beute nahmen der Consul und sein Heer keinen
Antheil, jener ward seiner Würde entsetzt: doch begrüß-
ten er und das Heer ihren Retter als Patron, und reich-
ten ihm einen goldenen Kranz, ein Pfund schwer. Der
Tag des Triumphs war der festlichste für das ganze Volk:
alle bewehrte Männer waren ausgezogen gewesen, und bey
dem Einzug wurden die Heimkehrenden vor allen Häu-
sern bewirthet. Am sechszehnten Tage nach seiner Er-
nennung legte L. Cincinnatus die Dictatur nieder.

Wer sich überzeugt hat daß die reicheren Erzählungen
der ältesten römischen Geschichte aus Liedern entstanden

Zweiter Theil. G

wuͤrde, das feindliche Heer mit einer verſchanzten Linie
zu umringen. Als es hell ward, zog ſich der Conſul in
das Lager zuruͤck, und die Aequer ſahen ſich ringsum von
einer Linie eingeſchloſſen, welche ſie zu durchbrechen nicht
vermochten. Ermuͤdung von ununterbrochnen Gefechten,
und Hunger zwangen ſie um ihr Leben zu bitten. Es ward
ihnen befohlen alle Waffen niederzulegen, und im Unter-
kleide ganz wehrlos unter dem Joch abzuziehen; eine De-
muͤthigung, die dem Sieger den Genuß gewaͤhrte die Zahl
der Entlaſſenen zu erfahren, und den Vortheil, ſich von
ihrer voͤlligen Entwaffnung zu uͤberzeugen, und den lan-
gen wehrloſen Zug zu zerſtreuen. Um dieſen ſchweren
Preis erkaufte Gracchus Cloͤlius das Leben und die Frey-
heit der Soldaten: er ſelbſt und ſeine Oberſten mußten
ſich den Roͤmern uͤberliefern, die ſie in Ketten zum Tri-
umphe und zum Tode nach der Stadt fuͤhrten. Die
Stadt Corbio mußte als Loͤſegeld fuͤr das Leben der Ent-
laſſenen geraͤumt werden. Am Triumphe des Dictators
und an der Beute nahmen der Conſul und ſein Heer keinen
Antheil, jener ward ſeiner Wuͤrde entſetzt: doch begruͤß-
ten er und das Heer ihren Retter als Patron, und reich-
ten ihm einen goldenen Kranz, ein Pfund ſchwer. Der
Tag des Triumphs war der feſtlichſte fuͤr das ganze Volk:
alle bewehrte Maͤnner waren ausgezogen geweſen, und bey
dem Einzug wurden die Heimkehrenden vor allen Haͤu-
ſern bewirthet. Am ſechszehnten Tage nach ſeiner Er-
nennung legte L. Cincinnatus die Dictatur nieder.

Wer ſich uͤberzeugt hat daß die reicheren Erzaͤhlungen
der aͤlteſten roͤmiſchen Geſchichte aus Liedern entſtanden

Zweiter Theil. G
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[97/0113] wuͤrde, das feindliche Heer mit einer verſchanzten Linie zu umringen. Als es hell ward, zog ſich der Conſul in das Lager zuruͤck, und die Aequer ſahen ſich ringsum von einer Linie eingeſchloſſen, welche ſie zu durchbrechen nicht vermochten. Ermuͤdung von ununterbrochnen Gefechten, und Hunger zwangen ſie um ihr Leben zu bitten. Es ward ihnen befohlen alle Waffen niederzulegen, und im Unter- kleide ganz wehrlos unter dem Joch abzuziehen; eine De- muͤthigung, die dem Sieger den Genuß gewaͤhrte die Zahl der Entlaſſenen zu erfahren, und den Vortheil, ſich von ihrer voͤlligen Entwaffnung zu uͤberzeugen, und den lan- gen wehrloſen Zug zu zerſtreuen. Um dieſen ſchweren Preis erkaufte Gracchus Cloͤlius das Leben und die Frey- heit der Soldaten: er ſelbſt und ſeine Oberſten mußten ſich den Roͤmern uͤberliefern, die ſie in Ketten zum Tri- umphe und zum Tode nach der Stadt fuͤhrten. Die Stadt Corbio mußte als Loͤſegeld fuͤr das Leben der Ent- laſſenen geraͤumt werden. Am Triumphe des Dictators und an der Beute nahmen der Conſul und ſein Heer keinen Antheil, jener ward ſeiner Wuͤrde entſetzt: doch begruͤß- ten er und das Heer ihren Retter als Patron, und reich- ten ihm einen goldenen Kranz, ein Pfund ſchwer. Der Tag des Triumphs war der feſtlichſte fuͤr das ganze Volk: alle bewehrte Maͤnner waren ausgezogen geweſen, und bey dem Einzug wurden die Heimkehrenden vor allen Haͤu- ſern bewirthet. Am ſechszehnten Tage nach ſeiner Er- nennung legte L. Cincinnatus die Dictatur nieder. Wer ſich uͤberzeugt hat daß die reicheren Erzaͤhlungen der aͤlteſten roͤmiſchen Geſchichte aus Liedern entſtanden Zweiter Theil. G

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/113>, abgerufen am 22.11.2024.