nen mit ungewöhnlichem Pomp gefeyert: wie von den an- dern nahen Völkern war eine Menge Volsker nach Rom gekommen um dies Schauspiel zu genießen. Tullus warnte die Consuln heimlich vor sinnlosen Unternehmun- gen unbesonnener Jünglinge unter seinen Mitbürgern, welche durch schändliche Verletzung des Gastrechts Krieg zwischen den Völkern zu entzünden trachteten: um die Ahndung solcher Vergehungen durch die römischen Waffen von seinem Vaterlande abzuwenden, beschwor er die Con- suln auf Störung des Fests gefaßt zu seyn, und wo mög- lich ihr vorzubeugen. Auf diese trügerische Angabe ward ausgerufen daß alle Volsker sofort, und vor dem Anfang der Spiele Rom verlassen sollten. Diese Schmach erbit- terte auch die friedlichsten Gemüther: die gesammte Na- tion beschloß Krieg gegen Rom und die Latiner, und der Oberbefehl ward Attius Tullus, und seinem Gastfreund dem Römischen Verbannten C. Marcius übertragen.
Die Geschichte dieses Kriegs gehört zu dem Unbegreif- lichsten der ältern römischen Geschichte. Von Circeji, der äußersten vom König Tarquinius im Pomptinischen Ge- biet gegründeten Colonie, deren Römische Einwohner Co- riolanus vertrieb, und die Stadt dem Volskerbunde ver- einigte, bis Lavinium, Roms Stammort, und bis an Coriolanus letztes Lager am Cluilischen Graben, fünf Millien vor Rom, fällt jede Stadt vor der er erscheint: kein Römisches, kein Latinisches Heer, kein Versuch die angegriffenen Städte zu retten, wird auch nur erwähnt. Es ist das unwiderstehliche Einströmen eines Heers vor dem Schrecken, Betäubung und Erstarrung hergehen,
nen mit ungewoͤhnlichem Pomp gefeyert: wie von den an- dern nahen Voͤlkern war eine Menge Volsker nach Rom gekommen um dies Schauſpiel zu genießen. Tullus warnte die Conſuln heimlich vor ſinnloſen Unternehmun- gen unbeſonnener Juͤnglinge unter ſeinen Mitbuͤrgern, welche durch ſchaͤndliche Verletzung des Gaſtrechts Krieg zwiſchen den Voͤlkern zu entzuͤnden trachteten: um die Ahndung ſolcher Vergehungen durch die roͤmiſchen Waffen von ſeinem Vaterlande abzuwenden, beſchwor er die Con- ſuln auf Stoͤrung des Feſts gefaßt zu ſeyn, und wo moͤg- lich ihr vorzubeugen. Auf dieſe truͤgeriſche Angabe ward ausgerufen daß alle Volsker ſofort, und vor dem Anfang der Spiele Rom verlaſſen ſollten. Dieſe Schmach erbit- terte auch die friedlichſten Gemuͤther: die geſammte Na- tion beſchloß Krieg gegen Rom und die Latiner, und der Oberbefehl ward Attius Tullus, und ſeinem Gaſtfreund dem Roͤmiſchen Verbannten C. Marcius uͤbertragen.
Die Geſchichte dieſes Kriegs gehoͤrt zu dem Unbegreif- lichſten der aͤltern roͤmiſchen Geſchichte. Von Circeji, der aͤußerſten vom Koͤnig Tarquinius im Pomptiniſchen Ge- biet gegruͤndeten Colonie, deren Roͤmiſche Einwohner Co- riolanus vertrieb, und die Stadt dem Volskerbunde ver- einigte, bis Lavinium, Roms Stammort, und bis an Coriolanus letztes Lager am Cluiliſchen Graben, fuͤnf Millien vor Rom, faͤllt jede Stadt vor der er erſcheint: kein Roͤmiſches, kein Latiniſches Heer, kein Verſuch die angegriffenen Staͤdte zu retten, wird auch nur erwaͤhnt. Es iſt das unwiderſtehliche Einſtroͤmen eines Heers vor dem Schrecken, Betaͤubung und Erſtarrung hergehen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0459"n="437"/>
nen mit ungewoͤhnlichem Pomp gefeyert: wie von den an-<lb/>
dern nahen Voͤlkern war eine Menge Volsker nach Rom<lb/>
gekommen um dies Schauſpiel zu genießen. Tullus<lb/>
warnte die Conſuln heimlich vor ſinnloſen Unternehmun-<lb/>
gen unbeſonnener Juͤnglinge unter ſeinen Mitbuͤrgern,<lb/>
welche durch ſchaͤndliche Verletzung des Gaſtrechts Krieg<lb/>
zwiſchen den Voͤlkern zu entzuͤnden trachteten: um die<lb/>
Ahndung ſolcher Vergehungen durch die roͤmiſchen Waffen<lb/>
von ſeinem Vaterlande abzuwenden, beſchwor er die Con-<lb/>ſuln auf Stoͤrung des Feſts gefaßt zu ſeyn, und wo moͤg-<lb/>
lich ihr vorzubeugen. Auf dieſe truͤgeriſche Angabe ward<lb/>
ausgerufen daß alle Volsker ſofort, und vor dem Anfang<lb/>
der Spiele Rom verlaſſen ſollten. Dieſe Schmach erbit-<lb/>
terte auch die friedlichſten Gemuͤther: die geſammte Na-<lb/>
tion beſchloß Krieg gegen Rom und die Latiner, und der<lb/>
Oberbefehl ward Attius Tullus, und ſeinem Gaſtfreund<lb/>
dem Roͤmiſchen Verbannten C. Marcius uͤbertragen.</p><lb/><p>Die Geſchichte dieſes Kriegs gehoͤrt zu dem Unbegreif-<lb/>
lichſten der aͤltern roͤmiſchen Geſchichte. Von Circeji, der<lb/>
aͤußerſten vom Koͤnig Tarquinius im Pomptiniſchen Ge-<lb/>
biet gegruͤndeten Colonie, deren Roͤmiſche Einwohner Co-<lb/>
riolanus vertrieb, und die Stadt dem Volskerbunde ver-<lb/>
einigte, bis Lavinium, Roms Stammort, und bis an<lb/>
Coriolanus letztes Lager am Cluiliſchen Graben, fuͤnf<lb/>
Millien vor Rom, faͤllt jede Stadt vor der er erſcheint:<lb/>
kein Roͤmiſches, kein Latiniſches Heer, kein Verſuch die<lb/>
angegriffenen Staͤdte zu retten, wird auch nur erwaͤhnt.<lb/>
Es iſt das unwiderſtehliche Einſtroͤmen eines Heers vor<lb/>
dem Schrecken, Betaͤubung und Erſtarrung hergehen,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[437/0459]
nen mit ungewoͤhnlichem Pomp gefeyert: wie von den an-
dern nahen Voͤlkern war eine Menge Volsker nach Rom
gekommen um dies Schauſpiel zu genießen. Tullus
warnte die Conſuln heimlich vor ſinnloſen Unternehmun-
gen unbeſonnener Juͤnglinge unter ſeinen Mitbuͤrgern,
welche durch ſchaͤndliche Verletzung des Gaſtrechts Krieg
zwiſchen den Voͤlkern zu entzuͤnden trachteten: um die
Ahndung ſolcher Vergehungen durch die roͤmiſchen Waffen
von ſeinem Vaterlande abzuwenden, beſchwor er die Con-
ſuln auf Stoͤrung des Feſts gefaßt zu ſeyn, und wo moͤg-
lich ihr vorzubeugen. Auf dieſe truͤgeriſche Angabe ward
ausgerufen daß alle Volsker ſofort, und vor dem Anfang
der Spiele Rom verlaſſen ſollten. Dieſe Schmach erbit-
terte auch die friedlichſten Gemuͤther: die geſammte Na-
tion beſchloß Krieg gegen Rom und die Latiner, und der
Oberbefehl ward Attius Tullus, und ſeinem Gaſtfreund
dem Roͤmiſchen Verbannten C. Marcius uͤbertragen.
Die Geſchichte dieſes Kriegs gehoͤrt zu dem Unbegreif-
lichſten der aͤltern roͤmiſchen Geſchichte. Von Circeji, der
aͤußerſten vom Koͤnig Tarquinius im Pomptiniſchen Ge-
biet gegruͤndeten Colonie, deren Roͤmiſche Einwohner Co-
riolanus vertrieb, und die Stadt dem Volskerbunde ver-
einigte, bis Lavinium, Roms Stammort, und bis an
Coriolanus letztes Lager am Cluiliſchen Graben, fuͤnf
Millien vor Rom, faͤllt jede Stadt vor der er erſcheint:
kein Roͤmiſches, kein Latiniſches Heer, kein Verſuch die
angegriffenen Staͤdte zu retten, wird auch nur erwaͤhnt.
Es iſt das unwiderſtehliche Einſtroͤmen eines Heers vor
dem Schrecken, Betaͤubung und Erſtarrung hergehen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/459>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.